l? a l e s c a. (8. Fortsetzung. Sechzehntes Capitel. Tin äußersten Nordende des Vororts zieht sich eine Reihe schmuckloser Häuser, in dem vor Jahren in der Residenz selbst noch üblichen unschönen, einför migen Stil erbaut, hin. Drei bis vier Stockwerk hoch, gleichen diefe Gebäude in ihrer äußern Front nur glatten Wänden, in denen zahlreiche Fensteröff nungen gleichmäßig angebracht sind. Sie entbehre» eines Portiers. Kleinere Handelsleute bewohnen das Kellerge geschoß, die mit Backwaren oder Ge müse, mit Milch. Eiern nnd Bier einen Kramhandcl treiben —BictualienkcUer, die sich als solche durch eiu gemaltes viereckiges Schild über der halb iu der Erde stehende» Eingaiigsthür ankündi gt- Um dieses Schild nicht mit der Stirn zu berühren, muß der die EingangS stuseu Hinabsteigende sich bücken. Die Malerei des Schildes stellt Schrippen und Brot, angeschnittene Schinken und ein überschüliniendcö riesiges Glas des unter dem Namen „kühle Blonde" be kannten Weißbiers verlockend dar. Die übrige» Räume sind vermiethet an „ruhige Leute", Handwerker, Familien il-iner cmcritirter Beamten, unbedeu tende Rentiers, ältere, wenig bemittelte Damen, mich wohl ärmere Gelehrte und Schriftsteller. In einem dieser Häuser wohnte seit kaum Jahresfrist der Rentier Hünernest still und von wenigen, selbst von seinen Hausgenossen, kaum gekannt. Er zeigte dürfnisse uud entnahm die unentbehr liche Kost aus dem im Erdgeschoß be findlichen Speisekeller. Die Fenster seiner zu ebener Erde belegenen Woh nung waren nachts durch feste Läden, tagsüber durch rothe Zitzgardiuen dicht verhangen, dergestalt, daß den Blicken vorübergehender Neugieriger ein un durchdringliches Hinderniß bereitet war. Herr Philipp Hünernest war ein Mann in seinen besten Jahren, vielleicht etwa dreißig Jahre alt. Man wußte, daß er vermögend war nnd das Glück gehabt hatte, sich srühzeitig zur Ruhe setzen zu können. Er trug sich zwar nicht sehr sanber und schien besonders gegen weiße leinene Wäsche ein Vorur- Iheil zu haben. Dagegen war er dein System Jäger ans voller Ueberzeugung zugethan. Anf seinem wollenen Hemd war ein weiß und roth gestreifter Kra gen befestigt. Die Weste von braunem Plüsch mit großen Hornknöpsen reichte, vollständig zugeknöpft, bis zum Halse. Ihre dunkle Schattirung hob die dicke goldene Uhrkette noch ausfallender her vor, welche die Brust zierte. Eiu der bes kurzes Jaquet verrieth, daß die Beine etwas nach innen gekrümmt waren. Tie Bekleidung der letzter» verschwand in den gelben Stulpen der Stiefel. Ei» dichter Haarwuchs reichte bis i» die niedere Stirn nnd ließ im len Backenbart das kleine runde und ge röthete Gesicht mit dem breiten Mnnde und den nnler buschigen Braue» listig hervorblitzeiide» Auge» noch kleiner er scheinen. Nur das auSrssirte Kinn nnd die etwas vorspringende Oberlippe -ra te» schärser hervor. Tie behaarte» Finger der braunen Hände waren mit einer großen Anzahl Ringe geschmückt, deren Steine sreilich anf Echtheit keinen durch später betriebenen Sklavenhandel wohlhabend geworden sein. Sein Kör per zeugt von großer, nngeschwächter Muskelkraft. Er bewohnt die Par scin Bett, die Reinigung seiner Kleider nnd iciner Zimmer. Bei ihr speist er und vou ihr entnimmt er seine Getränke, Cigarren nnd Tabak. Amalie Hagele ist srüher schön gewesen. Ihre einst schlanke Gestalt ist hager, ihre Hüften sind schmal. Ihre Gesichtszüge sind jetzt sreilich scharf, die Angenknochen hektisch geröther, die Augen aber voller Glanz. Das linke steht zu dem rechten iu einem elwaS gezwungenen Verhält lockigen Gründergardinen kanm.zn er kennen. Wäre die falsche Haartracht nicht, so wäre eine quer über die Stirn lausende rothe Narbe bemerkbar sie rührt vou einem Schlage her, welche» vor Jahren ihr Seliger der schöne» Fra» Amalie auS Zorn und Eifersucht mit einem scharsen Instrumente zngejügt hat. Frau Amalie Hagele besitzt zwei reizende Töchter, die eine etwa zwanzig, die audere zweinndzwanzig Jahre alt, welche dann und wann im »eiler zu sehen sind, meistens aber in Berlin, jede in einer besonderen Wohnung, sich auf halte». Sie zeichnen sich durch die feinsten Toiletten aus. Böse Nachbarn der Mut ter Amalie behaupten, daß die älteste dieser Töchter, Flora mit Namen, die ihrer natürlichen Schönheit durch seines Roth ans den Wangen und schwarze Tusche der Augenbrauen nachziihclsen versteht, ein zartes Verhältniß i»il Herrn Hünernest hat. ES war im November. Ein trüber, von niedrig ziehende» Regenwolken verschleierter Himmel hatte deu kurze» Tag zwischen Morgengrauen nnd Abenddämmerung kaum zur Gel tuug kommen lassen. Es war einsam in dein Vororte, wenig Leben auf dem Straßen. Tie Gasflammen der Later nen, ängstlich hin nnd herslatternd, be leuchteten nur dann und wann eine un ter dem ausgespannten Regenschirm rasch vorübevschreitende und auf den feuchten Pflaster sich spiegelnde dunkle Menscheiigestalt. Nach zehn Uhr Abends löschte Mutter Amalie ihre Lampe im Keller ans, gähnte nnd öffnete dann mit Schlüssel die Hausthür, die zum Erd geschoß führt. Gleich darauf stahl sich durch eine vernachlässigte Ritze des einen Fensterladens ein dünner Strahl, Ivel cher bewies, daß im Innern obwohl Hünernest gegen nenn Uhr Abends ans gegangen war Licht angezündet sein mußte. Mutter Amalie hatte sür dies: Beleuchtung gesorgt, setzte sich dann auf dem mit geblümten Kattnn überzogenen Sofa zurecht und wickelte das große, aus himmelblauem Wollgarn gefertigte Umschlagtuch dichter um ihre Schultern. ES war auch iu der That keineswegs behaglich warm in dem Zimmer: eine dichtere Umhüllung machte den Znstand etwas erträglicher. Spät wird eS wer den, mnrmelte die abgespannte nnd er müdete Handeisfcau vor sich hin, schob einen dunklen Papierschirm über die an gezündete Petroleumlampe, zog die mit Schnürstiefeln bekleideten großen Füße gekrümmt in sich, rückte sich ein Kissen unter den Kops, und bald verkündeten ihre heißen Athemzüge, daß der Schlaf sie übermannt hatte. Dieser Schlaf war nicht fest, vielmehr unruhig uud häufig unterbrochen. Amalie Hagele fuhr ans demselben zuweilen plötzlich empor nnd horchte. Der Regen ranschte dranßeü, der Wind ächzte. Sie rückte sich dann wieder zurecht und suchte von neuem den Schlaf. ES geht gegen Morgen, sagte sie, wenn nur kein Unheil halt, da sind sie! Ihr feines Ohr hatte das Umdrehen eines Schlüssels im Hausthürschloß und das leise Geräusch, welches das Oesfnen der Hausthür verursachte, wahrgenom men. Sie sprang auf und eilte, in das Nebenzimmer, welches nach dem Hofe hinaus lag, durch die vor dem Fenster sich erstreckende Hoiniancr verdunkelt war und von niemand eingesehen wer den konnte. In demselben Augenblick trat vom Hausflur aus Hüuernest in Begleitung eines zweiten Mannes in das Hinter »icn durchnäßt nnd schüttelten, nachdem ein jeder von ihnen ein schweres Bün del, welches er trug, abgelegt hatte, den faßte die Handelsfrau zärtlich um die Hüfte, wurde aber von ihr mit den Wor ten zurückgestoßen: Pfui, die garstigen Kerle bringen einen ganzen See von Regenwasser mit! Meine liebe Amalie, entgegnete Hü nernest, jeine heisere Stimme zu einem Trocknen,wenn wir nicht arbeiten. Schere dich in die Küche, bring heißes Wasser, Run« und Zucker, unsere Kehlen sind das einzige, was trocken au uns ist. Der zweite Man» hatte früher in ei ner Druckerei als Setzer Dienste gethan. Man nannte ihn deshalb schlechthin Drucker, zuweilen auch Drücker, weil er ben, sich aus dem Felde zu drücken. Er war ein kleiner, bartloser Mann, völliz kahlköpfig, vou graner Gesichts farbe. Wenn er ansrecht stand, so wa daß die ausgestreckten Hände fast die Fußknöchel erreichten. Seine Nase war spitz und hing, wie bei dem Truthahn über die nnsörmlich dicke Oberlippe. Wo habt Ihr den Seidenen? fragte Fran Hagele. Sein Kragen ist doch steis geblieben? Der Seidene liegt ihr sehr am Her zen, murrte der Drucker und richtete ei nen jinsterenßlick auf dieWittwe mehr als der Rentier und alle andern. Der verdammt vornehme Hund! Alles ver steht er besser und ist klüger als König Salomo. Er soll sich in Acht nehmen! Hünernest lachte. Drücker ist eisersüch tig, spottete er. Freilich hebt ilm der Seidene bei Josephine und Mutter Amalie aus dem Sattel. Er ist seiner nnd gebildeter als Trucker. Geh, geh, Amalie, dein Kind Josephine kann sich trösten, er wird nicht ausbleibe». Bring die Gläser mit! Fran Hagele hatte die Gewohnheit, wenn sie nichts zn erwidern sand, leise vor sich hin zu schimpfen. Dabei ge brauchte sie die seltsamsten Ausdrücke nnd ihre GesichtsmuSkeln geriethen in unwillkürliche Zuckungen. Distelkopf, rothe Schabracke, Buchfink, verslixier Hnsarcnichnftsetzer! sprudelte sie hervor und schnitt ihre wunderbaren Gesichter, während sie, dem Besehle des Rentiers Folge leistend, sich in die Küche begab. Beide Männer, welche diese Ange wohnheit kannten, lachten. Der Hu sarenschristsetzer bist Tu, Drücker, sagte Hünernest' indem er die Knoten des von ihm bereiiigebrachten Bündels löste. Aus diesem Bündel holte der Rentier verschiedenes Eisengeräthe, mehrere Steinmcisen, einen Centrumbohrer nnd Laubsäge» hervor. Tas zweite Bün dcl, welches Trücker gebracht hatte und welches Hünernest cbensalls öffnete, ent äth, Leuchter, Üauneu, Lössel, zwei große Poeale, »uchenkörbe und Schüs seln. Als Frau Hagele, einen dampfenden Wasserkessel und zwei große Flaschen Arae tragend, wieder eintrat, setzte sie bückte: Je, der Silberschatz! In wel cher Kirche seid Ihr gewesen? Sie betastete dann jeden einzelnen Gegenstand und wog ihn in der Hand. Schwer, sehr schwer! murmelte sie. Hünernest, der wenig zu sprechen ge wohnt war, nahm die Gegenstände, die jene sortsetzte, und zerschlug sie mit einem großen Hammer zu unförmlichen Massen, wobei ihm Drücker behilflich war. Schändlich, schändlich! eiferte die Hö kerin. Laßt wenigstens die prachtvollen Knchenkörbe heil! Nichts da! herrschte Hünernest ihr mürrisch zu. Ohne Ausnahme. Aber hier! DaS ist für die schöne Flora ein Andenken. Er zog aus der Tasche eiu seines Etni uud überreichte es der Krau Hagele. Diese öffnete eS m!i habgierigen Blicken hastig. Eiu Paar gold:'.?r Ohrgehänge mil kastbaren Steine» blitzten ihr entgegen. Alle Hagel! rief sie und konnte ihre Augen von dem Schmucke nicht abwen den rothe Schabracke! Vsui, pfui! Und ihre GesichtSmuskelu führten einen wahren Hexentanz anf. Ein leises Geräusch, welches vom Vorderzimnicr her si.h bemcrklich machrc, störte die weitere Betrachtung. Hüuer nest schrob die Lampe zurück uud die drei anwesenden Personen hielten den Athem an. Der Drücker nahm ein mächtiges Stemmeisen zur Hand. Das Geräusch wiederholte sich. Es war, als ob Jemand leise mit dem Fin gernagel an dem verschlossenen Fenster laden des BorderzimmerS kra^e. Mach aus, Katze! sagte Hünernest es ist der Seidene. Die Hagele schlich über den finsteren Hausflur uud horchte scharf an der Thür, ehe sie öffnete. Ein jüngerer Mann, den Regen von seinem moder nen Jaqnet und der Jockeymütze schüt telnd, trat ein. Der Herr Rentier? fragte er. Frau Hagele zeigte nach der Hinter ftube und folgte jenem dorthin „ach. Inzwischen hatte der Drücker die zwei Flaschen Arae in den Kessel voll heißen Wassers gegossen. Zucker, du miserable Katze! rief er der eintretenden Frau Hagele entgegen. Da muß ich erst in meinem Kanf mannSladen steigen,versetzte die Hagele. Hab Geduld! Weg mit dem Trödel in den Kasten! sagte der Rentier, den Silberschatz zu sammenschiebend. Dann kniete er nieder und hob die Diele neben dem Ofen anf. MoseS kommt morgen zu den Prophe ten und lehrt sie Psalmen singen. Bis dahin müssen sie sicher sein. Unterhalb der aufgehobenen Diele zeigten sich drei bis vier ziemlich hohe Stufen, die in ein kleines, kellerartiges Gewölbe führte». Dorthin schaffte Hünernest die Silbersache» nnd das ei serne Werkzeug, während der Drücker mit den schmutzigen Händen seiner lan genArmc die Lampe Hochhielt und lench tele. In dem Gewölbe befanden sich die verschiedenartigsten Handelsartikel, Betten, Leinenwaaren, seidene Stosse, Waffen über und durcheinander geschieh tet.Der Strahl deeLampe bele»chteteila steii nnd Koffer, die in den Ecken des Gewölbes umhcrstanden. Als diese Arbeit stillschweigend vol lendet und das Gewölbe wieder geschlos sen war, setzten die drei Männer und Frau Hagele, welche den verlangten Zucker und Gläser gebracht hatte, sich um den nur noch anf dem Tische ver bliebenen Kessel voll Grog und tranken von dem heißen Getränke in vollen Zü gen. Das wird ein Glanz werden, sagte der Rentier. Alle Zeitungen werden posaunen. Ich gehe morgen zu Kanzler und lese die Blätter. Das macht mir Spaß. Ich gehe nicht, ich schlafe wie ein Mnrmelthier, meinte Drücker die Arbeit war hart. Ich bin nicht mehr jung und mnß mich bald znr Ruhe fet zen.' Setzen lassen, in Plötzensee, sagte die Hagele giftig, rothe Schabracke, Distel und Dornen. Still, dn » atze. Aergere den Drücker nicht! Hünernest hielt die Faust Drückers zurück, die im Begriffe war, die Rase der Frau Hagele i>r Teig zu verwan deln. Ruhe im Reich! sagte der dritte, der Seidene genannt, dessen Stimme und Manieren die eines aus wohlhabenden Kreisen herabgekoinmenen Menschen wa ren, die Zeiten sind nicht kriegerisch, alle großen Männer haben sehr liebevolle Gesinnungen, die Kriege sind abgeschafft, der Weltsritde ist gesichert, die Republi ken werden vernichtet, die Schweiz und Frankreich erhalten ihre Könige. Alle Soeialdemokratc» kann man dann mit Leichtigkeit hängen. Nnr die bessern Stände bleiben übrig. Kein Gesindel, keine Sklaven, keine Armen mehr, bis durch Secession ans den höheren Gesell schastSklassen das Gesindel sich wieder herangebildet hat, was nicht auS bleibt. Unsinn! mnrrte Hünernest. Aber du kannst unter die Zeitungsschreiber ge Yen. Hört, frohlockte der Seidene, welchen Spaß ich gemacht habe. Eure neuesten Erwerbungen aus dem Gebiete des hal ben BimetatliSmuS wein habt ihr sie zu verdanken? Nun sreilich! erwiederte der Drücker höhnisch, wem anders, als dem gnädigen Herrn. Du kannst stolz nnd erhaben wie immer. Du hast die Mase matten gemach! und ausbaldowert, daß in dem Landhaus? vou Simon Lazarski Ziuider und Schwefel zu finden sei. Aber eine große Kunst war es nicht. Du kanntest alles von früher. Einen Handschlag hast du nicht gethan. Oho! Wem hat der arme kleine Hausbursche, der Max, den wir in dem Bcdientcnzimnier der Villa schlasend fanden, zu verdanken, daß er mit dem Leben davonkam? Meinem Willen! Ich habe ihn schon lange, als er kaum zwölf Jahre alt war, gekannt. Ein sanfter Junge. Er war mir oftmals gefällig, Gänge zu laufen, Briefe zu tragen. Ihr fürchtetet Entdeckung nnd wolltet dem Jungen im Schlafe den Hals abschneiden. Pfui! Pantoffel und Schlafrock, Suppe, Kohlrabi, Parlamente I Ach, Madame Hagele, sprach der Sei dene voller Hoheit ich war dabei, er konnte ruhig weiter schlafen. Ich kannte seinen festen Schlaf. Sie dursten ihm nicht an's Leben, sie hätten es mit mir zu thun gehabt. Ich habe Euch hierher geführt -so sprach ich -ich habe euch ge zeigt, wo ihr zugreifen dürst. Nehmt und geht! Der Lazarski hat's um mich und viele andere verdient. Wozu braucht der LazarSki eine stolze Villa, die er kaum eine» Monat im heiße» Sommer bewohnt er hat sein Palais in der Stadt. Wozu braucht der La zarski silberne Messer und Löffel, wenn wir mit Blech essen? Nehmt, was ihr findet, aber wen» ihr den da,den Max, den Knaben, berührt, so schieß' ich los, schreie Feuer, Zeter, Mordio! Still! drohte der Rentier, als der Seidene seine Stimme immer mehr hob! Sie hören uns! Nun aber der Witz, den ich gemacht habe, fuhr der Seidene leifer und mit vornehmem Lächeln fort. Ihr packtet, was euch in die Hände fiel, zusammen. Ich nahm einen Zettel uud schrieb da rauf: Simon, hol' die Polizei foricht sie, wer der Thäter fei —nicht nur einer, nicht mir zwei—auch ein dritter war so srei! Den Zettel steckt' ich dem schlafenden Jungen in die Hand. Was wird der Max fürAngen gemacht haben, wenn er aufgewacht ist ! Der Rentier setzte bei diesen Worten das Glas von den Lippen ab. Und das hast du wirtlich verübt, Frey? Ich klaube, mit dir ist's nicht mehr richtig! Hünernest erglühte vor Zorn im ganze» Gesicht und schlug mit der geballten Faust aus den Tisch. Die Augen des Drücker funkelten. Er griff in die Rocktasche. Laß dein Messer hier beiseite, Trük ker, warnte Hünernest. Der Seidene lachte spöttisch: Das Messer? Ich habe andere Munition bei mir. Nun—waS starrt ihr mich denn so betroffen an? Was ist dabei? Ist es ein Verbrechen, was ich verübt? Mehr als das, eine Dummheit! ent gegnete Hünernest. Dn hast deinen Namen Frey genannt. Du bist daran schuld, wenn sie uns schon morgen aus der Spur sind. Er darf nicht lebendig von hier, sagte der Drücker leise vor sich hin. Dagobert Frey, der ehemalige Kassi rer Simon Lazarskis, der den beiden andern die Gelegenheit zu dem Silber raiibe nachgewiesen und sie selbst in die Villa des Kauftnanns eingeführt hatte, spitzte den Mund zum Pfeife». Ich habe mich schon aus stärkeren Schlingen gezogen. Der verwünschte Capitän Palesrenicr hatte mich, gleich der schönen Bertha im Liede, in'S Unglück gestürzt. Da haben sie mich überall gesucht und nicht finden können, obwohl ich dicht bei ihnen war. Ich wohnte sehr stattlich anf dem Molkcninarkt und hatte nur mein Helles Haar schwarz gefärbt, a»ch den Bart weggeschnitten. Erst als ich so thöricht war, Berlin zu verlassen, singen sie mich in Güttingen ein. Ich hatte kein Geld mehr, wußte dort aber Bescheid. Verwünscht, ich kam nicht dazu. Hätte ich mich Heller und nicht Pfennig genannt, so wäre alles in Ord nung gegangen. Der Name Pfennig, unter welchem ich mich meiner Wirthin angemeldet hatte, verdarb mir den Spaß. Sie suchten just einen Menschen, der Wechsel unter dem Namen Pfennig gefälscht hatte, und weil ich mich so genannt, mußte ich m's Gefängniß wandern. In dessen die Zellen sind nicht undurch lässig. Ich entkam schon in der nächsten Nacht. Seitdem nahm ich Sommersrische im Harz. Meine Liebenswürdigkeit gegen das weibliche Geschlecht ging so weit, daß keine von den vielen Schönen, die dort auf einsamen Waldwegen Wandel ten, mir ihre Börse auszuhändigen je mals abgeschlagen hat. Der Pfennig brachte Wucherzinfen bis man die Förster und Jäger ausbot, den Psennig im Walde zu suche». Fast hätte mir die blonde Vally, meine alte Liebe aus Berlin, einen dummen Streich gespielt. Ich bin ein Narr Flora und Jo sephine dürsen mir nicht gram sein, weil ich noch immer an das schöne Kind denke. Sei nur ruhig, Drücker, du brauchst nicht anszusahren, wenn ich von Josephine spreche. Die Vally geht noch immer neben mir in den Tannen, sie springt mit mir über die Felsen und nächtigt neben mir aus dem Moose des Dickichts. Ja. wahrhaftig, da seh' ich sie wirklich. Sie ist da und wirst mir anf meine Bitte ihre Börse entgegen. Ich war ganz erschrocken, daß ich so et was gefordert mein Kopf muß gelit te« haben. Er hielt einen Augenblick inne und fuhr niit den Händen an die beiden Schläfen. Ihr denkt, fuhr nach kurzer Pause sort, mein Name, den ich auf den Zettel gefetzt, fei ein Bekenntniß. Schön, das wird den, Lazarski nichts nützen, er hat Gxund genug, gegen mich davon leinen Gebrauch zu inachen uud wenn andere auf mich rathen, mich greisen, wer sagt euch, daß ihr da mit gefährdet seid? Wer will mich zwingen, meine Freunde zn verrathen? Ein köstlicher Spaß! Sie werden mich aber nicht sangen, selbst wenn sie wis sen, daß ich in der Villa war. Glaubt ihr, daß die Förster im Harz mein Nest entdeckt haben? Sie zogen unten mit Halloh nnd Huudegebell vorüber und ich saß behaglich oben auf der stärkste» Föhre am Wege, vou deren Zweigen Hera» ich still vergnügt die ganze Meute beobachten konnte. So wird es auch hier geschehen. Ich verdufte und bin von Stund an unsichtbar, sobald ich merke, daß etwas geschieht. Also Friede und Freundschaft unter den Verbünde ten, das ist zeitgemäß, hi, hi! Und nun, ihr wackern Männer es ist spät ge worden ich will mein warmes Ziest in der Residenz aussuchen. Wenn Moses morgen hier gewesen ist. vergeßt den armen Seidenen nicht. Ich habe Casse nöthig für meine Schlafwirthin, ich will mich morgen mit dem Rentier begleichen. Nein, sagte Hünernest. ES ist besser, wir treffen einander morgen nicht wie der. Er zwinkerte mit den Augen, in dem er de» Drücker ansah. Ich will aber auf Abschlag schon heute hundert ! Mark zahlen. Auch Drücker kann Bor- Schuß haben, er reist morgen mit dem Schnellzuge nach Königsberg in Ge schästen. Wenn wir uns wiedersehen sollten, muß alles vergessen sein und Niemand mehr an den Besuch bei La zarski denken. Hünernest schloß seine eisern? Cassette ans und holte ein Packet Papiergeld hervor, von welchem er einige Stücke ab hob und sie seinen beiden Gefährten reichte. Drücker betrachtete das Papier miß trauisch und mit schielenden Ange». Echt? fragte er. Doppelte und drei fache Geschäfte sollst Du mit mir nich! machen. Ich zahle auch sür den Vor will, bin ich auch dabei. Ich bin kein elender Falschmünzer, versetzte Hünernest mit Stolz und Ueber zeugung. Alles echt! Willst Du Gold hier ist eS. Dagobert Frey lächelte nnd steckte das Papiergeld gedankenlos ein. Dicht hinter ihm verließ leise und vorsichtig der Drücker die Wohuuug Hü ncrnests. Er wechselte beim Hinaus gehen eine» verstohlenen aber bedeut samen Blick mit dem Rentier. Die Wittwe Hagele war während des Trinkgelages der Männer trotz des lau ten Gesprächs aus dem Sosa in ge krümmterStellung wieder eingeschlafen. ncrgnindstückcn schriee». Der Wind wehte. Der Himmel war noch düster, der grane Morgen kam zögernd.Einzelne Sterne brachen durch zerrissene Wolken hervor. Kaum waren die beiden Männer au? die Straße getreten, als Amalie Hagele plötzlich aus dem Schlafe auffuhr uud sich, mit den Händen ihr wirres Haar streichend, ausrecht setzte. Hörtest du nichts ? sragte sie erschrocken den Rentier. Dieser war beschäftigt, das Schloß an seiner eisernen Cassette in Ordnung zu bringen. Das dadurch entstandene Geräusch hatte ihn vermuthlich behin dert, einen ziemlich lauten Aufschrei zu vernehmen, welchen von draußen her Amalie Hagele gehört zu haben behaup tete. Du bist taub, rief sie —es ist je mand gestorben —, so klang eS. Kies und Schwefel, rothe Schabracke! Still, du Hexe, mit deinen Fratzen und Alsanzereie»! Geträumt hast du, sagte Hünernest verdrießlich und zog den Schlüssel vou der Cassette ab. Siebzehntes Capitel. Vor den« Wohnhause des Kaufmanns Lazarski hielt einige Tage später um die Mittagszeit das elegante Conpe des Doctors Reiuland. Der Arzt war hin ausgestiegen in das erste Stockwerk und saß in dem straßenwärtS belegenen Wohnzimmer Simons neben dem letz tern, welcher in Schlafdecken eingehüllt auf der Chaiselongue ruhte. Simon Lazarski war ernstlich krank, jedoch nicht zn bewegen gewesen, dem ärztlichen Rathe zufolge das Bett aufzusuchcn. Der Einbrnch in seine Villa nnd der namhafte Verlust, den er erlitten er schätzt ihn auf mindestens l(1M» Tha ler —hatte ihn auf's tiefste erschüttert. Er war voller Schrecken hinausgefahren und als er die angerichtete Zerstörung gesehen, plötzlich zusammengebrochen. Man sürchtete einen Gehirnschlag und hatte Mühe, ihn in seine Stadtwohnung znrückzubesördern. Bei mehr Ruhe trat indes Besserung ein. Der herbeigeruseue Arzt, der an säuglich die begründetsten Besorgnisse für das Lebe» des Erkrankten hegte, schöpfte wieder Hoffnung und war der Meinung, daß der Blutaustritt im Ge hirn rascher, als ursprünglich anzuneh men gewesen war, aufgezehrt werdeu würde. Richard Reinland fand heute den Großkaufmau geistig klarer, aber ausgeregt, unruhiger, als ihm lieb war. Er sprach in hoffnungsrei cher Weise zu ihm nnd machte ihm znr Pflicht, die äußerste Schonung und Ruhe zu bewahren. Allein diese Zuspräche hatte wenig Ersolg. Sie glauben nicht, Herr Doetor. wie schwer es mir wird, hier still zu lie gen. Mein Geschäft geht mir Tag und Nacht im Kopfe herum. Mau betrügt mich, iveun ich dabei bin wie wird es gehe», wenn sie wissen, daß ich armer Lazarus hier liegen muß und leine Con trolle üben kann. Ein jeder muß sich aus fremde Leute verlassen uud kann nicht alles al lein besorgen, tröstete Reinland; be denken Sie, Herr LäzarSki, daß, je mehr Sie sich ausregen, desto länger Ihre Ab ivcseiiheit im Comptoir dauern muß. Haben Sie auch ein Geschäftspcrjonal von über hundert Männer und Frauen z» überwachen V fragte Lazarski in der übelsten und krankhaftesten Laune. He? Dann können Sie gut reden! Ich laße mir jeden Abend die Bücher vorlegen, die Angestellten und Ansseher müsse» heraus zn mir kommen, aber mein Auge unten sehlt was mag da vorgehen? Man bestiehlt mich liier heimlich, in meinem Soinmerhanse öffentlich. Ich bin ein geschlagener Mann. Der Doetor trat an den Nebentisch und verordnete eine starke Dosis Mor phinni. Sie müssen sich beruhigen, wie derholte er. Schlafen, schlafen sollen Sie und sich der Gedanken an mögliche Verluste entschlageu. Armer geschlagener Mann! jammerte Lazarski leise, das Recept, welches ihm der Doetor gereicht hatte, in der Hand haltend. Lassen Sie sich erzähle», Doetor, welche» Verlust ich in der Villa erlitte» habe. Wer wird mir das kost bare Gerät!) ersetzen? Die Polizei hat keine Spur von den Dieben gehabt, ich aber habe eine nnd schwöre, daß ich aus der richtigen Fährte bin. Mein Haus bursche, der Max, schlief in der Villa. Der arme Junge war der erste, der die angerichtete Verwüstung bemerkt bat. Denken Sie, Doetor. wie frech die Ein brecher gewesen sind! Während der Bnrsche schlief, haben sie in Muße alles gen haben sie zum Schlüsse einen Zettel in die Hand gesteckt—ans Hohn, wie eine Visitenkarte! Erst jetzt hat der Max dies berichtet, er schämte sich seines festen SchlaseS halber. Sehen Sie hier ist der Zettel. Mein Recept? Ach nein! ich irrte mich, sagte La zarski, der in seiner Fieberhast dem Doctor das Recept zurückgereicht hatte. Aber der Zettel ist nicht größer. Da auf dem Marmortischchen liegt er. Sehen Sie, Doctor, ich kenne die Hand et ootei-a! ES ist die Hand meines ehe maligen Cassirers. des Wechselsälschers, der mich bestohlen und betrogen hat. Der sreche Mensch hat sich noch obenein genannt. Frey heißt er, »srey! Reinland nahm de» Zettel und las ihn. Er konnte sein Erstaunen nicht unterdrücken. O, der Meusch hat mir viel Schaden zugefügt, klagte Simon, und als er ans Berlin sich fortmachte, mich mit Er schießen bedroht. Ich habe Furcht vor ihm. Er ift im Staude, feine Drohnng anszuführcn. ES kostet mein Leben! WaS soll man thun? Den Zettel der Criminalpolizei über lieseru, den HauSburscheu als Zeuge» angeben. Ja, und in der nächsten Nacht den Besuch von Dagobert Frey haben! Gott soll mich behüten nnd bewahren! Sie kennen den Menschen nicht. Ich habe Angst, entsetzliche Angst. Er ist zn allem sähig. Lager hin nnd her. Er richtete müh sam seinen Oberkörper-aus nnd snhr fort: Der Frey ist ein verschmitzter und welterfahrcner Mensch. Ich habe allen Grund, -ihm nicht wehe zu thun. Sie können sich denken, weshalb? Wenn man nicht ins Publikum 'dringe,! lassen will. Ich habe dem Cassirer Frey man ches durch die Finger gesehen. Sie sollen von solchen Sacken Ihre hören, sagte Reinland ärgerlich nnd stand auf. Es war eiu hübscher blonder Mensch, zarski, ohne sich stören zn lassen, sort. Ich denke mir, die Weiber waren sein Verderben. Sie kenne» doch die blonde Vally? Sie haben sie behandelt in mei richt mich verklagt hat. Der Doetor hatte im Ausstehen die Hand des Kranken um Gelenk ergriffen, nin seinen Puls zu fühlen. Bei der nnerwartetktt Erwähnung der blonden Vally erschrak er. Er zitterte so heftig, daß der »ranke, dessen Arm gehoben und gesenkt ward, diese Bewegung ein Pfand. Gott im Himmel! rief Lazarski angstvoll, wie wird mir! Er geht schlecht, sehr schlecht, der PnlS. Ster ben muß ich sagen Sie es nur her aus, Doetor, Sie habeu es an meinem PnlS gefühlt. Wir alle sind sterblich, erwiderte Reinland, sich mühsam fastend aber Ihnen —nun, ich garantire Ihnen vor läufig noch zehn Jahre. Lazarski holte tief Athem. Diese Worte wirkten besser als eine heilsame Medizin. Sagen wir fünf aber fünf! Nim ja, ich bin erst sünsundfüns zig alt uud sechzig ist das beste Alter. Die blonde Vally ist ein hübsches Mäd chen. Alle Welt nahm Partei für sie, als der Doetor Gcnikenihal mich vor dem öffentlichen Gericht verklagte. Al lein allein, ich habe jetzt doch die Ueberzeugung, daß sie es mit dem Dagobert Freu hielt und zn seinen Ver untreuungen die nächste Ursache war. Die - nächste Ursache Doetor Reinland tonnte diese Worte kaum her vorstoßen. Ja. Ich weiß, daß sie mit Frey ein Verhältniß hatte. Sie begleitete ihn überall hin, in die Theater, in die Phil Harmonie, zn »roll, nach was weiß ich. Und da sieht doch Jeder, der nicht blind ist, daß dergleichen Bekanntschaf ten Geld kosten seidene » leider etc.! O, Doctor, es ist eine schlechte Welt! Ich habe den Vater der blonden Vally gekannt. Sie wissen nicht, daß ich und ihm zu Dank seine Tochter, die Valesca, gnt ausgenommen und vor allen andern bevorzugt habe. Allein nach dem Pro cesse ersährt man so mancherlei. De kommen die guten Freunde zum Vor schein, und was sie früher ans Rücksicht verschwiegen haben, davon geht unn nachträglich die Zunge über. Heuchler sind sie alle, die Menschen! Hab' ich recht, Doetor? Richard Reinland nickte er wußte eS selbst nicht mit dem Kopse. Mag fein sprach, durch heißrothe Wangen einen gesteigerten Fieberzustand »errathend, Lazarsti hastig weiter, daß die blonde Vally weniger Schuld trägt und von ihrer Mutter, der Ge Heimräthin angeleitet war. Die Mutter soll von ganz gemeinem Herkommen Schenkmamsil geheirathet sagt man. Kann es da Wunder nehme», daß die blonde Vally keine Heilige ist? Keine Heilige Vally Berg keine Heilige! (Fortsetzung folgt.) frau (zu einein armen Studenten, der nach der Universität abreist»: „Hier, nehmen Sie diesen Thaler, den» man Studenten wohl thut, bant mau sich eine Stufe in den Himmel!" Student (schnell einfallend >: „O, gnädige Frau könnten sich gleich eine ganze Stiege bauen!" Trost. „Nun, mein junger Freund, so betrübt und kaum ein Jahr verheirathet!?" „Ach, ich hätte nimmer geglaubt, daß eine Frau ein so kostspie liges Ding wäre!?" „Na, tröste Dich .... Siehst Du, eine Fran ist zwar kostspielig aber.... man hat sie ! auch dasür lange!" 3 Herr Schämchen. Herr Schämchen, ein jungverheirathe ter Sangesbrnder von bester sächsischer Marke, war nach einem beispiellos inni gen Abschiede von seiner lieben Gattin mit den Anderen seines Vereins, der beim großen Sangesseste mitthat, nach Wien gekommen. Alles, was an Plai sir in der Kaiserstadt geböte» wird, hatte sich Herr Schämchen beigebogen. Bon den tiefsten Tiefen des „Eldorado" i.mr er zu deu höchsten Höhen des Kahlenber ges ausgestiegen und weit und breit lockte keiii Schild von Bedeutung, unter dessen Fittig er nicht geruht hätte. Und je mehr Herr Schämchen sah, um desto höher stieg in ihm der Trieb, noch mehr zu sehen: den Becher der Freude bis aus den Grund zu leere», war der Hauptge vanke seines JdeenkreiseS. Aber leider—Alles auf dieser schönen Welt neigt einmal seinem Ende zu uud traurig, ties traurig erklang der Mahn, ruf der „C. E. G. C." Genossen unseres Lebesachsen zu dessen Ohren: „Das Fest ist aus, nun sort nach Haus!" Furcht bar gellte dieser Unkenruf in den Gehör- Werkzeugen Schämchens, denn immer wieder reagirte es in seinem Innern: „Halt ein, verweile noch!" Aber wie das intvegc bringen, das war der peinigend« Gedanke, der Herrn Schämchen bei Tag und Stacht nicht zur Ruhe kommen ließ. Sich todt zu stellen, dazu sehlte die Courage und das nöthige schauspieleri sche Talent doch der rettende Gedanke blieb nicht aus. Auf dem Nordwest bahnhose st'llte sich plötzlich bei Herrn Schämchen ein heftiges Zahnweh ei» und er begann in Gegenwart der „Brü der" zu lamentiren, wie noch nie laiiien' tirt wurde, „so laug' die Berge steh'n aus ihrem Grunde". TheilnahmSvoll räth man ihm zur Bekämpsung der rasenden Schmerzen die bewährtesten Mittel—darunter auch das bekannte, heilkräftige Korneuburger Pulver an. Herr Schämchen aber schlägt Alles aus, er kennt seine Natur und erklärt deeidirt, daß der Zahn her aus muß. Er müsse, endete- er, die Brüder alleeue reisen lassen dabei quetschte das biedere Ungeheuer eine Thräne ans dem linken Auge «ach vollzogener Operation werde er sofort nachreisen und er bitte nur, seine liebe Guste in schonender Weis« von dem Un glücke zu unterrichten. Dabei drückte er die zweite Thräne aus dem rechten Auge. Der Abschied kam, das geflü gelte Dampsroß entführte unter den endlosen Lebewohlgrüßen der zurück bleibenden Wiener Freunde die uns so licbtnerthen sächsischen Gäste und Schäm chen heulte, indeß die anderen sangen: „ES gibt ein Wiedersehen!" Kaum aber waren die Genossen sort, waren auch Schämchens Schmerzen beim Teusel. Wie ein geübter Schwimmer stürzte er sich vom Trittbrett des Waggons, an dem er soeben schluchzend gehangen, kopsüber in die sprudelnden Fluthen des Vergnügens. Der höchste Henrige, der hatte es ihm speciell angethan, dort finden sich Wein. Weib und Gesang so schön vereint und am dritten Abend nach Abfahrt der Ge nossen saß Schämchen mit selig- verklär tem Gesicht in einem Gärtchen nnweit des Ottakringer Kirchthurms und ihm zur Seite doch halt, wir wollen ja discret sein und »US die Freundschaft Herrn SchimcheuS für künftige Zeitei nicht verscherzen. Aber das Eine müs sen wir denn doch mittheilen, daß Plötz lich, „wie ei» Gebild aus Himmels höh'n" eine junge Frau in dem lustigen Kreise auftauchte, bei deren Anblick Herr Schämchen zu allererst mit blitzartiger Schnelligkeit seinen Ehering, den er ver muthlich der Hitze halber im Giletläsch chen verwahrt hatte, aufsteckte, worauf er in Begleitung der Dame, die Reiseklei der trug, ebenso blitzartig aus dem Garte» verschwand. Herr Schämchen ist am andern Tage glücklich wieder in seiner Heiniath angelangt; das Zahn weh schien ihn aber immer noch nicht verlassen zu habe«, denn als er ans dem Waggon stieg, war er merkwürdiger Weise nicht nur rechts, sondern auch links auffallend stark geschwollen (N. Wiener Tagbl.) Eine nn mag ne ti si rba r e Taschenuhr hat Roskopf eonstruirt. Sie entspricht einem tiefen Bedürfniß. Die Riesensorlschrilte in der industriellen Anwendung der Elektricität haben die Zahl der Dynamos in Fabriken und Wohnräumen aller Art in ungeahnter Weise vermehrt. Sobald nun eine Uhr. die Stahltheile enthält, in die Nähe eines Dynamos gebracht wird, werden die Stahltheile magnetisch, und di« größten Störungen im Gange der Uhr. ja selbst deren Stillstand sind die Fol gen. Deshalb mußte eine nicht mag netisirbare Uhr construirt werden, die selbst dann, wenn man sie der Ein wirkung mächtiger magnetischer Kräfte ausseht, keine Störungen in ihrnn regel mäßigen Gange erleidet. Die Roskops 'sche Uhr genügt diesen Anforderunzen vollkommen. Nach dem „Momteur industriell sollen einige Exemplare der selben tagelang neben den stärksten Dynamos gelegen haben, ohne auch nur die geringste Einwirkung zu erfahren. Die Spiralfeder der RoSkopf'schen Uhr ist aus einer nicht magnetischen Palla diinnlegirung hergestellt, die an feuchter Lust nicht oxydirt und, zwischen weit gesteckten Grenzen wenigstens, eine eon stante Elasticität besitzt. —Ein einfacher Apparat zuui Entmagnetisiren von Taschenuhren ist der folgende: Ein permaueiitcr Magnet wird im Innern einer soliden Holzeasette mittelst einer Kurbel und Zahnrädern in Drehung versetzt. Man bringt die zu behandelnde Uhr an die äußere Wand der Cassette. und während der Magnet in schnell? Drehung verseht wird, zieht man di, Uhr langsam wieder fort. Grausam. Arzt (zu einem lahmen Bettler): Hören Sie mal, Ihr Gebrechen könnte vielleicht noch geheilt werden! Bettler (erbost): Also selbst mein erbärmliches Handwerkszeug will man mir »och nehmen!