Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 17, 1890, Page 7, Image 7

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    Di« Mu»t«rsprachr.
will, ist einer der erhabensten unter allen
Gegenständen menschlicher Betrachtung.
Die Mutlersprache, d. h. die Sprache
unserer Mutter, die Sprache unseres
mütterlichen Landes „nd Volkes, die ge
heiligte Ausdrnckssorm »njcreS ganze»
Gütern. Wir halten sie für selbstver
ständlich und wissen ihre» Werth nicht zu
würdigen. Wir freuen uns ihrer nicht
kennen wir nicht. Und so darf man be
haupten: Es ist die Sprache ganz
ausschließlich die Sprache, welche de»
Mensche» zum Meuschci» erhebt und die
Entwicklung der Menschheit ermög
licht.
Unter der Sprache im natürlichen
Sinn ist kaum betont werden
nur scheinbar. Nur diejenige» Men
schen, welche schon in frühem.liiiidesallir
aus einem Sprachbercich i» einen ande-
Beispiel« nicht uiigestiast gefolgt; den»
sie verloren über der rollendetcn Beherr
schung der sreinde» Sprache die Sicher
heit in ihrer eigenen. Von dieser Gefahr
legt ei» großer deutscher Dichter unfrei
williges Zeugnis« ab; ein Dichter, den die
Zustände'des Vaterlandes in dem franzö
sischen Exil festhielten. Heinrich Heine«
hörenden Professoren, welche ein classi
sches Latein schrieben, daß ihr Deutsch
ei» schauderhaftes Kauderwelsch war. Ich
wiederhole also: Es istsast unmöglich,
z ode r rin eh re«
heißt noch nicht sprechen.
Ich habe ausgeführt, daß ei» Lebe»
ohtte Sprache unmöglich ist. kaun
uns die Mutter lehrt, die ersten Mär
literarischen Eindrücke heroorrüsen
das Alles ist nicht Gemeingut der Mensch
heit, das ist das Vermächtniß uuserer
wirkt auch iu der Heimath selbst mit un
widerstehlicher Gewalt. Die Mutter
spräche ist der Fels der Einheit, an dem
crzieh»»g z» erheben. Aber scm ist
leider nicht so. Di« sprachliche Ausbil
dung, die ma» uns i» te» Schuln, ange-
Muiiei spräche! Dann iviro das lanz
lättsigc Unheil schnell bereit sein mit der
: Jedermann! richtige
z» beweise». Den» auf Nichts fo gut'
wie auf die Sprache läßt sich das ttes
finnige Goelhe'sche Wort anweiideli:
erwirb es, um es zu besitzen!"
Wir müsse» zunächst ganz im Allge
meinen feststelle», was es heißt: seine
Sprache kennen oder genauer, feine
nur die passive Sprachbeherrschulig; die
aktive, welche bei Weitem schwieriger ist,
»erlangt nicht allein, daß wir alle Worie
Sprachrepertoire, unier lebendiger Besitz
au Worte», ist fast immer nur ei» klei
ner Bruchihcil »nicics Sprachveiständ
will u»s um Alles in der Welt nicht ein
fallen. Und das ist durchaus kein Zu
fall. auch nicht eine momentane Gedächt
nisschwäche. Dieser Ausdruck steht eben
nicht aus iius-rem Sprachrcpcrloire; wir
spricht; er beherrscht die Rolle passiv,
aber nicht akiiv; sie steht nicht ans fei
nem Repertoire, nnd er kann sie nicht
fpeare sicher noch übertrifft. Zwischen
diese» beide» äußerste» Euden liege»
naturgemäß noch ganz unzählige Ab
stufungen. Ich glaube jedoch, daß es
geboten ist, vier hauptsächliche Grade in
der Beherrschung der Muttersprache an
zunehmen, und diese vier Grade wollen
wir in Kürze der Reihe nach betrachten.
Auf der niedrigsten Stufe steht der
Ungebildete, der beklagenswerthe Mensch,
dem die harte Haud der Nothwendigkeit
Deshalb ist trotz deS Elementarunter
richts die gebildete Sprache für ihn fast
ein fremdes Idiom, das er nur mühfam
und fehlerhaft schreibt, das er schwer
verstehen uud ganz und gar nicht sprechen
unglücklicherweise die eine und einzige
Muttersprache in zwei Theile gerissen:
in die Schriftsprache und die Volks
sprache. Der Mann des Volkes redet
vonträgt und die Herrschast ergreift. I»
Italien sowohl wie in Deutschland ist
dieser Sieg durch ein einziges machtvoll
liche Komödie", in Deutschland durch
Luthers Bibelübersetzung. Dante erhob
den tcskanischcnDialekt zur italienischen
nach Lebendigkeit nnd Wahrheit ringende
Kunst das Lebe» des Volkes auch in der
Sprache des Volkes wicderzuspiegeln ge>
Gute Ausku n 112 t. Junge,
neN" !> h Z
AuS dem Todtcnttaus Sibirien.
wurden zweimal im Jahre wie eil« Vieh-
Heerde zum Bade getrieben. Als wir die
Thüre^z m»^ B »de össneten —so schreibt
setzte» der Sträflinge und vielen Be
»lchern aus der Stadt der Theilnahme
Stadt kein Theater »nd die Sträflinge
galten als vorzügliche Schauspieler.
Das wäre» sie auch, einige konnte» so
gar .sti'ittstlcr genau»! welche
Die Stücke waren nur in großen Umris
se» vorhanden und die Schauspieler i»
Kette» dichtete» de» Dialog aus dem!
Stegreis dazu. Sie stellien sogar ei» !
Orchester zusammen, welches die fröh
lichsten Tanzweisen vorzüglich fpielte.
Einer der Guiiarrcnspiele,. ein Vater- j
Mörder, behai delte fei» Instrument iu
geradezu virtroser Die Ausfüh
rung war ein wahres Fest. „Welcher
seltsame Widerscheiu kindlicher Freude,
reine» Vergnügens glänzte auf diese»
rnstrlcn, gezeichnelc» Stirne» und Wau
spielie». Den» die Sträflinge wurde»
für jedes Vergehe» körperlich gezüchtigt,
erhielten Stockhiebe und mlißtc» i>?pje'ß-
Sträslinge ertrugen tausend bis fünf
zehnhundert Stockhiebe auf einmal, von
Nuihenhieben kaum die Hälfte. Wenn
der Arzt.erklärte, das; der Delinquent
ohne Lebensgesahr nicht mehr Hiebe er
halte» könne, brachte man ihn mit dem
zerfleischte» Nücke» i» das Hospital, wo
er gepflegt w»rde. bis die Wunden heilte»,
ui» da»» de» Nest der Strafe applizirt
zu erhalte». Viele starben an den bar
barische» Strafe», Andere überstände»
sie. Einer der Sträflinge a»s der „be
sondere» Abtheilung," ein getanster
Kalmück, »ei» seltsamer, durchtriebener
und furchtloser, aber zugleich auch ein
sehr gutmüthiger Mensch, erzählte, dich
er seine viertausend Streiche ausgehalten
habe, und lachte und scherzte dabei, ver
sicherte zugleich aber auch ernsthaft, daß
er viertausend
„Man hat mich »ur geprügelt," sagle er
einst, „sür Alles und Nichts, was auch
uurfallen mochte, gab es fünfzehn Hiebe,
feit dein Tage, da ich denken kann, und
jede» Tag mehrere Male. Es schlug,
wer nur immer wollte, so dich ich zuletzt
schon völlig daran gewöhnt war...."
hatte keine anderen Träume....
Die hochgeehrte Obrigkeit ergötzte sich
naiurlich am Prügel». Der Lieutenant
Scherebjatnikoss z. B. freute sich des
jinuteiis und Spießrulenlaujens leiden
schastlich, wen» er zum (k,ecutor desig
nirt ivorde» war. Selbst die Sträflinge,
die schon manches erfahren hatten, be
trachiete» >h» als Ungeheuer. Er ließ
sich mit den Deliquenten stets in ein leut
sich nicht au die Flintenkolben gebunden
durch die „grüne Gaste" schleife» zu las
sen, sonder» allein zu lause». Der
Sträfling lief »uu aus voller Kraft,
kam aber natürlich nicht weit; die Stöcke
fallen wie im Trommelwirbel, blitzschnell,
mit einem Schlage, ans ihn nieder und
wagen es nicht, ihm die Freude zu ver
derbe». Sie beten also das Vaterunser.
Bei der Stelle: „und im Hiniincl" ruft
auS. Es ist aber auch gar zu schön
und er hat es selbst ausgedacht: „Und
im Himmel gieb's dem Lümmel!"—
Görli tz.
<sine richtige Grenzstadt: liegt an der
Grenze vo» Böhme», Sachseil und
Schlesien ; a» der Grenze v?» Flach- »»d
Gebirgslaud; ander Grenze der Mit
tel- und Großstadt, und in seinen Bau
werke» grenze» Miiielalter und Neuheit
„Gartenstadt" trägt Görlitz zu Recht,
und wen» es aicherdem »och die preußi
sche Pensioiiopolis genannt wird, so >st
auch das in gewissem Maße noch richtig;
nur m»ß es heute, wo für die preußischen
hat, ihr Ruhegehalt innerhalb der
schwarzweißen Psähle zu verzehien, die
sen Vorzug sosern es einer ist mit
Mau wurde aber ciiie» Fehlschuß thu»,
wenn man dieser Ruhestadt etwa geistige
oder industrielle Regsamkeit abspreche»
Anstrich ; vo» der Gelehrte» Republik
„Oberlausitzische Gesellschast der Wiss:»-
schaste»'', deren eigenes Ha»S eilie Biblio
denn >'>W Mitglieder» schon rein gesell
schastlich den erste» Rang ein, und
Juristen »nd Aerzte, Lehrer und Ossi
ciere, Großkausleuie und Kunsthand
werker gehöre» zu ihren Mitgliedern.
DaS ist eine Eigenart, die gar nicht
»ach Schlesien aussteht, wie de»» Gör
litz überhaupt, obschon mit feinen mehr
Stadt Schlesiens, vc>» der schlcsifche»
Lebenslust ii»d flotten Alt wc»ig abbe
kommen bat. Hier riecht es sörmlich
nach Solidität und Ehrbarkeit, und am
' tollen Faschingsdienstag, de» hier zu
verlebe» ich das Vergnüge» oder richti
! Ger die Ehre hatte, verlief Alles so fei»
säiibvlich uns ,»hig, als ob Bichlag
wäre. Der einzige Erceß bestand iui
»lustkbegleilete» Ausschank eigengebau
te» Weines ini Wiener Eafe am Post
vlatz; „Görlitzcr Ausbruch" — schlesi
scher Aergiveiu—„verflucht >i»d zuge
ivohl erklärlich.
Aber es muß a»ch solche Weine und
solche Fastnächte gebe», und Görlitz hat
Lcbestadt sroheii Heizens verzichten zu
können. Das Wachsthum und die Ver
schönerung der Siadi stehe» fast beispiel
los da: beider Volkszählung im Jahre
I«4'i zählte Görlitz Iti.WO Einwohner,
und heute das Vierfache, und wenn auch
nicht eingetrclc» ist. was Friedrich Wil
helm IV. bei feinen. Besuche des nahe»
Vasaltkegels' „die Landeskrone" nach
einem sehr reichlichen Diner dem damals
znm Oberbürgermeister ernannten hoch
verdienten Demiani als Wunsch und
hat die rührige, prächtig ins Grüne ge
bettete Stadt ihre Glieder doch nach alle»
Seiten gereckt und an die originelle Alt
stadt eine gesunde und moderne Neustadt
angeschlossen, die überall mit Ehre» ge
nannt wird
coupirle Terrain haben gesundheitlich und
landschasilich die Neustadl gefördert und
die Anlage so reizender ossentlicher Parks
gestattet, wie weuig Städte sre auszuwei
sen haben. Auch hat die wisscuschast
liche VereiuSlhäligkeit hier reichen prak
tischen Nutzen gestiftet, und die Anlage
und fortgesetzte Pflege des wmidcrbareil
Stadtparks steht im engste» Zusammen
hang mit de» Bestrebungen der „Natur
forschende» Gesellschaft". Der werth
volle botanische Garte», ei» Theil des
össciitlichc» Parks, verdankt seine Be
deutung zun, größte» Theil dem früheren
Direetor des Mufeums der genannte»
Gesellschaft, Peck, Ehrendoctor der Uni-
Schristenausiausch, den die „Oberlau
sitzische Gesellschast der Wisseuschasten"
mit gelehrten Eorporationen des ganzen
Erdballs pslegt und die persönlichen Be
ziehung?» der wirklichen mid der Ehre»-
das geistige Leben ganz ungewöhnlich',
populär - wissenschaftliche Vorträge i»
zahlreiche» andere» Vereine», loda»»
eine Reihe trefflicher «chiile» »nd Uüter
richtsanltalte» uiuqebe» die Stadt mit
der Gloriole der Wchenschaftlichkeit und
veranlassen zahlreiche, namentlich kinder-
Dazu kommt der Vorzug des billige»
Lebens. Eine rege Bauthätigkeit hält
WohuttugSnolh ferlie, und wem, auch ge
klagt wird, daß die zahlreichen Spekula
tionsbaute» der siebziger Jahre sich als
richtige Schwindelhänser mit endlose,-
Konsum Vereinswesen in geradezu genia
ler Weise ausgebildet, derart genial, daß
die Detailliste» sast aller Branchen die
zwei großen Konsum Vereine, von denen
deitet, in Grund iiud Boden hinein ver
fluchen. Thatsächlich könne» Händler
mit Lebens- und Genußmitteln oder
Gegenständen des Hausgebrauchs i»
Görlitz absolut nichi eristire» die
Kousuin-Bcreiue verschlinge» Alles.
I» Görlitz kauft man nicht nur Zucker
und Kaffee, Brod und Gemüse, Fleisch
nnd W»lst, sondern auch Staubbcseu
Regenschirme und Briefpapier, Eorsets
»nd Reisedecke», Waschständer und Ak
tendeckel kurz Alles und Jedes in,
Eonsuillverei». Auch seine eigene Aus
schänke hat dieser Verein, so daß er sogar
de» Wiriheli Eoncnrrc»; macht; seine
i lein Handel auch durch die Zollpolitik
schwer gelitte», so ist der Waarenverkehr
immer noch sehr e,heblich.
glichene Posten' und io lange die nicht
bezahlt sind, hüte» sich natürlich die
Gör.itzer, weiter zu liesern. So kam,
sizur. An diesem mit einem Aufwand
von l'iv.Wiz Mark unter Beihilse vo»
Durch dieieii Unglücksbrunne» bi»
ich von, Theater abgekommen. Görlitz
hat noch eine zweite Bühne, neu er
baute und seh, hübsch auegestaltete Wil
helmtheater, in de», jetzl Spezialitäten
dort die Operette knliivirl. Die Be
dc»l!l»g vo» Görlitz als Miisikstadt,
nanieiitlich als Hriiiistäitc der großei,
„Schlesischen Mlisiksesti", ist allbckaiiul.
Wie eine indische Z-itung
mittheilt, wird in der nächsten Zeit ein
mohamedanischcv Missionar nach Eng
land reisen, nm den Britten die Vorzüg
lichkeit der Lehre Muhaiueds darzulegen.
Der Unjuman Ahbab von Bombay ver
anftallet schon eine Sammlung zur Be
streitung der Kosten dieser Reise/ — Ob
er mehr Erfolg erzielen wird, als die eng
lischen Missionare in Indien auszuweisen
haben?