Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 26, 1869, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Hcritnton WockeMM
5. Jahrgang.
Dr. F. Bodeman,
Cedar Straße.
Im Hause des Herrn Pcter Franz.
„ —9
In Abwesenheit wird Herr Franz Nachricht er
theilen. 7mz7
Dr. Cainill Krejci,
Arzt, Wundarzt u. Geburtshelfer,
Office in Wyoming Avenue, Kaiser's Haus,
ordinirt von l 1 Uhr Vormittags bis 3 Uhr Nach
mittags .Mi t ' ch idF
Dr.
Deutscher Arzt,
Wnndarzt und GebnrtShelfer.
I—3.1 —3. Abends von li—B. Illjp
Deutsche Apotheke,
TIB Uackawaiina Avenue.
schrägüber dem Wyoming Hause,
9apB H. F. Lobrck. tj
(Gustav Yahn,
Shas. Dupout Brcck,
Advokat und Sachwalter,
f^/^rt^zu
Ariedricl» Schräder.
Sarsaparilla und Mineralwasser,
sehr zuträglich fft. Da» Geschäft steht
2iib» Fr. Schräder.
<N. H. Walter,
Geldsendungen und (Yeld-üinziehungcn. "
??uch ist derselbe Agent für einigc der sichersten
und be?5N Feuer- und Leben-Versicherungs-Co.
Alle Arte.'? von Contrakten fertigt aus
G. H. Walter.
Scranton, 3». Ja». 1866. 1j
John G. Saiior K» Co..
4. ft^' e
Scranton, 1». Ja». Ivtiti. bä
Fischer und Krouzer,
Grocerien nnd Provisionen,
Krocerien, Mehl und deutsche Früchte,
Zucker, Kaffee, Thee u. s. w. Das deutsche Pu
blikum ist eingeladen, uns mit seiner Kundschaft
u beehren und sich in überzeugen, daß wir die
»este Waare zu dem Miysten Preise verkaufen.
Inda Fischer und Krv»zer.
r»6d1518V!.V41>114
und
PittSbnrg, Ctneinnati und St. Louis Eisenbahn.
Vermittelst dieser Bahn ersparen Passagiere Ig Stunden Zeit, zwei Wechsel in den
Wage». I ttU Meilen nach Cinclnnati, 112 Meilen nach St. Louis und SS Meilen nach Chicago.
Dieses ist ebenfalls die kürzeste und schnellste Linie nach
Indianapolis, Louisville, Memphis, Mobile. New-Orleans,
St. Joseph, Kansas City, Logansport, Milwaukee, St. Paul,
und nach allen Punkten westlich, nordwestlich und südwestlich.
Drei durchfahrende Züge
verlassen Harrisburg täglich und stellen ihre Verbindung nach folgender Zeit-Tabelle her:
Verlassen Harrisburg, ... 4.15 Nachm. 12.20 Vorm. 4.15 Vorm.
~ Altoona, .... 9.j5 „ s.jg „ 9.95
Pittsbarg, .... 3.»» Vorm. I».l» ~ 2.45 Nachm.
~ Dennison, .... 8.»» „ t.52 Nachm. 7.4» „
Newark, . . . . 11.»5 „ 4.25 ~ 1»,3« ~
„ ColumbuS, .... 1.15 Nachm. 5.5» „ 12.4» „
Ankunft ig Cincinnati, ... K.Zg ~ 1».4» „ 7.2» ~
„ Indianapolis, ... 8.55 „ z.85 Vorm. 8.5» Vorm.
„ Loganspvrt, ... I».4i> Vorm. 2.5» „ 9.4» „
„ Chicago. .... 9.1» Nachm. 8.1» „ 2.45 Nachm.
», Cairo, .... Z.ZS ~ z.3» Vorm.
„ St. Louis, .... 8.45 Dorm. 3.45 Nachm. IV.V» Nachm.
„ Louisville, .... 1.5» ~ 7.3» Vorm. 4.15 „
„ Nashville. .... 5.2» Nachm. 5.2» Nachm. 3.55 Vorm.
„ Humboldt, » . . . 12.35 Vorm. 10.15 „
~ Memphis, .... 5.3» „ 2.45 Nachm.
„ New-OcleanS, . . - 2.»» „ 12.3» „
„ Mobile, ..... 1.3» „
Wechselnder Wagen, undmit nur
S. MIIiI-LR.
Ge». Ticket Agent für den Osten, No. 526 Broadway, New»?lork City.
In Scrantou kann man TickctS erhalten bei Hrn. O'Connor, Office der D.» L. u. W. RR.
I» WilkeSbarre bei Hrn. Taylor, Office der Lehigh Valley Eisenbahn. Bap9
Karl D. Ncuffer,
K ppen- Fabrikant.
IBap7 '
Günster St Hull,
Großes Mobilien-Lager.
Alle in großer Auswahl »orrathl^, Bu»
AuSzieh-Tische, Bettstätten jeder Art, Matratzen
Lokal-Veränderung.
Möbeln! Möbeln!
Griesier St Co.,
Seranton, W. Febr. lBSö.
Cedarstrafie Möbel-Geschäft,
v°» David NeulS und Sohn.
T ic Unlcrzcichntleii benachrichtige» hiermit das
Germania
LcbrnS-Brrsichrrungs-Pompagotr, >
zu Nrw-'Aork.
Kapital und Ueberschuß, H M
Jährliches Einkoinme» sl»),tXß< M
Versicherungen !7,WU/X>» (XI
'
2!1o8 Cedar Straße.
Nencö
Etablissement.
Kleider-Geschäft,
in I. Leidler's Gebäude,
und den er.iktesten Schnitt in der
Ihr Teutsche, überzeugt euch und sprecht vor.
l so werdet ihr befriedigt werden.
Zahlreichem Zuspruch sehen achtungsvoll ent
gegen
viuun'iimtr <k
Ä>7 V «et a Wanna Avenue, A>7
Zeidler'S Block,
j Seranton, 23. April 1869.
Scranton, Luzerne County, Pa., Donnerstag den 2K. August 1869.
Philip Robinson,
Brauerei und Lagerbier-Salon,
Scranton,
Henry I. Ziegler,
Blech- und Eisemvaaren,
Hält immer vorräthig ein gute Auswahl von
neuen Oefen, Schlösser, Bänder und ähnliche Ar
tikel, sowie Blechwaaren jeder Art. Preise billig
und Waare gut. 23agkba
Joseph Ober,
! Penn Avenue, —Fabrikant von
Blech-, Kupfer- ä- Eisenwaaren,
Messer, Gabeln, Löffel,
gemachte Blechdächer und Dachrinnen/
HpdrantS, Bleiröhren und Wasserleitungen
jeder Art. 26mz8
Depositen- und Spar-Bank.
Geo. Sanderson L 5 Eo.,
E ta blirl in l 855.
Sech« Prozent Jntrressen^
tBt«" Katen.
Spart Guer Geld.
Scranton Sparkasse.
Diese« Institut ist eröffnet in
No. 3VS Lackawanna Avenu',
lgegeniiber der Post,)
Bremsern,
Maschinisten,
Handwerkern,
M t n e r n,
Taglöhnern,
i i
James Blair, Präsident.
James Archbald, ? m>„
J o h n H. S u t p h i n, j Vice-Prafidenten.
Oscar E. Moore, Tashier.
Direktoren und Verwalter.
James Blair, John Handley,
JameS Archbald, Sansord Grant,
John H. Sutphtn, T. F. Hunt,
Daniel Howell, George Fisher,
JameS S. Slocum.
Scranton, 3. Okt. 1867.
John Rosen, Kiifrr,
ton und Umgehend zur Anfertigung von allen in
sein Geschäft einschlagenden neuen Arbeiten. Re
paraturen werden ebenfalls prompt und >ur Zu
friedenheit besorgt.
Zu erfragen «icke der Eedar und Alderstraße,
11. Ward, oder in Herrn Robinsons Brauerei.
21n7 John Rosen, Küfer,
Eröffnung.
Anzeige, daß ich die seiner Zeit von Hrn. Povenz
geführte Wirthschaft, in Lackawanna Avenue,
und mich bestreben werde, durch
dlttums ,u erwerben. Ein großer Saal?eht Ge-
Hack.
CommercialHaus.
Geschäfts-Karten.
C. Q. Carman, Händlerin
PineßrookKohlen
Office in No. 109 Penn Avenue,
2jlB Scranton, Pa. !j
F?D. C ollins,
RechtS-Anwalt,
Peter Creter,
HanS-, Sckild-,
FreSco- St Ornamental-Maler,
Fredr. W. Günster,
deutscher Advokat u. Rechtsanwalt,
Office in Hull'S Block,
Lackawanna Avenue, nahe der neuen Brücke,
2908 Scranton, Pa. ba
Ä. V. Konarson,
deutscher Uhrmacher er Juwelier,
Wyoming Ave., gegenüber dem Wyoming HauS,
Scranton, li>. Jan. lBkk ba
G. Merrisüeld,
Advokat und Sachwalter,
Scranton, Pa.
Office in John Zeidlcr'S neuem Block. Lacka
wanna Avenue. I9mzB
. Freigesprochen!
(Fortsetzung.)
„Nun macht, daß Ihr fertig werdet,"
fuhr der Doctor fort. „Ich bin zum
Waldfchenkwiith gerufen, der Mann ist
ich Mittags bei Euch essen will, bin ich
hergekommen uud will nun gleich einige
Patienten im Thale besuchen. Nach Tische
muß ich nochmals nach dem Schenkwirth
sehen und gedenke dann den Ballhäuser
Omnibus zur Rückfahrt zu benutzen. Es
stnd nur dreiviertel Stunden bis zu un
serm Städtchen, aber in meinem Alter
wlrd man bequem und heißt die Fahrgele
genheiten willkommen."
„Wir erwarten Sie mit Freuden," sagte
Fedderhof und stellte seine Staubeule in
den Winkel, um dem Doctor das Geleit
bis zur Hausthür zu geben. „Was haben
Sie denn für unfern lieben Gast heute
Mittag, Fräulein?"
„Eine gute Suppe, gebratene Hähnchen
mit neuen Kartoffeln, nebst Salat und
Compot," antwortete Juliane schnell.
„Wollen Sie noch ein Gemüse, so steht
dies zu Diensten."
„Haben Sie Blumenkohl im Garten?"
fragte der Doctor mit dem feierlichen
Ernste eines Feinschmeckers.
Juliane sah fragend Sybillen an. „Die
Menge, Herr Doctor?" sprach diese. „Er
ist in diesem Jahre schöner, al« je."
„Dann bitt ich noch um Blumenkohl!"
erklärte der Doctor.
„Den koch' ich," sagte Sybille ganz ver
gnügk. „Ich hab'« von der
gelernt, wie Sie ihn gern essen."
„Bist ein altes gutes Frauenzimmer,"
sagte der Doctor, seine stille Verwunde
rung über diese liebenswürdige Zuvorkom-
klugerweise verbergend.
Er entsernte sich mit dem Hausherrn
und sprach nicht eher ein Wort, bi« er sich
mit ihm in der Hausflur befand. Hier
blieb er stehen, stieß hart mit dem Stock
auf's Estrich und sagte:
„Fedderhof, ich weiß nicht, was ich sa
gen soll! Mir ist wie fchwindlich, wenn ich
die Einwirkung dieses wunderbaren M«d
erwachen fürchte."
„Es sind noch nicht acht Tage und das
ganze Haus ist verändert, die Kinder sehen
ander« au«, Tante Heyden ist wie umge
wandelt, Sie fegen Spinnweben vom Ge
wölbe und sogar da« knurrige, selbstsüch
tige Geschöpf, die Sybille, fängt an, lie
benswürdig zu sei. Wenn diese Juliane
keine Fee ist, so ist sie eine Hexe!"
„Hoffentlich keines von beiden. Mir
erscheint sie als ein gutes, tüchtiges, seelen
volles Mädchen, das durch irgend etwas
mit der Welt zerfallen ist."
„Ja, da« ist richtig. Meine liebe Alte
sagte heute sehr weise, daß da« die besten
Wirthschafterinnen stnd, welche Grund
haben, die Welt mit ihren Freuden nicht
zu lieben. Nur, bester Fedderhof. lassen
Sie die Zügel nicht allzusehr schießen.
Die Krabbelei da hinten im Kreuzgang
hat mir zwar ungeheuer gefallen, allein
in der Ordnung war es nicht, daß Sie stch
so dienstfertig zeigten."
Ein verlegenes Lächeln umspielte die
Lippen de« Hau«herrn.
~E« war ein Scherz, der weiter keine
Folgen haben wird."
„Meinen Sie? Ich bin ein alter Prak
tiku«, Richard Fedderhof, und weiß, daß
die Frauenzimmer da« Eisen stets schmie
den, so lange es warm ist. Was sie dann
einmal in Formen gebracht haben, darauf
fußen sie, wie auf ei» heiliges Recht. Ich
will damit nicht sagen, daß ich fürchte,
Fräulein Juliane würde späterhin von
Ihnen verlangen, mit der Staubeule im
Hause herumzufahren, aber einem Blicke,
einem Worte, einem Wunsche stets will
fährig sein zu müssen, ist eine Marter für'S
ganze Leben."
Fedderhof sah ihn befremdet an. Da
der junge Wittwer nicht ahnen konnte,
daß der alte würdige Doctor fest überzeugt
war, in Julianen die Nachfolgerin der
Gattin Fedderhofs, welche eine entfernte
Verwandte seiner alten Ehefrau gewesen
war, zu sehen, so verstand er diese lehrreiche
Strafpredigt durchaus nicht.
Die Rede halte jedoch so viel Wurzel in
ihm geschlagen, daß er nicht wieder nach
dem Tummelplatz seinerHauSgenossenschast
ging und daß er den ganzen Tag die
Grenzen der Höflichkeit mit Hausherrn
würde schärfer und strenger hervortreten
ließ.
Bei Tische kam der Doctor wieder nicht
aus der Verwunderung heraus. Alles
ging wie am Schnürchen. Die Knaben
saßen altverständig und ehrbar mit am
Tisch. Das kleine Mädchen schlief wäh
rend der Mittagsstunde und verzehrte nach
her mitAppetit sein wohlgewärmtes Süpp
chen. Der Doctor hatte das „eigenwillige
Ding" nie leiden können, als es aber jetzt
so fromm und freundlich auf dem Schooße
Juliane« saß, als es ihn mit den blauen
Augen so schelmisch anblickte und dann
das Köpfchen schäckernd an Julianen ver
barg. da sagte er ganz unwillkürlich:
„Ei, Du bist ja ein allerliebstes Dingel
che» geworden, kleine Jea—gib dem On
kel Doctor ein Händchen I" Ida that es
ohne Furcht und ohne Zögern, griff aber
dann nach seiner Uhr und zog sie an der
Kette geschickt an ihr kleines Ohr.
„Wie spricht die Uhr, Ida?" fragte ihr
Vater lächelnd und sich an dem Erstaunen
des alten Herrn weidend. „Tiktiktiktiktik
—" flüsterte die Kleine unbeschreiblich lieb
lich.
Der Doktor faßte das Blondköpfchen in
„Der Verstand steht mir still I" rief er
in komischer Verzweiflung. „Ist das ein
altes oder ein neues Kunststück?" fragte
er dann. Juliane lächelte und zog ihre
eigene Uhr hervor.
„Hier ist die Lehrmeisterin," antwortete
sie. „Ida sollte still sitzen lernen, dazu
verhalf uns diese Uhr. Es wurde ihr be
greiflich gemacht, daß man die Uhr sehr
leise anfassen müsse, sonst hörte sie auf zu
sprechen; die« hatte denn zur Folge, daß
sie, dicht neben mir sitzend, artig mit ihrem
Püppchen spielte und von Zeit zu Zeit ihr
Ohr an meine Uhr drückte, um zu hören,
ob sie auch noch spräche. Es beschäftigt
ihren Geist ganz sichtlich. Sehen Sie, jetzt
horcht sie am Puppenkopf, ob der spricht
und schüttelt bedauernd da« Köpfchen."
„Haben Sie sich viel mit Kindern be
schäftigt, mein Fräulein?" fragte der alte
Herr.
„Niemals! Ich habe kaum ein kleines
Kind gesehen. So lange ich mit meinem
Vater im Walde wohnte, fehlte mir die
Gelegenheit, und in der Pension, wo ich
erzogen bin, gab e« auch keine Kinder un
ter acht Jahren. Aber ich habe jetzt die
Bemerkung gemacht, daß artige Kinder
die besten ZerstreuungSmittel sind. Schon
das fröhliche Lache» eine« Kinde« erhei
tert mich. Die anmuthige Behendigkeit der
bxjden Knaben entzückt mich. Ich könnte
stundenlang zusehen, wenn sie hüpfen, lau
fen und springen. Aber Alles hat seine
Zeit, meinHerrDoctor. Im Beisein Frem
der, selbst im Familienzimmer würde mich
dergleichen peinigen."
lachte der Doctor. Sie neigte bestimmend
den Kopf. Der Doctor blickte mit gestei
gertem Interesse auf da« junge Mädchen.
kommen. Dabei die Biegsamkeit ihres
Geistes, sich jedem Einzelnen anzupassen
und das Richtige in derßehandlungSweise
aufzufinden.
kleinen Hilfsbereitwilligkeit Sybillen» Ge
rechtigkeit widerfahren; dann gab sie der
Ausgelassenheit der Knaben Spielraum,
und bei alledem beherrschte sie das Haus
mit ihrer Meinung! Der alte gute Herr
begann einzusehen, daß die Zauberkraft
ihres Wesens in einem moralischen Ueber
gewicht begründet liegen müsse. Wie aber
stellte sie sich zu dem Hausherrn, dessen
Eigenthümlichkeiten von ihr respectirt wer
den mußten? Er schärfte seine Aufmerk
samkeit, um darüber in'S Klare zu kom
men. Herr Fedderhof benahm sich wie
schon gesagt, infolge der Standrede, die
! der Doctor ihm gehalten, sehr gemessen.
Die Zuvorkommenheit, womit er Juliane
zu behandeln pflegte, hatte eine gewisse
Förmlichkeit angenommen. Juliane schien
dies nicht zu bemerken. Ihre Aufgabe
war, für Alle« zu sorgen, was die Behag
lichkeit im Hause erhöhen konnte, und die
ser Verpflichtung kam sie unverdrossen
nach. Speciell auf Herrn Fedderhof Rück
sicht zu nehmen, fiel ihr gar nicht ein, ihre
Sorgfalt für die Kinder hinderte sie da
ran. Der gute alte Doctor Bohlen machte
zu seinem Leidwesen die BemerkunA, daß
das junge Mädchen für Fedderhof nicht
größeres Interesse an den Tag legte, als
für die alte Sybille, das heißt, sie sorgte
für feine Verpflegung und überließ es
ihm selbst, sich mit Dem zu versehen, was
zu seiner Leibesnahrung gehörte. „Alles
in dem Mädchen ist mobil, nur das Herz
ist unregbar," dachte er nach diesen Be
obachtungen. „Ihr Gemüth ist sonnig
durchwärmt, ihr Geist geweckt, der Ver
stand mächtig cultivirt und die Bewegun
gen ihrere Seele überströmen sie leicht.
Die Kinder namentlich die kleine Ida, be
leben sich unter ihrer Gemüthseinwirkung
die halb blinde Tante stützt sich auf
ihren Geist und wird nach und nach wie
der wach und brauchbar —Sybille fürchtet
die Macht ihres Verstandes und nimmt
Vernunft an—seltsam, für Richard Fed
derhof hat sie nur den gleichgültigen Blick
einer sechszigjährigen grau, die kaltsinnig
geworden ist. Also ihr Herz hat Schaden
gelitten, vielleicht hängt es mit verzweis
lungsvoller Treue an einem Unwürdigen."
„Haben Sie schon von der Scharfen
beck'schen Mordsache Näheres vernommen,
Fedderhof?" fragte er, von seinem Gedan
ken abspringend.
„Er ist freigesprochen," antwortete Fed
derhof seelenruhig und stellte seine Kaffee
tasse auf das Präscntirbrett, das Juliane
ihm entgegenhielt. Die Tasse klirrte, «l«
hätte eine innere Macht sie krampfhast ge
schüttelt. Fedderhof griff hastig nach dem
Präsentirbrett, das den Händen des jun
gen Mädchens zu entfallen drohte. Sein
Auge hob sich zu dem Gesicht desselben auf
Juliane war todtenbleich und ihr Blick
irrte glanzlos und unsicher durch'« Zim
mer. Es währte nur einen Augenblick,
dann wendete sie sich und ging festen
Schrittes nach dem Tische, wo der Kaffee
servirt war.
Was war das? Halte er sich geirrt?
Hatte das Sonnenlicht ihn geblendet?
ES mußte wohl so sein, denn Juliane
scherzte mit dem Knaben Max und bat
mit ganz unveränderter Stimme die Tante
Heyden um ihre Tasse.
Währenddessen erzählte der Doctor, der
nichts gesehen hatte, daß er einen jungen
Mann, Namens Schmidt, getroffen, wel
cher der Schwurgerichtssttzung beigewohnt
habe.
Glücklicherweise interessirte sich Fedder
hof nicht besonder« für rie Sache und
gleichzeitig drängte die Zeit den redefeli
gen Doctor zum Aufbruch. Das Gespräch
stockte und entete dann in einem beschleu
nigten Abschied des alten Herrn, da der
Ballhäuser Omnibus die Chaussee heraus
rollte.
Juliane hatte den beiden Knaben Max
und Karl schon am Morgen eröffnet, daß
sie unter Nero'S Begleitung einen Streis
zug in den Wald machen wollten. Kaum
wendete der Doctor den Rücken so bestürm
ten sie da« junge Mädchen, Wort zu hal
ten. Sie holten ihre Strohhütchen her
vor und bewaffneten sich mit kleinen Wan
hatte. Juliane verließ da« Zimmer, um
sich zurecht zu machen.
Ruhig schritt sie dahin, ruhig öffnete
sie die Thür ihre« Zimmers, da« sie stet«
innen den Riegel vor, um gegen Überra
schungen gesichert zu sein. Dann aber
stürzte sie, wie gebrochen, vor ihrem Bette
nieder und vergrub ihr Gesicht in die Kis
sen, damit Niemand das convulsivische
Schluchzen höre, womit sich die Marter
ihrer Seele löste. Sie gab sich keine Mühe,
erprobt, oft und vielmals erprobt haben,
daß der Sturm in ihrem Innern austoben
müsse und auch austoben werde.
Ein leises Pochen an ihrer Thür schreckte
sie empor. Sie ordnete hastig ihr Haar
wieder und drückte ihr runde« Strohhüt
chen tief in die Stirn. Dann öffnete sie
und fand die Knaben mit dem großen
Hunde erwartungsvoll und entdeckung«lu
stig vor der Thür.
„Nun kommt, wir wollen unsere Ent
deckungsreise antreten," sagte sie freund
lich. Ihre Stimme verrieth jedoch noch
die kaum bezwungene Aufregung, sie klang
heiser und gedrückt. Was wissen Kinder
von dem Ausdruck eines Leidens in der
Stimme! Sie jubelten und sprangen mit
dem schwarzen Nero um die Wette und
konnten kaum die Zeit erwarten, wo die
Thüren zum Kreuzgang sich aufthun wür
den. Lustig drangen sie vorwärts, al«
Ao. 34.
Sybille da« Schloß mit Mühe ausge
schlossen.
„Ach sieh, Tante Juliane," plauderte
der Knabe Max mit weiser Miene und
trug die Belehrungen de« jungen Mäd
chen« zur Schau, „steh, wa« das jetzt hübsch
im Kreuzgang ist!"
„Wir haben uns aber auch tüchtig ge
quält heut' früh," fügte der fünfjährige
Karl großthuerisch hinzu.
„Wir müssen uns aber auch quälen, wir
müssen arbeiten," entgegnete Mar mit
stolzem Lächeln. „Nicht wahr, Tante Ju
liane, vom Arbeiten wird man gesund und
fröhlich."
„Ja, mein lieber Max Arbeit macht
gesund und fröhlich," bekräftigte das junge
Mädchen. Ihre Stimme klang wieder hell
und klar und ihre Augen halten den un
heimlichen Glanz verloren.
„Und Gott beschützt und liebt die, welche
arbeiten," sprach Max in sinniger Rücker
innerung an Julianen's Belehrungen.
„Und Chocolade gibt'S auch!" bemerkte
der kleine Karl mit glückseligem Lächeln.
Ein kurzes, frohes Auflachen war Juli
anen« Antwort.
„Ja gewiß, mein lieber Karl. Jeder
Aibeiter ist seine« Lohne« werth, verstehst
Du?"
„Und wer arbeitet, gefällt Gott und al
len Menschen," fuhr Max repetirend fort.
De« Mädchens Augen ruheten mit rüh
render Freude auf den beiden Knaben.
„ES wird ja möglich sein, unter dem
Beistande dieser unschuldigen Seelen weine
Vergangenheit zu bekämpfen," sprach sie
kaum hörbar.
Man war an der Pforte angelangt.
Juliane schob den langen Riegel zurück
und warf die Thür auf. Ein Balsamischer
Hauch überwehte Ihr heißes Gesicht, ein
leises Rauschen hoch oben in den Wipfeln
der Tannen tönte ihr wie eine Verheißung
von Frieden nach dem schweren Kampfe
entgegen.
„Nun —vorwärts," rief sie neu belebt.
„Nero voran dann Ihr Beiden vor.
wärts!"
Nero hatte Menschenverstand. Kaum
hörte er die Worte „Nero voran!" so schoß
er wie rasend in den« schmalen Waldwege
dahin, wurde eine lange Zeit unsichtbar
und kam dann mit lustigem Gebell zurück.
„Der Weg ist frei und sicher. Wir fol
gen dem Hunde," erklärte Juliane und sie
schritten tapfer in die unbekannte Wildniß
hinein.
Der Weg hob sich anfangs allmälig,
dann lief er eben und schnurgerade an ei
ner niedrigen Felswand entlang. Juliane
prüfte das Terrain. Hierher konnte kein
menschlicher Fuß und kein menschliches
Auge dringen. Die steile Felswand, nach
der Ehausee gerichtet, war unersteiglich,
da» Grenzam» gleichsam da« Thor zu die
fem öden Paradiese. Man hörte da« Rol
len der Wagen vom Thale her; man ver
nahm die menschlichen Stimmen, wie von
einem Jenseit«; die Schellen, womit die
Fuhrleute de« Gebirge« ihre Pferde be
hängen, schallten wie ein liebliches, leises
Glockenspiel bis in diese Einöde, aber man
gewahrte nicht« davon.
Langsam drangen die Spaziergänger
weiter vor, der Hund immer voraus, von
Zeit zu Zeit rückwärt« schauend und mit
den Augen blinzelnd, als wolle er die klei
nen Burschen seines Schutzes versichern.
Die Gegend wurde romantischer der
Steg aber blieb glatt und eben, nur wand
er sich jetzt zwischen großen, vom Regen
glatt gespülten Felsblöcken, die gleich Mo
numenten der Vorzeit, theils zerstreut la
gen, theils in Gruppen große Bollwerke
bildeten.
Plötzlich stand der Hund still und schlug
an. Juliane hemmte ihren Schritt, die
Knaben flüchteten elligst zu ihr. Was den
Hund veranlaßte, ei« Lärmstgnal zu ge
ben, konnte sie nicht begreifen, da der Weg
im Abendsonnengolde ganz klar vor ihr
lag und das große Thier auch ganz seelen
vergnügt mit dem Schwänze wedelte.
„Vorwärts, Nero!" kommandirte sie.
Wie ein abgeschossener Pfeil fuhr Nero
vorwärts—er verschwand im Nu.
Erschrocken schrie Juliane hell auf und
die muthigen Bürfchchen begannen zu wei
nen. Da hörten sie Nero lustig bellen.
Man rief ihm zu, denn ihm nachzufolgen
wagte keiner. Nero kam und steckte seinen
dicken Kopf vergnügt aus der Vertiefung,
„Bleibt hier stehen, ich will sehen, was
Nero dort au«splonirt hat," sagte da«
junge Mädchen beruhigt und schritt eilig
nach der Stelle, wo Nero stand.
Lachend kehrte sie zurück.
„Kommt nur, e« ist eine von Fel«blöcken
gebildete Treppe, die in jene Schlucht
führt, wovon Euer Vater gesprochen hat."
Sie stiegen furchtlos bergab und befan
den sich sehr bald in einem schmalen Thal
streifen, den ein Bach durchrieselte. Mäch
tige Bäume beschatteten den Weg, den seit
Menschengedenken kein Fuß beschritte«
(Siehe vierte G«i»e.)