Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 15, 1890, Page 3, Image 3

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    Doppelte Ken.
(S. Fortsetzung.)
An die Thür des Wohnzimmers aber,
in dem Frau Lundmark sich aufhielt,
ward jetzt angeklopft, und auf ihre Ant
wort trat Detlev Hellingborg herein.
Sie saß in einer kleinen Fensternischen-
Vertiefung, hatte gegen die mittägig ein
fallende Sonne die Vorhänge zusauimen-
Jugendbrunnen getrunken, Frau Hed
wig?"
Nun erkannte sie ihn, stand aus und
bot ihm freundschaftlich die Hand.
„Sie, Hellingborg? Die Freude der
Erwartung hat wohl etwas von solchem
Brunnen, und für meinen Mann nehme
Augen mitbringt."
Hellingborg schwieg knrz, dann fragte
er aus hörbar gepreßter Brust:
„So ist Lundmark noch nicht zurück
gekommen?"
„Nein, er hat mir geschrieben, daß er
wird und erst nach der Freys eintrisjt.
Doch ich bin glücklich und zufrieden, ihn
gesund dort z» wisse»; wenn man so
lange gewartet hat, ertragen sich auch ein
paar Tage mehr noch."
„Glauben Sie, daß es nur ein paar
Tage sein werden?."
.Mnger sicher nicht. Sie sind auch
einige Zeit verreist gewesen, Helling
borg!"
„Es scheint, daß Sie mich nicht son
derlich vermißt haben, Frau Hedwig."
Ei» etwas gezwungenes Lächeln beglei
fügte »ach: „Sieben Monate sind eine
ziemliche Zeit, und so lange ist's, daß
ich zuletzt bei Ihnen war. Ich reiste da
mals »ni zwei Tage später fort und bin
heute Morgen heinigekehrt."
Hedwig Lundmark setzte sich in die
Nische zurück, sie entsann sich jetzt, daß
stanze Wiiiter darüber ver
iiials sehr verwundert —"
Unwillkürlich hielt sie an, denn ihr
kam, wie sie es sprach, noch etwas aus
einigem Zögern nur widerstrebend gethan.
Das Ausbauchen dieses Gedächtnisses
ließ sie einen Augenblick stocken, dann
gewesen und mit Ihrem eigenen Schiss
etwa?"
Mai, der Monat, der das sichere GI ück,
sich nicht stark genug gefühlt, während
der Abwesenheit ihres Mannes am selben
Ort mit ihr sein, sich bei öfterer Zusam
menkunft zu ihr stumm zu bezwingen.
Kampfes, aus seinen grauen Adleraugen
brach ein seltsamer irrer und scheuer
Glanz.
Das waren die Gedanken und Em
pfindungen, die Hedwig Lundmark in
der letzten Minute aus aufgeweckter Er
innerung des schon lang oder kürzer erst
Vergangenen überkommen. Eine stüch
ware» Sie mit Ihrem Schiss, um un
serm Winter zu entkommen? Man sieht
es Ihne» trotz Ihrer augenblicklichen
Blässe an, Ihr Gesichts hat die Farbe,
den Winter hier fliehe» wolle», hätte
Italien solche Schätze sür Ihren Kunst
sinn, ohne Ihnen als Mitgist Fieber iu's
wendete und dazu sagte:
„Als ich zuletzt hier saß, rieth ich Ih
nen, sie stelzen zil lasse». Wolle» Sie
bildung bei Ihnen zu unterstützen, die
außerhalb der Zeit liegt. Das ist aller
dings sür mein heutiges Erzählen nicht
ch 'ch ' M
welche ihr die beigesüzte Erklärung er
möglichte: „Es hört sich besser z», wen»
man nicht unihäiig sitzt —"
Fluß rog gegenwärtig, unweit vom User,
ein Danipfichiss grad' unter dem Hause
vorbei. Es k»m, mit voller Krast ge
bewegte Wasser vorwärts, der tischt
sprühte hoch über die weiße Brust und
das goldene Haar de/ GaUionbildnisscs
mit einem Schreck durchlief, ihr Kops
herumfuhr und sie, den Arm des Spre
chers fassend, fragte:
„Warum nicht ? Woher können Sie —
wissen Sie etwas von ihm, Helling
borg ?"
widerte langsam: „Glauben Sie denn,
daß Ihr Mann Sie täusche» könnte,
Frau Hedwig ? Wie sollte ich von ihm
wissen? Sie haben mir ja selbst gesagt,
daß er Ihne» geschrieben, er komme
Sie das Gefühl habe», man dürfe sich
nicht auf das veilassen, was er schreibt
und spricht —"
Die Wanduhr holte zum Schlage aus
und schlug die Mittagsstunde. Detlev
Hellittgborg drehte sich jäh um, trat aus
sie zu und hielt den Pendel an. Er
sagte: „Lassen wir die Zeit stillstehen,
solange ich Ihnen weitererzähle, Frau
Auch von einem nahen Kirchthurm
draußen schlug es zwölf Uhr und ließ
Anna in der Stube Manuels von ihrer
stehen. Laß Dich von keinen, Jaguar
aussressen gottlob, bei nns lausen die
nicht aus der Straße herum und
Letzter, Manu!"
Gedanken hilflos rüttelte»; jede V«r
ani Maranon vorhanden war, Frau
Hedwig."
„So?" Ihre feinen Finger fetzten di«
Stickarbeit ruhiger fort. »Ich hör«
ganz gut dabei, bitte, erzählen Sie e» '
sür daS leidciischastliche Gesühl der
Jugend jenen Mangel geringachten, ver
gessen ließ. Und dieser Reiz zeigte sich
„Sie hören doch, Frau Hedwig?"
„O gewiß, Hellingborg—Sie sprachen
von einer sehr schönen Frau —"
Detlev Hellingborg erzählte weiter.
Der Mann jener schönen Frau mußt«
häusig »ach Deutschland zurückkehren und
sand hier einmal Unerwartetes vor, ein
Mädchen, das ihn litbt«. Er kannte si«
lange schon, ohne es zu ahnen, nun
offenbarte es sich plötzlich und unter
besonderen Umständen, die ihn heftig in
Erregung versetzten. Ein Anderer wär«
derselben wohl Herr geworden, abcr^er
nach dem, was man unter deutschem
Himmel Liebe nennt. Diese letzter«
Seele in ihm hatte er bis dahin nicht
übermächtig und Besinnung raubend:
Denn ein deutsches Mädchen stand vor
ihm, das nicht nur schön von Antlitz
war, das anch alle süße Lieblichkeit des
Herzens und des Geistes besaß, die unter
der Tropensonne nur von Heiner Gluth
Sie zu, Frau Hedwig?"
Das war zweifellos ei» Fußtritt auf
der T»eppe. Die in der Nische Sitzende
hob den Kopf. „Ja ein Mädchen
Hellingborg. Eine Deutsche nicht
wahr?"
„Ja, hier in unser«r Stadt. Ich will
kurz sciu—statt, als ein Mann von Ehre,
gegen sich selbst zu kämpfen, unterlag er
als ein Selbstsüchtiger. Er war ein
Elender, der auch das deutsche Mädchen
heirathete, zwei Frauen besaß und betrog,
die nichts von einander wußten, sich jede
allein von ihm geliebt glaubten—betrog
bis zum heutigen Tag. Schändlich
denn wenn Gesetz und Recht es vernahm,
so war die Zweite, die Edlere der Beiden
nicht seine Frau, nur seine Geliebte, ihr
Kind ein als unehelich von der Welt
gebrandmarktes."
Detlev Hellingborg hatte ei» paar
Worte seiner letzten Aeußerung betont:
„Als ein Mann von Ehre." Es klang
daraus: Das durfte er dem, vo» wel
chem er erzählte, absprechen, denn er war
ein solcher, er war ein Mann von Ehre,
konnte sich jenem als Einer gegenüber
stellen, der sich zu bekämpfen gewußt,
nicht feig und selbstsüchtig unterlegen
wäre. Und ihm siel ein Recht anheim,
zu sagen: Ein Betrüger, ein Elender!
Hedwig Lundmark athmete vollständig
frei jetzt. Gottlob, Detlev Hellingborg
Weg von dort hierher, und was in
Brasilien am Amazoneikstrom geschah,
ging ihn nichts an. Doch ein Gedanke
hatte aus dem halben Zuhören ihr den
Kops durchschossen. Eine Doppelehe
ei» Mädchen hier aus der Stadt das
war ja die Geschichte Silvanas und
Ortloss von der Heide. Manches klang
allerdings nicht damit zusammenstis:-
niend, aber sie war wohl zu unachtsam
gewesen, es mußte doch sein. Und vo»
ihrer Bangigkeit erlöst, nahm sie zu»»
ersten Mai nachträglich ein Jntcress« an
der Erzählung und fragte lebhaften i
Tones:
„Wie heißt denn Der, von dem Sie
gesprochen, Hellingborg?"
„Sie fragen, Frau Hedwig, wie das!
Ganze überhaupt geschehen, verborgen
bleiben konnte. Der Name des Ver- !
brechers, meinen Sie, hätte hen Betrug
früher offenbaren, ruchbar machen inüs
bcstand noch kein solcher Verkehr mit
Brasilien wie heut'. Man wußte dort
kaum etwas von Deutschland und noch
weniger von der deutschen Spracht, die
dtin porlugicsischc» Ohr zu verstehen und ,
der Zunge z» sprechen nicht möglich siel. !
Man nannte deshalb den deutschen An
kömmling nicht bei seinem harlklingeii
den Stamm, sondern Anfangs „Senor
Risueno", den „freundlichen Herrn",
Dann hieß man ihn „den Herrn, der
hinter den Wäldern" wohne so stellte
nian sich Deutschland vor e> »en»r
ti'22 os selva»—«!ild daS schliff sich wie:
der im Munde der Leute ab, so daß er
den daraus entstehenden Name» selbst
drüben annahm, seine erste Geliebte ihn
unter demsilben kennen lernte. Und si«
selbst trägt ihn als seine Frau noch heut',
denn auch vor dem pzrrooo des kleinen
OrtS, wo er di« Trauung stattfinden
ließ, benannte er sich weiter was ist
Ihnen,Hra» Hedwig?"
Sie war jählings aufgesprungen, ge
waltfam von ihrem Sitz emporgetrieben.
Doch nicht von Unruh«, eS hatte nur bei
ibrer raschen Bewegung so scheinen kön
nen; ihr nach d«r Thür gerichteter Blick
sprach von keinrr Befürchtung mehr,
' sondern vou neugeweckter Hoffnung, Er-
Wartung. Doch nur einen buchstäblichen
Manuel—"
„Nein, er ist es doch nicht," sagte
Hedwig Lundmark, sich mit einem leichte»
nenstrahlen hinschwebend oder von aus
gelöste» Goldsädcn überflattert. Anna
Lundmark war's, in ihrem Gesellschasts
gißmeinnicht-Haliband blindlings her
einstürmend, mit köstlich roth leuchteoden
Wangen u»d strahlenden Augen. Die
letzteren Uesen ihr hastig voraus, trafen
zunächst aus Hellingborg, und sie stürzte
gradauS diesem zu, hinter seinen Sessel,
duckte sich, eine» Arm um ihn schlingend,
halb zu Boden und rief: „Beschütze
mich, Onkel Detlev vor Manuel er
will mir den Letzten geben, und er dars's
Regel-"'
ivie es schien, nach seiner Meinung leere
Zimmer gestürmt, prallte nuu indeß bei
dem Anblick Frau LundmarkS und eines
kling von den Lippen:
„Du mußt ihn einmal ausschelten,
Mama, denn auf mich hört er nicht
mehr. Und er hat auch gar keinen Re
den großen blauen Schmetterlinge» bei
ihm zu Hause aus, zu denen er mich mit
habe» will, um uns zu vergleichen. Er
ist z» närrisch damit, daß er sest glaubt,
ich käme einmal dorthin und er darf
jetzt nicht oben aus die Kammer hina»s
u«d wollte es nun natürlich durchaus,
obgleich ich ihm vorhin gesagt, als ich
drüben in seiner neuen Stube den
da mußte ich ihn festhalten, an beiden
Händen, dag er mir den Letzten nicht
wieder geben sollte —"
„Aber Kind" —um Frau Hedwigs Lip
pen ging ein Lächeln, wie sie den Rede
strom des Mädchens unterbrach „wa
rum hast Du denn im Hause dies Kleid
angezogen?"
Ein klein wenig Verlegenheit schlich
sich in Anna's Gesicht; sie antwortete,
offenbar erst im Augenblick »ach einem
Gruud dasür umhcrjuchend: „Ich —ja
—Du sagtest im Herbst selbst, Mama,
ich sollte es an dein Tage anziehe»,
wenn der Pzpa wiederkäme, und er
kommt gewiß heute und ich sah auch,
daß der Onkel Detlev zu Dir ging, der
mir das schöne Halsband geschenkt hat.
Da wollte ich ihm doch zeigen, daß ich—
sür Manuel hätt' ich's gewiß nicht ge
than, der lacht mich nur drin aus, ich sei
aus einer Luke vom Himmel gefallen,
boden."
„So, deshalb? Nun, da lrag'S, Kind,
daß es uns den Papa heute noch heim-
"u i i ih ,
»rwiderte:
„Ich vergaß, Sie kennen ihn wohl
noch nicht, er kam nach Ihrer Abreise.
Unser junger Hausfreund aus Brasilien,
Manuel da Selva."
„Da Selva ?" wiederholte Hellingborg
und blickte sonderbar starr aus den Ge
nannten, während Frau Hedwig mit kur
zen Worten hinzusügte, wie derselbe
hierher nach Deutschland und zu ihnen
sie plötzlich ab: „Was ist Ihnen? Hel
,?Mir? Nichts." Er starrte noch im
mer Manuel regungslos in's Gesicht,
und mühsam die Worte hervorbringend,
Selva—ich vernahm in Brasilien
ich las in einer Zeitung, daß ein jun
ger Mensch dieses Namens heimlich das
Land verlassen habe und von seinen El
tern nach ihm geforscht werde. Ich glaubt,
sie hießen —sie hießen—Carlos und Do
„Meine Mutter—und mein Vater—"
kam es unwillkürlich vom Mund«
Manuels.
s Er halte lange nicht mehr an sei»
heimliches Davongehen gedacht und war
etwas erschrocken; doch Anna noch mehr.
! Sie stieß ängstlich aus:
l „Und glaubst Du, Onkel Detlev, daß
sie ihn wieder habe» wollen daß sie
Menu mit Gewalt zurückholen lassen,
wenn sie ersahren, wo er ist —wenn Je
mand angäbt, daß er hier aber nein,
Du thust eS doch nicht nicht wahr
Du thust es uns doch nicht, lieber Onkel
Detlev?"
um heraiiszuhöre», was aus dem Klang
der ebenso hastig und doch so ganz
anders als zuvor hcrausfliegcndc»
Worte sprach, in die jedoch Hedwig
Lnndmark jetzt unwillkürlich mit einem
To» der Besorgniß einfiel:
„Sie sehen wirklich sehr angcgrisfcn,
lcidtnd aus, lieber Freund; ich glaube,
Sie habe» sich zu viel zugetraut und be-
Dtr Anblick lehrte, daß die Aeußerung
nicht grundlos war, denn Detlev Hel
lingborg saß vollkommen blutlosen Ge
sichts, erschreckend, wie «in Todter. Nur
in seinen Augen, die jetzt, wie sich ein
bohrend und festklammernd, auf dem
Antlitz des Mädchens haftet«», war ein
irres Lebe»; doch aus ihrer Tiefe däm
mert- jener ihnen fremd stehende weiche,
zärtliche Glanz herauf, der sie an jenem
Septemberabend erfüllt hatte, als er
Unna Lundmark im weißen Mieder und
,oth«n Unterröckchen vor d«m Anl«g«n
de« neuen blauen Kleides in ihrem Zim-
mer angetroffen. So blickte er sie
stumm an; in seinen Zügen aber drückte
»ach kommen; dort finde ich,
was mir nöthig thut. Ich danke Dir,
Anna daß Du mein Halsband »mge
— und auch Sie, Manuel da Selva.
Kehren Sie sobald als möglich sreiwillig
zu Ihrer Mutter—lhren Eltern zurück,
auf daß Sie nicht Sorge
vielleicht ein neüeS Mittel gegen das
Fieber. Nein, begleitet mich nicht, laßt
mich nur allein. Mir ist wieder ganz
gut—lebt wohl!"
Schrittes zur Thür. Zurückblei-
Ton, mit dem Detlev Hellingborg ge
sprochen. Sie äußerte: „Ich glaube
wirklich, Anna, Dein Anblick that's, es
rührte ihn so, daß Du das Halsband
vo» ihm umgelegt hattest."
Manuel kannte die Wirkung des Fie
bers seiner Hcimath und sagte: „Es
vorbei, daß die Lente sich erholen, nur
geistig sind sie gebrochen." Der junge
Portugiese katte seineil Lehrwinter hör
sondern siel ihin in's Wort: „Ich habe
solche Angst um Dich, Manu, daß Du
von uns fort mußt." Und sie griff nach
feiner Hand, ihn zu hallen.
„Geistig gebrochen." Noch Jemand
war'S um diese Stunde im gleichen
Hause. .
Auch droben in der Bodenkammer
hatte ein Menschenmund eine Geschichte
erzählt, scheinbar ähnlicher Art, wie die
Detlev HellingborgS, die Geschichte einer
Doppelehe. Doch nur scheinbar, denn
die Lösung stellte sich als eine andeie
heraus. Hier war der Mann von seiner
ersten Frau in Wirklichkeit gesetzmäßig
geschieden, frei gewesen, mit einer
zweiten noch einmal nach LebenSglück zu
Silvana saß regungslos und ver
nahm, was Osilie zu ihr sprach, erst von
dem der Hörerin schon Bekannten den
Lebensgang ihrer eigenen kurzen Ehe,
dann den noch verschwindend kürzeren
Kops zu schwer verworren, um sie fragen,
denken zu lassen, woher die Erzählende
von dem Letzteren wissen könne. Nur
einmal stieß sie einen jähen, befreienden
Ruf aus: „Der Brief —der Schlüssel—
das Alles kam nicht von Dir? O dafür
hab' Dank!" Die Worte sagten, ihr
volles Vertrauen, ihre Liebe zu Osilie
seien zurückgekehrt, ::nd ihr Thun be
zeugte dies noch mehr. Sie legte wie
ein Kind ihren Kopf an die Brust der
Freundin, wie an die einzige Stätte, wo
sie Schutz und Beistand finde. So
vernahm sie Alles weiter, weshalb das
Unbegreifliche in jener Nacht geschehen
sei. Alle Glieder ihres Körpers zitter
ten, als ob sie es »och einmal durchlebe;
ab und zn fühlte Osilie, daß ei» heftig
rüttelnder Schauer durch die schwer an
sie Gelehnte hinlies.
Derartig kam kein Laut mehr vom
Munde Silvanas bis zum Schluß, bis
Alles klar vor ihr lag. Auch danach
regte sie sich eine Weile nicht, blieb wie
todt liegen. Eine Starre in ihr bot
ähnlichen Ausdruck, wie zur selben Zeit
drunten an Detlev Hellingborg in seinem
Sessel. Ihr Gesicht ließ sich nicht
wahrnehmen, doch a» den krampfhaft
ineinander gezogenen Händen sah man,
daß i» dem unbewegten Körper etwas
Todeshand rang.
Aber dann schnellte sich Siloana mit
einem plötzlichen Sprunge empor, stand
festaufgerichtet im Zimmer. Ihre noch
zusaminciigepreßten Lippen öffneten sich
und stießen hervor: »Also nur ein«
Prüfung war's an mir, die ihn liebte
die ihm vertraute —die ihm Alles ver
geben hätte, was er an Schuld auf sich
zu laden vermocht, wenn er gesagt—doch
nur eine Prüfung!"
. Ein fremdes, hochaufstrahlendes Licht
ungeheuren Stolzes flammte aus ihren
Kind, kein Mädchen, sondern ein im
tiejsten Innern tödtlich getroffenes Weib,
das jetzt erst die ganze unausfagbare
Marter begriff und empfand, der «S
„Und was willst Du? Warum bist
Du hier? Warum hast Du mir das
Alles gesagt? Meintest Du, in meinem
Herzen sei »och ein Funke, den Du aus-'
den Du noch liebst? Du hast es er-
Fälscher, ein Mörder, Alles, doch er habe
(Fortsetzung folgt.)
Splitter.
Sonst bist du glücklos in deinem Glück.
Gepäckträger: „Bitte, zehn
Pfennig für Hereintragen des Gepäcks!"
nichts! Da kann doch nichts dafür,
daß Sie kein Gepäck haben!"
Ein Dichter ist ein Narr, der
nichts Ungereimtes sagt.
3
Berliner «ericht»seene»
Na, Ihre Erinnerung an die Verschölle»
rung Ihres Gesichtes scheint nicht die
rosigste zu sein, nun lassen Sie aber
da wo Sie schon bei Hrn. B. sind.
Angekl.: Ick traute mir erst jar »ich
rin, denn et sah da da so jräulich sei»
wir uns ja endlich der Sache z» nähern,
Sie scheinen also nicht zu Ihrer Zufrie
denheit bedient worden zu sein.
Angekl.: ?!u haben Se mal blos Obacht,
wie es mir erjangen hat. Also wie ick
rin komme, sage ick janz höflich ~Ju'n
Dag ooch," hänge mein' Hut an' Nagel
un höre een janz jewaltigeS Lachen
mit de modernen Aeppelkähne nsf de
Fieße. Der Eene ließ sich seine drei
Haare nnter de Nase mit 'ne Breunscheer«
verarbeten, den Andern hatte der Balbier
jerade 'ne Promenade nss'n Hinterkopp
jezogen un uss de» Dritten sein' Kopp
lief aus n jroße» Behälter immer Was
ser durch'n Schlauch. Präs.: WaZ
haben diese drei Herren mit Ihrem HauS
janz jritnschttäblige Jungens waren, ha
uzen. Wie der Herr Jcrichtshos wohk
sehen wird, iS mer der Kopp stark durch
die Haare jewachsen und wie ick de» Hut
abnehme, kichert die Gesellschast los un
fragt, ob ick 'mer ooch die Locken schnei
den lassen will. Präs.: Sie sollen
über diesen allerdings unpassenden Scherz
gleich sehr empört gewesen sein und mit
—^Angekl.: Nich ins Jeringste jar »ich.
Ick sagte man blos: Et jiebt solche un
ooch solche. Manch Eener hat sein»
Haare »ich nss'n Kopp, aber uff de
Zähne, un manch Eener hat de scheenste
Polkatolle un is doch man blos 'nOua
dratochse mit Eichenloob. Präs.: Na,
Angekl.: Nee, sollt et ooch nich sindl
Un denn setze ick mir ufs'n jroßen Stuhl
un denn kommt f«'n kleener Dreikäsehoch
un seeft mir in. Wie der Junge eben zu
schraken ansangt, sagt Eener, er soll sich
un wieder der
Andere singt: „Juder Mond, du jolden«
Zwiebel. Dadrüber sangt der Junge an
zu jrienen un ritsch, fuhrwerkt er mir
init's Messer in de rechte Kinne.—Präs.:
Da« ist gewiß nicht schön, aber das soll
auch schon anderen Leuten passirt sein.—
jroß Stück Schwamm, wat ufs
kleistern wollte, ick habe mir aber fcheen
stens bedankt, nn ihm ene jeschmiert.
Wat aber der richtige Balbier is, der hat
sich noch in Positur jesetzt und blos je
sagt: „Machen Sie man keeneMenkenke.
Se sollens janz umsonst haben!"
Präs.: Sie sollen dann einen Höllenspek
takel im Laden verursacht und trotz aller
Aufforderungen nicht gegangen fein.
Angekl.: So war't richtig! Wenn man
in so 'ne Räuberhöhle gerälh, wo Eenem
so 'n SchinderhanneS zuricht, det man
glaubliche Spectakelscencausgesührt bat,
so daß er schließlich unter Zuhilfenahme
eines Ausklopfers gewaltsam ans dem
Laden gebracht werden mußte. Der
Gerichtshof nahm aber Rücksicht auf sei
ne Erregung und verurthcilte ihn nur zn
10 Mark Geldbuße event, ü Tage Ge
fängniß.
Sie kennt ihn schon. A.:
WaS hat Ihne» denn Ihre Fi«, zum
Geburtstag geschenkt? B.: Mehrere
hübsche A.: Nippsa^en?
nippe. A.: Allerdings, wenn es s« ist,
dann hat Ihre Frau recht, Ihnen Nipp-
Sachen zu schenken!