Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 02, 1890, Page 3, Image 3

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    l? a l e s c a.
(8. Fortsetzung.
Sechzehntes Capitel.
Tin äußersten Nordende des Vororts
zieht sich eine Reihe schmuckloser Häuser,
in dem vor Jahren in der Residenz
selbst noch üblichen unschönen, einför
migen Stil erbaut, hin. Drei bis vier
Stockwerk hoch, gleichen diefe Gebäude
in ihrer äußern Front nur glatten
Wänden, in denen zahlreiche Fensteröff
nungen gleichmäßig angebracht sind.
Sie entbehre» eines Portiers. Kleinere
Handelsleute bewohnen das Kellerge
geschoß, die mit Backwaren oder Ge
müse, mit Milch. Eiern nnd Bier einen
Kramhandcl treiben —BictualienkcUer,
die sich als solche durch eiu gemaltes
viereckiges Schild über der halb iu der
Erde stehende» Eingaiigsthür ankündi
gt-
Um dieses Schild nicht mit der Stirn
zu berühren, muß der die EingangS
stuseu Hinabsteigende sich bücken. Die
Malerei des Schildes stellt Schrippen
und Brot, angeschnittene Schinken und
ein überschüliniendcö riesiges Glas des
unter dem Namen „kühle Blonde" be
kannten Weißbiers verlockend dar. Die
übrige» Räume sind vermiethet an
„ruhige Leute", Handwerker, Familien
il-iner cmcritirter Beamten, unbedeu
tende Rentiers, ältere, wenig bemittelte
Damen, mich wohl ärmere Gelehrte und
Schriftsteller.
In einem dieser Häuser wohnte seit
kaum Jahresfrist der Rentier Hünernest
still und von wenigen, selbst von seinen
Hausgenossen, kaum gekannt. Er zeigte
dürfnisse uud entnahm die unentbehr
liche Kost aus dem im Erdgeschoß be
findlichen Speisekeller. Die Fenster
seiner zu ebener Erde belegenen Woh
nung waren nachts durch feste Läden,
tagsüber durch rothe Zitzgardiuen dicht
verhangen, dergestalt, daß den Blicken
vorübergehender Neugieriger ein un
durchdringliches Hinderniß bereitet war.
Herr Philipp Hünernest war ein
Mann in seinen besten Jahren, vielleicht
etwa dreißig Jahre alt. Man wußte,
daß er vermögend war nnd das Glück
gehabt hatte, sich srühzeitig zur Ruhe
setzen zu können. Er trug sich zwar
nicht sehr sanber und schien besonders
gegen weiße leinene Wäsche ein Vorur-
Iheil zu haben. Dagegen war er dein
System Jäger ans voller Ueberzeugung
zugethan. Anf seinem wollenen Hemd
war ein weiß und roth gestreifter Kra
gen befestigt. Die Weste von braunem
Plüsch mit großen Hornknöpsen reichte,
vollständig zugeknöpft, bis zum Halse.
Ihre dunkle Schattirung hob die dicke
goldene Uhrkette noch ausfallender her
vor, welche die Brust zierte. Eiu der
bes kurzes Jaquet verrieth, daß die
Beine etwas nach innen gekrümmt
waren. Tie Bekleidung der letzter»
verschwand in den gelben Stulpen der
Stiefel. Ei» dichter Haarwuchs reichte
bis i» die niedere Stirn nnd ließ im
len Backenbart das kleine runde und ge
röthete Gesicht mit dem breiten Mnnde
und den nnler buschigen Braue» listig
hervorblitzeiide» Auge» noch kleiner er
scheinen. Nur das auSrssirte Kinn nnd
die etwas vorspringende Oberlippe -ra
te» schärser hervor. Tie behaarte»
Finger der braunen Hände waren mit
einer großen Anzahl Ringe geschmückt,
deren Steine sreilich anf Echtheit keinen
durch später betriebenen Sklavenhandel
wohlhabend geworden sein. Sein Kör
per zeugt von großer, nngeschwächter
Muskelkraft. Er bewohnt die Par
scin Bett, die Reinigung seiner Kleider
nnd iciner Zimmer. Bei ihr speist er
und vou ihr entnimmt er seine Getränke,
Cigarren nnd Tabak. Amalie Hagele
ist srüher schön gewesen. Ihre einst
schlanke Gestalt ist hager, ihre Hüften
sind schmal. Ihre Gesichtszüge sind
jetzt sreilich scharf, die Angenknochen
hektisch geröther, die Augen aber voller
Glanz. Das linke steht zu dem rechten
iu einem elwaS gezwungenen Verhält
lockigen Gründergardinen kanm.zn er
kennen. Wäre die falsche Haartracht
nicht, so wäre eine quer über die Stirn
lausende rothe Narbe bemerkbar sie
rührt vou einem Schlage her, welche»
vor Jahren ihr Seliger der schöne»
Fra» Amalie auS Zorn und Eifersucht
mit einem scharsen Instrumente zngejügt
hat. Frau Amalie Hagele besitzt zwei
reizende Töchter, die eine etwa zwanzig,
die audere zweinndzwanzig Jahre alt,
welche dann und wann im »eiler zu
sehen sind, meistens aber in Berlin, jede
in einer besonderen Wohnung, sich auf
halte». Sie zeichnen sich durch die feinsten
Toiletten aus. Böse Nachbarn der Mut
ter Amalie behaupten, daß die älteste
dieser Töchter, Flora mit Namen, die
ihrer natürlichen Schönheit durch seines
Roth ans den Wangen und schwarze
Tusche der Augenbrauen nachziihclsen
versteht, ein zartes Verhältniß i»il
Herrn Hünernest hat.
ES war im November.
Ein trüber, von niedrig ziehende»
Regenwolken verschleierter Himmel hatte
deu kurze» Tag zwischen Morgengrauen
nnd Abenddämmerung kaum zur Gel
tuug kommen lassen. Es war einsam in
dein Vororte, wenig Leben auf dem
Straßen. Tie Gasflammen der Later
nen, ängstlich hin nnd herslatternd, be
leuchteten nur dann und wann eine un
ter dem ausgespannten Regenschirm
rasch vorübevschreitende und auf den
feuchten Pflaster sich spiegelnde dunkle
Menscheiigestalt. Nach zehn Uhr Abends
löschte Mutter Amalie ihre Lampe im
Keller ans, gähnte nnd öffnete dann mit
Schlüssel die Hausthür, die zum Erd
geschoß führt. Gleich darauf stahl sich
durch eine vernachlässigte Ritze des einen
Fensterladens ein dünner Strahl, Ivel
cher bewies, daß im Innern obwohl
Hünernest gegen nenn Uhr Abends ans
gegangen war Licht angezündet sein
mußte. Mutter Amalie hatte sür dies:
Beleuchtung gesorgt, setzte sich dann auf
dem mit geblümten Kattnn überzogenen
Sofa zurecht und wickelte das große,
aus himmelblauem Wollgarn gefertigte
Umschlagtuch dichter um ihre Schultern.
ES war auch iu der That keineswegs
behaglich warm in dem Zimmer: eine
dichtere Umhüllung machte den Znstand
etwas erträglicher. Spät wird eS wer
den, mnrmelte die abgespannte nnd er
müdete Handeisfcau vor sich hin, schob
einen dunklen Papierschirm über die an
gezündete Petroleumlampe, zog die mit
Schnürstiefeln bekleideten großen Füße
gekrümmt in sich, rückte sich ein Kissen
unter den Kops, und bald verkündeten
ihre heißen Athemzüge, daß der Schlaf
sie übermannt hatte. Dieser Schlaf
war nicht fest, vielmehr unruhig uud
häufig unterbrochen. Amalie Hagele
fuhr ans demselben zuweilen plötzlich
empor nnd horchte. Der Regen ranschte
dranßeü, der Wind ächzte. Sie rückte
sich dann wieder zurecht und suchte von
neuem den Schlaf.
ES geht gegen Morgen, sagte sie,
wenn nur kein Unheil halt, da
sind sie!
Ihr feines Ohr hatte das Umdrehen
eines Schlüssels im Hausthürschloß und
das leise Geräusch, welches das Oesfnen
der Hausthür verursachte, wahrgenom
men. Sie sprang auf und eilte, in das
Nebenzimmer, welches nach dem Hofe
hinaus lag, durch die vor dem Fenster
sich erstreckende Hoiniancr verdunkelt
war und von niemand eingesehen wer
den konnte.
In demselben Augenblick trat vom
Hausflur aus Hüuernest in Begleitung
eines zweiten Mannes in das Hinter
»icn durchnäßt nnd schüttelten, nachdem
ein jeder von ihnen ein schweres Bün
del, welches er trug, abgelegt hatte, den
faßte die Handelsfrau zärtlich um die
Hüfte, wurde aber von ihr mit den Wor
ten zurückgestoßen: Pfui, die garstigen
Kerle bringen einen ganzen See von
Regenwasser mit!
Meine liebe Amalie, entgegnete Hü
nernest, jeine heisere Stimme zu einem
Trocknen,wenn wir nicht arbeiten. Schere
dich in die Küche, bring heißes Wasser,
Run« und Zucker, unsere Kehlen sind das
einzige, was trocken au uns ist.
Der zweite Man» hatte früher in ei
ner Druckerei als Setzer Dienste gethan.
Man nannte ihn deshalb schlechthin
Drucker, zuweilen auch Drücker, weil er
ben, sich aus dem Felde zu drücken.
Er war ein kleiner, bartloser Mann,
völliz kahlköpfig, vou graner Gesichts
farbe. Wenn er ansrecht stand, so wa
daß die ausgestreckten Hände fast die
Fußknöchel erreichten. Seine Nase war
spitz und hing, wie bei dem Truthahn
über die nnsörmlich dicke Oberlippe.
Wo habt Ihr den Seidenen? fragte
Fran Hagele. Sein Kragen ist doch steis
geblieben?
Der Seidene liegt ihr sehr am Her
zen, murrte der Drucker und richtete ei
nen jinsterenßlick auf dieWittwe mehr
als der Rentier und alle andern. Der
verdammt vornehme Hund! Alles ver
steht er besser und ist klüger als König
Salomo. Er soll sich in Acht nehmen!
Hünernest lachte. Drücker ist eisersüch
tig, spottete er. Freilich hebt ilm der
Seidene bei Josephine und Mutter
Amalie aus dem Sattel. Er ist seiner
nnd gebildeter als Trucker. Geh,
geh, Amalie, dein Kind Josephine kann
sich trösten, er wird nicht ausbleibe».
Bring die Gläser mit!
Fran Hagele hatte die Gewohnheit,
wenn sie nichts zn erwidern sand, leise
vor sich hin zu schimpfen. Dabei ge
brauchte sie die seltsamsten Ausdrücke
nnd ihre GesichtsmuSkeln geriethen in
unwillkürliche Zuckungen. Distelkopf,
rothe Schabracke, Buchfink, verslixier
Hnsarcnichnftsetzer! sprudelte sie hervor
und schnitt ihre wunderbaren Gesichter,
während sie, dem Besehle des Rentiers
Folge leistend, sich in die Küche begab.
Beide Männer, welche diese Ange
wohnheit kannten, lachten. Der Hu
sarenschristsetzer bist Tu, Drücker, sagte
Hünernest' indem er die Knoten des von
ihm bereiiigebrachten Bündels löste.
Aus diesem Bündel holte der Rentier
verschiedenes Eisengeräthe, mehrere
Steinmcisen, einen Centrumbohrer nnd
Laubsäge» hervor. Tas zweite Bün
dcl, welches Trücker gebracht hatte und
welches Hünernest cbensalls öffnete, ent
äth, Leuchter, Üauneu, Lössel, zwei
große Poeale, »uchenkörbe und Schüs
seln.
Als Frau Hagele, einen dampfenden
Wasserkessel und zwei große Flaschen
Arae tragend, wieder eintrat, setzte sie
bückte: Je, der Silberschatz! In wel
cher Kirche seid Ihr gewesen?
Sie betastete dann jeden einzelnen
Gegenstand und wog ihn in der Hand.
Schwer, sehr schwer! murmelte sie.
Hünernest, der wenig zu sprechen ge
wohnt war, nahm die Gegenstände, die
jene sortsetzte, und zerschlug sie mit
einem großen Hammer zu unförmlichen
Massen, wobei ihm Drücker behilflich
war.
Schändlich, schändlich! eiferte die Hö
kerin. Laßt wenigstens die prachtvollen
Knchenkörbe heil!
Nichts da! herrschte Hünernest ihr
mürrisch zu. Ohne Ausnahme. Aber
hier! DaS ist für die schöne Flora
ein Andenken. Er zog aus der Tasche
eiu seines Etni uud überreichte es der
Krau Hagele.
Diese öffnete eS m!i habgierigen
Blicken hastig.
Eiu Paar gold:'.?r Ohrgehänge mil
kastbaren Steine» blitzten ihr entgegen.
Alle Hagel! rief sie und konnte ihre
Augen von dem Schmucke nicht abwen
den rothe Schabracke! Vsui, pfui!
Und ihre GesichtSmuskelu führten einen
wahren Hexentanz anf.
Ein leises Geräusch, welches vom
Vorderzimnicr her si.h bemcrklich machrc,
störte die weitere Betrachtung. Hüuer
nest schrob die Lampe zurück uud die drei
anwesenden Personen hielten den Athem
an. Der Drücker nahm ein mächtiges
Stemmeisen zur Hand.
Das Geräusch wiederholte sich. Es
war, als ob Jemand leise mit dem Fin
gernagel an dem verschlossenen Fenster
laden des BorderzimmerS kra^e.
Mach aus, Katze! sagte Hünernest
es ist der Seidene.
Die Hagele schlich über den finsteren
Hausflur uud horchte scharf an der
Thür, ehe sie öffnete. Ein jüngerer
Mann, den Regen von seinem moder
nen Jaqnet und der Jockeymütze schüt
telnd, trat ein. Der Herr Rentier?
fragte er.
Frau Hagele zeigte nach der Hinter
ftube und folgte jenem dorthin „ach.
Inzwischen hatte der Drücker die zwei
Flaschen Arae in den Kessel voll heißen
Wassers gegossen. Zucker, du miserable
Katze! rief er der eintretenden Frau
Hagele entgegen.
Da muß ich erst in meinem Kanf
mannSladen steigen,versetzte die Hagele.
Hab Geduld!
Weg mit dem Trödel in den Kasten!
sagte der Rentier, den Silberschatz zu
sammenschiebend. Dann kniete er nieder
und hob die Diele neben dem Ofen anf.
MoseS kommt morgen zu den Prophe
ten und lehrt sie Psalmen singen. Bis
dahin müssen sie sicher sein.
Unterhalb der aufgehobenen Diele
zeigten sich drei bis vier ziemlich hohe
Stufen, die in ein kleines, kellerartiges
Gewölbe führte». Dorthin schaffte
Hünernest die Silbersache» nnd das ei
serne Werkzeug, während der Drücker
mit den schmutzigen Händen seiner lan
genArmc die Lampe Hochhielt und lench
tele. In dem Gewölbe befanden sich
die verschiedenartigsten Handelsartikel,
Betten, Leinenwaaren, seidene Stosse,
Waffen über und durcheinander geschieh
tet.Der Strahl deeLampe bele»chteteila
steii nnd Koffer, die in den Ecken des
Gewölbes umhcrstanden.
Als diese Arbeit stillschweigend vol
lendet und das Gewölbe wieder geschlos
sen war, setzten die drei Männer und
Frau Hagele, welche den verlangten
Zucker und Gläser gebracht hatte, sich
um den nur noch anf dem Tische ver
bliebenen Kessel voll Grog und tranken
von dem heißen Getränke in vollen Zü
gen.
Das wird ein Glanz werden, sagte
der Rentier. Alle Zeitungen werden
posaunen. Ich gehe morgen zu Kanzler
und lese die Blätter. Das macht mir
Spaß.
Ich gehe nicht, ich schlafe wie ein
Mnrmelthier, meinte Drücker die
Arbeit war hart. Ich bin nicht mehr
jung und mnß mich bald znr Ruhe fet
zen.'
Setzen lassen, in Plötzensee, sagte die
Hagele giftig, rothe Schabracke, Distel
und Dornen.
Still, dn » atze. Aergere den Drücker
nicht! Hünernest hielt die Faust Drückers
zurück, die im Begriffe war, die Rase
der Frau Hagele i>r Teig zu verwan
deln.
Ruhe im Reich! sagte der dritte, der
Seidene genannt, dessen Stimme und
Manieren die eines aus wohlhabenden
Kreisen herabgekoinmenen Menschen wa
ren, die Zeiten sind nicht kriegerisch, alle
großen Männer haben sehr liebevolle
Gesinnungen, die Kriege sind abgeschafft,
der Weltsritde ist gesichert, die Republi
ken werden vernichtet, die Schweiz und
Frankreich erhalten ihre Könige. Alle
Soeialdemokratc» kann man dann mit
Leichtigkeit hängen. Nnr die bessern
Stände bleiben übrig. Kein Gesindel,
keine Sklaven, keine Armen mehr, bis
durch Secession ans den höheren Gesell
schastSklassen das Gesindel sich wieder
herangebildet hat, was nicht auS
bleibt.
Unsinn! mnrrte Hünernest. Aber du
kannst unter die Zeitungsschreiber ge
Yen.
Hört, frohlockte der Seidene, welchen
Spaß ich gemacht habe. Eure neuesten
Erwerbungen aus dem Gebiete des hal
ben BimetatliSmuS wein habt ihr sie
zu verdanken?
Nun sreilich! erwiederte der Drücker
höhnisch, wem anders, als dem gnädigen
Herrn. Du kannst stolz nnd erhaben
wie immer. Du hast die Mase
matten gemach! und ausbaldowert, daß
in dem Landhaus? vou Simon Lazarski
Ziuider und Schwefel zu finden sei.
Aber eine große Kunst war es nicht.
Du kanntest alles von früher. Einen
Handschlag hast du nicht gethan.
Oho! Wem hat der arme kleine
Hausbursche, der Max, den wir in dem
Bcdientcnzimnier der Villa schlasend
fanden, zu verdanken, daß er mit dem
Leben davonkam? Meinem Willen!
Ich habe ihn schon lange, als er kaum
zwölf Jahre alt war, gekannt. Ein
sanfter Junge. Er war mir oftmals
gefällig, Gänge zu laufen, Briefe zu
tragen. Ihr fürchtetet Entdeckung nnd
wolltet dem Jungen im Schlafe den
Hals abschneiden.
Pfui! Pantoffel und Schlafrock,
Suppe, Kohlrabi, Parlamente I
Ach, Madame Hagele, sprach der Sei
dene voller Hoheit ich war dabei, er
konnte ruhig weiter schlafen. Ich kannte
seinen festen Schlaf. Sie dursten ihm
nicht an's Leben, sie hätten es mit mir
zu thun gehabt. Ich habe Euch hierher
geführt -so sprach ich -ich habe euch ge
zeigt, wo ihr zugreifen dürst. Nehmt
und geht! Der Lazarski hat's um mich
und viele andere verdient. Wozu
braucht der LazarSki eine stolze Villa,
die er kaum eine» Monat im heiße»
Sommer bewohnt er hat sein Palais
in der Stadt. Wozu braucht der La
zarski silberne Messer und Löffel, wenn
wir mit Blech essen? Nehmt, was ihr
findet, aber wen» ihr den da,den Max,
den Knaben, berührt, so schieß' ich los,
schreie Feuer, Zeter, Mordio!
Still! drohte der Rentier, als der
Seidene seine Stimme immer mehr hob!
Sie hören uns!
Nun aber der Witz, den ich gemacht
habe, fuhr der Seidene leifer und mit
vornehmem Lächeln fort. Ihr packtet,
was euch in die Hände fiel, zusammen.
Ich nahm einen Zettel uud schrieb da
rauf: Simon, hol' die Polizei foricht
sie, wer der Thäter fei —nicht nur einer,
nicht mir zwei—auch ein dritter war so
srei! Den Zettel steckt' ich dem
schlafenden Jungen in die Hand. Was
wird der Max fürAngen gemacht haben,
wenn er aufgewacht ist !
Der Rentier setzte bei diesen Worten
das Glas von den Lippen ab. Und das
hast du wirtlich verübt, Frey? Ich
klaube, mit dir ist's nicht mehr richtig!
Hünernest erglühte vor Zorn im ganze»
Gesicht und schlug mit der geballten
Faust aus den Tisch.
Die Augen des Drücker funkelten. Er
griff in die Rocktasche.
Laß dein Messer hier beiseite, Trük
ker, warnte Hünernest.
Der Seidene lachte spöttisch: Das
Messer? Ich habe andere Munition bei
mir. Nun—waS starrt ihr mich denn
so betroffen an? Was ist dabei? Ist es
ein Verbrechen, was ich verübt?
Mehr als das, eine Dummheit! ent
gegnete Hünernest. Dn hast deinen
Namen Frey genannt. Du bist daran
schuld, wenn sie uns schon morgen aus
der Spur sind.
Er darf nicht lebendig von hier, sagte
der Drücker leise vor sich hin.
Dagobert Frey, der ehemalige Kassi
rer Simon Lazarskis, der den beiden
andern die Gelegenheit zu dem Silber
raiibe nachgewiesen und sie selbst in die
Villa des Kauftnanns eingeführt hatte,
spitzte den Mund zum Pfeife». Ich
habe mich schon aus stärkeren Schlingen
gezogen. Der verwünschte Capitän
Palesrenicr hatte mich, gleich der schönen
Bertha im Liede, in'S Unglück gestürzt.
Da haben sie mich überall gesucht und
nicht finden können, obwohl ich dicht bei
ihnen war. Ich wohnte sehr stattlich
anf dem Molkcninarkt und hatte nur
mein Helles Haar schwarz gefärbt, a»ch
den Bart weggeschnitten. Erst als ich
so thöricht war, Berlin zu verlassen,
singen sie mich in Güttingen ein. Ich
hatte kein Geld mehr, wußte dort aber
Bescheid. Verwünscht, ich kam nicht
dazu. Hätte ich mich Heller und nicht
Pfennig genannt, so wäre alles in Ord
nung gegangen.
Der Name Pfennig, unter welchem
ich mich meiner Wirthin angemeldet
hatte, verdarb mir den Spaß. Sie
suchten just einen Menschen, der Wechsel
unter dem Namen Pfennig gefälscht
hatte, und weil ich mich so genannt,
mußte ich m's Gefängniß wandern. In
dessen die Zellen sind nicht undurch
lässig. Ich entkam schon in der nächsten
Nacht.
Seitdem nahm ich Sommersrische im
Harz. Meine Liebenswürdigkeit gegen
das weibliche Geschlecht ging so weit,
daß keine von den vielen Schönen, die
dort auf einsamen Waldwegen Wandel
ten, mir ihre Börse auszuhändigen je
mals abgeschlagen hat. Der Pfennig
brachte Wucherzinfen bis man die
Förster und Jäger ausbot, den Psennig
im Walde zu suche». Fast hätte mir
die blonde Vally, meine alte Liebe aus
Berlin, einen dummen Streich gespielt.
Ich bin ein Narr Flora und Jo
sephine dürsen mir nicht gram sein,
weil ich noch immer an das schöne Kind
denke. Sei nur ruhig, Drücker, du
brauchst nicht anszusahren, wenn ich von
Josephine spreche. Die Vally geht noch
immer neben mir in den Tannen, sie
springt mit mir über die Felsen und
nächtigt neben mir aus dem Moose des
Dickichts. Ja. wahrhaftig, da seh' ich
sie wirklich. Sie ist da und wirst mir
anf meine Bitte ihre Börse entgegen.
Ich war ganz erschrocken, daß ich so et
was gefordert mein Kopf muß gelit
te« haben.
Er hielt einen Augenblick inne und
fuhr niit den Händen an die beiden
Schläfen.
Ihr denkt, fuhr nach kurzer
Pause sort, mein Name, den ich auf den
Zettel gefetzt, fei ein Bekenntniß.
Schön, das wird den, Lazarski nichts
nützen, er hat Gxund genug, gegen
mich davon leinen Gebrauch zu inachen
uud wenn andere auf mich rathen,
mich greisen, wer sagt euch, daß ihr da
mit gefährdet seid? Wer will mich
zwingen, meine Freunde zn verrathen?
Ein köstlicher Spaß! Sie werden mich
aber nicht sangen, selbst wenn sie wis
sen, daß ich in der Villa war. Glaubt
ihr, daß die Förster im Harz mein Nest
entdeckt haben? Sie zogen unten mit
Halloh nnd Huudegebell vorüber und ich
saß behaglich oben auf der stärkste»
Föhre am Wege, vou deren Zweigen
Hera» ich still vergnügt die ganze Meute
beobachten konnte. So wird es auch
hier geschehen. Ich verdufte und bin
von Stund an unsichtbar, sobald ich
merke, daß etwas geschieht. Also Friede
und Freundschaft unter den Verbünde
ten, das ist zeitgemäß, hi, hi! Und nun,
ihr wackern Männer es ist spät ge
worden ich will mein warmes Ziest
in der Residenz aussuchen. Wenn Moses
morgen hier gewesen ist. vergeßt den
armen Seidenen nicht. Ich habe Casse
nöthig für meine Schlafwirthin, ich will
mich morgen mit dem Rentier begleichen.
Nein, sagte Hünernest. ES ist besser,
wir treffen einander morgen nicht wie
der. Er zwinkerte mit den Augen, in
dem er de» Drücker ansah. Ich will
aber auf Abschlag schon heute hundert
! Mark zahlen. Auch Drücker kann Bor-
Schuß haben, er reist morgen mit dem
Schnellzuge nach Königsberg in Ge
schästen. Wenn wir uns wiedersehen
sollten, muß alles vergessen sein und
Niemand mehr an den Besuch bei La
zarski denken.
Hünernest schloß seine eisern? Cassette
ans und holte ein Packet Papiergeld
hervor, von welchem er einige Stücke ab
hob und sie seinen beiden Gefährten
reichte.
Drücker betrachtete das Papier miß
trauisch und mit schielenden Ange».
Echt? fragte er. Doppelte und drei
fache Geschäfte sollst Du mit mir nich!
machen. Ich zahle auch sür den Vor
will, bin ich auch dabei.
Ich bin kein elender Falschmünzer,
versetzte Hünernest mit Stolz und Ueber
zeugung. Alles echt! Willst Du Gold
hier ist eS.
Dagobert Frey lächelte nnd steckte das
Papiergeld gedankenlos ein.
Dicht hinter ihm verließ leise und
vorsichtig der Drücker die Wohuuug Hü
ncrnests. Er wechselte beim Hinaus
gehen eine» verstohlenen aber bedeut
samen Blick mit dem Rentier.
Die Wittwe Hagele war während des
Trinkgelages der Männer trotz des lau
ten Gesprächs aus dem Sosa in ge
krümmterStellung wieder eingeschlafen.
ncrgnindstückcn schriee». Der Wind
wehte. Der Himmel war noch düster,
der grane Morgen kam zögernd.Einzelne
Sterne brachen durch zerrissene Wolken
hervor.
Kaum waren die beiden Männer au?
die Straße getreten, als Amalie Hagele
plötzlich aus dem Schlafe auffuhr uud
sich, mit den Händen ihr wirres Haar
streichend, ausrecht setzte.
Hörtest du nichts ? sragte sie erschrocken
den Rentier.
Dieser war beschäftigt, das Schloß an
seiner eisernen Cassette in Ordnung zu
bringen. Das dadurch entstandene
Geräusch hatte ihn vermuthlich behin
dert, einen ziemlich lauten Aufschrei zu
vernehmen, welchen von draußen her
Amalie Hagele gehört zu haben behaup
tete. Du bist taub, rief sie —es ist je
mand gestorben —, so klang eS. Kies
und Schwefel, rothe Schabracke!
Still, du Hexe, mit deinen Fratzen
und Alsanzereie»! Geträumt hast du,
sagte Hünernest verdrießlich und zog den
Schlüssel vou der Cassette ab.
Siebzehntes Capitel.
Vor den« Wohnhause des Kaufmanns
Lazarski hielt einige Tage später um die
Mittagszeit das elegante Conpe des
Doctors Reiuland. Der Arzt war hin
ausgestiegen in das erste Stockwerk und
saß in dem straßenwärtS belegenen
Wohnzimmer Simons neben dem letz
tern, welcher in Schlafdecken eingehüllt
auf der Chaiselongue ruhte. Simon
Lazarski war ernstlich krank, jedoch nicht
zn bewegen gewesen, dem ärztlichen
Rathe zufolge das Bett aufzusuchcn.
Der Einbrnch in seine Villa nnd der
namhafte Verlust, den er erlitten er
schätzt ihn auf mindestens l(1M» Tha
ler —hatte ihn auf's tiefste erschüttert.
Er war voller Schrecken hinausgefahren
und als er die angerichtete Zerstörung
gesehen, plötzlich zusammengebrochen.
Man sürchtete einen Gehirnschlag und
hatte Mühe, ihn in seine Stadtwohnung
znrückzubesördern.
Bei mehr Ruhe trat indes Besserung
ein. Der herbeigeruseue Arzt, der an
säuglich die begründetsten Besorgnisse
für das Lebe» des Erkrankten hegte,
schöpfte wieder Hoffnung und war der
Meinung, daß der Blutaustritt im Ge
hirn rascher, als ursprünglich anzuneh
men gewesen war, aufgezehrt werdeu
würde. Richard Reinland fand heute
den Großkaufmau geistig klarer,
aber ausgeregt, unruhiger, als ihm
lieb war. Er sprach in hoffnungsrei
cher Weise zu ihm nnd machte ihm znr
Pflicht, die äußerste Schonung und Ruhe
zu bewahren. Allein diese Zuspräche
hatte wenig Ersolg.
Sie glauben nicht, Herr Doetor.
wie schwer es mir wird, hier still zu lie
gen. Mein Geschäft geht mir Tag und
Nacht im Kopfe herum. Mau betrügt
mich, iveun ich dabei bin wie wird
es gehe», wenn sie wissen, daß ich armer
Lazarus hier liegen muß und leine Con
trolle üben kann.
Ein jeder muß sich aus fremde Leute
verlassen uud kann nicht alles al
lein besorgen, tröstete Reinland; be
denken Sie, Herr LäzarSki, daß, je mehr
Sie sich ausregen, desto länger Ihre Ab
ivcseiiheit im Comptoir dauern muß.
Haben Sie auch ein Geschäftspcrjonal
von über hundert Männer und Frauen
z» überwachen V fragte Lazarski in der
übelsten und krankhaftesten Laune. He?
Dann können Sie gut reden! Ich laße
mir jeden Abend die Bücher vorlegen,
die Angestellten und Ansseher müsse»
heraus zn mir kommen, aber mein Auge
unten sehlt was mag da vorgehen?
Man bestiehlt mich liier heimlich, in
meinem Soinmerhanse öffentlich. Ich bin
ein geschlagener Mann.
Der Doetor trat an den Nebentisch
und verordnete eine starke Dosis Mor
phinni. Sie müssen sich beruhigen, wie
derholte er. Schlafen, schlafen sollen
Sie und sich der Gedanken an mögliche
Verluste entschlageu.
Armer geschlagener Mann! jammerte
Lazarski leise, das Recept, welches ihm
der Doetor gereicht hatte, in der Hand
haltend. Lassen Sie sich erzähle»,
Doetor, welche» Verlust ich in der Villa
erlitte» habe. Wer wird mir das kost
bare Gerät!) ersetzen? Die Polizei hat
keine Spur von den Dieben gehabt, ich
aber habe eine nnd schwöre, daß ich aus
der richtigen Fährte bin. Mein Haus
bursche, der Max, schlief in der Villa.
Der arme Junge war der erste, der die
angerichtete Verwüstung bemerkt bat.
Denken Sie, Doetor. wie frech die Ein
brecher gewesen sind! Während der
Bnrsche schlief, haben sie in Muße alles
gen haben sie zum Schlüsse einen Zettel
in die Hand gesteckt—ans Hohn, wie eine
Visitenkarte! Erst jetzt hat der Max
dies berichtet, er schämte sich seines
festen SchlaseS halber. Sehen Sie
hier ist der Zettel.
Mein Recept?
Ach nein! ich irrte mich, sagte La
zarski, der in seiner Fieberhast dem
Doctor das Recept zurückgereicht hatte.
Aber der Zettel ist nicht größer. Da
auf dem Marmortischchen liegt er.
Sehen Sie, Doctor, ich kenne die Hand
et ootei-a! ES ist die Hand meines ehe
maligen Cassirers. des Wechselsälschers,
der mich bestohlen und betrogen hat.
Der sreche Mensch hat sich noch obenein
genannt. Frey heißt er, »srey!
Reinland nahm de» Zettel und las
ihn. Er konnte sein Erstaunen nicht
unterdrücken.
O, der Meusch hat mir viel Schaden
zugefügt, klagte Simon, und als er ans
Berlin sich fortmachte, mich mit Er
schießen bedroht. Ich habe Furcht vor
ihm. Er ift im Staude, feine Drohnng
anszuführcn. ES kostet mein Leben!
WaS soll man thun?
Den Zettel der Criminalpolizei über
lieseru, den HauSburscheu als Zeuge»
angeben.
Ja, und in der nächsten Nacht den
Besuch von Dagobert Frey haben! Gott
soll mich behüten nnd bewahren! Sie
kennen den Menschen nicht. Ich habe
Angst, entsetzliche Angst. Er ist zn
allem sähig.
Lager hin nnd her. Er richtete müh
sam seinen Oberkörper-aus nnd snhr
fort: Der Frey ist ein verschmitzter und
welterfahrcner Mensch. Ich habe allen
Grund, -ihm nicht wehe zu thun. Sie
können sich denken, weshalb? Wenn
man nicht ins Publikum 'dringe,! lassen
will. Ich habe dem Cassirer Frey man
ches durch die Finger gesehen.
Sie sollen von solchen Sacken Ihre
hören, sagte Reinland ärgerlich nnd
stand auf.
Es war eiu hübscher blonder Mensch,
zarski, ohne sich stören zn lassen, sort.
Ich denke mir, die Weiber waren sein
Verderben. Sie kenne» doch die blonde
Vally? Sie haben sie behandelt in mei
richt mich verklagt hat.
Der Doetor hatte im Ausstehen die
Hand des Kranken um Gelenk ergriffen,
nin seinen Puls zu fühlen. Bei der
nnerwartetktt Erwähnung der blonden
Vally erschrak er. Er zitterte so heftig,
daß der »ranke, dessen Arm gehoben
und gesenkt ward, diese Bewegung ein
Pfand.
Gott im Himmel! rief Lazarski
angstvoll, wie wird mir! Er geht
schlecht, sehr schlecht, der PnlS. Ster
ben muß ich sagen Sie es nur her
aus, Doetor, Sie habeu es an meinem
PnlS gefühlt.
Wir alle sind sterblich, erwiderte
Reinland, sich mühsam fastend aber
Ihnen —nun, ich garantire Ihnen vor
läufig noch zehn Jahre.
Lazarski holte tief Athem. Diese
Worte wirkten besser als eine heilsame
Medizin. Sagen wir fünf aber
fünf! Nim ja, ich bin erst sünsundfüns
zig alt uud sechzig ist das beste Alter.
Die blonde Vally ist ein hübsches Mäd
chen. Alle Welt nahm Partei für sie,
als der Doetor Gcnikenihal mich vor
dem öffentlichen Gericht verklagte. Al
lein allein, ich habe jetzt doch die
Ueberzeugung, daß sie es mit dem
Dagobert Freu hielt und zn seinen Ver
untreuungen die nächste Ursache war.
Die - nächste Ursache Doetor
Reinland tonnte diese Worte kaum her
vorstoßen.
Ja. Ich weiß, daß sie mit Frey ein
Verhältniß hatte. Sie begleitete ihn
überall hin, in die Theater, in die Phil
Harmonie, zn »roll, nach was weiß
ich. Und da sieht doch Jeder, der nicht
blind ist, daß dergleichen Bekanntschaf
ten Geld kosten seidene » leider etc.!
O, Doctor, es ist eine schlechte Welt!
Ich habe den Vater der blonden Vally
gekannt. Sie wissen nicht, daß ich und
ihm zu Dank seine Tochter, die Valesca,
gnt ausgenommen und vor allen andern
bevorzugt habe. Allein nach dem Pro
cesse ersährt man so mancherlei. De
kommen die guten Freunde zum Vor
schein, und was sie früher ans Rücksicht
verschwiegen haben, davon geht unn
nachträglich die Zunge über. Heuchler
sind sie alle, die Menschen! Hab' ich
recht, Doetor?
Richard Reinland nickte er wußte
eS selbst nicht mit dem Kopse.
Mag fein sprach, durch heißrothe
Wangen einen gesteigerten Fieberzustand
»errathend, Lazarsti hastig weiter,
daß die blonde Vally weniger Schuld
trägt und von ihrer Mutter, der Ge
Heimräthin angeleitet war. Die Mutter
soll von ganz gemeinem Herkommen
Schenkmamsil geheirathet sagt man.
Kann es da Wunder nehme», daß die
blonde Vally keine Heilige ist?
Keine Heilige Vally Berg keine
Heilige!
(Fortsetzung folgt.)
frau (zu einein armen Studenten, der
nach der Universität abreist»: „Hier,
nehmen Sie diesen Thaler, den» man
Studenten wohl thut, bant mau sich eine
Stufe in den Himmel!" Student
(schnell einfallend >: „O, gnädige Frau
könnten sich gleich eine ganze Stiege
bauen!"
Trost. „Nun, mein junger
Freund, so betrübt und kaum ein Jahr
verheirathet!?" „Ach, ich hätte nimmer
geglaubt, daß eine Frau ein so kostspie
liges Ding wäre!?" „Na, tröste Dich
.... Siehst Du, eine Fran ist zwar
kostspielig aber.... man hat sie
! auch dasür lange!"
3
Herr Schämchen.
Herr Schämchen, ein jungverheirathe
ter Sangesbrnder von bester sächsischer
Marke, war nach einem beispiellos inni
gen Abschiede von seiner lieben Gattin
mit den Anderen seines Vereins, der
beim großen Sangesseste mitthat, nach
Wien gekommen. Alles, was an Plai
sir in der Kaiserstadt geböte» wird, hatte
sich Herr Schämchen beigebogen. Bon
den tiefsten Tiefen des „Eldorado" i.mr
er zu deu höchsten Höhen des Kahlenber
ges ausgestiegen und weit und breit
lockte keiii Schild von Bedeutung, unter
dessen Fittig er nicht geruht hätte. Und
je mehr Herr Schämchen sah, um desto
höher stieg in ihm der Trieb, noch mehr
zu sehen: den Becher der Freude bis aus
den Grund zu leere», war der Hauptge
vanke seines JdeenkreiseS.
Aber leider—Alles auf dieser schönen
Welt neigt einmal seinem Ende zu uud
traurig, ties traurig erklang der Mahn,
ruf der „C. E. G. C." Genossen unseres
Lebesachsen zu dessen Ohren: „Das Fest
ist aus, nun sort nach Haus!" Furcht
bar gellte dieser Unkenruf in den Gehör-
Werkzeugen Schämchens, denn immer
wieder reagirte es in seinem Innern:
„Halt ein, verweile noch!" Aber wie das
intvegc bringen, das war der peinigend«
Gedanke, der Herrn Schämchen bei Tag
und Stacht nicht zur Ruhe kommen ließ.
Sich todt zu stellen, dazu sehlte die
Courage und das nöthige schauspieleri
sche Talent doch der rettende Gedanke
blieb nicht aus. Auf dem Nordwest
bahnhose st'llte sich plötzlich bei Herrn
Schämchen ein heftiges Zahnweh ei»
und er begann in Gegenwart der „Brü
der" zu lamentiren, wie noch nie laiiien'
tirt wurde, „so laug' die Berge steh'n
aus ihrem Grunde".
TheilnahmSvoll räth man ihm zur
Bekämpsung der rasenden Schmerzen die
bewährtesten Mittel—darunter auch das
bekannte, heilkräftige Korneuburger
Pulver an. Herr Schämchen aber
schlägt Alles aus, er kennt seine Natur
und erklärt deeidirt, daß der Zahn her
aus muß. Er müsse, endete- er, die
Brüder alleeue reisen lassen dabei
quetschte das biedere Ungeheuer eine
Thräne ans dem linken Auge «ach
vollzogener Operation werde er sofort
nachreisen und er bitte nur, seine liebe
Guste in schonender Weis« von dem Un
glücke zu unterrichten. Dabei drückte er
die zweite Thräne aus dem rechten
Auge. Der Abschied kam, das geflü
gelte Dampsroß entführte unter den
endlosen Lebewohlgrüßen der zurück
bleibenden Wiener Freunde die uns so
licbtnerthen sächsischen Gäste und Schäm
chen heulte, indeß die anderen sangen:
„ES gibt ein Wiedersehen!" Kaum aber
waren die Genossen sort, waren auch
Schämchens Schmerzen beim Teusel.
Wie ein geübter Schwimmer stürzte
er sich vom Trittbrett des Waggons, an
dem er soeben schluchzend gehangen,
kopsüber in die sprudelnden Fluthen
des Vergnügens.
Der höchste Henrige, der hatte es ihm
speciell angethan, dort finden sich Wein.
Weib und Gesang so schön vereint und
am dritten Abend nach Abfahrt der Ge
nossen saß Schämchen mit selig- verklär
tem Gesicht in einem Gärtchen nnweit
des Ottakringer Kirchthurms und ihm
zur Seite doch halt, wir wollen ja
discret sein und »US die Freundschaft
Herrn SchimcheuS für künftige Zeitei
nicht verscherzen. Aber das Eine müs
sen wir denn doch mittheilen, daß Plötz
lich, „wie ei» Gebild aus Himmels
höh'n" eine junge Frau in dem lustigen
Kreise auftauchte, bei deren Anblick Herr
Schämchen zu allererst mit blitzartiger
Schnelligkeit seinen Ehering, den er ver
muthlich der Hitze halber im Giletläsch
chen verwahrt hatte, aufsteckte, worauf er
in Begleitung der Dame, die Reiseklei
der trug, ebenso blitzartig aus dem
Garte» verschwand. Herr Schämchen
ist am andern Tage glücklich wieder in
seiner Heiniath angelangt; das Zahn
weh schien ihn aber immer noch nicht
verlassen zu habe«, denn als er ans dem
Waggon stieg, war er merkwürdiger
Weise nicht nur rechts, sondern auch
links auffallend stark geschwollen
(N. Wiener Tagbl.)
Eine nn mag ne ti si rba r e
Taschenuhr hat Roskopf eonstruirt. Sie
entspricht einem tiefen Bedürfniß. Die
Riesensorlschrilte in der industriellen
Anwendung der Elektricität haben die
Zahl der Dynamos in Fabriken und
Wohnräumen aller Art in ungeahnter
Weise vermehrt. Sobald nun eine Uhr.
die Stahltheile enthält, in die Nähe
eines Dynamos gebracht wird, werden
die Stahltheile magnetisch, und di«
größten Störungen im Gange der Uhr.
ja selbst deren Stillstand sind die Fol
gen. Deshalb mußte eine nicht mag
netisirbare Uhr construirt werden, die
selbst dann, wenn man sie der Ein
wirkung mächtiger magnetischer Kräfte
ausseht, keine Störungen in ihrnn regel
mäßigen Gange erleidet. Die Roskops
'sche Uhr genügt diesen Anforderunzen
vollkommen. Nach dem „Momteur
industriell sollen einige Exemplare der
selben tagelang neben den stärksten
Dynamos gelegen haben, ohne auch nur
die geringste Einwirkung zu erfahren.
Die Spiralfeder der RoSkopf'schen Uhr
ist aus einer nicht magnetischen Palla
diinnlegirung hergestellt, die an feuchter
Lust nicht oxydirt und, zwischen weit
gesteckten Grenzen wenigstens, eine eon
stante Elasticität besitzt. —Ein einfacher
Apparat zuui Entmagnetisiren von
Taschenuhren ist der folgende: Ein
permaueiitcr Magnet wird im Innern
einer soliden Holzeasette mittelst einer
Kurbel und Zahnrädern in Drehung
versetzt. Man bringt die zu behandelnde
Uhr an die äußere Wand der Cassette.
und während der Magnet in schnell?
Drehung verseht wird, zieht man di,
Uhr langsam wieder fort.
Grausam. Arzt (zu einem
lahmen Bettler): Hören Sie mal, Ihr
Gebrechen könnte vielleicht noch geheilt
werden! Bettler (erbost): Also selbst
mein erbärmliches Handwerkszeug will
man mir »och nehmen!