Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 29, 1872, Page 1, Image 1

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    Scranton Wochenblatt.
8. Jahrgang
Dr. K. VsZbemm,,
Linden Straße,
zwischen der Penn und Franklin Avenue.
Ofsiee-Stuaden, Morgens von B—9
Abend« " B—9
In Abwesmheit wird gebeten, Nachricht zu hin
lassen. 7mz7
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wird spcziellc.Ausmerksamkeit gewidmet. Eon
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Z elusch wird in der Office gesprochen n.'.d un-1
(7Z,?andSleute kiiimen sich vertrauensvoll an ihn !
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Kann in deutscher und englischer Sprache >on-
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t 2 „ 2 Nachmittags.
7 „ 8 Abends.
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Penn Ave., nahe Günster's Mötrlstore.
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teln an Hand ballen und den billigsten Preisen
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wo -u Eurem Schaden einkauft. tlap
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Nachfolger von Geo. Pfeffer, Cedarstraße,
Joseph Ober,
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Bech-, Kupfer- «K Eisenvaaren,
Mrss^
gemachte B lechdächer und Dachrinne n/
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jeder Art. 2K»izB
nenstoue j.jotcl,
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John Wcrthamer,
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sein Fach einschlagenden Arbeite» und garantirt
die beste Arbeit. Röhren, Hahnen und Zubehör
stets vorräthig. 2n7l
Tollelttions Okkce.
Einem längst gefüblten Bediiifniß entsprechend,
eröffne ich mit heutigen Datum eine CollektionS-
Ofn'e und empfehle mich der G unst solcher Ge
schäfisleute, die nicht Zeit haben, ihre Außen
stände selbst einzukassircn.
Ferner besorge ich schriftliche Arbeiten, wie z.
B. die Ausfertigung von M ieths-Eontrakten,
Noten ». s. w. und werde stets die sichersten
girmularc und Stcucrstcmvel vorräthig halte»
und jede Auskunft bereitwillig ertheilen.
Referenzen stehen zu Diensten.
E. Schleifer, Wyoming Avenue,
Lkag7l neben der Trust Companie Bank.
Fntzbekieidung!
Der Unterzeichnete bat seit einige» Wochen in
seinem Gebäude an Cedarstraße, Ute Ward, ein
Zticskl- und Schoh-Gcschäst
eröffnet, worauf er die Aufmi-rksamkeit des ver
ehrten Publikums lenkt. Fertige Waaren jeder
Art für Männer, grauen und Kinder Halle ich
stets in großer Auswahl vorräthig und verkaufe
zu so billigen Preisen, als irgend ein ähnliches
Geschäft der «ladt. Gineigiem Zuspruch sieht
entgegen. <7d7t) Jakob Schimpfs.
Rüther Sk Blatter,
Deutsche Wirtbfchaft,
Cigarren Geschäft
machen sie besonders Liebhaber des edlen Krautes
c.-fmerksam, da ihr Fabrikat vorzüglich ist und
in, Großen und Kleinen verkauft wird. Ebenso
Rauch-, Kau- und Schnupftaback, Pfeifen
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Peter Creter,
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aebst anderen Erfrischunge» 2Ss7U
Scranton, Luzerne Couuty, Pa.. Donnerstag den 29. August 1872.
0. A
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Sprecht bei uns vor.
behandelt werden. (21o9)
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. die n.zcbenste
X ge. dc>ß ,-c-n»
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Lackawanna Avenue, Scranton, Pa.
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Scranton, IN. Jan. 18KIi. ba
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Scranton, 28. gebr. 186 k.
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Dunmore, l. Juli 1871. ba
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Zeidler's Block.
Scranton, 29. April 1869.
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Herr Lehr war früher Werkführer in
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PH. Schnell'S Wirthshaus? 2!jmi72
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I'reä. Vms6k>n,
Architekt, Baumeister biZuflenicnr.
(Städtischer Vermesse»,)
Office, 501 Lacka. Avenue, nahe Washington,
31mz Seranton, Pa. 7(1,1i
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RechtS-A u w a l t,
pünlilich besorgt.
<?. Q. Carman, Händlerin
PineßrookKohlen
Office in No. Il>9 Pcnn Avenue,
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Advokat »nd RechtS-Anwalt,
Office in Jakob Schlagers Gebäude,
Ecke von Lackawanna und Washington Avenue.
2908 Scranton, Pa. ba
G u st a v Hah n,
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Straße, Wilkesbarre, Luzerne Co., Pa. Ijrl
Tl. T. Hvttcnstein,
deutscher Advokat,
Office: No. ÜV2 Lackawanna Avenue, Scran
ton, Pa. ffübrt RcchtSprozcsse, besorgt Tollet
tionen ic. Ist Abends von Uhr zu spre
che». Neben A!d. WalreS. 11jr72
Alexander Hay,
W. Gib fön JvneS,
NechtS-Auwalt.
A. Kvnarso»,
deutscher Uhrmacher ki Juwelier»
Wyoming Ave. dem Wyoming Haus,
Scranton, 10. Jan. 18ük ba
<?. Merrifielv,
Advokat und Sachwalter,
Seranton, Pa.
Office in Pauü'S Block, Lackawanna Ave
nue. I9mzB
k»t'. !>i.!' NISKV
über Haufe",
2n71 Scranton, Pa.
„Cagle Hotel",
Fritz Teufel. Eigenthümer.
Solide Leute können Kost und Logis erhallen.
Der Blessirte.
Ein Binchstiick aus Napoleon'S Zug nach Nuß
land, 1812. ,
(Schluß)
„Das will viel sagen, mein armer Hein
rich!" redete ich ihn nach einer! ngen
Pause an, in welcher er wieder versunken
war in sich selbst, um das Gespräch wieder
in den Tang zu bringen.
„Viel?" lächelte«", „wenig!— Aber
höre, wie die G schichte kam.—Mein Vater
war ein ehrlicher Bauer, Hofmeister auf
dem Nute eines reichen Mannes vom
bürgerlichen Stande. Seine Tochter, die
kleine Amalie, war ein «undernitdliches
Kind ich ein gefälliger, anstellige
Jung», wohl fünf Jahre älter als sie. Ich
machte mir viel mit dem freundlichen,
sanften Kinde zu schaffen, fuhr sie in dem
kleinen Wagen, begleitete sie in den Gar
ten, >n'S Fcld, sogar in'S Lusthölzchen,
half ihre Blumen warten, ihr Gärtchen
ordnen, ihr, Vögel erziehen, kurz, ich
habe später einmal einen Roman von
Lafontaine gelesen, gerade so ließ sich
unser Verhältniß an. Ich ging in die
Dorfschule und war fleißig, lernte Rech
nen und eine schöne Hand schreiben; da
fiel d ni alten Herrn, dem Vater der klei
nen Amalie, ein, z» bemerken: In dem
Jungen steckt ein Schulmeister. Ich will
mir ein Gotteslohn daran verdienen. Da
mi wurde ich nach einigen Wochen in die
Stadt auf ein Gymnasium geschickt, be-
Privatunterricht, und hals mir endlich so
«eit selbst, daß ich die Unterstützung mei
nes Wohlthäters entbehren konnte. Um
diese bescheiden abzulehnen, und meinen
Dank abzustatten, kehrte ich zurück auf
das Gut von Amalien» Vater. Mit if>
lauten Ausrufungen der Bewunderung,
wie ich so groß und hübsch und manierlich
geworden sei, die Mutter nur —"
„Herrlich in der Jugend Prangen,
Wie ein Gebild a 'S Himmelböh'n,
Mit züchtigen, verschämte» Wangen
Sah ich die Jungfrau vor mir stehn.
Da faßt ein namenloses Sehnen
DeS Jünglings Herz; er irrt allein,
Aus seinen Augen brechen Thränen,
Er flieht der Bruder wilden Reihn,
Errötvend folgt er ihren Spuren,
Und ist von ihrem Gruß beglückt;
Das Schönstesuchterausde» Flure»,
Womit er seine Liebe schmückt.
O, zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit,
Das Auge sieht de» Himmel offen,
Es schwelgt das Herz in Seligkeit."
Mit verklärten Blicken sah er auf durch
schimmernde Thränen zum glühend rochen
Abendhimmel, dann senkten sich seine
Wimpern wieder, seine starke männliche
Brust hob sich zum schweren Seufzer, und
dann fuhr er !eife mit gedämpfter Stimme
fort!
„O, daß ste ewig grünen bliebe,
Die schöne Zeit der jungen Liebe!"
Mich hatte diese zarte Tiefe des Gefühls
ganz wunderlich, wie eine neue Welt er
griffen. Ich drückte Ihm schweigend dle
Hand, und wie er aufblickend auch i» mei
nem Auge einen Zeugen des Mitgefühls
glänzen sah, da lächelte er mich an und
sagte: „hätte ich es mlt eigenen Worten
besser sage» können, mein Fried ich al«
mit den unsers Schillers? Wen» ich
Dir nun so ganz trocken hin erzählt hätte,
tch mußte dableiben, als Adjunct des alt
und schwach gewordenen Schulmeisters,
und Gelegenheit macht Diebe wir
fanden uns, wir verstanden uns, und ehe
die Lippen das Wort gesprochen hatten,
waren unsere Seelen ein» geworden, so
unzertrennlich eins, daß ein stilles Mond
scheinstündchen im einsamen Schloßgarten
ge»üg«e, Wort und Schwur, und Kuß
und Herz zu tauschen würdest Du mich
dann veistanden habe», mein Friedrich?'
Ich schüttelte still bewegt mit dem
Kopse.
„Du darfst mir Vernunft genug zu
traue», mein guter Junge," fuhr er sott,
„daß tch das Unpassende, das Unmögliche
einer solchen Verbindung einsah. Auch
ste suhlte wohl Aehnliches. Aber bei uns
Beiden war einmal das Herz mit dem
Kopfe davon gelaufen, und an Rückkehr
war in diesem Irrsaale so wenig zu den
ken als an Stillstehen. Um diese Zeit
drohte uns Trennung. Ich hatte das ein
und zwanzigste Jahr erreicht, und wurde
als mtltlärpsltchttg vor die Commission
befchieden. Wir trennten uns unter
Schmerz und Liebe—aber mit dem stillen
Anerkenntniß einer höhern Nothwendig
keit. Zitternd griff ich in die Urne—die
höchst- Nummer! die höchste Nummer!
—Frei!—riefen Alle. Ich eilte zurück. —
„Gott will es, des Schicksals Stimme
hat gesprochen!" sprach ste feierlich, die
Hand auf's Herz und sank, wie aufs Neue
verlobt, hochbegetstert in meine Arme.
Aber Jahr um Jahr verging, und in der
Wendung unserer Verhältnisse gab es kein
Licht der Hoffnung. Zwar wurde ich
Schulmeister, —denn der Alte war gestor
ben—aber durfte ich deshalb um die Toch
ter meines Gutsherrn werben? Mir beide
kannten in dieser Hinsicht die strengen
Grundsätze des übrigens gutniütbtgen Al
ten. Schon mehrere Partien hatte Amalie
unter hundert Vorwänden ausgeschlagen.
Aus mir konnten die Mütter der mann
baren Mädchen meines Standes vollends
nicht klug werden. Amalie härmte sich
blaß. Ich versah meinen Schuldienst
pünktlich, aber wurde menschenscheu. Nur
in den späten Abendstunden, wo vir im
stillen Park oder in ihrem freundliche»
Gartenstübchen h'tmltche Küsse und süßes
Giflüster tauschten, gewannen unsre See
len wieder ein neues hochgeistigeS Leben.
Da veikündete mir Amalie in einer sol-
GutSb.'sitzer um ihre Hand geworben. Ihr
Vater habe alle ihre WeigerungSgründe
mit den Worten zuiückgewiese»: „Ist er
nicht jung, hübsch, reich, vom besten Rufe?
was will ein Mädchen mehr? Du
heirathest ihn, oder tch lasse Dich morgen
zu einer entfernten Verwandten bringen,
und Niemand soll hier erfahren, wohin?
da magst Du hundert Meilen von hier
Dein Leben in einem alten Waldschlosse
verträumen, und damit Basta!" Zür
nend wollte er mich verlassen, da wallie
mein Herz über, verzweifelnd warf ich mich
ihm zu Füßen und bekannte metne heilige,
reine und ewige Liebe zu Dir. Da war
es, als fürchte der Mann feine eigne
Weichheit- erbleichend, erzitternd stand er
vor mir. „Ungerathene," donnerte er
mich an und stieß mich zurück, daß tch.
ohnehin halb ohnmächtig, von Schreck zu
Boden sank. „Hoffe nie! Thorheitist dein
Wahn, und rr soll cs büßen Du sollst
fort." —
So geschah vor einer Stunde.
„Oann weiche ich," sprach ich gepreßt;
aber es hatte dtcfts Eceigniß mir meine
ungeheure Thorheit und Undankbarkelt
In ihrer volle» Giöße vor die Seele ge
führt. Jetzt sprach ich zu Amalien von
meinem Plane der Trennung mit der
Ruhe und B.jonnenheit, welche aus der
Krast eines männlich gefaßten Entschlus
ses hervorgeht. Ihre Antworten waren
eben so ruhig und äußerlich kalt. Wie tch
von ihr schied für immer wc-ren ihre
Lippen kalt und leblos. Sle wünschte mir
ruhig gut! Nacht. Ihre Augen hatten
leine Thränen, ihre Arme kelne Kraft mich
zu umfangen. So von ihr scheidend, er
reichte ich ungesehen das SchulhauS.
Noch in der Nacht schrieb tch an den
alten Gutsherrn:
„Ich weiß, daß Sie in Verlegenheit
sind um einen Stellvertreter für ihren
Herrn Sohn aus der Forstakademie, den
tch nicht die Ehre habe persönlich zu ken
nen. Schon fünf derselben sind Ihnen
zurückgewiesen. Der bevorstehende Feld
zug nach Rußland macht ohnehin die
Stellvertreter selten und kostbar. Erlau
ben Ste, daß ich Ihne» einen Theil mei
ner Schuld abtrage, indem Ich mich mor
gen in die Departementsstadt begebe, und
an die Stelle Ihres Herrn Sohn'S etnre
gistrire» lasse. Jede Geldsendung würde
mich beleidigen, nur wünsche lch, daß Sie,
edler Mann, wieder eine bessere Meinung
von ihrem unglücklichen Pfl-gesohne ge
winnen möchten. Leidenschaft konnte ihn
wohl hinreißt», aber reuig giebt er dem
Vaterherzen die bellagenswerthe Tochter
wieder, indem er sich für ewig losreißt vo»
feinem Himmel,—seiner Liebe."
Noch vor Tage übergab lch diesen Brief
dem Maire zur Besorgung, indem ich mir
die nöthigen Atteste ausfertigen ließ, und
in der Abenddämmerung stand ich schon
wieder In Uniform unsers Bataillons mit
vier und zwanzigstündtgem Urlaub I» der
Tasche vor dem Waldpförtchen des Parks.
Ich hatte noch einige häusliche Angele
genheiten zu ordnen vergessen, und das
wurde der Vorwand für mich selbst, um
die Mißbilligung meines Verstandes zu
beschwichtigen. Eigentlich hatte die Stim
me des Herzens unabweislich von mir ge
fordert, noch einmal Abschied zu nehme»
von Amalien, denn es beunruhigte mich,
daß diese am vorhergegangenen Abend so
kalt gewesen war. Ich kannte damals noch
nicht dle Macht der Apathie jenen Zu
stand einer sinnlosen Gefühllosigkeit, wel
che aus der höchsten Abspannung des Ge
fühls hervorgeht.
Wie nun der Mensch ist in der Höhe
der Leidenschaft berühren sich alle Extreme
und verwirren sich alle Ideen. Da stand
ich und zögerte. Ich quälte mich mit Ei
fersucht—wenn dachte tch der junge
Gutsbesitzer nun doch Eindruck auf ihr
Herz gemacht hätte und sie sich geduldig
in dieses Verhältniß ergeben wollte, und
nur noch in Verlegenheit gewesen wäre,
wie sie mit mir brech » sollte, und deshalb
mir diese Theaterscene vorgespielt hätte,
um mich zu einem sentimentalen DeSpe
rationScoup und—und —
So forlspinnend an meinem Groll und
Mißtrauen; immer sinnreicher werdend
Zweifel auf Zweifel zu häufen, schon
ganz taub und blind für alle Erinnerun
gen ihrer zarten Beweise treuer Liebe, er
reichte tch endlich das tiefe Dunkel des
Boskets, und die Stelle, von wo ich unbe
merkt das traute Bänkchen unter dem
blühenden Lindenbaume übersehen konnte,
auf welchem sie so rst mich mit Thränen
der Sehnsucht im glänzenden Auge und
mit kindlich fromm gefalteten Händen er
wartet hatte. Auch jetzt saß sie dort—aber
—mein Blut erstarrte—nicht allein! Ihr
braunes Lockenköpfchen ruhte traulich an
der Brust eines jungen Mannes, der ihr
lächelnd die Wange streichelte. Das ist
der Gutsbesitzer, ihr Verlobter, riefen hun
dert Stimmen der Hölle in meiner Brust.
„Treulose!" schrie ich auf, und stürzte
fort wie wahnsinnig durch Gebüsch und
Hecken, die mir Kleid und Gesicht zerrissen.
„Heinrich! Heinrich!" hörte ich ihre krei
schende Stimme —männliche Tritte eilten
flüchtig hinter mir her aber nichts half,
mich trieb es fort ohne Rast und RuS,
durch Busch und Wald. Jede Macht des
lief tch, wie im dunklen Gefühl zurück
nach dem Standorte meiner Garnison.
Am folgenden Morgen brachte der Corpo
ra! den bleichen Rekruten zur Besinnung
und dann ging es fort —und fort und
Dieser Moment, in welchem der ster
bende Krieger aus st n Leben vzll Täusch
ungen, auf eine Liebe ohne Hoffnung,
und eine Trennung ohne Versöhnung zu
rückblickte, hatte etwas lies ErgretsindeS.
Ich stand neben ihm und betrachtete
ihn mit dem innigsten Mitleiden,
Nummer 33.
schien indeß nur noch die Stunden zu
zählen, die er noch zu leben hatte, bis sein
Auge breche» würde, denn sein Herz war
längst gebrochn.
Ich suchte »ach Möglichkeiten, um ihn
zu trösten. „Wie aber," sprach tch letse,
„wenn ste unschuldig wäre, wenn cS ihr
Bruder gewesen wäre, an dessen Brust ihr
Kopf so traulich ruhte."
Sein Auge blitzte zu mtr auf. „Ihr
Bruder war es nicht, die Möglichkeit habe
ich tausendmal lurchdacht, denn wenige
Wochen zuvor wa- ein Brief von ihm
eingegangen, wonach er sich auf einer wis
senschaftlichen Reise nach Ungarn befand.
M in Verstand ist zu schwach, um irgend
eine Möglichkeit für ihre Schuldlosigkeit
;u combiniren, aber mein Herz glaubt
daran. Es glaubt daran seit dem Au
genblicke, wo ich dort an der Beschaffen
heit meiner Wunde erkannte, daß es Zeit
sei, dem Leben ein Valet zu sagen. Der
Schmerz des Zweifels an der Treue dies,«
Engels hatte mich so ungeheuer ergriffen
gehab», daß tch an Gott nicht denken
empfinden, denn tch fühle wohl, mein
Glaube an ihn war schwach geworden, ich
war auf dem Wege ein Gottesleugner zu
werden. Du selbst hast es gerügt. Erst
jetzt, wo metn letztes Stündletn naht,
wird es hell und klar wieder in meiner
verdüsterten Seele. Ich verzweifle nicht
mehr, denn ich hoffe auf lenseit. Ich sehe
jetzt tn den Leiden des Lebens nur Prüf'
ungen einer ewigen Liebe für ein reineres
Dasein, und was bewirkte diese« Erwachen
des Engels ln mir?— Die Erinnerung an
den Engel meiner Liebe, das ahnende Ge
fühl, der Glaube, dle Gewißheit, daß ste
unschuldig ist Friedrich!" flehte er und
ergriff meine Hand, „eins versprich mir,
versprich« mir bei Deiner Seele und Se
ligkeit —verlaß mich, suche Dein Leben zu
retten, und hier bringe meiner Amalie
diese blaue Schlelse zurück, die ihr einst
unter den Flammen meiner Küsse au« den
prangenden Haarflechten entfallen war.
Sag Ihr, tch fei treu gestorben und ver
söhnt—an ihre Schuldlosigkeit glaubend."
„Wenn Gott mir hilft," entgegnete Ich,
nicht an dte Möglich! it etner Rückkehr
ins Vaterland. Ich werde hier Dein
Ende abwarten, Bruder! und werde dann
auch wohl zu müde sein, um noch weiter
zu gehen tn dieser Welt."
„Darum eben!" rief er heftig, „Du
würdest hier verschmachten, ohne mtr hel
fen zu könne». In achtzehn Stunden
aber wird es mit mir vorbei sein, harrst
Du hier so lange aus bei mir ohne Speist
und Trank, bist Du schon halb verhungert,
so fehlt Dir die Kraft nach Nahrung zu
suchen. Sieh dort an jenem grauem Hori
zont der dunkle Schatten, da« tst «In
Wald. Dort hinter demselben müssen
noch Dörfer liege», fern von der Militär
steaße, in welchen noch nicht Alle« aufge
zehrt fein kann. Dorthin mach Dich auf
den Weg. Suche Dein Glück, e« wird
Dich finden. Mich aber laß hier in Frie
den entschlafen; und kehrst Du einst heim,
mein treuer Friedrich! —so denk —an
meine Amalie."
Nur auf sein strenges Verlangen konnte
ich mich entschließen, ihn zu verlassen. Er
hatte mir versichert, daß ich Ihm die Todes
stunde erschweren würde durch mein Dort
bleiben, das ihn der Hoffnung berauben
würde, seinen letzten Wunsch erfüllt zu
sehen. Ich begriff vollkommen das Nutz
lose meiner Selbstaufopferung, wozu ich
bis dahin entschlossen war. Ich dachte mir
sogar die Möglichkeit auf einem
Lebensmittel zu finden, und damit zu mei
nem armen Freund zurückzukehren, um
feinen letzten Augenblick noch zu erfrischen.
Ich ließ ihm meinen Mantel zurück, wo
mit ich ihn sogleich zudeckte, nachdem ich
ihm auf der Lafette der Kanone ein wei
ches Lager von Heidekraut gemacht hatte.
Was ich noch Genießbares bei mir trug,
gab tch ihm, und fein Gewehr legte ich in
seinen Arm. Er dankte mir mit unbe
schreiblichem Lächeln, und erinnerte mich
noch etnmal an Amalien, deren Familien
namen und Wohnort er mir gesagt hatte.
Ich gelobte, drückte ihm die Hand und
schied. Aber mit welchen Gefühlen —Gott
weiß es—Worte beschreiben sie nicht. Wie
ihn mein letzter Blick traf, hatte er die
Augen geschlossen.
Ich glaubte ihn nie wieder zu sehe»,
und doch —Gottes Wege sind wunderbarl
Müde und lebensmatt wanderte lch
dan» allein über die öde, nebelfeuchte
Steppe in die tiefe Dämmerung hinein.
Es war schon völlig dunkel, als ich den
Wald erreicht hatte, der sich rechts von
der Straße am Horizonte hinzog.
Doch, um das einmal angeregte Inte
resse fest zu halten, will ich der Zeit nicht
vorgreifen.
Es war etwa sechs Jahre später, als tch
auf einem Durchgange durch das Hessische
in die Gegend kam, wo vas Gut von Ama
l«iehe 4. Seile.)