Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 14, 1890, Page 2, Image 2

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Roman vom Berliner Schüt
zenseste.
In der Schönhauser Allee war es, wo
bie «beschichte begann. Und sie kam in
Flnß durch ein Taschentuch, ganz wie in
„Oihello". nur daß sie sich nicht so eifer
jüchiig znipitzen und traurig werden
sollte. Sie Itand auf hohem Balköne,
eine allerliebste Blondine, er marfchirtc
vo> über und ihre Blicke trafen lich, der
erste „Treuer", der am ersten Sonntage
zu verzeichnen war. Sie gefiel ihm aus
nehmend, er ihr nicht übel; er warf in
i'ibcrmüchigcr Schützenlaunc einen ,N»ß
-finger, sie bekam einen kleinen Schreck,
errathet- und ließ in der augenblicklichen
Verwirrung das wehende Taschentuch der
Hand entgleiten, so daß es in lang
samem Fluge zur Erde niedcrflatlertc.
Da war cS um feine Nuhe geschehen,
er eilt« aus dem Gliede, haschte nach
dem vom Winde fortgetragene» Durch
gänger und hielt ihn dann beglückt in
feiner Hand. Ein zartes Batistluch, mit
Spitzen umsäumt. Da in der Ecke ein
weißgesticktes Moncgramm: M. B.
Das ist zunächst alles, was er weiß!
Und er drückt den dusligen Fund an die
Lippen »nd schaut noch einmal hinauf.
Sie wird von neuem dunkelroth und
zieht sich verschämt von der Brüstung
zurück ; er läust dem Zuge nach, um wie
der. in seine Reihe zu gelangen, schiebt
das Kleinod in seine Brusttasche »nd
das kurze Idyll ist zu Ende. Aber nur
für heute, denn der junge Fabrikant
Peter D., der aus Wien zum iischützen
feste herbeigekommen, war nicht geson
nen, das liebenswürdige kleine Abenteuer
nnverfolgt zu lassen und sich mit dem
batistenen Andenken daran zu begnügen.
Zunächst zwar zog er mit hinaus nach
Pankow, bankellirte nnd schoß, aber er
mußte unausgesetzt an die reizende Blon
dine denken, zog wiederholt das Taschen
tuch aus dem Busen hervor und betrach
tete es zärtlich, so daß ihm Speise und
Trank nicht recht munden wollten und
»in Scheibensland sein Arm eine be
vcnülichc Unsicherheit zeigte.
Als abcr der andere Tag gekommen
war, «ilte er schon fiühzeitig hin zu dem
Schauplatze seines Erlebnisses. Er ging
hin und her, um das Haus wieder zu
finden, auf dessen Balkon sie gestanden
hatte. Die Nummer hatte er sich in der
Hast nicht merken könne», sie war viel-
Adler in einem Laubkianze etwas schief
über dem Thorwege saß und unter den
Guirlanden des Balkons vier fähnchen
geschmückte Schießscheiben aiigcbracht
gar nicht dort.
Die Inhaberin der Wohnung, die ihre
Fenster an dein Festtags vcriniethn hatte,
der Liebenden »nd sein Vertraue» sollte
nicht getäuscht werde». Tage vergingen
und er saß wiederum am Banketlisch
in einem hübschen Behälter, den er als
Hülle daz» gestiftet halte. Die Freude
der Verliererin war groß, ob nur um
zuletzt hingerichtet werden sollte, gesähr
lich krank. Die Behörde faßte deshalb
folgenden Beschluß: „Da Jnqmsii N.
leicht vor seinem Tode sleibe» könnte, so
soll er zuerst abgethan werden."
schwer abzuweisen. 4 ame:
Fräulein, Sie werden sich doch nicht
selbst bemühen? Wenn Sie erlauben,
rufe ich den Schutzmann. . .
„Sympathie".
Was ist Sympathie? Ein Etwas,
und zwar ein wohlwollendes Gefühl.
Man empfindet Sympathie für M>»-
fchen; die Dienstmagd bringt sie den
Jüngern des MarS der Backfiich dem
Darsteller der jugendliche» Liebhaber
rollen der Schwiegersohn manchmal
der Schwiegermutter entgegen. 'Xber
man kann auch Sympathie für nndere
Dinge haben für alten Cognac, jnnge
Möpse, russischen Eaviar, englischen
Bucklki» —für eine» Sonnenauf- und
einen Venusdurchgang für daS hohe
„E" eines Tenoristen und die Anpflan
zungen von Gewürznelken in Onasrika.
Und dann gibt es »och eine Art von
Sympathie, eine, die nicht empfunden,
sondern „gebraucht" wirch, und zwar nicht
gebraucht im alltäglichen, sondern im
Höheren Sinne. Weise Männer und
Frauen, unter einer besonders günltigen
Sternconstellatio» geboren, sind im
Stande, mit Hilfe von „Sympathie" bei
Mcnfchen und Thieren die bösen Geister
zu bannen, die gar oft in Form von
Schicksalsschlägen aller Art, von
Krankheiten, Hagelwetter, allzugroßeni
Familicnsege» :c. !. ihr Wesen treibe».
Mein Junge war krank mir wenig
stens schien es, als ob er krank sei»
müsse. Bleich und hager war sei»
Gesichtchcn geworden trüb« die sonst
so s.rahleiidcn blauen Augen »lüde der
Gang »nd der Appetit, der früher
nicht zu stillende Appetit er war ver
schwunden! Der Hausarzt, unser gu
ter Do'ior, dcrsonst stets Nach iür Alles
wußte, wollte absolut nichts Beängstigen
des an dein Zustande finden. „Nasch
gewachsen nervös! lassen Sie ihn
iüchlig spaziere» gehen Lust Luft!
das ist die beste Arzenei! —"
Jedoch dieser Ausspruch genügte mir
durchaus nicht. Namentlich wollte eS
mir nicht einleuchten, daß ich daS müde,
matte Kind auch noch mit Spazierlaufen
in der frischen Winterluft anstrenge»
sollte. „Nein, Herr Doktor, ich iverde
Jdre» Nath diesmal nicht besolgcn. Eine
Mutter weiß auch, was ihrem Liebling
gut thut und mein armes Kind braucht
vor Allcm N»he und Schonung."—
Abcr trotz Nuhe und Schonung, trotz
backe» »nd braten der besten Leckerbissen
blieb der Zustand des armen Jungen der
— Ehinawcin, Eisenwajscr, SalzbäScc
Alles vergeblich!
Da schlug ein Wort an mein Ohr:
Sympathie Gebrauch! —Die Eicrfrciu
hatte mir zuerst davon gesprochen. Sie
rieth zu Multer Erlenbach das war
die „Sybille" ihres Ortes z» fahren
»nd die weife Fran gegen ocs Kindes gc
hcimuißvotteS Leiden „gebrauchen"—
zu lassen. Ich lachte über den Nath;
abcr dann, als er mir noch drei
viermal gegeben ward» von gebildeten
Leuten, sogar von einer sehr «ufgeklär
te», liebenswürdige» Bühnenkünstlerin
gegeben ward, die mir versicherte, daß sie
geradezu Wunderbares schon mit Sym
pathie-Gebrauch erlebt habe, ja, daß
Sympathie bei ihr HauSmiltcl geworden
Die Ausführung des Vorsatzes war
aber nicht so leicht. Zwar
hatte mir die Eierfrau genau angegeben,
wo und wann ich die „Sympathische"
aufzusuchen hätte, doh es war beschwer
lich, zu ihr zu gelangen. Der Ort in
dein sie lebie, lag entfernt. Ich mußte
habe. Da er nun aber doch schon einmal
im HauS war, verlangte er auch, den
ll h ch mal g ünd
Wie ein Blitz schoß inir nun der Ge
danke durch de» Kops, daß der Arzt bei
der Untersuchung da« Amulet entdecken,
ivandsäckchen in der Hand und »eritichiel
sinke ich iit die Kijsen meines Lagers
In höchster Verlegenheit, mit hellen
Thränen i» de» Auge» uickie ich schwci-
sehr spöilisches Lächeln um seine Mund
winkel zucke abcr daS muß wohl Täu
schung gewesen sein, denn jetzt sagte er
ganz ernsthaft »nd gemessen:
„Ah! —ich verstehe!—eine sympatheti
sche Kur. —Nun, der Glaube macht see
lig. Es gibt ja auch mehr Dinec zwi
schen Himmel und Erde, als unsere
Schulweisheit sich träumen läßt. Pro
kuren Sie es immerhin einmal mit Sym
pathie; ich habe nichts dagegen."—
„Dank, herzlichen Dank!" rief ich
erleichiert. Ich hatte nicht gedacht, daß
er so liebevoll auf meine Ideen eingehen
bevor wir Anderes mit dem Kinde vor
nehmen," fuhr der Ar»t sich verabschie
dend sort. An der Thüre drehte er sich
noch einmal um und sagte in beleh'e»
„O, sehr einfach. Sie lassen concen
trirle Schwefelsäure in einer erhitzten
Netorte aus glühende Platinschniv-l flie
ßen, Sie tonnen auch dicke .'iaUinilch
mit etwas Kobaltialz erhitzen "
„lim GotrcSivillcn hören Sie auf!
Ich bin ja nicht im Stande solche fürch
terliche Erperi, »eilte ,u machen. Wissen
übrig als dem Kinde auf dem natürlich
sten Wege Sauerstoff zuzuführen- "
und wieder war eS mir, als hätte ich das
Lächeln »m des Doktors Mundwickel
zucke» sehe»,—abcr gleich darauf fuhr ec
ernsthaft fort : „In der Luft ist der
beste enthalten. Sic müssen also so viel
wie möglich die Luft dem Amulct zu
gänglich machen. Ohne Sauerstoff be
sitzt es nämlich bekanntermaßen gar
- Daß ich es mit einem Schalk
zu thu» hatte, merkte ich in meiner Erre
gung nicht. Diese Geschichte mit dem
selbst !—h > y ,
»nd dabei zwinkerie er mit schalkhaftem
„Aber Sic sagten doch —?
und der Sauerstoff " Der
Doktor brach nun, angesichts meiner
Verlegenheit in schallendes Gelächter
aus.
„Jawohl der Sauerstoff, den ich dem
armen, kleine» Bursche» nur mit List
zuführen konnte! —Der hatte dem Kind
gefehlt, sonst nichts. Verzärtelt war
das Kerlchen. jetzt ist er abgehärtet und
Ihr ganzer Sympathie-Gebrauch
Doktors Mundwinkel —dieses Mal gab
eliic so oerstäiidige Frau gehalten —!"
Sluö den «rtnnerungen eincS
t!o»ntkers.
es Ferdinand Lang, der unvergessene Ko
miker deö Münchener Hosthcatcrs, in
Gang, Sprache und Gcberdeu den König
Abend in jeder Woche" so erzählt die
„M. A. Z," pflegten sich zur Zeit des
kunstliebenden Herrschers Mitglieder deS
HostheaterS, Dichter, Maler und Bild
ten Leutseligkei, begrüßte und seine
Alle Platz, er selbst ließ sich am Ende
spielend: ~J' woaß nör, was Oes
habt's! Wann's steht's, so geht's
wann's geht's, so geht's nöt!"
—P afsendeFo rm. A: „Warum
in Sonett-Form an?" B: »Nun,
wissen Sie weil sie halt gar so
nett ist!"
Wenn der Hahn krüyt.
Stuhl.
„Ah, liier ist's doch kühl. Guten
Tag, Mütterchen! Gebt mir ein Glas
„Wen» Sie wollen, nur recht viel."
„Eier. Wurst »nd Fleisch, Butter,
Käse »nd Brat haben wir da."
„Na, nur her!" nickte Jener.
Und die Alt« trug eifrig herbei und
füllte die Gläser immcr wieder. Und dem
emsig umherlausenden Fliegen, welch«
sich rasch bei ihm z>> Gast geladen halten.
Und aIS er einen Augenblick allein in
Mütterchen wieder kereinz.'lrippelt, und
dahinter ward der Wirth sichtbar »nd
ein alter Knecht, die eben Beide a»S dem
Waide zurückgekehrt waren. Der Fremde
fragte nach seiner Zeche. Dan» legte er
de» Betrag erleichtert aus de» Tisch und
sah mit vornehmer Gleichmütigkeit zu,
auf.
„Herr Wirth", sprach er mit Würde,
„ick, diu ein reisender Schauspieldireklor,
wohl einen kleinen Saal oben oder eine
geräumige Stube. Darf ich heute
Abend eine kleine Vorstellung bei Ihnen
geben? Meine Schauspieler könne»
jeden Augenblick eintreffen. Sie aber
werden das Haus voll Gäste bekommen."
Der Wirth sah de» Mann an, der im
Gesicht einen Zug verwitterter Intelli
genz und auf dem hageren Leibe einen in
Farbe und Stoff schwer leidenöen Anzug
trug. Aber er hatte ja bezahlt, was er
verzehrt hatt«.
„Mir ist's recht," lachte der Wirth,
„also nur was recht Lustiges. Die
Leute fehen's Alle gern und ich auch."
Nun bat sich der Herr Direktor den
alten Knecht zum Gehilfe» aus und be
gann sofort die Zulüftungen. Bald
prangten am Wirthshause, am Spritzen
haus« und an «in«r ehrwürdigen Linde
Die barfüßige Dorfjugend stndirte
staunend den Inhalt und erzählte zu
Hause in fieberhafter Erregung, welches
Petrus Herr Leopard! Gianetti.
Paulus Herr Pckuskampi.
Ziömiiche Kricgskncchte, griechische Jnng
srauen, Juden, Steuereinnehmer,
Gelehrte, Kinder, Wahnsin
nige. murrendes Volk.
Ort: Die Stadt Abdera in Thracien.
Beginn 7 Uhr.
Tntree zwaniig Pfennige, Honoratioren
nach Belieben.
Das ganze Dörfchen wnrde rebellisch
vor Erwartung. „Das Alles sollte heute
Abend in der „grünen Taune" zu sehen
sein? An jedem Zaune standen neugie
rige Weiber beisammen. Die Kinder
um ihrer Freude Ausdruck zu gebe» »nd
sich die Zeit bis zum Abend zu ver
kürzen.
Und der alte Knecht des Wirthes trieb
die Spannung auf's Höchste, indem er
geheimnißvoU verrieth, der Herr Director
habe ihm erzählt, sie würden einen
Hauptspaß erleben. Der Knecht hatte ihm
bei der Errichtung der Bühne mit zur
Hand gehen müssen und konnte die Ge
lehrtheit und Leutseligkeit des Herrn nicht
genug rühmen. Wenn er so sprach, dann
fühlte Mancher heimlich au die Westen
tasche nach den zwanzig Pfennige», die er
vorsichtig schon längst dorthin gesteckt
hatte.
Die Schanspielgefellschaft des Hcrrn
Leopardi Gianettino war um halb sieben
deswegen nicht. Er sagte dem
Wirthe, daß sie morgen ganz bestimm!
bei ihm sein würde und daß er die heutig,
Vorstellung auch ohne sie ins Werk setze.
Er möge ihm nur ruhiß alles überlassen.
Dann zog er den Knecht ins Vertrauen und
Um siebe» Uhr war dasselbe über u«t
über voll. An der Thür befand sich dii
Kasse. Dort saß der Herr Directoi
selbst >n seltsamer Tracht, die er erfinde!
hergestellt und schob die Nickel-
Hitze »nd der Tabackgualm waren füich
terlich. Dazu herrschte ein Lache» unt
Schreien in der Menge, die von der in
im Orte, da er außer zwei Kühen auct
ein alles Pferd besaß, während ein,
Kuh und etliche Ziegen den Viehbestaui
Vorhangc heftig mit einer Kuhglocke ge
schellt.
„Bst, 's geht los", durchlief es di,
Rechen. Im Nu entstand andächligci
und eben solchen Perrückc» aus d"em
Kopse.
„ES ist nun Abend geworden. Im
stellen sollte.
hüllten,
krähl^!"
Geld."
nahm den Bart ab, fuhr sich mit dem
Werge über das schweißtriefende Gesicht
und jagte kläglich:
»Hollah, der Gottlieb, der Gott-
lieb!" schrie alles und stürmte de,
Der Gottlieb, der alte Knecht des
Wirthes hob aber einen Zettel hoch:
„Ich kann ja nicht lesen."
Da gebot der Vorstand Nuhe und las
laut vor:
„Nun habt Ihr das Wunder gesehen,
wie aus einem Paulus ein Goltlieb wird.
Wen« man Tchtller salutirt.
Es mag vielleicht sieben öder acht Jahr«
her sein, als ich aus dem Schillcrplatze
zu Wien das Denkmal des deutschen
Dichterfürsten betrachtete. Eben wollte
ich mich cntferne». als ich Zeug« einer
aus dem Erercilplatz die Kopfwendung
und leistete dem unsterblichen Dichter die
Ehrenbezeugung dnrch Salutiren. In
demselben Augenblicke jedoch hörte er sich
militärisch mit „Halt. Eadet!" angeru
fen und bemerkte zu seinem nicht gerin
mäße einem General gegenüber außer
Acht gelassen hatte. Mit erbleichendem
Gesicht sah er den General auf sich zu
kommen, schon hörte er im Geiste die Ar
restthüre knarreu, blickte aber trotzdem
in strammer miliiSiischer Haltung dein
gegen.
„Wen Haben'S da salutirt, Cadet?'
»Den Dichter Schiller", lautete die
offene Antwort des Eadetten. „Wa
rum?" forschte der General weiter.
<Sii« mißglückter Pumpvcrsuch.
Wir lesen in der Berliner Volks
seinem Besuch beehrte. Nach den üblichen
Gespräch:
jetzt nach Hanse zurückkehren. Dazu
brauche ich Mark. (Mit Überlege
selbst nicht."
„Allerdings nicht! Ich verstehe über»
d-nipt nicht, weshalb Sie unter solchen
„Ich werde Ihnen einen Artikel dafür
„Für Itivu Mark?!
„Allerdings."
„Ich bcdaiire, mich darauf nicht ein
„Daun sehe ich, daß Sie nicht ein
Mann des Voltes sind."
„Möglich!"
Ob er wohl anderswo mehr Glück ge
habt hat?
tscdanke»spüne.
Zu große Gemüthlichkeit ist ein
Herzfehler und das Hcilpflaster dafür
sind die Ersahrungen.
Die Ehre wird am eifrigsten von
Denjenigen gesucht, die sie verloren ha
ben.
Man trifft häufig Leute, die sehr
oiel von sich und gar nicht« auf sich hal»