Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 06, 1888, Page 3, Image 3

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    Zwei Isreundinnen
t». Fortsetzung.)
„Er ist ein stattlicher, ritterlichei
Mau» warm» nicht Horlensc?"
„Du glaubst es?" Sie schwieg eii
Weilche» und wickelte ein blaues Baut
um ihre Finger, an Lucie vorüberblickend
„Gute Nacht, Luz. schlafe schön!" Si,
küßte das Mädchen auf den Mund uui
ging hinaus.
Lucie stand noch am Fenster und sal
«us deu Wasserstrahl der Fontaine, de,
Silbersuiikeu im Mondlicht warf.
das Emzige, was sie hinwegtragen könnt,
über das Einzige
Dankbarkeit erweisen konnte
flucht, die sie ihr bot. Nichts wüide'ih
zu schwer, zu viel werden sür sie, nichts
Wen» sie n»r auch helfe» könnte, das
Horteuse glücklich würde es sah »ich
aus danach, trotz alle« Glanzes »iil
Lucie hielt Wort.
Früh stand sie auf und ging in di
WirthschastSräume kinunter, und wen,
Horteuse an den FrühstückStisch trat, sal
sie ei» freundliches Gesicht u»d faul
einen frischen Blumenstrauß neben ihren
Teller. Keine Frage über wirthschaft
liche Gegenstände kam zu den Ohren de
junge» Frau; e« ging Alles wie an
Schnürchen; die Dienerschaft war Muster
hast unter LucienS Aussicht, ei» richtige
MusterhanShalt. Frau Rein würd,
krank i Hortense erfuhr eS erst, als We
der besorgt das Mädchen fragte, ob ih>
die Arbeit nicht zu viel werde? Sil
schüttelte lächelnd deU Kopf.
„Niemals!" sagte sie und ihre Auge,
suchten Hortense, „ich fühle mich befrie
digter, als seit langer Zeit. Ich bin m
Arbeit gewöhnt."
Sie hatte auch stets Zeit für die jung,
Frau. Sie giug mit ihr spaziere»; si
vor machle Besorgungen ii
still, bald von einer ungewöhnliche» Hei
terkeit. Mitunter spielte sie halbe Tag,
Klavier; an anderen rührte sie kein,
Sie schlies einmal bis in den Mitta
hinein, »nd da« andere Mal erschreckn
sie Lucie in aller Morgenfrühe, die eher
aus dem Garte» mit frischen Blu^
auf ihrem Sofa.
Herr Weber ließ sie gewähren. Ei
fand sich anscheinend mit Nuhe in di,
wechselvolleu Stimmungen; kein Wider«
spruch, keine Kaprice brachte ihn auße,
Fassung; gleichmäßig artig und freund«
iich verkehrte er mit ihr. Aber er bai
sie »u» nicht mehr, mit ihm auszufahren >
sie hatte es öfters abgelehnt; er erzähln
ihr schon »ach einigen Tagen nie Niehl
von den Geschehnissen in Haus und Hos,
er hatte keine Antwort darauf erhalten
als ein: „So?" oder „Ach!" Es bliek
ihm nichts übrig, als iu Holtensens Ab,
Wirthschastliche mit Lucii
goldete spitze» aus dem dunkelgrünen
Hintergrund der Bäume blitzten; kein
fremder Blick bewunderte das Empfangs
der Augusthitze über Woltersdorf' dah?n!
zöge»; gcwitterhaft schwül wie in de,
Natur war die Stimmung der Menschen;
aber ein Sturm, der da draußen dii
Wolken zertheilt, der neue, frische Luft
von deu Bergen hcrabweht, blieb für di,
».Gemüther aus. Ein Tag schlich wie dei
andere hin; die „gute Lauue", die einst
hier ihr Scepter geschwungen, schien sich
mit in das Gewölbe am Ende des Parks
geflüchtet zu haben, das über dem Grab
des Instigen Grafen „Papillen" erbaut
Horteuse faß anfänglich stundenlang
und gemüthlich. Das Mädchen hat//sich
ein Plätzchcn zum Nähen eingerichtet;
auf dem Tische lagen stets einige Bände,
ln den Aasen des K°m!ni
vcrstorbcncn Mutter »nd eine «ein" ve"
blicheue Photographie Mathilden« hin.
gen über den, Bette, verdeckt von den
rosageblümten Vorhängen wie ein heili
ges Geheimniß. Dort war Hortens,
ruh>g »nd beobachtete, wie das Mädchen
rechnete oder nähte.
„Warum bist Du so still?" frag»
diese oft, und Hortense hatte irgend eu»
nichtssagende Antwort. Mit seinem
Taktgefühl schwieg Lucie; sie ,Uchte nm
„Du solltest doch Verkehr suchen, Hor
tcuse," sagte sie tines Tages, „Du
Krauchst Zerstreuung, und ebenso Dein
„Er war so lange von der Heiniath
entfernt, Hortcnse."
„Du halt doch für Alles, was er thut,
eine Entschuldigung, Luz; schade Du
würdest viel besser sin —" Sie schwieg
»ttd biß sich ans die Lippen,
112 hob die Wimper und
„Ich verstehe Dich nicht," sagte sie.
„Bitte, sprich deutlicher!"
Die junge Frau umarmte jetzt die
Freundin uud küßte sie.
dreh? bin halb »er-'
„Und warum bist Du denif böse auf
ihn?" "
„lch bin es ja gar nicht," stotterte
„Fräulein!" rief Frau Rein, die eben
wieder ihre Pflichien, so weit e« ihre
und scho? sich durch die Thür,
möchte Zie einen Augenblick sprechen, er
lich Hortcnse, eS ist wahrschein-
Die ,»»ge Frau winkle mit der Hand.
weswegen. Ich
Lucie ging; sie sand ihn am Fenster,
lesend. Als sie eintrat, wandte er sich
„Verstehen Sie sich aus Handschrif
ten?" fragte er. „Bitte, habe» Sie die
Güte, Fräulein Lucie. vier Augen sehen
diese beiden Schriftstücke von ein und
selben Hand geschrieben find?"
Er hatte ein kleines Tischchen zum
Fenster glückt Und legte nun eine Post-
daß im Begriss mit Hortens« noch
sei, Brief bekam. Diese Notiz war in
en
sich in Belgien umher. Hosielltlich ge
linge es der Polizei, seiner habhast zu
hochehrenwerthe» Familie Weber, die
I o °^> sich mit der To^ch
,Abscheulich!" sprach sie.
„Bitte, vergleichen Sie die Schrift
züge! Die Karte an und sür sich ist
von Bedeutung, auch nicht an mich ge
mir längst hat und
mir borgte, behufs Feststellung der That
sache."
.ES ist kein Zweifel," rief da« MSd-
„Wer ist der Schreiber?" fragte sie
darau^unwill^
""""'S'-thu»? unterbrach
„Ihn züchtigen!"
„Wie aber?"
„Das „Wie?" ist meine Sache, Lueie.
Ich bitte dringend, daß Hortense vor der
immer diese. Vater." sammelte
„Ich weis! Alle«, ich kenne seine Ver
gangenheit, besser vielleicht, als selbst
die Tochter; und nicht erst seit der letzten
»Ahnt das Hortense?"
Er faltete die Zettel zusammen und
legte sie in seine Brieftasche. „Hortense?
Sie den Namen ihres Vaters nie er
„Wie schwer hat sie gelitte» um seinet
willen ! Ich bitte Sie, beurtheilen Sie
aus diesen, Grunde Manches milder bei
Kopf , g 112 k sie de»
„Ich habe kein Recht, über sie zu kla
ge», Lueie," sprach er. „Hortense hat
nie geheuchelt, daß sie mich liebe; ich
weiter nichts thu», als warten.
Er hatte die letzten Worte leise ge
sprochen ; nun schwiegen Beide.
sagte er endlich, sich zusammennehmend;
„Hortense liebt Sie und, Fräulein
Lueie, Diskretion!"
Er schüttelte die Hand. Nieder
»Ä«, k» war'S, gnädige Frau," sprach
die ohne sich stören zu lassen, „halb-
Frau Mutter und die jüngste Schwester,
kamen gleich zur Pflege her. Ich er
zähle eben, Fräulein," wauvle sie sich a»
ertrank beinah, aber nachher hat der Kai
ser ihm die RcttuiigSnicdaille geschickt;
schönste meine
lnstige« Leben, als der Herr wieder ge
sund wurde. Die Damen bliebe» »och
Woche» hier; drüben im Saal
beim Moiidenschein. Jetzt ist'S aiich gar
so trübselig; alle meine schöne» Konsir-
So war's »och nie aus WolterSdors,
selbst nicht, als der Herr ganz allein
wirthschastete."
fchen de» aus ihrem Gesicht
lag eine zarte Nöthe. Sie sah Lucie an,
sie Horlciise kurz uut/erhob sich. „Aus
W'kdersehcn bei lisch!" Damit verließ
Lucie blieb traurig zurück. WMte c«
beeide» Menschen / Nein, HoUe^se'lieb'le
hoffte umsonst. Aber sie wollte noch
einmal mit ihr sprechen, wollte ihr sagen,
daß sie Unrecht thue gegen ein Herz, das
A d
Am Tage darauf, es war an einem
Sonntag, ging Lucie in die Kirche. Als
sie die Allee durchschritt, gesellte sich
Weber zu ih», der aus dem Gewächs-
Hause kam. Er erkundigte sich nach Hor
teiise; das Mädchen hatte sie noch nicht
gesehen.
„Steht sie nicht dort am Fenster?"
fragte er, sich nach dem Hause Umschau
?»d. Auch Lucie wandte sich, aber sie
plaudernd gingen sie weiter. Am Aus
gange des Parkes blieb er stelle»; er
wollte zurück, um Hortense beim Früh
stück Gcstllschas« zu leisten. „Beten Sie
für >ms mit," sagte er scherzend, aber
„Ja, von Herzen!" erwiderte sie
Er wandte sich rasch nnd schritt auf
Umwegen zurück. AIS er im Hause nach
Hortenjc sragte, erhielt er den Bescheid,
die gnädige Frau sei vor wenige» Minu- !
Kirche zurück ; die'' Essenszeit
Uch ritthsie
„Mein Gott, in diesem
Wetter!"
Die juuge Frau lachte, aber sie schüt.
telte sich dabei vor Frost. „Ich werde
gleich zu Tische kommen; bitte, warte!
.Ich will Dir doch helfen.»
„Ich danke,' klang es zurück. Sie
zog eine lange nasse Spur ans dem Tep
pich und verschwand hinter einer Thu?,
Lucie harrte allein im Eßzimmer;
Weber schritt in der Siebenstube aus und
ab ; dann ließen stch Stimmen dort innei
konntest diesen, Wetter
Mau sprach bedauerlich darüber. We
ber äuherte, er wolle an Adler schreiben
deshalb.
eS!« sagle Horlense. Es
Der Mittag ging stiller vorüber als
sonst; Hortensens Widerspruch sehlte,
Lucie wie immer tausend Ansmcrk
,Liebe, gute Hortense, ist Dir wieder
warm? Leg' Dich etwas; darf ich Di,
Betrübt suchte das Mädchen ihr Zim
mer aus, setzte sich an den Nählisch"nud
arbeitete au einer Decke für Hortensens
Geburlstag. (5s war todtenstill um sie
her; draußen plätscherte einförmig der
Regen hernieder; im Park war kein
lebendes Wesen z» sehen. Die Arbeit
sank ihr in den Schooß; sie legte den
Kopf zurück und dachte nicht an die
Vergangcnheit, damil war sie fertig, der
Faden zerrissen. Sie dachle an die Zn-
in demselben Zim>
Sorge sür Horten>e und ihr Haus!
Die Welt würde weiter rollen, in
Stnrm und Kampf, in Leidenschast und
seil in ihrem ewig gleichen Tageslauf.
Sie blickte empor; in den, kleinen Spie
gel, der dort aus deck Tische stand, sah
>ie blondes Haar schimmern. Leise strich
ihren Scheitel; wie ewig lange
rollte» jetzt de^
telbau sprang hier etwas vor. Nun war
das Knirschen des Wagens verstummt;
er hielt vor dem Portal. Vermuthlich
Besuch; er würde bald wieder heimwärts
lenken; Hortense empfing ja Niemand.
Als neulich die alle Frau von B. sich bei
„Fräulein!" rief Frau Rein in die
Thür, „die Herrschaft läßt bitten, es ist
Besuch gekommen." Die alte Fran hatte
ein dttnkelrothcS verärgertes Gesicht.
im Flnr antwortete: .Sehr
nehm!" Ich denke, mia) nihrt der
Schlag! Sie müßten nur dem Herrn
sein Gesicht sehe», Fräuleiu; er sieht
aus, als »ehuie er sie am liebsten sämmt
lich am Krage» und setzte sie an die Luft.
Dem Herr» scheint'S auch ans anderen
Gründen nicht recht zu sei»; er saß in
seiner^ Stube mit dem Herrn Hauptmann
über etwas Wichtiges redendenn als
ich ihm meldete, hatten sie
Hortense Besuch angen»inmcn?
Lucie schüttelte den Kops wie ungläu
big. „Wer ist Herr Rostan?"
„Jenseit A. hat er ein Rittergut,
Fräulein," berichtete die Frau, während
Lueie vor dem Spiegel stand und ihr
schwarzes Trauerkleid etwas durch einen
Jetschmuck verzierte, „JchelSlebeii heißt
es. Er hat sich einmal viel zu schassen
gemacht hier, als Frau Weber mit ihrer
längsten Tochter bei unserem Herr» zum
Besuch war; na, »ian sag«, das Fräu
lein hätte ihn nicht gewollt. Verdenken
er sich nicht wieder blicken lassen. Ich
der Herr sieht ihn lieber' gehen als kom'-
Lucic erschrak, sie dachte »n das Billet;
sollte er —? Sie wäre am liebsten nicht
Im Entr6e vor den» sogenannte» (fin
psangSzimmer trat ihr Weber entgegen.
„Thun Sie mir den Gefallen, Fräu
lein Lucie, gehen Sie zu Hortense, Sie
ist bei der Toilette; ich ließe sie kringend
Hlten, nicht herüber zu komme»; die
Herren sind mehr oder weniger ange-
Er sah finster au« und sprach hastig.
Lucie wandte sich um, da ries er hin
ter ihr her:
„Kommen Sie, es ist zu spät! si- ist
ten!« "
»ar plötzlich verstummtman HSrte
Stühle lücken und die Stimme der jun
gen Frau.
„Gehen Sie rasch hinein, Lucie." flü
sterte Weber.
tense stand an einem Sessel; sie hatte
soeben sich
Weber stellte die Herren Lucien vor,
Hortense halte sich bereit« als Hausfrau
zuerkennen gegeben. Die Gäste waren
alle drei junge Lieutenant« und ein
unter ihnen zu sein schien. Und neben
Hortense im Fauteuil, sich ihr ganz zu-
Herr in sandfarbenem Civil neuester
wommermode; er trug ein hellblondes
spärliche« Haar, kunstreich srisirt; sein
Spitzen zu beiden Seiten
gere Antlitz hinau«. E« lag elwa« Her
ausfordernde«, Unverschämtes in diesem
schließe», »och göttlich vorkam. Er^gab
sich die größte Mühe, den Unterhalten
diese Fahrt hierher nach Tische aus « Ta
pet; Regentage sind so gräßlich lang
weilig; Soinincrtheater fängt erst um
halb acht Uhr an. Dieses Wollersdorf
ist eine Perle; fch»de, daß ditHerrschas,
„lch halte einmal die Ehre in Baden
in Begleitung Ihres Herrn Vaters!
Hortensens bleiches Gesicht überzog
eine duukle Röll)e. „ES ist möglich, ich
weisen zu dürfen; er versprach ge
wissenhaft, eines Tage« zu schreiben,"
hier lachte ,r spöttisch. «Darf ich mich
erkundigen, meine Gnädigste, wie befin
det sich Herr von Löwen, wo lebt er?"
Die junge Frau stand plötzlich aus.
»l
etwas liöher in feinem Stuhle nnd b^
zu spielen.
„Weber, was machtJhre famose Kegel-
ich nicht irre, ist Herr Nosta» in, Be
griff, aufzubrechen. Ich möchte ihn nur
noch in feinem Wagen sehen, dann—"
labend mch wu.de »NI eine
Eine uuaiigcnchme Pause trat ein, die
bestürzte» Gesichter schauten Weber sra
„ES ist hier nicht der Ort, meine
zn nähere» AuSeinandersetzun-
Rostan, die Handschuhe uiit Seelenruhe
zuknöpfend. „Ich denke, Sie. werde»
meinem Sekundanten Aufklärn,'lg gebe»,
„Mit größtem Vergnügen!"
„Auf Wiedersehen!" Im nächsten
war verschwunden.
»ES war allerdings sein Benehmen
begleich'; Wienaus Kohlen,"
brslcr Herr Weber, daß wir e« war
„Bitte sehr, wolle» Sie nicht Platz
nehmen?" (?r klingelte und hieß die
Kegelbahn ,»»> Spltl bereit niachen,
Dan» schritt er hinüber in das kleine
lauschige Boudoir Hortensc's. .Schie
ben Sie Kegel, Röder? Wir sind eben
im B.'grisse, hinunter z» gehe».-
Haiiptnia»» empfahl sich de»
„Darf ich mich Ihne» zur Verfüg»»»
ttelle», Weber?" sragte er»»d »ahn, die
Zigarre, die ihm dieser präsentirte.
„Ich wars ihn einfach hinaus."
„Unoerschäiuter Bursche!" murmelt«
der Hanplniann. „Deuke» Sie, Weber,
Ihre Frau Gemahli» glaubte, daß ich
mit Rostan gekommt» sei —. Ich habe
sie dabei gelassen i es wird ihr weniger
imssallend ki»! I» dars keinesfalls eiiie
„Durchaus »ich,'- rief Weber, „E«
ist doch merkwürdig, Röder, daß heute,
wo >ch mit Ihne» überlegte, wie ich den
Zenite,»., n am besten fasse» köttnte, er
„Selbswcrständlich! Alle» Nebriqe
überlasse ich Ihnen, Lieutenant von
We>Lkuchen ist mit ihm gefahren," be
merkte Weber und blickte, mi, de,»
Hauptmann über de» nassen Kies des
Gartens kommend, zu der eleganten
Kegelbahn hinüber, wo nur zwei Offi
ziere stände». leise da« Geschehe»- be
lpiechend. Bald rollte» die Kugeln über
die glatte Bah», »nd die Stimme des
kleine» Pserdebursche». der als Keael
junge fungirte, rief lau, die Anzahl der
Gefallenen,
AIS der Hanptmann da« Limmer Hor
teiisen's verlassen, blieb e« ei» Weilchen
still zwische» de» beiden Freundinnen.
Hortense, die bi« dahin scheinbar unbe
fangen und liebenswürdig geplaudert
hatte, saß jeht in dem kleinen Sessel,
blaß und mit einem herben Zug »I» den
Mnnd, Lucie schob ihre» Stuhl etwa«
näher und bog den blonde» Kops >» ihr
herunter,
Hortense,- fragte sie. „hattest D» >
! Unannehmlichkeit? Wie kamst Du
'-'c> auch darauf, d>e Herren z» enipfan
?ie junge Frau «achte kurz und hart
ins und aniwortetc nicht. Lucie schwieg
erschreckt; sie hatte schon einmal dieses
Lachen gehört; es war an jene». Tage,
kouule. Sie nahm ein Buch von dem
niedrigen Tischchen neben der Chaise
.Dars ich Dir vorlesen?' sragte sie
hastig.
Hortensc blieb stumm; sie machte eine
Bewegung mit dem Kopse, als wollte sie
sagen: „Lies oder lies nicht mir ist
Lucie zögert- ei» Weilchen, dann las
sie; es war eine Novelle von Heyse,
„David nnd Jonathan," die sie gestern
begonnen. Sie wußte nicht,
Stimme leicht bel>?e. Ei» lc>s'es Rau
schen ließ sie einhalten; Hortense war
ausgestanden und schickte sich an, hinau»-
zugelien.
„Verzeih, ich habe Kopfschmerzen,"
nicht; Du brauchst es doch u»r auszu
sprechen," sagte Lucie oerleht. „Wen»
es Dir gehe ich; ich
durch die e»tgege»gesetzte Thür hi»a»s
gegangen. Das Mädchen wandle sich
euszend UNI »nd ging, das Verlangte z»
besorgen; Fi.iu Nein folgte ihr.
sie. „Herr Nostan ist niit eineni Hei°rn
bereits sortgesuhren. Bitte, die Fisch
gabeln, Fräulein; ich habe Forellen."
dann ging sie »»ruhig durch dieLimmcr'
Horlense zu suche» ; sie ängstigte sich »in
ihr verstörtes Wesen. Die j'uuge Frau
war nirgends zu finden. An dem Wohn
zimmer stand sie still und pochte mit lei
sen, Finger:
Rollen der Kegelkugel» und die Stim
men der Herren. Sie faßte leise, ganz
leise den Drücker; die Thür war ver
schlossen.
Hortense hörte eS wohl, aber sie rührte
sich nicht. Sie hatte ei» Morgcnklcid
angezogeii regungslos aus dem
geblümte,n Stoff zeltartig bekleidet war.
Ihr Gesicht glühte fieberheiß; das Herz
ste'/le „Thörin." flu-
zu wollen ? Besuches oder eines
spän lch Z > i tz i
' i e t^
Weges, undjetzt auch^
Mund flüsterte; kein Zweifel Weber
Schlüsselbund. finsterer Miene
Sie sah die Beiden In diesem Augen
blick, u»e sie heute früh durch die Allee
schritten, eifrig sprechend, nachdem er für
sie doch kein Wart gefunden. Da hatte
sie sich auf ihr Pferd gefetzt und war
im Walde umher geritten,
Waldes aume und in die nasse Land
schaft geschaut; das Mittagläuten aus
dein Dorfe war just herüber geklungen,
als die Hände gefaltet und ge-
Mühen der Hausfrau auf meine schul
tern nehmen! Ich ertrage es aber nicht,
daß —"
Wie war ihr erster Versuch gleich so
kläglich gescheitet! Sie fühlte, nun sei
sich mehr sich selbst zurück
ziehen und Lucie ja. die würde neben
gemäß ! Und dann !
„Hortense, -ich habe eine Bestellung !
«on Deinem Man»; bitte, mach' auf!" !
Sie sprang empor. Wieder flog da»
oerzerrte Lächeln »m ihren Mnnd. lang
sam ging sie hinüber und öffnete.
LucienS Zliige» hingen besorgt an ihr.
„Hortcnsc, D» bist krank; Tu Host
Dich erkältet heute früh," sagte sie äugst-
Uch und legte ihre kleine, kühle Hand aus
Mtt einer unwillkürliche» Bewegung
„Herr Weber läßt Dich fragen, ob es
Dir angenehm ist, wenn er mit den Her
"n allein speist; Du könntest ja eine
unpälilichkejt vo>Müh>e», meinte er."
„natürlich ! Mit Vergnügen!"
tense, ja? 'Will"st D«?"^^'""
Hatte er wirklich nicht bemerkt, daß ma»
sich unverschämt gegen sie betragen?
Zürnte er ihr so bitter, daß sie diesen
Bestich empfing? Er hatte sie so finster
angesehen, als er sie bei den Gästen
fand. Sie sing Alles ungeschickt an ; sie
konnte e« Keinem Recht manchen. —^Wie
Sie hieU an vor dem großen Steh
entstcllteS Gesicht blickte ihr entgegen,
die Augen verschwollc» wie vom Weinen;
Gestalt i» dem schwarzen Wollkleide, das
weiße, gestickte Schürzchen um die Hüs
ten, die Sammetschleise im blonden Haar,
das Schlüssel körbchen am Arm, so
schwebend, so frauenhaft mild und lieb
lich. War sie wahnsinnig gewesen, als
sie daraus bestand, dieses Mädchen sich
zur Seite zu stellen, mitherzunchmen in
ihre junge Ehe?
Sie suhr zusammen, eben trat Lucie
herein. Sie trug ei» thauig beschlage-
„Trink', Hortense," bat sie freundlich,
„es ist Limonade. Du bist so heiß, ar-
F>a», > K
„Willst Du auch nicht essen?" fragte
das Mädchen.
„Nein!"
„Soll ick Dir vielleicht Deine» Mann
schicken, liebe Hortense? Vielleicht müßte
„Ich will nicht, daß Du Waldemar
schickst; er wird vielleicht vielleicht
von selbst " Sie sank auf den
nächsten Stuhl diesen Worten; sie
Bette/'b!>" Luc?""''
„L»ß mich allien!" rief heilig die
junge Frau, unfähig, sich noch länger zu
beherrschen, „ich bitte Dich! "
Zimmer befand, schölle,? die Stimme»
der Tafelnden. Der Hausherr hatte hier
scrviren lassen, als wollte er die Gäste
Gegen halb zehn Uhr klopfte es an
LncienS Thür; sie saß »och auf demsel
ben Fleck. „Hortense!" dachte sie n»d
wandte de» Kopf; es war Atein.
„Wie geht Weber?" fragte
behaglich auf einen Swhl. .Der Offi
zier, der so Hals über Kopf mit Herr»
Rostan davon fuhr, ist vorhin allein
paar Löffel Suppe - es ward ihr schwer
zu sprechen; die schlaflose Nacht, die
Angst hatte sie angegriffen. Sie hatte
aushknnmal Gefühl verloren, als
(Fortsetzung folgt.)
oc/u> >.c77r»s,
stimmungSoit nicht erreicht hatte». Ein«
den New Aorker Briese» befindet sich
stets eine Menge GeschüjtScirculare, de
stellbare» Postsache» Anpreisungen von
uon Iv Cents bis zu »ichrercn
häufig nicht in den Besch ihrer Adress-Uen
dies daher, daß d^
ausen haufenweise ein und »allen dort,
venn ihre Absender nicht ermittelt wer
>en können, der Vernichtung anheim.
Aus dem vorjährigen Bericht der Ab-
Heilung für unbestellbare Briefe gehl
hervor, das, von den ,i Millionen eingc
,angener Briefe Ii Millionen nicht i»
>e>> Postanstalten, wohin sie gksandt,
vurden wegen mangelhafter Frankatui
"'geliefert, 2VOO, weil dieselbe» Ge
ztttitSnde enthielten, welche mit der Post
»eil dieselbe» unrichtig adressirt waren
idresstrte Muster nicht bestellt werden
md so,ovo, welche überhaupt keil»
Sriese enthielten Briefmarken;
Quittungen, bezahlte Rechnungen, eut
verthete Obligationen ic., «v.ovo Pho
ographien u»d ZV.VOO Briefen wnrde»
Waaren aller Art entnommen,
Srief wird dem Absender wieder zuge
teilt, wenn seine Adresse wieder ermittelt
verde» kann; im vorigen Jahre konnten
iur SS,vov inländische und IS,OOO aus
ändische in dieser Weise bestellt werden,
vährend die übrigen Briefe vernichtet
vnrden. Die in den Postsendungen
nihaltenen Werthgegenstände werde»
»nd auf Verlangen ihren Eigen-
Blutigt Seinen spielte!
sich am lt. August Bor- »nd Nachmit
tags in dem eine Wegstunde von Ersurl
»m die Frühstückszeit ein Kampf, de,
ieglicher Belchreibuug spottet. Etwc
hindert Man» sielen über einander he,
a»d bearbeiteten sich mit Knütteln, Aer
len, Eisenstäben und Messern. Dil
und Meister nullten de»
„Lipper" in ihren Wohnräumen
,ntesging. Es sielen «rchüsse. Dil
Beamten grissen tapfer ein und zerstreu
len die .Kämpfende» Allein diese »er
legten,»,» Theil die Wahlstatt ans dii
benachbarten Kornfelder »nd rauften
weiter. Endlich trat eine Ruhepaus
en. Dreißig 'Veute waren uiehr oder
»cd. Sommer ans Notternhewi ein ; er
hatte bis in die Nacht hinein zu thun.
Dem einen „Lipper", Namens'Mever,
fehlte die Nasenspitze, u»d da« («esichl
!var bis zur Unkenntlichkeit cntstellt.
Den, Arbeiter Busch aus Mittelhausen
lst die Nase gespalten »»d die Oberlippe
icihaueu. Arbeiter Otto aus Stotterin
Hein, lieg, au Messerstichen im Nücke»
oarmedcr » s. w. Am Abend fand man
»och zwei Schwerverletzte auf dem Feldc
»or. Am nächste» Tage nahm Amts
aorstcher Fra»kc»HS»ser a»S GiSperS-
ist angewiesen, vorlänsig
im Etablissement zu bleiben und die
Ordnung ausrecht zu erhalten
Schauderhafte Zustände
herrschen in, Gouvernement Per»,, doch
dürste Aehnliche« auch in audere» Gon
mrneine>>t« si»de» sein. Die »leiste»
man den „Maskowskija
haben feit dein Jahre IW'j »I» Miß
rrnten zu verzeichnen. . Bald scheinen die
schleußeu des Himmels unversiegbar,
bald wieder zeigt sich kein Wölkcheu ai»
Himmel und es herrsch, dafür eine Hitze,
sie zur Zeit des Wachsthums des Getrei
des ebettfo schädlich wirk, wie der Ge
lreidcnmrm. Die Kreise Schadiin n»d
jtamyschlow, die »och vor Kurzem als
die Kornkainmer des llrals galten, sind
in dieser Beziehnng besonders hart heim
gesucht »ttd gewähren gegenwärtig ei»
betrübendes Bild. Dic'HSlslr de« frü-
Piehstandes wird nur »och küm
rs an landwtrihschafllichen Gcräthschas
len fehlt; das in früheren Jahren in
schwerer Arbeit Envorbene muß jetzt
Schleuderpreisen verlaust werde», de»»
an> Orte gibt es keine Gelegenheit zu ir
gend welchem Verdienst. Die Bauer»
begrüßten den diesjährigen frühen Früh
ling mit Freuden, sahen ihre Saaten in
Folge warmer Regen und Dank der war
men Witterung üppig emporsprießen uud
hossten aus ei» reiches Erntejahr. Seit
Mitte Juni herrscht aber schon eine tro
pische Hitze, die oft «1 Grad Reanmnr
»nd mehr erreichte, seit Anfang Jnli siel
>nv dem Gouvernement TobolSk die sibi
rische Pest eingeschleppt und hat sich schon
iber den Jrbitschen und eiuen Theil des
«iamyschlowsche» Kreises verbreite«. Die
pserde erliege» der Pest zu Hnndcrien.
>abei ist noch nirgends etwas von Por
deugiingsmaßregel» gege» diese schreck-
d>> durch Fliege» auch aus
>eu» eS ist Niemand da. der in dem Een
r»ni der Seuche die Maßregel» leiten
!ö»»te. Der Präsident der
teht wegen AmtSüberschreilnngen in
hn vertrete» müßt-, ist a»S dem Lanv
iiexdes Mitglied desselbe» ist leider des
Uesens u»d Schreibe»? unkundig.
de» Sessel und gab mit seine» kleine»
Fingern ganze Alien auf dem Royal wie
der ; da« lenkte die Aufmerksanikeit t,er
ge» an »lit ih»l Musik zu treiben, be
merkten die Riesensortschritte und nahmen
einen Musiklchrer für ihn an. Das
Resultat eine» einjährige» Unterrichts ist
glänzend! gegenwärtig spielt das Künst
lcrkind die PiScen
lichen musikalischen Windelkindern be
glückt !
im Keller keinen Tropfen anzurühren.
Dieser Adamsapsel war zum Verkauf
bestimmt und der Ertrag sollte Dek-
Anfechtnngen des Versuchers; der
Durst ist ein schrecklicher Tyrann, und
Qch'
derS Nath, er eutzapste dem Fasste von
vorn auf heimliche Weise vaS köstliche
Naß, und eine Maß nach der andern
wurde hinter die Binde gegossen. Nach
dem dies eine Weile fortgegangen war,
kam der schreckliche Augenblick, in dem
zum Verkauf des Weine« geschritten
werden sollte. Der Weins,echer erschien,
und wollte de» Wein aus feiner Kenner
ziluge einer Probe unterwerfen, aber es
floß nur mehr Druse». Sine gründ
liche Utttersucdung des Fasses führte zur
Entdeckung der heimlichen Oeffnnnge»
Immer derselbe. Student
Die «»eroschilupp».
Ich liebte mein Mädchen so innig und
Ich klassische Glück ohne Reu,
Sie hat mich verlassen, und alle» war
Tand,
" ""Hand""^'^"
Sie spielte mit mir wie ein Kind mit der
N t - 'ch
Walter Gottschalck.
Leider.
Mit Dir zu streiten, liebes Weib,
M imr, weiß Gott, zu dumm l
Meistens hört ma» jene Menschen
Nach dem Glück sich heiser schrei »,
Das Talent zum Glücklichsein.
, —Derjü>igst i » W i e n z u
Grabe getragene Volksdichter Karl El
mar hieß mit seinem wahren Namen
Karl Swiedak. Zu seinem Pseudonym
kam er aus folgende Weife: Der Dichter
war in seiner Jugend ein flotter Soldat.
In dem berühmten „Bombardier-Corps"
(!i. Artillerit-Regiment), indem er diente,
und Mar gleichzeitig mit deni nachher so
Ossiciere» als GclegettheitSdichter be
kannt und beliebt. Nun erschien damals
i» einem wiener Almanach eine humo
hältnisse in jenem Bombardier-Corps in
launiger, aber zugleich satirischer Weise
gejl^e^t^ wa> dieser Er-
überaus ungnädig an
schnurrte: „Sie sind also dieser miserable
Federfuchser, der das da auf den aus
ichriebk» bat?" Bombardier
glaubte in die Erde versinke» zu müssen.
„Also Sie sind'«! Wissen Sie nicht,
daß Ihne» als Soldat jede schriftstelle
rische Thätigkeit verboten ist? Daß ich
Ihre» Namen nicht mehr gedruckt sehe,
hüten Sie sich! Abtrete»! Marsch!"
Der junge Schriftsteller war von diesem,
seinem ersten Debüt als Novellist nicht
gerade sehr entzückt. Wie erstaunte er
Wohnung ließ und beim Eintritt
dig gedacht! schlecht! Sie sind
ein sakrischer Kerl!—-Aber schreiben dür
lolae des Dichteis, namentlich über den
Erfolg von „Purzel" (IS48) freule sich
so sehr, als Hanptinann F.,
t
Ein Nothnagel. Richter:
.Sie sind angeklagt, diesen Mann hier
nie im Geringstem beleidigt so zu
schlagen?" „Ja, Herr
In der feuchten Ferien
ihrer Zukunft. „Ich will Minister"
werden," sagt der „Und ich Ge
hst?
mein unglückliche» LooS — Herr- Waas!
betteln.
Ihre« Chefs ei» Techtelmechtel haben?"
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b DchÄ ' ' ll' Zl 'd^'
fern!"—„Ab» Kind!"—„Nein, Ma
—Poe st e u«d Pr o j
--Verfehlte A Up r e i s un g.
lant, aber das Thierchen ist trotz alledem
Sie sich so, Herr Sekretär?" —^„Ach,
der Brate» geschmeckt hätte.^
Ausnahme. „Es ist heillos,
für wa« für die Leute ihr
—lm Lazareth. Arzt: „Was
fehlt Ihnen denn?"-Kranker BSinake:
..Huuger oerfluchtiger, Herr BataillonS
arz>!"
Maßstab. „Mama, ich habe