Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 04, 1890, Page 3, Image 3

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    Valesca.
(4. Fortsetzung.
' Seine Mienen veränderten sich plötz
lich und drückten sichtbare Ucberraschung
ans. In der bleichen Gestalt, die un
beweglich, einer schönen Statue gleich,
das Äutlitz halb von der Flnth der aus
gelösten Haare verdeckt, vor ihm lag,
erkannte er lenes junge Mädchen wieder,
welches im September des vorigen Jah
res im Museum seine Neugier und
Theilnahme erregt hatte.
Rein and hatte sie seitdem nicht wie
der gesehen. Seine Gänge nach dem
Mttsenm, um ihr nachzuforschen, waren
vergeblich gewesen. Um die eigene
Existenz eisrig besorgt, hatte Reinland
die flüchtige crstc Begegnung bald wie
der vergessen. Seine Natur war nicht
für nachhaltige Eindrücke gestimmt, ein
Hang znr Romantik war ihm nicht
eigen, das praktische Leben wenigstens
war eS gekommen, daß er das cinninthigc
Wesen, das ihm einen Augenblick durch
die Reize der äußern Erscheinung ange
zogen, bald wieder vergessen hatte. Um
so größer war sein Erstannen, als ei
Balesca jetzt ans unerwartete Weise
»nd unter Umständen Wiedersand, die
seine arztliche Theilnahme in Anspruch
uahmcn.
Er beobachtete sie aufmerksam, legte
schlage ani Handgelenk. Kaum sic
benzehn Jahre alt, sagte er. Hat sie
früher schon an ähnliche» Zufälle» gelit
te»?
Niemand wnßte aus diese Frage Be
scheid zn geben.
Sie hat zn viel gearbeitet, bemerkte
Peter Kühne voller Theilnahme, mit
der Nadel, mit der Maschine. Auch
«n heftigem Aerger hat es nicht ge
fehlt-
Ist sie ist sie todt? fragte
LazarSki, mit Spannung und Zittern
zu dem Arzt ausbtickend. Können Sie
Helsen, Helsen noch ich bin für alles
gut - Sie sollen von mir sür alle Be
mühungen reichliche Entschädigung ha
be».
Still, sie bewegt sich, sagte Reinland
und bückte sich über das Antlitz der Da
liegenden.
Valesea öffnete die Lippen, cin leiser
Scnszcr hob ihre Brust.
Schaffe» Sie ctwii» stärkcndc» Wein
li-rbei spanischen oder griechische»
Wein! verlangte Rernland, zn Herrn
lLazarSki gewandt. Es ist nnr eine tieft
Ohnmacht. Sie wird rascher vorüber
gehe», wenn den» Fräitlein etwas Stär-
Noch ehe die Anordnung des Arztes
znr Ausführung gebracht werdest konnte,
zeigte es sich, daß dieselbe nicht mehr er
sorderlich war. Balesca schlug die Au
gen aus. Dieselben irrte» eine» Augen
blick im Ziminer »mher. Als die ans
ihrem willenlose» Zustande Erwachte
begriff, in welcher Umgebung sie sich be
fand, richtete sie sich gewaltsam auf,
strich ihr langes Haar zurück und blieb
eilige Augenblicke, wie um ihre Gedan
ken zn sammelt!, in sitzender Stellung.
Ihr Gesicht gewann wikder Farbe, nahm
aber einen finstern, fast unheimlichen
Ausdruck an. Fort vou hier! rief sie
stehend. O, welche Härte! Ich habe sie
nicht verdient!
Sic snchte sich zu erheben nnd wollte,
den ihr enlwllencn Hvt vergessend, zur
Tlmr wantcn.
Peter Kühne unterstützte sie sorg
sam.
sind »och schwach nnd zu aufgeregt. Es
wird sich ja altes ailskläre». Ich glaube
selbst, daß wir wohl zn weit gegangen
Anch Tortor Reinland legte sich ins
Mittel. ES scheint, bemerkte er, als
wenn die Umgebilng in diesen Räumen
l!»i die Erlaubniß, mein Fränlein, Ihnen
noch eine lnrze Gesellschaft leisten
.zu dürfen.
die. frische winterliche Lnst wird den
Rest des Kopfschmerzes beseitigen, der
mich noch quält.
de» »ächsteiis iveitereErkil»diqu»gc» ein
piziehcn. Als er »ach ValeSca das
Hans verlicß, hörte er, daß LazarSki
bureml eile» und alle weiter» Map
regeln sollten unterbleiben.
Als Saleska ihr bescheidenes Heim
mühsam wieder betrat, löste sich, noch
ehe sie Bericht erstatten konnte, ihre Ent
rüstung in einen Thräiienstroin auf.
Sie trocknete die Angcn aber schnell, als
gleich darauf, kurz nach einmaligem An
kl?pfcn, ein Herr in das Zimmer trat,
der ihr, ohnc daß sie es bemerkt hatte,
aus der Nähe des Simon Lazarskische»
Geschäfts auf Schritt und Tritt gefolgt
war. Dieser Mann war kräftig und
hoch von Gestalt, trug einen dunkel
braunen, fest zugemachte i Pelzrock und
hielt die seine Bibermütze in der Hand.
Es war derselbe, den Balesca schon aus
dem WeihnachlSballc in Schillers Salon,
wohin er ihr solgle, flüchtig bemerkt
hatte. Er richtete nach kurzem Gruß
seine kastanienbraunen Augen, die das
Zimmer und den offcnstchcnden angren
zende» Nanm dnrchmnstcrl hatten,
durchdringend aus Balesca uud strich
sich den Reis ans dem röthlichen Voll
barte. Um Verzeihung, sagte er in
höflichstem Tone, ich hörte von dem
Hanswirth, daß er die Wohnung, die Sie
iune haben, zum nächsten Ersten zu kün
dige» beabsichtigt. Ich komme unge
legen, allein meine Zeit ist sehr be
schränkt. Würde» die Dame» wohl die
Güic habe», das Quartier, welches Sie
bewohne», mir vorzuzeigen, jeden,
auch den kleinsten Raum ich beab
sichtige, dasselbe zu miethen. Ich bin
der Lieutenant von Strösack. Er über
reichte dabei der Frau Geheimräthin
seine Karte, welche die Freiherriikrone
über dem Namen Hans von Strösack
trug.
War Fran Lndovica schon durch den
plötzlichen Eintritt des Herrn von Strö
sack überrascht, so steigerte sich ihr Be
fremden bei der von ihm unerwartet
überbrachten Mittheilung. Wir wissen
nicht, entgegnete sie mit Heftigkeit, daß
man vorhat, nns zn kündigen. Herr
Schulz, unser Wirth, ist bis jetzt mit
nns zufrieden gewesen. Wir zahlen
pnnctlich, leben still und ruhig, nnd Herr
Schulz mag scheu, ob er bessere Miether
bekommt.
Nur einen kurzen Ueberblick anf
alle Fälle —, bat Herr von Strösack.
Ich will dann nicht länger stören.
, Geh doch, sagte Fran Ludovica, die
den Fremde» mit Mißtrauen ansah,
geh, Balesca, und rufe Herrn Schnlz
herbei. Er ist zu Hause, ich höre ihn
die Elarinette spielen, sein LicblingSin
strninent, in seinen Zimmer, dicht neben
dem uiisrigen.
Der Fremde strich wieder seinen Bart.
Nicht doch, äußerte er, immer in dersel
ben verbindlichen Weise, uuterlassen Sie
das, mein Fräulein. ES würde ein un
nützes Aussehen erregen. Ich will lie
ber bckcnnen, daß ich Sie bezüglich der
WohnnngSaiiskündigung getäuscht habe.
Ich wollte Jhtie» ei» Aergerniß erspa
ren allein eS ist besser, daß ich den
wahren Zweck meiner Anwesenheit zu
erkennen gebe. Ich bin der Eriminal
schtitzmaiin von Strösack hier, meine
Legitimation nnd komme in zweifacher
Angelegenheit. Zunächst soll ich fest
stelle», ob sich i» Ihrem Besitz »och Ge
genstände vorfinden, die ans dem Ge
schäft des Herr» LazarSki herstammen.
Sodann hab' ich zu crsorschen, ob der
Buchhalter Dagobert Frey bei Ihnen
Unterschlupf gefunden hat. Berzeihe»
Sie, wen.» ich lästig falle.
Fra» Ludovica Bcrg schrie laut ans:
Unterschlupf bei nnS dieser Frey!
Sie war eincr Wüthenden gleich. Der
Lieutenant vo» Strösack mußte sich eine»
Scbritl zurückziehen.
Ich selbst sah Sic in Schillers Salon,
bemerkle der Beamte. Auch schon vor
her im Theater. Frey war nns als
verdächtig der Wechsel sä l fchnn g von einem
Capilän Palesrenier bezeichnet. Auch
Fräulein Tochter war mit Ihne».
ValeSca schlug die beide» Hände ver
zwcislnngSvoll vor ihr Angesicht. Die
SNutter deswegen auch nur mit einer
Sinn.
Als Fra» Lndovica die Sprache wie
dererlangt hatte, sagte sie zerknirscht:
O, Herr, sehen Sie Alles genau an
Alles Sie müssen uns rechtfertigen!
Nicht ei» Seideiisädche» ist znrückgeblie
gen—»nd »och dazu einen solche» ! Wir
sind ans einer rechtschaffene» und gebil
beten Familie.
ES ist meine trailrige Pflicht. Ich er
sparte Ihne» gern jeden Kummer nnd
leden Aerger.
O, wäre Onkel Hrimich nur hier!
schluchzte ValeSe?. Wir waren in de»
Festtage» so glücklich in Groß Beere»,
Nnd IUI»?
ha:. Sie wisse» doch aber wohl, daß
ver erste Buchhalter deS Herrn LazarSki
mit Hinterlassung erheblicher Unter
schirise, reich an nnbezahitcn Wechseln,
die der Eapitän Palesrenier in Händen
flüchtig geworden ist.
O, dieser Schurke, schrie die Frau Ge
hcimräthin. Jsts möglich! Wer hätt!
?iesem Menschen solche Schlechtigkeit zn
zelrant!
Bcrnhi?c dich—Nicmand ahnte so et
ivaS! sagte BateSca leise nnd küßte dic
Mntter. Tann blickte sie bleich nnd ge
dmtkenicer zu Boden.
Zlidem ist die Easse erbrochen, snhr
»er Lienlenant fort nnd beobachtete dabei
Sie Wirkung seiner Worte, eS fehle» da
raus etwa sechshundert Mark. Kein
inserer als Dagobert Frey kann diesen
Einbruch verübt haben, ein Fremder
zeblich, man hatte »»begründete» Ver
dacht. Ohne Zweifel werde» auch die
übrige» Räume ein gleiches Ergebnis
gewähren.
Frau Ludovica schien die verlangte
vettere Nachweisnng verweigern zu
wollen. Balesca erhob sich. Kommen
Sie, mein Herr, Sie mögen alles genau
durchsorsche». ES sind nur wenig
Räume, die wir innehaben ich will
Ihnen alle unsere Schränke und Behält'
nisse ausschließe,:.
So geschah eS. Nicht ohne Bewe
gung betrachtete der Beamte seine von
Schmerz gebeugte Führerin, nicht ohne
Bewegung die sonstige Einrichtung des
Hanshalts, die vou Dürftigkeit und
ehemaligem Wohlstande beredtes Zeug
niß ablegte.
Am Ende der ohne Erfolg gehaltenen-
Nachsnchnng wiederholte von Slrösack
seine Entschuldigungen, dann aber setzte
er hinzu:
Dars man wissen, welches Geschärt
Sie während der Feiertage in Groß-
Beeren hatten?
Gewiß, antwortete Valesea, welche
nur ihr Stolz nach so vielen uud heili
ge» Erschütterungen noch ansrecht hielt,
wir hielten uns besuchsweise bei dein
Bruder meiner Mutter, dem Dr. Gem
kenthal ans. Ihr Argwohn, das; von
dem Eigenthum des H'errn Simon La
zarski ein Stück oder wohl gar dessen
elender Eassirer dort verborgen sein
könne, wird schwinde», wenn Sie die
Ehre haben werde», meinen lieben Onkel
kennen zu lerne».
O, weich ei» Tag war dieser, rief
ValeSca, als Strösack sich entfernt hatte.
Dann sank sie erschöpft und gänzlich
kraftlos in den Lehnst»!»!, weicher nebe»
der verhängnisvolle» Wilson'sche» Ma
schine stand, zusammen.
Siebentes Kapitel.
Wenn Herr v. Strösack nicht so dienst
eifrig gewesen wäre, so wurde ihn das
Ersuchen LazarSkis, alle weiter» Schritte
in der betrübenden Angelegenheit gegen
die Familie Berg zu unterlassen, viel
leicht erreicht haben und dadurch der
letzteren viel Kumme: und Noih erspart
worden sein.
War Simon LazarSki durch die von
Frey gegen ih» verübten, mit sehr erheb
licher Bermögruc-bsschädiguug verknüpf
ten Verbrechen aufs Empfindlichste be
rührt worden nud hatte dieser Mißbrauch
seines Vertrauens ihn i» übereilten
Aelißcruttze» und Entschlüssen geführt,
anch seine Gesundheit geschädigt, so rief
sie für die Folgezeit anch einen immer
mehr gesteigerte» Argwohu hervor, mit
welchem LazarSki alle Dinge nm sich her,
alle Personen, die ihm nahten, betrach
tele.
Diese Wirkungen waren krankhafter
Art. Ein gerechtfertigter nnd natür
licher, sast gesund z» nennender ZorncS
ansbruch bemeisterte dagegen den Leih
bibtiothekar Gemkenthal, als am nach
sten Tage der Polizeilicutenant v.
Strösack ihn in Groß Beere» aussuchte
nnd eine amiliche Durchsuchung der
WohnungSränme selbstverständlich
oline Ersolg—bewirkte. Durch Slrösack
ersuhr Heinrich Gemkenthal auch, daß
feine Schwester und VateSea ein gleiches
Schicksal hatten erdulden müssen.
Er konnte kaum den nächste» Tag er
warten, nnd fuhr mit dem ersten Vor
mittagSzilge nach der Residenz. ValcSea,
die von den Folgen der gehabten An
strengung sich vollkommen erholt zu
haben schien, kam ihm freudig entgegen.
Mir ahnte, daß Onkel Heinrich heule
kommen würde! rief sie, ihn begrü
ßend.
ES wäre besser gewesen, sagte die
Fran Gebeimrälhin, d» wärest, lieber
Heinrich, vorgestern an uiiserer Seite
gewesen.
Ei» Wetter soll allen Schurken über
de» Klops komme»! äußerte Gcmkciithal.
Man bat bei mir Haussuchung gehalten;
ich weiß nicht, wie man dazu kommt,
mich für einen Spitzbube» zu halten.
Vor allen meinen Hausgenossen ist mir
eine Schmach wie dem gemeinsten Ver
brecher angethan! Trotz aller Höflich
keit und Rücksicht des mit
snchnng beaustragten Beamte», die ich
anerkenne» innß, ist mein Verbleiben in
öiroß-Becren dadurch unmöglich gewor
den. Und nun gar ihr, ihr bemillei
vcnswerthen, hilsloien Franc» da,
mein Kind, Valesea, die alte Isidora hat
sich die Augen ausgeweint, als sie erfuhr,
welche» Schimpf man dir zngcsügt hat!
Leute, Vor der ich iuimer gewarnt. Him
mel Element!
Er ging aufgeregt im Zimmer ans
nnd ab. ValeSca suchte ihn zu beruhi
gen.
WaS fang ich nn» mit dem reichen
Lazarski an ? fragte Gemkenthal zornig.
Nicht genug, daß er uns in den Per
dacht schändlicher Verbrechen gebracht
hat, er hat uuser liel'eS Kind ValeSca
Unterstellung, daß sie iiiil dem Einbrecher
nnd Fälscher Frey in Verbindnng ge
stände» habe.
Herr LazarSki ist zu entschuldigen,
entgegnete ValeSca besänftigen». Tu,
Onkel Heinrich, ein starker nud gesunder
Mail», bist aufgeregt. Herr Lazarski
ist krank und alt, man hat ihn deswillen
und betrogen. Wen» er i» seiner Angst
und Verwirrung 'vielleicht ei» Wort zu
viel gesagt »at. wenn er verkehrte Wege
einschlug, so ist das wohl zu erklären
und zu entschuldigen. Das schlimmste
bei der ganze» Angelegenheit ist nur,
daß der Raine Simon Lazarski und der
meinige wie ein Fl»gse»er durch die Re
fidenz gebt. Sogar liier, iu dieser ent
legene!! Straße, hat sich bereits das Ge
rücht von dem Geschehenen verbreitet.
Man nennt mich die blonde Vally nnd
sagt, ich sei von ei»>'m Eonlinis des
Herrn LazarSki tödttich verwandet wor
den. Bildlich genommen setzte sie
seufzend hinzu ist dies ja auch nicht
linwcchr!
Und da soll man rnhig bleiben! ei
ferte Gemkenthal. Ich will hin zn
Herrn Larzinski und will ihn sprechen!
Er ergrisf seine» dicke» Reisestock u»d
schickte sich a» z» gehen.
Beide Frauen vertraten ihm den Weg.
Du bist im Eiser, Heinrich, sagte Fran
Berg, dn wirst die Sache nur ver
schlimmern
Uns unglücklich machen, setzte Balesca
bittend Hinz».
Gemkenthal warf den Stock in die
Ecke. Aber so kann die Sache nicht
bleiben, erklärte er, als er eine Thräne
in ValeScas Augen sah, ruhiger. Ich
werde daß er eine Ehrener-
klSrnng abgibt, und wenn er sie weigert
ich bin nicht umsonst Corpsstudent
gewesen und bin Reserveossicier.
Ihn sordern, Heinrich? bedenke doch!
mahnte die Geheimräthin voll Ent
setzen bedenke das Ende!
Va/esca. Herr LazarSki ist ein alter,
schwacher Mann, des WaffenhandwerkS
nicht kundig.
Dn hast, wie immer, Recht, Balesca,
crwiderte Gemkenthal. O, es ist zum
Verzweifeln!
Hingchenlasscn darf man die Sachl
nicht, erklärte Fra» Geheimräthin, da
für bin anch ich. Allein wozn fiut
die Gerichte?
Heinrich Gemkenthal wurde nach
denklich. ValeSca bemerkte dies. Wenn
Herrn LazarSki überhaupt eiue Schuld
trifft, sagte sie, ich spreche ihn von einei
solchen srei, so hat er sie durch sein Ver
halten gegen mich gesühnt. Er hat mii
selbstlos geholse» er hat mich sin
meine Arbeit reichlich gelohnt er hat.
als ich vorgestern krank nnd elend war.
in der zartesten und rücksichtsvollste,!
Weise für mich Sorge getragen.
Du bist zu gut sür diese Welt, ent
gegnete der Oheim, ich folge Deiuei
Melnnng in allen Dingen und bin über
zeugt, das Rechte zu treffen, hiei
aber, in diesem Falle, trete ich aus die
Seite deiner Mutter. Ich will wenig
stens mit einem Rcchtsvcrständigen über
lege», was Weiler in dieser Angelegen
heit zu thun sei.
Gcgeu Mittag verließ Gemkenthal
die Wohnung der beiden Frauen »n!
begab sich in die Behausung deS Rechts
anwalts Perikles, der ihm schon in srü
hcrcn Fällen zur Seile gestanden. De»
Letztere, cin langer, hagerer nnd zu
Scherzen ausgelegter Man» grüßte ihn
als eine» alte» Bekannte» nnd tnd ihn
ein, cin Glas Rheinwein, der auf dem
'Tische stand, mit ihm zu trinken.
I» vi»o vvritas! sagte er, nur da
rum liebe ich ihn. Er schließt das Herz
auf, macht die Zunge beweglicher.
Schenk ein den Wein, den holden
singt Storni wir wollen nns der.
graueu Tag vergolden! PerikleS hatte
ans Gemkenihals Stirn finstere Wolke»
gesehen.
Gemkenthal lehnte nicht ab, ginc
aber unruhig im Zimmer auf nnd nie
der. AIS er erwähnt, weshalb er ge
kommen, und die ihn bedrückende Ange
legenheit zur Sprache gebracht hatte,
äußerte PerikleS: Ich dachte mir so
gleich, als ich Ihre Stirn sab, daß etwas
Unangenehmes zn verhandeln sei. Ent
wischte Worte sind beleidigte Vertraute,
hätte Herr LazarSki in Schiller nach
lesen könne». UcbrigcnS ist die ganze
Angelegenheit bereits ei» öffentliches
Geheimniß. Leichter läßt sich eine
glühende kohle ans der Znnge halten,
als cin Geheimniß, sagte schon zu einem
Vorsahrc» von mir sci» Zeitgenosse
Sokrates. Sie müssen übrigens wissen,
langen Kops, die breite Stirn und das
spitze Kimi, die mein Haupt wirklich
einer Meerzwiebel ähnlich machen, als
Beweisstück ansühre«.
Gemkenthal, bei diesen Worten un
willkürlich stehen bleibend und den alte»
Gcschäftssrennd anblickend, sand dies«
Beschreibung bestätigt. Zn derselben
stimmte anch das wirre, an den Schläser.
ansgewühltc Kopfhaar, der düiiu«
Backeiib.irt, und dazn die riesigc
Brille ans der spitzen, kleine» Nase
Gemkenthal mußte lächeln, nud dieses
Lächeln war das erste Zeichen, daß dic
alte, gleichmäßige Geinnthssliminung
wiederkehrte.
Nim wohl, lieber Herr Gcnikcnthc:!,
sagte PerikleS, daß Herr Lazarski anf's
empfindlichste betrogen nnd bestohlen ist.
blieb nicht unbekannt. Gegen den tren
lassen werden und bezüglich der ihm aui
gebürdeteii Verbrechen wird nnd mnß
die gerichtliche Untersnchnng ihre» Gang
nehme». Sie wird Ihnen nnd Ihren
Angehörigen volle Genugthuung ver
schassen. Dabei, dächte ich, könne man
es bewenden lasse». Unglück, das wird
nicht verschuldet, wird leicht erduldet
nur Wunden, die wir selbst uns gcschla
gcn, sind schwer zu tragen.
Gemkenlhal sann nach. Meinetwegen
möchte das wohl angehen wer küm
mert sich noch um mich! Aber die Ehre
Tas kann die Oeffentlichkeit am be
sten. Ich las heute schon einen Artikel
in den Zeitungen, der den Fall Dago
bert Frey bespricht und anch den mibe
gründeten Verdacht erwä Hut, der durch
Frey auf schuldlose Personen gewälzt
ist. Ja, man gibt darin zu verstehen,
daß jener Frey geflissentlich Arbeiterin
nen ans dem Geschäfte Lazarskis durch
falsche Buchungen romproniiiiirt habe,
weil sie gesellschaftliche» Verkehr mit
ihm anziiknnpsen sich geweigert und ih»
dadurch verletzt hätte».
Arbeiterin»«!! Ge-ellschaslliche» Ver
lehr! rief Geuikenthal ausbrciiisend.
DaS eben ist es!
Dieser schmerzliche AnSriis versehlti
deS Eindrucks aus deu jovialen Rechts
kundigen nicht. Ja. lieber Gemkenthal,
ich möchte gern behilflich sein. Abc,
sehen Sic, eine willentlich salsche An
jchuldigiiiig liegt höchstens gegen den
Commis Frey vor, damit ist also nichts
zn mache». Im ist Herr Si
mon Lazarski einer unserer geehrtesteii
Mitbürger. Er ist bei allen Wohtthä
ligkeitsverciiic» hoch belheiligt. Wie
Noth geholsen. Seine Vergangenheit
spricht durchaus zn feinen Gunsten.
Und doch hat er sich zn ehrenkränken
den Anträge» gegen mich, gegen meint
Schwester nnd unser liebes k ind, ja zu
wörtlichen Kränkungen des letzteren hin
reißen lassen.
Hinreißen lassen j«, das wäre das
äußerste, was wir ihm zur Last lege»
konnten. ES wäre wohl denkbar, daß
eine Beleidigungsklage, heutzutage heißt
es Privatklage, von Erfolg fein könnte.
Mein das ist ä:is inneren Gründen eine
sehr zwcisclhaftc Sache. Freilich: hast
d» ei» Wort ausgcsprochcn, so beherrscht
eS dich, vorher b'hcrrschtest du das
Wort—diese» arabischen Spruch hat er
nicht im Gedächtniß gehabt.
Und dieser Mangel an Selbstbeherr
schung sollte straflos sein? Ich kann es
nimiiieriuehr glauben.
vatltage wagen indes selbst bei gün
stigem Ausgange würde diese zu einer
Geldstrafe führen.
DaS ist ja nebensächlich. Die Lnst
wird rein, das ist die Hauptsache.
Sie kennen den Gang diesor Processe.
Gesetzt, wir erheben Privatklage, so wird
Herr LazarSki sich eines Vertheidigers
anberanmt nnd verlegt werden. Daß
vor sechs Monaten ei» erstes Urtheil er
geht, ist kaum anziinchmeli.
Es scheint, daß au meinem Mandate
Ihnen nichts gelegen ist.
O, behüte, mein alter, lieber Freund
und Kriegskamerad. Aber cS ist meine
Pflicht, Ihnen vorzuhalten, was Ihrem
Verlangen entgegensteht.
Dann bitt' ich, daß Sie meinem Wun
sche stattgeben.
Der Rechtsanwalt erhob sich, schenkte
im Vorbeigehen seinem Elienten noch
ein Glas Wein ein, öffnete die Thür zn
dem ncbci'.anliegcndeu Bureau und rief
hiiicitl: AleibiadcS!
Es ist der Name meines ersten Sekre
tärS, cin Grieche wie ich selbst, doch
lönnen Sie deutsch mit ihm sprechen.
Nehmen Sie, Alcibiades die Anträge
nnd die Informationell dieses Herrn zu
Protokoll nnd legen Sie das Schriftstück
mir morgen zur Verfügung vor. In
zwischen empschl' ich mich, lieber Geni
fciilhal. Sie müssen entschuldigen, ich
habe noch cin paar Wechsel zu protesti
ren.
Ebe Gemkenthal die Rückreise nach
Beeren antrat, kehrte er noch cin
mat bei seiner Schioester ein nnd berich
tete über das Ergebniß der Conserenz
mit PerikleS. Fra» Berg nahm diese
Mittheilung mit sichtlichcr Frcudc auf:
Lo ist es recht, rief sie triumphirciid.
hoffentlich wird den Vertemuder eiue
recht harte Strafe treffen!
BalcSca war kleinlaut. Tu mußt eS
besser verstehen als wir, Onkel Heinrich,
sprach sie zaghast. ES wäre vielleicht
znt gewesen, wir wären über die häß
liche Angelegenheit mit Stillschweige»
hinweggegangen.
'.t:s Gemienthal im Eisenbahnwagen
saß, sielen iliin diese Worte ValeScas
auch ValeSca vermuthlich werde
.'ieuginß ablegen müssen und daß ihr
cheS lästig sallen werde. Er legte die
Öaiid nachsinnend an die Stirn. Viel
leicht läßt sich vermeiden, daß dies ge
ictnctli nnd ihre Rnhe durch neue Auf
regungen gestört wird. Sie mnß sich
zewöhiien, stark nnd uiuthig im Leben
;u stehen. Verliert die Sonne an
Äicni',, wenn sie in die vcrr»sc»s!eii
scheint?
Achtes Capitcl.
Die Vorgänge in dem LazarSkischen
Geschäft nahmc» das öffentliche Inte
resse in de» nächste» Wochen vollans in
Beschlag. In der Handelswelt berech
nete man die Verluste, die das Hans
iiothwendigerweiie erlitten haben mußte,
stritt sür uud wiver »nd bemerkte doch,
baß alte Angabe» übertriebe» waren.
Ja, der Glanz des Hauses erhöhte sich
noch, der Zuspruch ward noch reicher,
nnd die von auswärts eingehenden Be
stellungen waren so massenhaft, daß sie
der Chef des Hauses wurde weniger
fichtbar, der gegen ihn verübte Ver
lrauciisbruch schien von ihm nicht über
wunden werden zn können. LazarSki
wnrde grämlicher nnd hinfälliger. Es
nagte etwas an seinem Herzen. Viel
leicht legte er ans die von Frey bei des
sen Fortgange gegen ihn aiiSgestoßene»
Drohiliigen z» viel Gewicht.
Der Dvctor Richard Reinland behan
delte ihn und gewann dadurch an Be
kanntschaft.
Andcrcrscits hatte die Untersuchung
gegen den slüchtigen und spurlos gewor
denen Dagobert Frey ihren Forlgang.
Erncnte Steckbriefe gegen ihn hielten
das öffentliche Interesse wach.
Zahlreiche Vernehmungen erfolgten.
Herr LazarSki selbst, sein Personal,
Herr Giese, Pctcr Kühne und der Haus
bursche Max wurden verhört. Selt
samerweise behauptete der letztere, dem
zwar die liuunistößlichc Gewißheit, daß
die drei Genannten vollkommen vor
wurfsfrei Maren uud daß die Frauen
lediglich als Opfer der Frechheit nnd
Rache von Frey anSerschen worden wa
ren. Immer hatten diese ewigen Rück
fragen viel Aufregendes und Qual
volles.
Rübrend war es, zu sehen, wie Geni
/enthal für die Schwester nnd feine» Lieb
ling Valesea Sorge trug, um ihnen die
Wirkungen dieser wiederkehrenden Auf
regungen weniger fühlbar zn machen.
Seine Besuche wurden häufiger. Er
suchte den Rechtsanwalt PerikleS auf
und beklagte sich, daß dieser mit so gerin
zer Energie an der Ehrenrettniig der
Frauen arbeite, daß der BeleidigungS
oroceß sich iu die Länge ziehe und nach
dcr bestimmten Vcrsichcruug vou Perik
leS vor September oder August nicht zur
Entscheidung reis sci. Nie kam Gem
ienthal in dieser schweren Zeit, ohne ir
zcnd eine frenndliche Gabc dcr Erheite
rung zn bringen. Er sorgte für Lecker
bissen von Kranzler und Schilling, er
?anste bei Rex stärkenden Wein und
brachte sogar Einlaßkarten zu dem Deut
ichen Theater, die ValeSca hartnäckig
oon der Hand weisen wollte, und deren
Benutzung sie erst zugab, als Geinkcn
ihal beweglich versicherte, wenn sie ihn
nicht begleiten würde, nähme er an, daß
in ihrem Herzen auch nicht ein Winkel
chcn für ih» übrig geblieben wäre.
Zn ihrem großen Kuinnier bemerkte
ValeSca, daß das Exemplar der Photo
graphie, welches die Mütter jenem
Kunsthändler mit dem von ValeSca znni
Verlauf gestellten Oelbilde übergeben
hatte, in zahlreichen, theils größeren,
theils kleineren Vervielfältigungen jetzt
in den meisten Schaukästen zur Ansicht
ausgestellt war. DaS nnSgcbotcnc Oel
bild war verkauft, als ValeSca aber bei
AiiSzahlulig des ziemlich erhebliche» Er
löfes bat, jene Lichtbilder zurückzu
ziehen, versicherte der Verkäufer achfel
zuckend, das stände nicht mehr in seiner
Macht.
Tie tiefe Tranrigkeit, die sich wegen
aller dieser Ersahrungen des jungen
'Mädchens bemächtigt hatte, wich »nr so
lange, als Geinrenthals Einsluß reichte.
War er abwesend, so stellte ihr Trübsinn
sich wieder ei».
In den Verhören wurde sie von dem
Personal LazarSkis nicht seile» als die
blonde Vally bezeichnet. Daß diese
Name auch iu der Residenz bekannt ge
worden war, erfuhr sie im Februar, als
sie, von Moabit koinmend, die Linden
entlang ging. Sie hörte, daß zwei vor
einem Kiiiistladen stehende jnnge Mäd
chen, welche die dortigen Aushänge be
trachteten, ihre Benlerklillgc» anStaiisch
lchen nnd daß eine derselbe» änßerte:
Sieh, das ist die unglückliche blonde
Vally. Wie schön sie ist!
Außer sich über diese Bemerkung
langte ValeSca in ihrer Wohnung an.
Sie fand dort glücklicherweise de» Oheim
Heinrich, dein sie, während Fran Ge
heimräthin darüber lachte nild spottete,
ilir Leid klagte. Gemkenthal, der ihr
begütigend z» und meinte, daß iiian sich
dem Gerede der Menschen auf keine
Äeiie entziehen könne, man möge ihnen
nnr dein eigenen Gewissen Rechnung tra
ge» nnd selbstständig seinen Weg durchs
Lebe» geben iiiilsse. ValeSca versuchte
zn lächeln. Ich darf keine Zeitung mehr
zur Hand nehmen, seufzte sie, überall
Schlimmer als über das Modell des
Professors Graf zieht man über mich
i'iennslc her!
ValeSca wagte sich kanm noch in.
Freie. Ihr Frohsinn, slire Heiterkeit
ivaren dabin. Jetzt stellte sich als Folge
dcuion ein Widerwille gegen die täglich
nothwendigen leiblichen Gemißmittel
'in. Tie Stimme wurdc verschleiert,
an manchett Abenden machte ei» leichtes
Fieber sich bemerkbar. Einen Arzt
zuzuziehen weigerte sich ValcSea; sie
wollte die Ausgaben sür denselben »nd
für die Apotheke der Mutter erspare».
Ter Leiybibüothekar griff streng durch
und sandte ihr den Tortor Richard
Aieintand mit der gcmesseilsteii Wei
sung, de» Widerstand des junge» Mäd
chens gcge» ärztlichen Beistand zu bre
chen.
Toctor Richard Reinland unterzog
sich dieser Ausgabe mit großer Gewisscn
haftigkeit. Es war vielleicht die erste
ivcibliche Patientin aus besseren Lireisen,
weiche dem jungen Arzte zugeführt
wurde. Er hatte bereits durch die frü
hern Begegnungen sür sie ein Interesse
zewonnen. Den Sin des Uebels, den
Ärund der Krankheit zn erforschen,
daraus nahm der jugendliche Helfer frci
lili nicht Bedacht. Er fand ihn in
kicberanstrenguug bei der Arbeit, im
Mangel nothwendiger körperlicher Pflege
und eincr Erkältung durch de» Aufeut
halt in z» heiße» Räume». Ei» Seelen
leiden anzunehincu, war keine Veran
lassung. AnS Dattkbarkeit sür die Em
pscyluttg GemkettlbalS verdoppelte Rei»-
!a»d seine Vesuche nud überwachte die
Zl.uSfnhrung feiner Berrrdnnngen in
sielen Fällen persönlich.
Solche Sorgsalt hat etwas Rührcn
>cS. sowohl sür den, der sie aufwendet,
zls sür den, welche»! sie zn Theil wird.
sran Geheinirälhin Berg, vorschnell wie
immer in ihren Urtheilen, war ganz ent
zückt von dem Wesen deS jniigen Arztes,
rühmte seine Gewissenhaftigkeit, seine
iieiltttiiisse, von denen sie sreilich wenig
verstand, seine Bescheidcnbeit »iid seine
chla»ke Gestalt nnd seine GefichtSbil
i»«g auffallende Persönlichkeit.
Anderseits war Reinland sür die gei'
stigen und körperlichen Vorzüge seiner
Patientin nicht gleichgültig. Ihr sanf
teS, ergebenes Wesen, ihre trotz hervor
ragender Talente bewahrte Anspruchs
losigkeit, die von ihr anch in ihrem lei
dende» Zustande der Mntter gewidmete
Hingebung und unermüvliche Sorgsam
st übten einen geheimen Zauber. Die
Nestalt deS junge» Mädchens hob sich
z»s den« trübe» Hiiitergriiiidc der Sorge
oo» gebrochenem Lichte mir nm so inagi
scher und verführerischer erscheint. War
:S der zweckentsprechenden Behandlung
?eS Toctor Reinland zuzuschreiben, oder
a>irste die freundliche Zuspräche Gem
kenthals wohlthuend mit der Wieder
kehr des Frühjahrs hoben sich die ge
sunkenen Kräfte ValeScas, die Gefahr
»er sie bedrohende» schweren Krank
heit schwand, das Auge wurde wieder
?tar, die Farbe der Waugen rosiger und
die Haut durchsichtig wie ehedem.
(Fortsetzung folgt.)
Bräutigam: „Nun, mein füßeS
Liebchen, was macht deine Kochkunst
bist du schon bald selbstständig?"
Braut: „Gewiß, lieber Paul, o ich
jreue mich ganz unendlich auf die Zeit,
«o ich für dich kochen darf Haupt
sächlich wenn du 'mal magenkrank wiest,
zasür kenne ich ganz besondere Recepte!"
3
Chinesische Begrtbntbfeierltch»
reite«.
„Wenn ich die rothe Weste nicht an
jiehe» kann, macht mir die ganze Leich«
keinen Spaß!" antwortete bekanntlich
jener Ba»er»ji»ige, dessen Mutter ihm
befahl, sich zur Beerdigung seines Va
ters schwarz zu kleiden. Unwillkürlich wird
einem diese Schnurre einfallen, wenn
man Gelegenheit hat ' nge einer chine
sischen Begräbmßseic. . it zn sein. Ein
gutes europäisches HochzeilSgelage bleibt
mit seiue» Schmausereien »»d feinem
Trubel weit hinter einem chinesischen
Begräbniß zurück. Wer zu dem Ver
storbenen anch nur i» leisester Beziehung
gestanden bat, mnß dazn mit seiner gan
zen Famitie cingelcideu werden. Ost
reicht das eigene Haus zur Ausnahme
der pflichtschuldigst geladenen Gäste
nicht aus, so daß mau nicht selten ge
zwnngen ist, Frennd Nachbar z» bitten,
sein HanS für den Tag der Festlichkeit
mit herzugeben. An langen Tafeln
werden den Gästen die kostbarste» Spei
sen aufgetragen, welche» diese, »»ler
außerordenllich lebhaftem Geplauder
und lantein Lärmen zusprechen, während
vor und hinter dem Haufe, sowie in
der ganzen Nachbarschaft ein lebhaftes
Feuerwerk durch Abbrennen von Schwär
mer» i»id Kanoncitschlägen unterhalten
wird.
Die Vorliebe sür dieses geräuschvolle
Schauspiel ist zwar auf jeder Festlich
keit, vorzugsweise aber bei Begräbnis
sen bemerkbar, bei welchen das Abbren
tien von Feuerwcrkskörpern selbst anf
dem Wege nach dem Begräbnißplatz
fortgesetzt wird nnd erst angesichts des
geschlossenen Grabes endet. Diese Ver
anstaltungist durch.einen eigenartigen,
nicht auszurottenden Aberglaube» her
vorgerufen, so daß sie selbst von den,
nach den Ver. Staaten Amerikas ausge
wanderten Chinesen in ihrer neuen Hei
iiiath in voller Ursprünglichkeit festge
halten wird. Die Chinesen glauben
nämlich, daß die Dämonen unausgesetzt
sür menschliche Seele» auf der Lauer
liege», vorziigSwcife sich aber, sobald
Jemand stirbt, i» die Nachbarschaft
drängen. Da man »iin aber weiß, daß
dir dumme» Teufel Furcht vor Schwär
mcrn und kanoncnschlägen haben, so
sendet man zur Sicherheit anch dem Lei
chenzuge Knaben voran, welche in be
stimmten Zwischenräumen die Straße
mit diesen FcuerwerkSkörper.i belege»
und dieselbe» anzünden müssen, sobald
der Zug sich nähert. Ebenso wird so
gar der Sarg mit Fciierwcrkskörvcrn
de» dummen Teufeln »och ans andere
unbedingt sichere Weise ein Schnippchen
zu schlagen.
Die chinesische» Teufel find nämlich
lmnier in gerader Linie fortzulaufen und
berinögcn nur mit außerordentlicher
Schwierigkeit zn wenden. Der Trauer-
Teufel in wilder Haft hinten an dem
Sarge vorüber!» gerader Richtung fort
schießen. Ter größereu Sicherbeit wegen
wird sosort der Eingang der eingebogen
tere Verfolgung verleidet. Ob ini» die
T»n»nheit der chinesischen Teusel wirk
lich größer ist, als ler Aberglaube de»
chinesischen Volles, habe» wir nicht er
inittel» können, das aber steht sest, daß
die chinesischen Pfaffen, welche diese»
?lberg!a»ben nähre», mit den Feuer
tverkösabrikailte» anf sehr srenndschastli
Z'.em Fnßc stehen, ost oder durchgängig
„stille Theilhaber" an deren Geschäften
find.
Ein Stndentelinlk. Eine
Station purclnri! ein Haltepunkt in
!>er Nähe Berlins. Der Zug braust
!>». „Eine Minute Anseiithali!" Die
Minute istsast vorüber, da stürzt ciue
Schaar Ztndeuten aus dem Wartesaal.
..Zngsührcr! Zngsührer! Der Gestrenge
naht. „ljugsührer, cS gibt keine BiiietS
„Nein, grl>t nicht, ist gegen das
Negleiueut!" Der Zug will sich schon
in Bewegung setze». Hiueiu, Hin
ein!" nnd die Studenten springen in
das Eonpe. Der Zugführer läßt wieder
halten und stürzt ihne» nach. „Meine
Herren, was soll das, was sällt Ihnen
-in? Sie alle bezahlen —„Haben
kein Geld!" könt es energisch zurück.
,Dann geben Sie mir Ihre karten,
zder nennen mir Ihre Naincu." Dies
geschieht. „So, und nun steigen Sie
wieder auS uud warten ans den nächsten
— „Fällt nnS gar nicht ein!"
Billets gibt'S sreilich nicht mehr; da
habe» wir nnS eben eine Fahrkarte ge
löst."
Der glite Mann. A.: Wie,
Herr Müller, Sie haben sich entschlossen,
nochmals zu heirathen, trotz der schlim
men Ersahritngcn, die Sie in der ersten
lich von der Se'lige» ganz miserabel
behandelt' wurden, nun chcirathe ich
halt eine davon, nm an dieser wenigstens
einen Theil des von meiner ersten
Fran begangenen Unrechts gut zu
machen!
Fnrchtbare Drohung. Rei
sender: Also Sie wollen mir wirklich
nichts abkause», Herr Müller? Nun
gut, warten Sic nur ans meiue Co».cnr
renz, die schiniert Ihne» noch ganz was
Andres ' >!