Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 04, 1890, Page 6, Image 6

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Die Shemie in der Küche.
Der Chemiker Dr. Carl Winter wai
Icit rund acht Tagen verheirathet. Aui
i>em einst so lustigen Stndcnte» hatt«
-sich ein verheißungsvoller Chemann cnt
puppt. Sieden Tage hatten er und sein«
Schmucke junge Frau zu einer Hochzeits
reise benntzt seit gestern bcsande» fii
M in dein wohleingerichtelen eigen«!
Heim, in dein von der „sriluolleii" Cin
richtung des Salons bis zum letzte«
Quirl in der Küche nichts sehlte, als
ein Dienstmädchen! Denn gegen das
Engagement eines solchen wenigstens
im ersten Halbjahre—hatte Dr. Win
ter energisch protestirt. Er wollte allein
sein Ulli seinem jungen Weibchen, mit
was diesem etwa an Erfahrung in dei
edlen Kunst des Kochens sehlte —pah,
-warm» hatte er acht Semester hiudurck
Chemie stukirt!
Und trotz des Einspruches der Schwie
gerinama war's dabei geblieben. Di«
junge Frau Doetorin hatte mit dem
Sanftmuth, welcher alle junge» Damen
vor der Hochzeit auszeichnet, „alle Wün
sche ihres Carl" zu erfüllen versprochen
uud sie dachte es sich „himmlisch", un
Verein mit ihm in der Küche zu schalten
Die Mutter schüttelte dabei heftig den
Kops. Bon der Chemie in der Küche
versprach sie sich nichts sonderliches.
Der erste Vormittag im neuen Heime
war aichebrochen.
„Also, was kochen wir?" fragt«
Ernestinchen.
„Einfach und gut!" entgegnete Dr.
Winter mit der Miene eines Mannes,
Her schon die silberne Hochzeit gescierl
hat. „Weiht Du, solch eine echte und
rechte Hausmannskost, bei welcher der
Körper gedeiht!"
„Nun", neckte Ernestinchen „Dein
Körper ist gnt genug gediehen. Du hast
ei» Embonpvint, wie er sich für Deine
jkinunddreißig Jahre noch gar nicht
schickt!"
„Hm!" lächelte der junge Chemiker
-und nnisaßtc dabei sein Frauchen, „hast
Du nicht oft genug gesagt, die allzu ha
deren Herren seien Dir ein Greuel!
Hübsch stattlich müsse man aussehen,
um Deine Neigung zu erringen?"
„Freilich!" vertheidigte die Frau Dok
torin sich eisrig. „Hätte ich Dich sonst
genommen, Du Bär! Aber jetzt schnell:
Was kochen wir?"
„Ich schlage einen anständigen Kalbs
braten, grüne Bohnen und Salzkartof
feln vor!" erklärte Dr. Winter niii
der Miene eines Küchenchefs, der cin
Menü für Allerhöchste Herrschasten zu
sammenstellen soll.
«st ihn sehr gern uud ich verstehe eine
Keule hübsch saftig auf de» Tisch zu
dringen. Aber grüne Bohne» nnd Salz
kartosfe!» ohne Conipot, nicht mal
cin Pudding?"
„Leckermäulchen!" schalt der Chemi
ker. „Laß Dir sagen, daß diese Süßig
keiten vom chemischen Standpunkte de
ich für uns nnd unsere minder —"
' „Nun lwr' aber auf, Du Garstiger!"
rief crrötl>e>id die junge Fran nnd ciltc
in die Küche, wohin Dr. Wiuter ihr
allerdings im Nn folgte,
i Zu de» Borbereilnngen des MittugS
mahles kam es indeß noch nicht. Er
hatte zunächst die Pslicht, sei» Frauchen
zu küsse» nnd da dieses ihm nicdlS schnl
schästigung hin.
Ernestine zog plötzlich die kleine go!
dene, am Rande mit einem Kranze von
Mubiiie» besetzte Uhr hervor und stieß
einen leisen Schrei ans:
„Carl, eS ist schon eis Uhr. Wie sol
len wir nni ein Uhr mit dem Esse» fertig
fein! Ach n»d dn großer Gott! Mir
fällt da eben ein, Mama wollte ja heute
bei nnS essen!"
„Die Mama!" wiederholte der junge
Ehegatte, nud es war cin recht merkwür
diger Ton, in welchem dies Wort ge
sprochen wurde. „Ja, ja! Da Heißt'S
eilig sei»!"
„Zum Glück ist die Markthalle ganz
in der Nähe!" rics Ernestine. „Schnell
freue inich ans den Einkauf! Also: ciue
kleine Kalbskeule, ei» paar Liter grüne
Bohnen nnd Kartoffeln adieu, Carl!
Hüte derweil gut das HauZ!"
Dr. Wiuter sah schmunzelnd seiner
Fran nach, als diese leichtsüßig über die
Straße hüpste, bräunte sich dann cinc
Cigarre an nnd harrte geduldig ihrer
Sinne.
Carl, cS ist schon halb Zwöls vor
iiber! Wie werden wir nur sertig
werden! Ich schäme mich so vor Mama,
wenn sie am ersten Tage gleich warten
muß!"
Da richtete sich Dr. Wiuter zu seiner
vollen Höhe ans:
„Vinn sollst D» sehe», welche» Mann
T» geheirathet hast! Wofür bin ich Che
miker? Warte mir, ich helfe Dir aus der
Verlegenheit!"
Und er verschwand in seinem Arbeits
zimmer, um gleich darauf mit zwei klei
„en mit wcißlichcn Salzen gefüllten
Büchsen zurückzukommen.
„So, nn» pntze mir zn. Ich perde die
Speisen da»» so prapariren, daß sie
schnell knoclie» nnd gar werden! Es lebe
die Ekcmie!"
Ernestine schüttelte den Kops, aber
sie sagte nichts! Sie hatte soviel
Wunderdinge von der Chemie gehört,
weshalb sollte sie nicht Mittel besitzen,
die ihre augenblickliche Verlegenheit be
seitigte»?
Als sei er stin Leben hindurch nur
in einer Küche praktisch beschäftigt ge
Wesen, öffnete Dr. Winter eins der Fla
cons, ergriff die Kalbskeule, bestreute sie
stark mit dem Inhalt- der Flacons und
schob sie in die Bratröhre. Als das
Gemüse angesetzt wnrde und später die
Kartoffeln, mengtc cr reichlich aus dem
Inhalte des zweiten Glases bei uns
sagte, sein Weibchen aus die Schultern
klopfend:
„Ja, ja, Ernestinchen Natron und
Soda, wenn wir die nicht hätten!"
Ernestine athmete etwas erleichtert
auf. Natron und Svdal Tas waren
ja ganz unschädliche Dinge. Soda kannlc
sie und Natron auch. Und das alte frohe
Lächeln aus den Lippen, eilte sie ab und
zu, nachlegend und die Kochtöpfe aus der
Maschine rückend, daß eS eine Lust sin
den Gatten mar, der mit !>erschränkicn
ts, "b , , 6
„Was? Soll ich Tir hier auch hel
seil?"
„Aber bist Du denn Koch? Ich denke,
Du bist Doctvr der Chemie und Juhabei
eines chemisch physikalischen Laboralo
riiiins! Willst Tu nicht noch bis zun;
„Hum! Wen» Du meinst!"
Und gehorsam, wenn auch nicht
eben sehr arbeitslustig, ging Dr. Winter
in sein Arbeitszimmer. Aber die Arbeil
weder bei dem Probirglase noch bei der
Berechnung. Alle Augenblicke kam er
nnter irgend einem Vorwande in die
Küche.
„Es geht heute nicht mit dem Arb>'i
ten!" erklärte er. „Tas ist natür
lich, wenn ein starker Magnet uns au
zieht. Und dieser Magnet bist Tu,
Ernestine."
Wieder ein Kuß! Großer Himmel,
wie viel Kußlust junge Eheleute zu habe»
pslegeu.
Und dann trieb sie ihn doch wieder
davon mit unbewußter weiblicher Kvlet
terie. Er ging auch wirklich. Aber er
war so zerstreut, daß er die Salzsäure
aus dem Glase rinnen ließ uud sich »ach
Und sroh, wieder dorthin gelangen zn
können, eilte er hinein. Ernestine mar
nicht darin, sie deckte gerade den Tisch
im Eßzimmer. Ohne weitere Prüniiia
langte Dr. Winter nach dem gestickten
Paradchaudtuche und wischte und wischte,
die großen Brandflecken bemerken m>'
seu, welche die scharie Säure in das kost
bare Handtuch fraß.
In diesem Augenblicke kam Ernestine
zurück uud mit eincm Schrei de» Eut
setzeus gewahrte sie sofort die Vernich
tuug an dem kostbaren Handtuch.
„Aber Earl, um Gotteswillen mein
theures Handtuch!"
„LH!" meinte der Cbcmikcr, „da
ran habe ich nicht gedacht! Na, schlimm
ist der Schaden ja nicht ich kaufe Tn
ei» nenes!"
„Aber es ist ein Andenken von mei
ner liebsten Freundin," erwiederte Erne
stine und begann leise zu schluchze».
Da klingelte eS an der Vorsaal
thür.
„Das ist gewiß Mama schon!" ries
die junge Frau, indeß Dr. Winter das
vernichtete Handtuch zusammenrollte
und in eine Ecke warf und sie flog zur
Thür.
Nichtig, e-Z war die Schwiegcrinama,
die zu uiiterhalteil dem jungen Ebcmann
zufiel, während Ernestine alle» zum
Austragen borrichtete.
«Carl ist doch ein kluger Mann!"
dachte sie, als sie die Bohnen stark zer
kocht uud die Kartoffel» weich fand.
Der Brate» nur will nicht recht braun
werden, Ä'er saftig ist er. O, wie uns
das schmecken soll!"
Erwarlungsvoll u»d mit einer fast
strenge» Mieue saß die Frau Schwieger
mama am Tische. Dr Winter srohlockte
heimlich: Die sollte vor ihrer geincin
samen Kochkunst Respect kriegen!
Alles wird ausgetragen, Braten, Ge
müse. Die Frau Mama sah ziemlich
erstaunt auf die Speisen.
„Aber, Ernestine!"
„Laß nur, Mama, wir haben nach
neuem Recept gekocht. Laß mich Dir
vorlegen und koste zunächst, dann sollst
Du sehen!"
Wahrhaftig, die Kalbskeule sa h
wunderschön a»S, röthlich zart in der
Mitte, schiiecwciß am oberen Rande,
chen davon i» den Mund schob, aber
kaum hatte sie eS zwischen den Lippen,
als ihre strenge Miene etwas medusen
hastes erhielt nnd das Stück aus dem
Munde nehmend, ries sie ausspriugeud:
„Psui —was ist de»» das?"
Ernestine erbebte, Carl sah groß
nnpor.
„Aber, Mama!"
Bebend kostete die junge Frau. Auch
sie legte das Fleisch aus deu Teller zu
rück. Carl hatte inzwischen das Ge
müse probiert und hustete stark und an
haltend.
„Aber Kinder, was habt ihr denn nur
gemacht? Das schmcckt ja bitter und
salzig!"
„Natron und Soda!" war das Ein
zige, was Carl hervorbringen konnte.
„Und dazu ladet ihr mich noch ein!"
entrüstete sich die Mama. „Wer hat
den» den verrückten Plan gehabt?"
„Aber, Mama," rief Carl, „ich bitte
Sie, die Chemie —"
„Ach so!" erwiderte jene mit einem
ganz maiitiöse» To»e, „nun verstehe ich
Alles! Komm', Ernestine, zieh' Dich
an!"
Wohin, Mama?"
„Znr Gesiiidcvermiethcrin. Noch
heute kommt eine Köchin in's Haus!"
Der Doetor der Chemie wagte nicht
mehr zu protcstircn!
Ja so! Dame: WaS würden Sie
thun, Herr Müller, wenn Sie Nachts
plötzlich cmswachen würden und die
Wahrnehmung machten, daß Ihre Frau
durchgebrannt sei. Müller:Jcl> würde
mich ärgern. Dame- Nicht wahr, also
gibt eS doch auch noch gnte Männer.
Müller: Ja, wissen Sie, ich würde mich
blos ärgern, daß ich anfgewacht sei!
Tie englisch« Frau.
Eine nicht allzu schmeichelhafte, aber
anscheinend sehr treue Schilderung der
englischen Frau gibt Tr. Maximilian
Mayer in einer englischen Zuständen
gewidmeten Reihe von Artikeln, die er
der „N. Fr. Pr." liesert. Tie Spiele
der Mädchen, selbst die Sports, wic
Nudern, Radfahren, Reiten, Tennis,
und dieselben wie die der Jüi'glinge,
nur leider ohne a»s »die Entwickelung
ihrer Gliedmaßen ähnlich zu wirken.
Ibre Hallung, ibr Gang, ihr Hände
schütteln, selbst Schuhzeug, Hille und
Kragen, Alles stellt deu Gentleman in
Unterröcken dar uud strebt von dein
specifisch Weiblichen noch weiter fort,
als Natur und Erziehung ihneu schon
ohnehin erlaubt. Was nützt es, wenn
man spinnen, sticken, kochen, lieben
kann, aber nicht gelernt hat, steif aufge
richtet. mit rechtwinkelig anliegenden
Armen dazusitzen und die Tbcetafse zn
hallen, die starren Augen blitzschnell hi»
und her zu werfe», die Mundwinkel
bisweilen zu einem l'b-lnli xou oder
anderen bedeutende» Aeußerungen einci
wohltrainirle» Kulturseele zu ver
zerren.
Ter bedenkliche Ueberschuß an Töch
tern, mit denen die meisten Familien ge
segnet sind in keinem Lande ist das
liumcrische Mißverhältnis; der Gcschlech
ler so groß bevölkert bereits die Uni
versitälen, Bank und Postschaller; und
diese Emancipation, die sich bereits zn
dem Ruf nach politischem Srimmrechi
versteigt, paßt vortrefflich zu der schon
vorhandenen Schneidigkeit und Gefühls
kalie. Natürlich muß auch hier oft ein
süßlicher Hosten und affectirte Lebhaf
tigkeit deu eisige» Kern überzuckern.
Selbst braune, indische GentVme», dic
doch froh feiu sollten, ihre väterlichenßn
pien mit 'l(> Procent Kursverlust aus
dem Grnnd und Boden ihrer Ueberwi»
der verzehren zu dürfen, gestehen, uu
danlbar genug, aas; die äußeren nnd in
uerci«Neize des weivlichcu Albio» sich
nicht fo siegreich erweise», wie dic Ba
joni'.ette und Pfunde Sterlinge, mit de
ncn man ihre widerstrebenden RajahS
»och iiugetanilcr Aristokrat gestand, daß
ie»e »lasse nicht fo alt werde, um zu
warten, bis eine Engländerin sich er
n'ärnie. Es war ivohl mir asiatischer
Geschmack, wen» derselbe Heide die l>n.!
verlieren.
Wenn die englische Frau aus der Ei
senbahu Station vou ilireui Gatten Ab^
radeu. h.'.lc ich beinake gesagt!
l>)o" < Adieu) heiß! es von dieser,
..uoc»! !>)>-. ile.ir" vou der anderen
Ter Man» trauclürt bci Tische und be
eine : Theis der erkennt
?ogar die rktpreise sehr ge,»;.i. Tie
Frau ist wunderbar anspruchslos, wie
namentlich ihre Kleidung bekundet.
Wenn sie nicht küßt, so wenil sie
zens auch nicht! nicht einmal zum Zchei»:
cs würde ihr auch wenig nützen.
Emmal,' das muß ich doch bemerke.>,
habe ich englische Franca weinen sehen,
:lnd zwar ziemlich allgemein i das wa»
natürlich nicht um ten lichte» Heros
deutscher Secleiigröße, den Sieger vo»
Köuiggrätz uud Wörth. daS war längst
vergessen nnd vergeben, sondern um das
Glied der englifcheu KönigSsamilie. den
Gatten der pei»?e»> rov»>. in dem man
mit Vorliebe das Ebenbild des Prinzen
Albert, des allgeiiebren Gatten der
regierenden Taine iah.
TaS weibliche Geschlecht in England
ist durchschnittlich reich begabt, in liöhe
rem Grade vielleicht als das männliche
Und da wer das Princip herrscht, jede:-
Talent zu entwickeln, cS mögen deren
!c»swcrtb große Anzahl, die in wirklich
mehr als dilcitauteubaster Weise zeich
ue», ätzen i'»d aguarcilire», singe», Or
der bci uns von solchen Älloiriis iiuzer
trcunbar scheint. Denn der Engländer
betreibt alles, was ihn überhaupt >»
leressirt, mit großer Ernsthastigkeil nnd
ohne daniit z-n prunken. Was wäre»
ohne die wohlgeschulten Eiigelsstinime!!
der (glücklicherweise.lüsichtbaren) Tilet
tantinnen! Ein so gediegenes Strcbcn
uud Können gebt hau und unvcrmiüe'l
neben jeuer blasirten Unwisseuheit auf
reiu geistigem Gebiete eiulier. ES
scheint, daß die Kunst gegen die dialek
tische Bildung, gegen die GeisteSwisfen
fchafleu überyaiipt bei ihnen im Vor
spruug ist. Ihre schoache Zeile ist das
! Häusliche. Im Allgemeinen kann mau
! der Engländerin eher ein Buch, Noten
oder Kupferstiche anvertrauen, als d»
: kehren nnd aus de>' Lässigkeit, Schci
> und Ungeschicklichkeit für bösliche Ar
! beiten auf höhere Kenntnisse nnd Be
> slrcbnngen zn schließen. Findet sich zu
. sälligcrwcisc eine deutsche Wirihlchastcrii
> im Hause, so wird vor jedem uuverdor
beueu Beobachter Treue im Kleinste!!'
nie ermattende Gewissenhaftigkeit und,
I->st not least, der durch die ichlichte
Hülle brechende Schein einer goldigen
Weiblichkeit alle Musikmappeii, Palet
ten und Reitpferde der Herrinnen glor
reich aus dem Felde schlagen.
Tie Mädchen der unteren, sagen wir
der arbeitenden. Stünde, die auf dem
Kontiueute ihrer Herrschaft eine so ge
fährliche Konkurrenz machen, sind dort
häßlich, grenzenlos ungebildet und in
den unterste» Schichten unglaublich roh.
Tie Verkomiueubeit jeuer nach Taufen
den zählenden Geschöpfe, die dort iu
jeder gröberen Stadt arbeits- nnd ob
dachlos in den Straßen und Bierhär.
fern herumlungern, wird nur übertraf
fen von ihrer körperliche» Verkümme
rung und Höflichkeit, so weit man ans
der Distanz unter der Schmutzkriiste er
kennen kann. Tiefe jugendlichen Me
gären, die gleich den Gräe» alt auf die
Welt zu kommen scheinen, die stets tau
inelud jeden Vorübergehenden nm einen
Trunk angehen, lasse» sich auch, ohiik
das; der Mörder den Muth des Wahn
sinuS besitzt, mit Leichtigkeit nieder
metzeln, ohne in ihrer Bewußtlosigkeit
auch nur einen Schrei von sich zu geben.
Ueber eßbare Schwal
bennester macht laut „Leipz. T." Prof.
William Marshall, der bekannte Leipzi
ger Zoologe folgende Mittheilung: Di?
Schwalben. Mit den Nestern andere?
Vögel lassen sich die Schwalbennester
nicht vergleichen, eher noch mit dein Ko
ton einer Seidenraupe, denn die Nest
scheiduiigSprodukt von Mnnddrüsen,
also mit andere» Worte» verhärteter
Speichel. Ten beiden Geschlechtern der
Salanganen schwellen zur Nistzeit die
, wand. Tie Zubereitung der Schwal
' benucster ist eine sehr verschiedene. Di?
Japaner kochen sie zu einem schleimigen
Zucker vermengt wird und dann als
sehr kühlend gilt: deshalb wird er
namentlich a»ch a-".u als Krankenkost
bei hitzigen Fieber», aber auch direet als
sich bringen, kc-cheu iie U l Stunden lang
> mit Geflügel und schreibe» diesem Ge
richte aphrodisialiscbe Wirkungen zu.
Ter Werth der Nestercrnte im ganzen
indische» Archipel mag sich auf ungefähr
l> Millionen Mark beziffern. Indeß
find die eßbaren Schwalbennester nicht
kie einzigen Pogeliicscer, welche iiicdr
Nester der Beutelmeiie zur Räucherung.
Ter sich dabei entwickelnde kräftige Ge
stank soll gegen allerlei Krankheiten und
Gebreche» a» Me»sch und Vieh, beson
ders gegen das ralie Fieber, wirksam
fei». I» Kasan werden ganze Wagen
ladungen dieses absonderlichen Räncher
mittcls gehandelt.
Ans schonen Recensio
nen bringt das „Stutig. Neue Tagebl."
folgende Blumeiilese: Ter verstorbene
bei-vhmte Kritiker Tr Mnudt
ließ sich auläßlich des Berliner Gast
spiels der gefeierten Tänzerin Taglioni
folgende Phrase entschlüpft»: „Die
Füße der Demniseile Taglioni haben
einen andächtigen uud siniirciche» In
halt." In dem Nachruf, de» die Wie
»er „Neue Freie Pref'e" feiner Zeit dem
in Pension gehenden Schauspieler Fichl
, ner widniete, figur-rte der Passus:
„Fichtner rüumte durch sein naturwah
res Spiel dem Znfchaner stets die Cou
lissen aus den Augen'" Der Kriti
kus eines Danziger BlatteS schreibt an
läßlich einer Vorstellung vo» „Fiesco"
Ivährend der Winterfaisou von lBB3jB-t
> im jugendlichen Ueberichwaug: „Da
wird plötzlich Verma z»m Finger der
Vorsehung, über welchen der ruhmfüch
. kige Fuß Fieseo'S stravcheln muß."
l Während Dr. Ottc Devrient in Erfurt
> gastirtc, uud de» v»n ihm als Trilogic
> eingerichteten „Faust ' zur Ausführung
brachte, schrieb daiüber die „Thüringer
Post" u. a. buchstäblich: „ Dreiina
> liger HiuauSwurs lohnte den Dra
— Gedanken eiueSPapier
torbs. Unter diesem Titel veröffent
' licht P. K. Rofegger in seiner treffliche»
Zeitschrift „Hcimgar'cn" folgende guten
Einfälle: Wenn Dir ei» Gedauke gar
, zu ungereimt kommt, so reime ihn.
Der gute Witz hat ke>'ie Haare — damit
man ihn an denselben nicht herbeiziehe.
Die Uuerbiülichkeit gegen sich selbst
ist das sicherste Anzeichen des Talents;
nur der Stümper ist vollkommen.
Auch in der Schriftsteirerei gibt es Jndi
! viduen, denen mau uue deshalb für die
Töne ihre? Leierkastens etwas gibt, da
mit sie weiterziehen. — Ein Humorist ist
ei» Mensch, welcher mindestens zwöli
Jahrgänge der „fliegenden Blätter"
besitzt. Wenn e.n Lyriker und ein
Satiriker einer schönen Frau begegnen,
' so blickt ihr ersterer '.n die Augen, der
' Zweite aus die Tournirre. — Die Be
" geisteriing manches Dichters von heut«
heißt Honorar. —Eine fchneidige Feder
ist oft nur ein höflicher Ausdruck für
„eine gute Scheere".
Ein Postkuriofum wird
! in bayerischen Blättern aus Schwabach
in Bayern mitgetheilt. Das dortige
„Jntclligcnzblalt" schreibt in gesperrter
Schrift: „Schwabach, 30. Juli. Da
morgen, am 31. d. Mts., das Postexpc
ditiouSlokal s natürlich das einzige der
Stadt Schwabach) getüncht wird, stellt
man das ergebenste Ersuche», die Auf
gäbe der Postsendungen auf das Noth
, wendigste zu beschränken."
Napoleon > als Wortersindcr.
ES ist bekannt, wie sorgfältig di«
Franzosen ihre Sprache behandeln; di«
dnngcn nnd Entdeckungen in den Sprach
schätz übergeht. Ein solche; Wort wir!
kcitiich beleuchtet, und wenn es di«
' dsl '; 't
andere gediegene Arbeiten bekannte Pe
ter Claude Victor Boiste (gest. 18Ä4)
Bald nachdem Napoleon Bonapart«
Philolog die leyle Hand an sein Uor
terbnch gelegt Ein.'Z Abend), n.ichdei»
er dic letzte Correetur beendet hatte, be
eines vollbrachte» schwierigen Werke?
zur Ruhe, Am sol leiden Tage sollt«
der Verkauf der Auslage beginnen. Als
Herren", sagte er, „ich bin Boiste, kai
serlicher Grainmatiker und Lexiko
graph."
„Ganz richtig Sie sind schon der
rechte", antwortete der Eine. „Hier ist
der Verhasisbesehl."
Gegen ein solches Argument ließ sich
nichts einwenden; der Philologe mußte
sich ankleiden und mit den Geusdarmen
näckige Schweigen aushören werde. Er
fragte also, seine Unschuld betheuernd,
um die Ursache seiner Verhaftung.
„AuS Sicherhcitsrilcksichteii," ant
wertete der anwesende Beamte kalt,
nachdem er den Aerhaftbefehl durch
gelesen.
Dem unglückliche!! Philologe» wnrd«
nun ein mit dicken Eisinistäben verwahr
tes Zimmer a »gewiesen. Darin zcr
brach er sich zw i Monate lcmg den
Kopf, wie ein Mann, der mir sranzösi
sche Wörter zum Gegenstände seine?
Studiums machte, die öffentliche Sicher
heit gesährdeu könne. Er schrieb an
alle cinflnßreichcn Personen, denen er
bekannt war; aber alle seine Briese blie
beu iiubeautworlet. Indessen kam doch
matiker Boiste persönlich kannic und
schätzte. Fontanes nahm sich des Un
glucklichen an und stellte dein Kaiser,
dessen Günstling er war, die Sache vor.
Napoleon ließ de» Polizelminister
wenig wie die Andere» etwas von der
Ursache der Verhaftung und war im
höchsten Grade erstaunt; er hatte den
BerhaftSbefehl wie so viele wahr
scheinuch uiigelesen unterzeichnet. Der
Polizeiminister schickte zum Präsekten,
dieser wußte ebenfalls von der ganzen
Sache nichts und ließ feinen Divisions-
Ches rufeu; dieser schob die Sache aus
seinen Bureau - Chcf, welcher letztere
endlich nach langein Suchen die Akten
fand.
Da ergab sich nun, daß Boiste dem
Allgewaltigen in seinem Wörterbuchs
einen Beinamen gegeben hatte, der ge
wiß strafbar war, denn er nannte ihn
Spoliat«ur (Räuber, Plünderer).
Sonst war in den Akte» nichts Näheres
enthalten.
„Ich halte Boiste eines solche» Un
rechtes nicht sähig," sagte Napoleon,
„überhaupt," fuhr er fort, „h.it in einem
Wörterbuche eine solche Acußcrnug kei
nen Sini:! Da muß etwas Anderes
dahinter stecken. Ich will, daß dei
Angeklagte selbst darüber vernommen
werde."
Am folgenden Morgen wurde Boist«
zu Fouche geführt. Auch Fontanes war
anwesend.
„Sie sind eiueS Attentats gegen un
seren Monarchen angeklagt," sagte dei
Polizeiminister zu dem Lexikographen
„Ich? Eines Attentats angeklagt?"
rief Boiste erstatt»!. „Das werde»
doch Enre Excellenz nicht glaube»
Attentat kommt her von tont»rs ncl ode:
oonti-k Ich bitte nur dei
Herrn Kurator der Universität zu sra
gen, und ich kenne die Wichtigkeit eines
Wortes zu gut
„Lesen Sie!" unterbrach ihn Fonta
»es, indem er ihm die Anklage reichte
„Ach, ist'S weiter nichts ?" rief Boiste
nachdem er das Aktenstück gelesen hatte
„Weiter nichts!" wiederholte Fonch«
entrüstet. „Und das halten Sie nich
für genug? Ich hoffe, um Ihretwillen
daß die Sache aus einem Irrthum be
ruht."
„Im Gegentheil, es ist die'reiw
Wahrheit!"
„Die Wahrheit?"
„Allerdings, ich wollte dem Heldei
die ihm gebührende Ehrenbezeugung er
«eise»."
„Sie sprechen in Räthseln."
„Ja, ich wollte zeigen, daß er ebens«
gut das Wort, wie das Schwert zu füh
rcn versteht."
„Erklären Sie sich etwas deutli
seines Wörterbuches, das aus dem Tisch!
des Ministers lag, schlug das Wor
„s>>>c>lii»t«ur" auf und dcntcte ans dei
welcher lautete: L»
Sie", riefen Fouche und Fo»
taneS entrüstet, „was hat Sie zu ei
»er solchen Vermessenheit bewogen?"
„Es ist nichts weniger als Vermes
senheit," erwiderte Boiste. „Die Her
rcn wissen doch, daß man gewöhnlich
den Namen desjenigen, welcher da
Wort erfunden oder zuerst angcwcnde
! hat, gleich daneben seht, und so stellte ich
den Nainen des Kaisers neben das Wort
weil (General Bonaparte
der Erste war, der sich auf der Redncr
bühne dieses Ausdrucks bediente; weil
er also dieses Wort, das man vor ili»i
nirgends in der französischen Sprache
sindet, geschaffen hat."
Pouche und Fontanes sahen einandei
verblüfft an. Boisle wurde sofort in
Freiheit gesetzt, aber er mußte die Stell'?
in seinein Wörlerbuche abändern und
aus eigene Kosten Umdrucken lassen.
tsin SoUegc dcö Sängers Nikolini.
Von Signor Nikolini, dem Gatten
der Adelina Patti, hatte man sich vor
mehreren Jahren in allen Kreisen der
Gesellschaft gar oft lebhaft unterhalten
and über seine romzntifche Heirath mit
der italienischen Primadonna die wun
derlichsten Geschichten erzählt. Hentzu
tage ist dieser Tenorist, dessen Haupt
vorzug darin bestand, der Mann einer
sein, beinahe vergessn.
Ursprünglich hieß der Mann der Ade
lina NitolaS, >vas sreilich nicht so
schön klingt, wie Nikolini. Die Sänger
nnd Sängerinnen liebten es von jeher,
ihrem Namen italienische oder doch
fremdklingende Wendungen beizufügen.
So hieß die gute deutsche Sophie Erü
vel, welche später an Vie große Oper in
Paris kam, von da ab stets nur Sig
nora Erüvelli. Der Gatte der Sänge
rin Emma Saurel, Namens Fa.er,
nannte sich Fabiani, nnd der Ruhm der
Patti veranlaßte eine andere Sängerin,
sich Signora Pattini zu nennen kurz
die „ini's" sind von jeher in Deutsche
laid so zahlreich wie Sand am Meere
zewesen.
Aber in der Mitte des vorigen Jahr
hunderts hat es wirklich einen unver
fälschten italienischen Sänger Namens
Nikolini, an dem Dresdner Hos Opern
theater gegeben, der sreilich nicht wegen
ieineS hohe» „C" berühmt war, d.nnoch
aber die Anfmerkscimkeit Aller auf sich
lenkte und de» Gegenstand der Be oder
besser gesagt, Verwunderung von ganz
Europa bildete.
Unser Nikolini war nämlich der dickste
Mensch der damaligen Welt. Der
moderne Nauke war ein Waisenknabe
im Vergleich zn ihm. Während die
Länge seines Körpers nicht mehr als
drei Ellen vier und einen 'halben Zoll
betrug, war--nn Leibesumfang Elle,
Sie Dicke feines 'lrmes eine Elle
Holl und die feines Halses eine Elle l?
Zoll. Zu der Zeit, wo er sin korpu
lentesten war, wog ee 5 Centner und 00
Psnnd; er brauchte 14 Ellen von dem
breitesten Tuch und A 5 Ellen Seiden
;eug zu einem Kleide.
Ein solcher Kunde, zumal er sehr viel
ins Toilette hielt, konnte einen Schnei
dermeister beständig mit Arbeit versehen!
Nan erzählt, daß ein kleiner Mann,
der aus dem Nikolinischen Nachlaß e n
Paar Tuchhosen erstanden, sich daraus
einen vollständigen Anzug habe machen
lasse».
Ohne.Hilfe eines Anderen konnte
llnfer Maestro Nikolini nicht essen.
Wenn er Snppe aß, so sah es auf den
ersten Augenblick ans, als ließe er sich
zum Rasiren einseifen, weil derjenige,
welcher ihn fütterte, allemal unter dem
Kinn ansetzte, um nicht bei jedem Löffel
Flippe den ganzen Bauch umsegeln zu
müssen.
Auf die Bequemlichkeit der Sänften
und Wagen mnßte er ein für allemal
Verzicht leisten. Zu keiner Thür konnte
>r aus- und eingehen, wenn nicht beide
Flügel geöffnet waren. Vor vielen
mußte er daher wieder umkehren. Am
liebsten ging er der Kühle und Sicher
heit wegen in nengebaute Häuser und
I hütete sich vor allen baufälligen und be
sonders vor hölzernen Treppen. Wenn j
er dort, wo dergleichen waren, Geschäfte
hatte, so bat er diejenigen, mit denen er
zn thun hatte, herunterzukommen und
sprach mit ihnen im Hofe.
Als feine Stärke den äußersten Grad
erreichte, hatte er auf dem Theater einen
Vertrauten darzustellen und seine Rolle
brachte es mit sich, einen Fußfall zu
thun. Es wurde ihm zwar sehr sauer,
Als die Kniee z» fallen, aber unmöglich,
wieder auf die Beiue zu kommen. Da
lag er feinem Gebieter zu Füßen. Ver
zeblich rief dieser ihm ein über das an
dere Mal zu: „Stehe aus!" —er
blieb liegen und mußte weggeschafft
So beschloß er seine sehr schwerfällige,
theatralische Laufbahn, denn nie betrat
er nach diesem Vorfall die Bühne wie
der. Er starb in Dresden in einem
Alter von 54 Jahren. Sein Sarg war
von ungeheurer Größe. Als er begra
ben werden follte, konnte man denselben
in keinen Wagen der Länge nach hinein
schiebe» ; man mußte ihn also aus einen
der stärlsten Frachtwagen in die Quere
setzen und so hinausfahren.
Er war ein guter Gesellschafter, wenn
auch ein mittelmäßiger Sänger. Sein
größter Aufwand bestand in Westen
knöpfen, die er nicht schön genug finden
'onntc.
Zum Unterschied von unserem hcuii
gen Signor Nikolini, welcher sehr viel
Glück bei Frauen hatte, mieden den
dicken Nikolini die Damen, und so starb
denn der unglückliche Hallstaff in zweiler,
vermehrter und verbesserter Auflage un
beweibt. Einen solchen umfangrei
chen Tenor hat seitdem die Welt nicht
wieder gesehen.
Ungläubig. Gigrl: „Könna
S' kei' Klafter Holz brauchen?"
Kausinann: „Kann schon sein! Werde
gleich 'mal meinen Geschäftsführer fra
gen! (Spricht in's Telephon.)
(Zum Gigrl): Thut mir leid mein
Geschäftsführer sagte mir soeben, daß
wir noch Vorrath hqben!" Gigrl:
„Wenn i' aa' net so' g'scheidt bin wie
Sie, für so dumm müssen S' mi' aber
do' net halt'n, daß i' glaub', daß Eahua
Herr G'schästsführer in dem Kastl d.
d'rin hockt!"
Der Fluch d«S Zuhausebleib«»»«.
Wer sich bedeutend klüger be»ommc»
zu haben glaubte, als die meiste» anderen
Berliner, das war ohne Frage der
Rentier Bolzenhagen init seiner Frau
Charlotte, geb, von Gmsenberg.
Als grundsätzlicher Gegner des Ber>
reisen- zn einer Zeit, wo Alles in d:e
Bäder und Sonünersrischen strömt, ivar
er näinlich init den Deinigen zu Hause
geblieben. Aber er haue deu Fluch
nicht geahnt, der daraus ruht, wenn der
Mensch der allgemeinen Strömung zun,
Trotz, seüie Eigen.-.'.! bewahren '.oill.
O, wen» er doch an ».v.ililnei.
Hu« uud andere Märtyrer gedacht
hätte!
Bolzeuhagen war von Nainr mit
eiueiu weichen Genüiih a.igeth'. i. Das
Wichten alle seine Freunde.
„Ferdinand," weil er so hieß
hatte unter allen znerst der Rath
zing zu ihm gesagt, „ich stehe bereits inil
einem Fnß in Ahlbcck. Willst Tu, wäh
rend ich verreist bin, von Zeit zu Zeil
eiuiual uach meiner gänzlich unbeauf
sichtigten Wohnung am Knrfürste.ida»»»
geben, um nachzusehen, ob da Alles in
Ordnung ist? Ich werde Dir'S auch
dantcn."
Und: „Ferdinand," hatten seine übri>
gen Freunde gejagt, der Professor Rez-
BanmcisicrSchleslchner und der Reutin
Scheermeifcl und der Fabrikbesitzer
Tuukenial uud der Bildhauer Lemke,
die nach Heringsdorf, Misdroy, Swine
münde, Binz, uud Dievens»!
reisten, „ivillst Du wohl mal bei uns zu
Hanse uach dem Rechten sehen? Wir
werden's Tie danken."
Mann sein Wort gehalten.
Acht Tage waren vergangen. Eben
sich er mit der Geborenen am sanbei
gedeckten Tisch beim zweiten Frühstück,
da kliag 'lle es. Er ging ius Eutree uud
rück, e!> Packet iu der Haud halteud
„Lieh' eiuiual," sagte er, „das ist doch
hübsch vou SiolziugS! Sie schicke» uns
hier einen Korb ganz frisch geräucherter
Fliinderu."
Tie Geborene aber sagte verstininit^
zweimal Flunder».
Am vierten kam der Postbote aber
mals und brachte einen Korb
Flunder». Diesmal waren Zieglers die
Absender.
„Offen gestanden," sagte Herr z»
Frau Bolzeuhageu, „ich mochte heut
nicht schon wieder Flundern essen; aber
da liabe ich eine brillante Idee: Wir
»vollen die Fische hinunter zn unseri»
Hauswirth schicke» und ihm damit eine
Aufmerksamkeit erweisen."
Gedacht, gethan.... Gott sei Dank,
das; wir sie los sind!
Aber »ach wenigen Minuten kam das
hinabgcsandle Dienstinüdche» mit leider
nicht leeren Händen zurück. Ter Herr
Wirth lasse» vielmals danken, aber sie
hätten selbst Flundern geschickt bekom
men.
„Fatal", sagte Bolzcnhage», „aber
da Hilst »»» nichts, wir müsse» sie sel
ber essen."
Mit Todesverachtung machte er sich
ans Werk, aber nicht ohne sich im Stil
i len zu gelobe», in den nächsten drei
Monaten jegliches Flunderihier mit
Verachtung zu strasen.
Noch hatte er das Gelöbnis; nicht bis
zn Ende abgelegt, da klingelte es, und
herein kam der Postmensch und brachte
fünf Körbe, zehn Körbe, zwanzig Körbe,
uud alle mit Fluudern.
Tic Freunde an der Ostsee »lichten
ganz »»d gar das Meer e»tfl»»Äert ha
be», soviel schickten sie ihm.
Und Alles ans Dankbarkeit.
„Na, ich danke", stöhnte Bolzenha
gen, nachdem er sich vom ersten Schreck
erholt hatte. Plötzlich aber fcchte er
sich.
„Hier, lieber Freund", sagte er z»
dem orangekragigen Beamte», „nchnixn
Sie von mir diesen Korb delikatester
Flundern als Trinkgeld."
Dieser aber entgegnete, indem er mit
der Haiid Schippe» winkte:
„Nee doch, ick habe ja von meine
Mntter, die mit Bankier Sauers als
Kiudersrau iu Misdroy is, schou selber
drei Körbe voll von das Zengs abge
kriegt."
Armer, höchst bedaucrnswerther Fer
dinand ! Er schickte zehn Körbe Flun
dern als Geschenk aus die Schuhmanns
wache ! sie kamen zurück, weil jeder
Schutzmann bereits von irgend einem
an die See beurlaubte» College» mit
dieser Delikatesse reichlich bedacht worde»
war.
Er schickte sie in da-Z nächstgelcgene
Hospital. Sie kamen umgehend zurück,
weil die Kranken sie sich schon überdrüs
sig gegessen hätten.
Wo sie schließlich geblieben sind?
Wer weiß es? Als nach einigen Ta
gen die Sendboten von der Müllabfuhr
kamen, um den Inhalt jenes bekannten
verschwiegenen Kastens vom Hofe ans
ihren Wagen z» schütte», hielten sie sich
schaudernd die Nase zu und sagte»!
„Naiin?"
Bolzenhagen »nd die Geborene aber
begaben sich an ein unbegrenztes Post,
kartenschreiben, um ihre» sämmtlichen
an der Ostsee weilenden Freunden mit
zutheilen, das, sie selbst soeben Berlin
für längere Zeit verlassen hätten. Si«
waren der Gewalt gewichen.
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