Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 18, 1890, Page 3, Image 3

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    v a l e s c a.
(K, Fortsetzung.
Der Fremde ruhte ein wenig. Ein
finsteres Lächeln entstellte sein aschsarbe
neS Antliv »och mehr, als er eine ellen
lange Schnur aus seiner Hosentasche
zog nnd die Schnur zu einer Schlinge
knotete. Er schaute ringS nm sich.
Niemand war in der Nähe. Er klappte
ein großes Messer aus, faßte dasselbe
am Griff nnd that den letzte» Schrif
bergan.
Der Fremde stand jetzt dicht hinter
wärtS, zur Linken ValeScas. Er beugte
sei» finsteres Antlitz vor und flüsterte
mit heiserer Stimme: Ich bin Psen
»ig, den Sic a»S dc» Blättern kenucn
werdcn. Gcben Sie mir Ihr Geld
heraus!
Entsetzt fuhr Balesca auf. Sic bo>>
mit rascher Weuduug in den am Graben
hinlaufenden Weg ein. Reinland! Hilfe!
kreischte sie. So schnell ihre Kräfte ge
statteten, raiiiite sie vorwärts. Der
Schreck verlangsamte ihre Flucht. Sie
riß im Fliehen ihr Portemonnaie her
vor und wars eS aus den Waidweg hin.
Ans dicse Weise hoffte fie, den ihr fol
genden schreckliche» Menschen anszuhal
tcn.
Der letztere schien kcinc Eile zn habcn.
Seine Schritte waren lang, aber nicht
hastig. Er wnßte, daß sein Opfer nicht
weit laufe» würde. In einer Minute
mußte er eS ohne Anstrengung in seiner
Gewalt haben.
AIS BaleSca ihr Geldtäschchen wcg
schleude'.tc, sah sie sich flüchtig rückwärts
um. Der Verfolger, der ihr Gesicht
anstarrte, war nur noch wenige Schritte
von ihr ciltscriit.
Seltlamerweise blieb in diesem Augen
blicke Pscuuig wie angewurzelt stehe».
Oho, die blonde Vallq! Valesea,
welche fortwährend weiter strebte, hörte
diese Worte ihres Verfolgers, dann ein
wahnsinniges Lachen abcr nicht mehr
die Schritte ihres Feindes hinter sich.
Au der nächsten Biegung des WegcS
sich abermals scheu umblickend, gewahr:«
sie, daß Pfennig noch auf derselben
Stelle und jetzt wohl über fünfzig
Schritte von ihr entfernt stillstand, ohne
den Ort, wo sie das Portemounaie
weggeworfen, erreicht zu haben.
Sie nahm ihre letzten Kräfte znsam
nie». Bald war ihr Widersacher ans
ihrem Gesichtskreise. Kein Zweifel, daß
er wegen irgend eines ihm entgegenge
tretenen Hindernisses die Verfolgung
aufgegeben hatte. Er kannte sie. Oder
war eS ein Trug ihrer erregte» Sinne
gewesen, daß sie ihre» Namen in der
verhaßte» Bezeichnung, die ihm die
Berliner und die Zeitungen beigelegt,
ans seinem Munde vernommen hatte?
Oho, die blonde Vally! Diese heiser«
Laute klangen noch in ihre» Ohre».
Ei» uttueniibares Gesühl von Bitterkeit
nnd Haß durchzuckte ihre nach Athem
ringende Brust. Gebrandmarkt war
sie, ivohin sie auch gehe» mochte in
den Straßen der Hauptstadt, in den
Tnnnenwäldnii des Gebirges.
Einige liundert Schritte weiter begeg
nete Vally eine große Gesellschaft von
Männern. A»scheinend halten die gc
schär-te» Sinne Pfennigs das Geräusch
geworden nnd hatte deswegen seine»
Angriff uiitcrlasscn. Diese Männer
wareil zum Theil mrt Knüppeln, zum
Theil mit Gewehren bewaffnet. Zwei
große Jagdhunde sprangen nebenher
und suchten lii deu Büschen. Weiterhin
tauchten die Gestalten von Frau Gc
hcimräthin uud Richard Reinland anf.
Valcska war erschöpft. Der Forst
eandiöat im moosgrünen Anzüge, ihr
unter der hereinkommende» Schaar. Er
stützte sie und geleitete sie aus die nächste
aus Tanuenä slen ausgczininierte Ruhe
rus gehört zu haben, sagte er. Hier ist
ein Frevel geschehen! Taun bat er
Balesca. einige Tropfen Ruin aus sei-
Valescas früherer Begleitung zur
Stelle. Miillj. BaleSca! rief er dcr
Erschöpften und Erhitzten zn. Lehne»
Sie fich zurück und suche» Sie lies uud
mein Antrag Sie so sehr erregen! Er
glaubte, daß dies dcr Fall sei.
Hinter ihm kam Frau Ludovica sam
mciii Kind!
Fort, satt: Rcinland, ergriff die
Hand Val' uns wehrte der Mutter.
Nur Ru!:e ift nothwendig.
Vicllcicht ist das Fräulcin dem von
im Halbkreise die Bank »uistaiidc».
Balcsca, die keine» A»ge»blick ihre
Besinnung verlöre» hatte, nur vo» der
vor Schreck athemlos gewordeu i nd noch
sprachlos war, hörte diese Worte und
nickte mit dem K opse.
AuS de» weiteren Gesprächen dcr
Hinzugekommene» ging hervor, daß je
ncr gefürchtet? Mensch, dcr den Namen
Pfennig führt: iu Götlinge» anSgebro
che» w>ir nnd die Wälder westwärts des
Brockens unsicher machte, neuerdings
vo» Bergleute» ans dcr Ehaussee von
Elanslhal »»d später hinter Altenau
gesehen worden war. Man hatte sich
deshalb zn seiner Bersolgnng vereinigt.
Vo» so viel theiinchinenden Menschcn
kommcnster Sicherheit ValeSea ihre
durch den Schreck gelähmten Kräsle bin
neu kurzer Frist wieder. Sie richtete
sich im Sitzen ans und siel dcr vor ihr
kniecnde» Mutter unter ausbrechenden
Thränen um deu Hals.
Dan», nachdem sie aiifgestande» war.
erzählte sie im Kreise der herzugekomme
nen Männer ihr Abenteuer.
Vorwärts denn, ohne Säumen! Wir
sind aus der richtige» Fährte, sagte der
alte Förster. Tod oder lebend, er soll
uuS nicht entgehen. Er trieb znm Auf
brnch und rief den Hunde» zu: Such,
Hector! Such, Diana!
Aber Diana, eine hellbraune Hündin
mit gefleckter Brnft, war bereits früher
weiter getrottet, die Nase ans der Erde
haltend und mit dem Schwänze wedelnd.
Jetzt kam sie in großen Sätzen zurück
und richtete mit dc» Vorderpfoten sich an
Balesca auf.
Mein Portemonnaie, sagte Valesea
staunend und mit mattem Lächeln —du
bringst es der Eigenthümern! zurück.
Sie liebkoste den Hund. Der schreckliche
Mensch hat eS nicht berührt, fügte sie,
nachdem sie das von Diana rapportirte
Geldtäschchen geöffnet und den Inhalt
flüchtig überblickt hatte, Hinz».
Seltsam! Vorwärts, Diana, vor
wärts, Hector! Ries der alte Förster
kommt alle! Die Spur ist noch warm.
Er kann nicht weit sein!
Während jene eisrig ihre Nachsuchung
fortsetzten, nahm Balesca wieder ans
der Bank Platz, neben ihr Frau Ludo
vica und der junge Arzt. Die Ruhe
und die eintretende Stille wirkten wohl
thuend. ValeSea, an der Schulter der
Mutter lehnend, neigte sich zu schlum
mern. Sprechen wir nicht, bat Rein
land, als Fran Ludovica noch mehr
Einzelheiten des bedauerlichen Vorfalls
erfragen wollte. Mit Ueberwindung
fügte die Mutter sich dieser Bitte.
So saßen die Drei wohl eine halbe
Stunde lang schweigend zusammen.
Da fielen in der Ferne kurz hinterein
ander mehrere Schüsse, die im Echo des
Waldes widerhallten.
Das hat ihm gegolten! meinte Frau
Ludovica.
Balesca zuckte zusammen. O Gott!
sprach sie langsam ein Menschenle
ben ! Die Gestalt schwebt mir noch im
mer vor Augen. Mir träumte, ich
hätte sie schon früher gesehen. Doch
meine Erinnerung ist schwach, mein
Kops angegriffen. Was ich längst ge
ahnt, geht nun bald seiner Erfüllung
Kurze Zeit hernach äußerte ValeSea
de» Wunsch, zn gehen. Mir wird Woh
le? sein, wenn ich mich bewege!
Man ging langsam nnd ohne zu spre
chen den breite» Rasenweg am Garten
entlang, der zur „Rose" sührt. Im
Gehe» erholte sich Balesca sichtlich.
Sie wurde gesprächig nnd erzählte wie
derholt, wie sie von jenem Landstreicher
erschreckt worden sei. Was mir Onkel
Geuikeuthal sagen wird, wenn er hört,
was mir heute Schreckliches begegnete!
wiederholte sie mehrmal-s.
Die „Rose" ist ein von wettergrauen
Taunenbrettcr» cl-richtctcS Häuschen am
Waldrande. Von den drei offenen
Vorderseiten thut sich ein Blick aus das
in entgegengesetzter Richtung an der
Oker entlang streichende Gebirge, die
näheren Waldungen und die von grauen
Wesen durchschnittene» Thalschluchten
des Vordergrundes auf. Ju diesen
Scliluchteu, fächerartig, doch eng zusam
ineugeilistet, zeigen sichdie rothen Dächer
der „Bergstadt", die, im Grünen, wie
in Blättern gelagert, hier in der Thst
den Anblick einer ausbrechenden Rose
gewährt—wovon der bezeichnete Pavillon
seine Benennung ableitet.
Als man sich de? Rose näherte, er
scholl aus dem Bretterhäuschen ein Ju
bellaut, ein fröhlich entgegeiigeriisenes:
willkommen? Willkommen!
Zur größten Ueberraschung eilte aus
dem Innern der Rose die Treppen
stttsen hinab, den Ankommenden mit aus
gebreiteten Armen entgegen, Heinrich
Gemkenthal.
Balesca, wie neugeboren, fl»g in seine
Arme und hing an seinem Halse: Dn,
Onkel Heinrich, hier ich dachte gleich,
daß du komme» würdest welche
Frende, wie schön, wie entzückend!
Ich hatte eine wahre Sehnsucht, euch
wiederzusehen. Es war aus meinem
Schlachtfelde gar zu traurig. Uud seht
nur, was ich sogleich angerichtet habe!
Er deutete mit glückseligem Lächeln
aus de» Tisch in dem Bretterhanse, auf
welchem eine Flasche Rothwein zwischen
zwei reinlich mit kaltem Ausschnitt be
legten Tellern stand.
Ich crsuhr da unten bei meiner An
kunft. snhr Gemkenthal fort, daß ihr auf
einem Waldspaziergange begriffen wä
ret und über die Rose zurückkehren wür
det. Ist da Wirthschaft? Nein!
Gilt, so werde ich den Wirth machen.
Ein kleiner Pochjunge hat den Korb
mit Vesperbrot hierlstr getragen. N»n,
nochmals willkommen in meiner Wirth
schast. Setzt euch, ihr seid ermüdet
ich sehe eS!
Mehr als das, bemerkte Richard
Neinlaud.
Ja, Doetor, hätt' ich ahnen können,
sagte Gemkenthal, einen zweiselhasten
und verwunderte» Seitenblick auf Rein
land werfend, ahnen, daß Sie hier wä
ren, fo hatt' es einer zweite« Flasche
bedurft.
Es ist gut, daß Doctvr Rciuland zur
Stelle war. als ValeSea so elend wur
sctzte. Elend? —mei» Herzenskind?
Ich dachte gleich, daß dieser Weg zu an-
sein würde. Die Lust ist
begann die Frau Geheiinrätb!». Und
ilnn begab sie sich ohne Rückhalt an ein
Erzählen des eben Erlebten, ei» Erzäh
len, was gar kein Eude nehmen wollte.
lÄemkcuthal zitterte sörmlich, als er er
fuhr. in welcher Gefahr sein Liebling
geschwebt hatte.
O, eS ist »ichtZ, betheuerte ValeSea
lud streichelte die Hand des OheimS
;'s ist Alle- vorüber. Ich bin so frisch
ivie immer Kopfweh und Schwäche
isiud geschwunden. Wie schön, daß du
. gekommen bist, Onkel H.inrich —und wie
du gleich gesorgt hast. ES ist zu rüh
rend, zu lleb!
Bci diesen mit srischer Stimme und
in Heller Freude geäußerten Worten
»inwölkte sich die Stirn deS Doctor
Rcinland. Er gönnte dem alten Mann
dcn diesem von seiner jngciidlichcn Ver
wandten entgegengebrachten Ausdruck
dcr LlcbcuSivürZigteit nicht. Er selbst
meinte, viel weniger freuudlich cmpsan
gcn zu sci». Es lag ctwas von Eifer
sucht in seiner Bemerknug: Die Ueber
raschungeil, welche Fräulein Berg heute
erfahre» muß, find so zahlreich, das; ich
besorge, ihr Einfluß «verde die guten
Wirkungen der Harzlust wieder aufheben
und vernichten.
Um daS Gegentheil zu bcwciscn,
laugte Balesca deu vou dem Oheim
gespendete» Erfrischungen tapfer zu.
l!S war eiue völlig veränderte Stim
iiiuttg bci dcm juilgcn Mädchcn seit dcr
Ankunft GemkeuthalS eingekchrt.
Uud tvic lauge, Onkel Heinrich, wirst
dn uns deine liebe Gegenwart schenke»?
sragte Valesea.
Ich habe mich entschlossen, so lange
zu bleiben, wie euer Ansenthalt dauert.
Oben am Berge bei einem Hütteuman»
finde ich cin klcincS Stübcheu mit rciu
lichcm Bctt.
Leider will uns dagegen Herr Doctor
Ncinland schon hcutc Abc»d ivicdcr vcr
lasse», klagte Fra» Ludovica mit erustein
Gesicht.
Ja, vielbeschäftigte Leute habcn nicht
lange Zeit, ihrcn Privatncigungen nach
zuleben, meinte Gemkenthal, der dicse
Nachricht mit Glcichmuth ausnahm.
Ich ziehe wieder nach Berlin uud muß
niciue Firma wicdcr übcrnchnicn. Der
Abschluß, dcu mcin Pächter gemacht hat,
ist ein so günstiger, daß cr scincrsctts
die Absicht hat, sich in dcr Provinz
selbständig zu machen. Gleichzeitig ist
mir von hoher Hand cin Verlagsnnter
»chnicn angcbotcn worden, bci wclchcm
Ich fange an, »cu zn lcbcn, ja, incine
liebe ValcSca, ich werde wieder jnng!
Die heitere, scherzhafte Laniie Gem
keuthals machte dcn Doctor Reinland
fast »lißmuthlg, wenigstens ging cr auf
dcm Rückwcge aus dcm Walde an der
Seite der Frau Geheimräthin nachdenk
lich. Gemkenthal »nd Balesca waren
i» eifrigem Gespräch etwas vorausge
gangen.
Während Reinland auf dem Wege
über die grüne» Matte», welche die
Gipfel der »icht mit Forst beftaudene»
Berge schmückten, die Köpse dcr rothen
Tisteln mit dem Stocke abschlug, hatte
Balesca sciiic» Antrag unterwegs dem
Oheim niitcrbrcitct. Was soll ich thun?
fragtc sie zu ihm ausblickend.
Gemkenthal hatte sich verfärbt. Er
blieb stehe». Ei» fchmcrzlichcS Gcsühl,
Wcilcrgehcn, das ist eine Frage des
hcrzcns, dic nur das dcinige beantwor
>cn kann.
Ich werde nicht mehr lange lebe».
Tr würde bald verwittwet sein.
ohne Ueberwindung Hinz», ist ei» ge
achteter Mann. Er hat eine Zukunft
oor sich. Ma» sagt, er sei jetzt i» de»
beste» eingesührt. Du wirst
haben.
Dic Mntter würde bessere Tage
sehen, sagte ValeSea traurig; so meinst
—oder »ei», die Dankbarkeit
!st die Mutter unserer Liebe.
Wie würde es ih» verletze», äußerte
Baleöea leise vor sich hin, wenn ich
lagen müßte
Sic stockte.
sagtc Dn darfst
Zicinland.
Tic letzte Wegstrecke legte» sie schwei
gend zurück.
Als sie nun unten im Thale ange
be, Ihre» Wunsch z» ersüUen'
Zwölftes Eapitel.
Welche Frende, dnß tvir nun noch
rickte.
ValeSea blickte dcn Okicinl init freude
itrahlendc» Augc» a». Run wollc» wir
n dcr frcicn Natur »och täglich wander»
and alles Schöne, was sich hier darbietet,
Zoppelt genießen!
Herr Pfennig wird wohl dcn Weg
nach dcr Wolfswartc nicht mchr vcrbie
'en können, meinte Frau Ludovica.
Schön, schön, liebe Schwester, doch
werde» wir wenig Freude an ValeScas
Gesellschaft haben.
O, wie hart und grausam du bist!
schmollte Balesca.
Nun. dcme Gedanken werden nicht
auf dcr Höhe, nicht im Thale weile».
Du wirst den Duft der Tanne» nicht
spitren. die Feifc», die fprud, luden
Wässer deines Blickes »icht würdigen,
den» deine Gedanken weilen nicht hier,
sie schweife» in dic Ferne nnd
Ei, das wäre thöricht. Ich habe
später Zeit, an WirthschastSsorgen zu
denken. Jetzt will ich mich deiner An
wesenheit'freuen. Du wirst meine Ge
danken und Einpsiudllngcn vollständig
in Beschlag iichmeu, zumal wenn du
liest. Dn hast doch etwas zu lesen mit
gebracht? O, wie schö» du vorliest.
Wen» wir an irgend einem lauschigen
Pnukte anSrnhen
Nehme» wir aus dem Körbchen eine
kleine Erfrischung, sür die ich sorgte,
suhr Fran Ludovica fort.
Dann aber mußt du vorlesen, lieber,
bester Onkel.
Doctor Gcmkcnlhal war ci» wenig
Poet. Er hatte sür ValcSca srühei
einige Verse geleistet, die sie nach be
kannte» Kirschinanil'schen oder Abt'schen
Melodien zum Elavier zu singen pflegte.
Versteht sich, sagte Gemkenthal; ich
habe für Lcetüre gesorgt. Dn sollst
staune». Doch still, das darf sich erst
bei passender Gelegenheit finde». Jetzt
wolle» wir überlege», wohin wir heute
pilgern.
Nach Goslar, um sür BaleSca eiue»
Hut eiilzukailse», schlug Frau Ludovica
vor. Wi» fahre» mit dcr Post bis
Romkerhall.
Die Kaiserworth — das lohnt
thal.
sucht! rieth ValcSca.
Sehr muthig, aber keine TageStour,
dic zu Fuß abzumachen wäre. Später
einmal.
Nun, dann Polsterthal uud Polster
bcrg!
Dieser Vorschlag fand Beifall. Man
rüstete sich lind wanderte sröhlich du
Platynenattee entlang, welche über di,
Silberhütte zu dem rothen Bcrgc
führt.
ES war ein glücklicher, durch niclM
getrübter Tag, welchen die drei Men
schen anf dem Polsterberge verlebten.
Auf dem Rückwege wurde» Pläne zu
der vo» BaleSca gcwünfchtc» Brocke»
fahrt und zu weiteren Wanderungen
geschmiedet.
Diese Wanderungen, bei dem köstlich
sten Wetter anSgesührt, füllten du
nächsten Woche» aus. ValeSea, dic
Mutter und Gemkenthal hießen bald
in Alteuau die Unzertrennlichen. Nie
mand fühlte sich in ihrer Gegenwart so
recht behaglich, weil zu besorgen war,
ein störendes Element zu sei».
Heinrich Geiulenthal, ein tüchtige,
Fußgänger nnd Bergsteiger, »nternahn
anch mit BaleSca häufig allein dic wei
testen »nd beschwerlichsten Touren, an
denen Frau Ludovica ihrer zarten Ge
sundheit wegen »icht theilnehmeii
konnte.
Gemkenthal war die Aufmerksamkeit
selbst gegen ValeSea. Du verwöhnst
das Kind, sagte Frau Ludovica häufig.
Er stützt? ValeSea, wenn sie ermüdete,
cr trug ihr Plaid und Shawl uach und
verwahrte sie gegen jede Zuglnst. Mit
sie Gesallen fand, beschwerte cr sich,
Ihrcn Vcrlobtcn vcrmißte ValcSca bci
dieser Sorgsalt kaum, sie erwähnte sei
ner nicht, denn sie beinerktc, das; Gcm
schnelle Flucht dcr Zeit klagte bei dcr
Erwähnung des Doctor Reiulaud still
uud nachdenklich wnrde.
Das Fräulein aus Lübeck, welches
eine wollene Dcckc aus dem Schoße, ciu
Buch in der Hand, während der Ab
Wesenheit beider im Garten des Gastboss
dcr Frau Geheimräthin meistens Gesell
schaft leistete, äußerte in Bczng aus
Gcmkcnlhal: Er ist cin ernster, gebilde
ter Man», dcr uns allcn sehr wohl ge
fällt. Wenn jener Arzt ans Berlin
»icht, so ist er wohl der Berlobte von
Fran Lndovica lächelte. Warum
nicht? Er ist ja ihr Onkel. BaleSca ist
dic Braut dcs Doctor Rcinland, dcn
Sie hier flüchtig gelernt habcn.
Iu dcr That? sagte da-S Fräulcin.
Herr Gemkcnthal ficht sast noch jünger
land.
Das scheint nnr so. Mein Bruder
ist in reifer» Jahr»n.
Sehr gnt cvnfervirtl Sehr gnt!
Die Zeit heiteren Zusammenlebens
Fluge vorüber Dic TreiiiiungSstuudc
kam rascher als erwünscht, Gemken
thal. im Interesse seines »eil eröffnete!»
abreise», als Frau Berg uud deren
Tochter. Er traf Beide, nachdem er
feinen Koffer geordnet, verabredeterma
vor. Doctcr Rcinland drückte lebhafter
als sonst seine Sehnsucht aus uud freute
fich dcr baldigcn Wicdcrkehr.
Gemkenthal, wcn» ich euch nicht tägkich
scheu kau» —daran denkt cr nicht.
Die Sonne versank hinter dcn Höhe»'
zügen, dic als Fortsctzung dcm Brocken
gcbirge sich anfchlicßcn. Ihre letzten
Strahlen fielen aus die grünen Berg
wicsen, soweit die violetten Schatte» der
Waldlinge» dicse nicht deckten. Die
Dächer des unter den Beschauern liegen
den Städtchens flammten so roth auf, als -
seien die Ziegel erst heute au? dem Ofen !
dcs Kirchlems aus dem »tirchberge ste
henden hölzernen Glockenturm ertönte
das Abendgeläui.
Morgcn durchwandere ich das Oker
thal allein. Mein dosier folgt mit der
Post, sagte Gemkenthal. Wir sehen uns
unter so anmuthigen Umgebliuge» nicht
ivieder. Damit ihr meiner inzwischen
nicht ganz vergeht, lass' ich Euch dies
Andenken.
Er überreichte Balesca ein in Ma
roquin gebundenes, mit Goldschnitt ver
sehenes Büchlein. Es ist mein erster
neuer Verlagsartikel, setzte er hinzu.
Das ist jedenfalls merkwürdig und vcr
dient, das; Ihr Eure Augen daraus
richtet. Er pflegte stets Mutter lind
Tochter zugleich, selten die letztere nur
allein anzureden.
Schön ausgestattet! bewunderte Frau
Lndovica den Einband.
Valesea schlug de» Titel auf. „Die
Lieder eines alten Mannes", lautete er.
Gott sei Tank! sprach sie lächelnd, also
nicht die deiiiigen, Onkel Gemkenthal.
Aber wir werden sicherlich des Verlegers
dankbar gedenken, so ost wir in dieses
geschmückte Buch nnS vertiefen.
Valesea und Frau Ludovica berede
ten heimlich miteinander, daß sie am
nächsten Tage dem Oheim noch das Ge
leit eine Strecke weit bis nach dem Was
serfall von Romkerhall geben wollten.
Sie dachten am Abend, als sie sich vou
Gemkenthal trennten, nicht, daß sein
Gute Nacht gleichzeitig sein Lebewohl
bedeuten würde.
Dem seltsamen Manne ließ es keine
Rnhe, als Mutter und Tochter sich zu
rückgezogen hatten. Er stieg nochmals
ans den Schwarzenberg und suchte im
Moudlicht das Hans, ilnter dessen Dache
Frau Ludovica und Valesea nun der
nächtlichen Ruhe pflegten.
Vom Schwarzenberg stieg Gemken
thal wieder herab und umkreiste Haus
und Garten langsam mit übervollem
Herzen. ES war ihm, als würde er
beide Franen im Leben nicht wieder
sehen. Erst spät zog er sich zurück nnd
wanderte bereits rüstig und schnellen
Schrittes »m 4 Uhr des nächsten Mor
gens über das Hüttenwerk, dem Okcr
tdale zu, während Lndovica und Va
lesea noch in süßem Schlummer ruhten.
Die Frauen, als sie den stnmnien Ab
schied, srüh morgens in den Garten tre
tend, ersnhren, waren überrascht. ES
ging ihnen nahe. Sie fühlten sich nicht
verletzt, aber plötzlich vereinsamt. Va
lesea insonderheit war ein wenig ver
stimmt. Sie grübelte dem Grunde
nach, ans welchem Gemkenthal so heim
lich sich entsernt hatte. Sie suchte sich
ein einsamcs Plätzchen auf dein Schwar
zciiberge, dasselbe, wo sie gestern zuletzt
gesessen hatten, und nahm die Gedicht
sammlung mit, welche Gemkenthal als
Geschenk zurückgelassen hatte. Als sie
das Buch ausschlug, fielen ihr zufällig
folgende, inmitten anderer stehende Verse
in die Augen:
Tu bist so schön nnd jnng an Jahren,
Gott möge dir dein Glück bewahren!
Doch ich bin alt, im Bann der Pflich
ten,
Nicht hoffen darf ich—nur verzichten.
Ach habe deinen Pfad gemieden
Wir scheiden -ziehe du in Frieden!
Ihn todten heißt es, wollt' ich spreche:
Wir scheiden nnd mein Herz will brc.
che».
<rin Winterschnee in Lenzeswoniicn
Ist kaum gefallen, schon zerronnen,
Verwandelt find die weißen Flocken
Zu Thränen in den Blüthenglocken.
Thau, aus dem Schooß der Nacht ge
sunken,
Wird von der Sonne weggetrunken -
Doch hat er frischen Duft uud Lebeu
Der srühlingsheiteru Flur gegeben.
Sie überlas dies Gedicht nachdenklich
wiederholt. Ihre Hand sank mit dem
Buch in den Schooß und sie sann lange
Zeit träumerisch vor sich hin, ohne den
dünnen, in seinen Tropfen stäubenden
Nebel zn empfinden, der über daS Land
schastSbild, ans dem ihre Augen ruhten,
eiuen dusligen Schleier wob.
D r e i z e h n t e S C a p i t e l.
War das nicht dieselbe junge Dame,
welche du vor etwa sechs Woche» uach
dem Bahnhos geleitetest? sragte Wolf
gang von Bern Ergcstcdt de» Doetor
Reinland einige Zeit später, nachdem
Fran Geheimräthin Berg mit ihrer
Tochter ans der Soinmersrische im Harz
zurückgekehrt war.
Beide Universitätssreunde trafen im
Thiergarten zusammen. Der künftige
Diplomat parirt: eine goldbraune Tra
kehnerstute, die er ritt, uud zwang sie,
neben dem geschmackvollen Einspänner,
welchen Reinland sich angeschafft hatte,
zu conrbettiren. Die Prophezeiung
Wolfgaugs, der, seiner eigene» Be
hauptung zufolge, alle künftigen Ereig
nisse in der politischen Welt vorher ail
zukündigcii die Gabe besaß, hatte sich
auch hier bezüglich des elegante» Doe
toreoupes bewahrheitet.
Ei» stattliches Paar! fuhr er fort.
Als ihr die Leipziger Straße entlang
ginget, erregtet ihr Aufmerksamkeit.
Man sah ench nach. Reizende Person —
famose Arhnlichkeit mit den Por
träts der blonden Vally an den Schau
fenstern. Ich denke, ich muß diese Vally
schon früher einmal gesehen haben —ja,
wahrhaftig, es kann fein, in Schillers
Salon, vergangenen Winter.
Doctor Reinland wurde verlegen.
Wir haben uusere Beweggründe, noch
ein Geheimniß zu bewahren —es ist
meine Braut! sagte er.
Ihr Name?
Wird Dir bekannt werden, wenn die
gedruckten Anzeigen umhergehen nnd
land ärgerlich.
Wols lachte fröhlich. Ein so ge
heimnißvolleS Liebchen kann auch nur ein
behandelnder Arzt entdecke». Sie litt
wohl am Herzen.
Die frivolen Scherze des Freunde?,
ininal die Erwähnung dcr blonden
Bally, erregten den Zorn des jungen
Arztes. Er kannte die Art feines
FrcuudcS, dcr trotz feiucS trcuen und
braveil Gemüths eiue sarkastische Re
gung zu unterdrücken nicht gelernt hatte,
iieiulaud beherrschte sich daher und ent
gegnete: Wir habcn eiue Anzeige unse
res Verlöbnisses unterlasse», weil Fa
milienangelegenheiten noch im Wege
stehen. Mein Vater ist schwer krank.
Bevor dessen Zustimmung eintrifft,
kann noch eine geraume Zeit vergehen.
Meiner Verlobte» widerstrebt eS, früher
das Verhältnis; bekannt zn geben. Un
sere beiderseitigen Wohnungen sind zur
Zeit noch zu beschränkt, um fremden
Besuch zu empfangen. Leere Glück
wünsche sind überhaupt nicht willkom
men. Später wirst auch du....
O, schon jetzt, lieber Freund. Rei
zend, bildschön! Nur das Costüm etwas
veraltet, du mußt ihr bessere Kleider
schassen!
Richards Geduld war am Ende. Er
ballte die Faust, seine Auge» sprühten,
und er war im Begriff, den unverbesser
lichen Freund durch eine scharse Bemer
kung in die gebührenden Schranken zu
weisen, als von dcr SicgcSallee her eine
fürstliche Equipage in raschester Gang
art sich näherte. Wolfgang erkannte
die darin fitzende hohe Persönlichkeit nnd
sprengte, de» Hnt tief abziehend, an den
Schlag des Wagens.
Inzwischen war dcr Kutscher dcs
Nciillaud'schcn GesährtS rechts einge
bogen.
AtsWolfgang uach kurzerZwiesprache
mit seinem sürstliche» Gönner zu dein
Coupe des UniversitätssreuiideS sich zu
rückwenden wollte, war letzteres bereits
außer Eicht. Wolf warf fein Pferd
herniil nnd ritt durch das Brandenbiir
ger'Thor zurück. Er wollte frühstücken
»ud hatte feinen Diener bestellt, ihm das
Pferd vor dem Dressel'schen Loeale ab
zunehmen.
Vom Pserde gestiegen, klopfte er den
Hals desselben uud war im Begriff ein
zutreten, als eine junge Dame an ihm
vorüberging, die seine Aufmerksamkeit
erregte. Das ist sie Richards Ange
betete. Entzückende Gangart. Haar
wie mein FuchS. Er wandte sich an
seinen Diener, der im Begriff war, das
Pserd sortzilsühreu. He, Friedrich, setz'
Dich ans! Siehst D» jenes Mädchen
mit dem Rcmbraudthllt und der blauen
Schleife auf dcr Schulter? Rcite im
Schritt ihr nach, sieh zu, wo sie eintritt,
wo sie wohnt. Ich will wisse», wer sie
ist. Wenn Du dann die Hcro in dcn
Stall gcbracht hast, kannst D» die
Pferdebahn bis zn dcn Li»de» nehmen.
Ich crwartc Dich mit Nachricht hier im
Restaurant.
Zu Besehl, gnädiger Herr!
Eine Anzahl von Bekannten fand der
junge Diplomat, dcr feinen Freund
'Zicinlaud mit dein Ergebnisse dcr augc
ordiictcu Erkuudigungcu als ci» Trium
phator überraschen wollte, im Salon
zufällig anwesend. Betty d'Jsraeli
und die Geigenspielerin Selnia Verena
bildeten den Mittelpunkt des Kreises
von junge» Männern, der sich um beide
Berühmtheiten versammelt hatte.
Die d'Jsraeli war nicht mehr jung,
mich nicht schön von Gesicht, aber ihr
Körper vou dcr cdelste» uud idealsten
Form, ihre schlanke nnd bicgsnmc Ge
stalt von Mittelgröße. Während die
»'lsraeli sich einfach, aber geschmackvoll
und elegant trug, war Setina Verena
etwas auffallend nach alldeutscher Mode
gekleidet. Die Jacke mit oben bauschigen
Aermcln war im Rücke» krcuzweiS zu
geschnürt. Der volle Uutcrarm ragte
aus dcu Brabauter Spitze», die um deu
Ellenbogen flatterten, hervor. Auf dcr
Achscl trug sie de» Orden eines kleinen
fremdländische» Fürsten. Eine Brillant
vrosche lenkte den Blick auf ihren etwas
übermäßig vollen Busen. Das Gesicht
hätte man fast schön nennen können,
wäre die Form nicht zu abgerundet ge
wesen uud ein Zug von geistiger Be
schränktheit z» offen hervorgetreten. In
ihren Coneerten erschien sie noch als ju
gendliches Kind in knrzcn Kleider»,
stolz ans ihre zierliche» Füße und
, i'vnl-lnt srisirt. Sie sand einst viel
Beifall nnd Befuch mcistens von
iNänncr», die sich bei gcringcn niüsika
lischcn Anfordcrnilge» durch de» Reiz
dcr äußereu Erscheinung bestechen lie
ßen und, wen» Selma Vercua »ach Bc
mdiguiig ihres Spiels den Boge» senkte
»nd die Augcn schmachteud zur Decke
zusschlug, rasende» Beisall klatschten.
Fräulein d'Jsraeli ivinlte dein Herrn
oon Bern Ergestedt. Alle Welt verlobt
sich, sprach sie. Ihr Freund, Doctor
Zicinland, der mich heute Morgen be-
Hamilienwohiiung beziehen werde—ich
var heiser und hatte ihn um ei» Mittel
sagegen gebeten. Er zeigte mir die
Photographie eiueS jungen Mädchens.
Aber ich glaube, er hat mich hiiitcr'S
Licht führen wolle». Ich kau» mir
nicht denke», daß er eine solche Wahl
getroffen hat. Sein Mittcl war gut;
ich lach'c recht herzlich und dic Heiserkeit
var geschwunden!
Ha! Jetzt verstehe ich! Auch mir hat
>r ei» Märchen ansbiuden wollen!
Das Bildnis; dcr jungen Dame hat er
in irgend eiiier Kuusthaiidlung gelaust,
-im damit Epoche zu machen es ist die
blonde Bally.
Während Fräulein d'Jsraeli die-Z
sprach, erhellte ein reizendes Lächeln ihre
Züge.
Ja, sürwahr! DaS mag sein, >'immte
Kolsgaiig z», ohne genau ans die Worte
der d'Jsraeli zu achten, desto mehr ent
zückt über dcu rosigcu Glanz, mit dcm
diis graziöse Lächcl» der Sprecherin ,hr
ilngesicht verschönte.
(Fortsctzliilg solgt.)
Ein Optimist. Sie: „Jes
,'as, unser Ziinmcrhcrr ist uns durchge
brannt und nichts hat er hinterlassen
als den .iHemdkragen da!"—Er: „Run
etwas Schamgefühl hat cr halt doch
»och g'habt!"
3
Vtn merkwiirdigeS Pserd.
Pferde, die im Alter von St> oder gar
Jahren noch dicnstsähig sind, gehören
'er ist daher ein von Belgien belichteter
sall, >vo eine Stute ein Alter vo» LS
Zähren erreicht hat uud ihrem Besitzer
loch immer nützlich ist. Dieselbe stammt
oon eincr einheimische» Rasse, ist roth
braun, untersetzt, wohl proportionirt
iild hat eine tadellose Hältung.' Fast
ille gewöhnlichen Merkmale eines hohen
Alters fehlen bei ihr und »ur ei? ige
.sporadische weiße Haare auf der Stirn,
im Schweife und au deu Bordergliedern
sowie eine starke Abnutzung derLäbue,
besonders der Schneidezähne, weise»
ins ihre große Bejahrtheit hin. Trotz
dem verzehrt die alte Stute ihr Futter
ebenso gut als ihre Stallnachbar». Bis
nun heutigen Tage wnrde sie zu allen
Arbeiten des Gutes verwandt, sogar
;n solchen, welche eine gewisse SchneÜig
leit der Bewegungen erfordern, wie das
Ziehen der Mähmaschine, und eS bedarf
nur einer geringen Ansporiiuiig, um sie
i» de» Trab zu versetze». Bo» dc»
dreißig Fülle», die sie geworse» hat,
datirt das letzte vom 29. Mai 1838; es
ist ein schöner Fuchs, dcr, dank dcr kräf
tigen Nahrung, die er erhält, ein gulcS
und starkes Pserd zu werden verspricht.
Dasselbe erhält täglich eine gute
Portion Hafer und kommt daher feine:»
Herrn theuer zu stehe»; dieser abcr geht
vo» dem richtigen Grundsatz aus, daß
oh»e gutes Futter eiue rationelle Pferde
zucht unmöglich ist. Das aufgewandte
Geld kommt mit reichlichen Zinsen wie
der. Dabei ist aber zu bemerke», daß
der genaimtc Grundsatz nicht in allen
Ländern strenge Anwendung findet. Co
bekommt das arabische Pferd z. B. nie
Hafer und ist dennoch mindestens ebenso
kräftig nnd abgehärtet für die Arbeit,
wie irgend ein anderes. Aus dem Ge
sagten geht hervor, daß das merkwürdig
höh: Alter der belgischen Zuchtstute der
guten Pflege uud der schonenden Be
handlung zuzuschreiben ist, welche die
selbe erfuhr, Bedingungen, gegen welche
oft gesündigt wird, indem man die
Pserde nicht selten durch den Mißbrauch
ihrer Arbeits »ud Erzeugungskräfte
frühzeitig umbringt. Wenn ma» nach
den letzten Fällcn urtheile» darf, so wa
ren alle Erzeugnisse dieser Stute gut.
Dicse Thatsache bestätigt die vo» vielen
Pserdezüchteril aufgestellte Behauptung,
daß bei der Erzeugung dcr HauSthiere
der weiblich: Autheil vorwiegend und
die Wahl der Stuten folglich noch wich
tiger als die der Hengste ist.
(Pserdcfrciind.)
Die indischen Scheiterhaufen,
über dic, wenn ihnen auch die Englän
der durch das Verbot dcr Wittwcnvcr
brennuug de» Zauber dcr höchste» Ro
mantik geraubt haben, noch immer viel
gesäbelt wird, beschreibt Hugo Zöller
mit grausamer Naturtreue in einer
Studie über BenareS, welche die „K.
Z." veröffentlicht. AIS ich nach mehr
stündigem Umhergoiideln aus dem Gan
ges so erzählt der Verfasser an's
Land stieg und am Ufer entlang spa
zirte, traf ich an drei verschiedenen
Stellen zahlreiche brennende Scheiter-
Hansen, in denen ohne jedwede Feierlich
keit menschliche Leichen in Asche vcrwan
wnrdc», nm in diesem Zustande in den
Fluß gcilvrsc» zu wcrden. Gewöhnlich
stellt ma» sich bei nns die Leichen als
oben ans dem Scheiterhaufen liegend
vor, nnd in dieser Weise pflegen auch
von unseren Malern Bcstattuugsscenen
dargestellt zu werdcn. Dies ist aber in
Wahrheit wcuigstcns für Indien nicht
zutreffend. Diejenigen Leichen, deren
Verbrennung ich zuschaute, lagen auf
verhältnißmäßig kleinen, sparsam her
gestellten Holzstößen uud waren über
und über mit Holzscheiten und Reisig
bedeckt. Da an den Seite» Zipfel von
weißen Gewändern, oder gar, wie das
felis des öfteren zn beobachten war,
menschliche Glieder herunterhingen, so
erweckte diese Todtenbestattuiig im Ver
ein mit dein widerwärtigen Geruch ver
brannten Fleisches einen schauerliche'»
Eindruck.
Besonders verlebend wirkt ans »nser
Gefühl dic geschäftsmäßige Rücksichts
losigkeit, womit die verkohlten oder »ur
angebratenen Theile derselbe» i» dc»
heiligen Strom geworfen werdcn, so
lvld der Schcitcrhaiise» ailsgebraiint
ist. Bisweilen schwimmen unversehrte
nnd aiigcbraiiulc meuschlichc K örper zu
Dutzenden und Hnndcrtcn im Flnssc und
gerathen in die Schraube der Dampf
schiffe. Da es nämlich für besonders
sromm gilt, dic sterbliche» Reste seiner
Verwandten dem Ganges auzuver
trauen, so findet nns ganz Indien ein
starker LeichcutranSport »ach BcnareZ
statt. An de» Stellen des Uscrs, wo
die Leiche» verbrannt werden, erinnert
eine Anzahl mit den rohen Relicsbilder»
cines Mannes und einer Frau geschmück
ter kleiner Steine an die „Sntris" oder
gattcntreucn Wittwen, welche hier in
früheren Zeiten einen religiösen Helden
tod gestorben sind.
Die Mutter geht aus
'er Stube und richtet zuvor die Er
mahnung an ihr Töchtercheu: „Lieschen,
das; D» Dir nicht eiilfalleu läßt, eine
Birne aus dem K orb z» nehmen, wenn
ich fort bin. Wenn ich Dich nicht sehe,
so seht Dich doch dcr liebe Gott." Als
die Mutter fort ist, wirft Lieschen einen
Blick ans die Birne», dann eincn Blick
nach oben und sagt bittende» Tones:
„Lieber Gott, dreh' Dich um!"
Ansang cincrmodcrncr
Novelle. Nacht war's. Schweigend
lagen die Andächtigen in dem magisch
erleuchteten Dom anf de» Knieen. Gra
besstille ringsum man HÄte das
scinstc seidene Taschentuch stehle» höre»
können.
Genau genommen. Herr
Wirth, der Braten riecht. Umgekehrt.
Sie riechen.