Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 01, 1869, Image 1

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Zweiter Theil.
(Fortsetzung.)
Am Abend >.'vr dem entscheidenden Tage
iWollte Frau von Nibiere eine Promenade
auf dem Äeere machen. Man bestieg cin
Schifferboot und stieß auf die hohe See.
Am Morgen war die Hitze erstickend ge
wesen, aber um drei Uhr erhob sich ein
leichter Wind und erfrischte die Atmo
sphäre.
Die hinausschweifenden Blicke konnten
weiter nichts entdecken, als eine unendliche
WaMfläche. Rechts bemerkte man Taint-
Mandrier, Tamaris, Six-Fonrs, die ganze
Küste, der nichts an poetischer Schönheit
gleicht. Der blaue Himmel begann sich zu
färben, im Westen sah man cin Purpur-
und Flammenbett, in das die Sonne nie
derstieg, majestätisch »nd sicher ihres mor
genden Ausgangs.
Der kleine Ausflug hatte ungefähr eine
Meile im Meer umfaßt. Diese erhabene
Scene hatte in Frau Nibiere ein
frommes Gefühl erweckt. Sie sagte sich,
daß der Schöpser dieser großen Wunder
den Schwachen, den Unglücklichen, den
Unschuldigen nicht verlassen würde.
Gebäude des Arsenals, alle Details des
biere halt« ein- kleines Fernrohr mitge
nommcn. Marie bemächtigte sich desselben
mit kindlicher Lebhaftigkeit. Bei jeder
neuen Entdeckung stieß sie einen Schrei
der Ucberrafchung und Freude aus. Die
yuais, die Häuser, die Matten, die Schiffe
Plötzlich rief Marie:
„Mama, was sind das für rothe Män
ner, welche ich auf den Barken rudern sehe?"
„Es sind Galeerensträflinge," antwor
tete ihre Mutter, das Auge auf Susanne
gerichtet.
„Galeerensträflinge! Und was machen
die?"
„Sie arbeiten, zur Strafe für ihre Feh-
Während dieses kurzen Gespräches ver
lor Frau von Riöiere Susanne nicht aus
den Augen. Diese hatte Marien auf ihre
Kniee genommen. Es war unmöglich, zu
bemerken, ob Susanne etwas verstanden
oder ob ste stch wie gewöhnlich ihrer na
türlichen Zärtlichkeit für Marie hingab.
„Wir wollen morgen hingehen," sagte
Frau von Ribiere zu ihrer Tochter, „und
ste besuchen."
„Um ste zu trösten?" sagte das Kind,
dessen naive Neugier sich in sanftes Mit
leid verwandelte.
„Ja, um ste zu trösten," sagte dir Mut
ter, immer Susanne anblickend, die in ih
rem Stillschweigen beharrte.
„Lazare, es ist spät, kehren wir nach
Carqueiranne zurück!" sagte Frau von
Ribiere zum Ächiffer.
Sie dachte ohne Zweifel, daß diese Vor
bereitung für heute genügend sei.
v.
Frau von Nibiere wurde am anderen
Tage im Arsenal mit ganz besonderer Aus
zeichnung kmpfangen. Ungeachtet Ihrer
natürlichen Schüchternheit und befcheide
nen Stellung al» Frau eines Beamten in
einer kleinen Statt, hatte man für sie
Dame. Sie theilte sich indeß die Ehre
nicht zu, sondern schrieb einen großen Theil
den Umständen bei, welche sie hiehergesührt
hatten und hauptsächlich ter Anwesenheit
Susannens.
Sträflinge die Erlaubniß haben, kleine
Gegenstände, welche ste gefertigt, zu ver
kaufen, und daß man sich darauf in ten
solle.
Zwei Schiffslieulenants von ritterlicher
Höflichkeit wurden Frau von Ribiere als
Führer gegeben. Sie beobachten mit neu
gieriger Sympathie dieses schweigsame
junge Mädchen, deren Schönheit noch die
Idee überstieg, welche ste stch davon ge
macht halten; ihre Augen fragten tiefes
lebende Räthsel, das nicht geneigt schien,
stch errathen zu lassen.
In dem Saal, wo die sabricirtcn Pro
dukte ausgestellt waren, bekundete Su
sanne nicht nur eine kindliche Freude, son
dern auch ein sehr lebhaftes Verlangen,
eine gute Anzahl von diesen Kleinigkeiten
zu besitzen. Dieses Verlangen war der
Eigensinn eines in Kindheit verfallenen
Geniüths.
chein sie vielleicht hier an der Schwelle ei
»er Thür begegnen konnte, hatte sie nur
Sin» für dieses gemeißelte Holz. Ihr ein
ziger Gedanke war, einige von diesen
Körbchen und Schiffchen „en miniatnre"
z» besitzen. Man beeilte sich, sie zu besrie-
Susanne Besitzerin von zwanzig dieser
kleinen Wersche».
Der Augenblick der höchsten Prüfung
näherte sich. Der «ine Lieutenant reichte
Frau von Nibiere seinen Arm, der andere
nahm die Hand Mariens, Susanne ging
hinter ihnen; sie stiegen so die große Treppe
hinauf, welche zum Commiffar des Bagno
führte.
theilt. Marie ungeachtet der Sorglosig
keit ihres Alters, schien zu verstehen, we
gen der Bewegung ihrer Mutter, daß sich
etwas Wichtiges vorbereitete. Allein ging
die arme Tiefsinnige, ohne Bewußsein da
von'zu haben, was man von ihr wollte,
der Arzt und der Geistliche des Bagno,
Marie hatte sich gegen da» Kleid Sn
Man hörte einen schweren Tritt, die
Thür öffnete sich und Jakob erschien.
Diejenigen, welche ihn führten, hatten
ihre Instructionen; sie zogen stch in'S
Dunkel zurück und ließen ihn allein ein
treten.
schone junge Mann, welcher ein Jahr
früher mit so hurtigem und sicherem Fuße
di« Weiden von Ehadelbos und den Wald
von Mescoire durchstrich. Sein Gesicht
hatte die Frische der Jugend verloren,
seine abgemagerten Züge, seine Bleichheit,
de von seinen Leiden. Und doch war es
auch nicht dieser schreckliche Ausdruck sium
mer Verzweiflung, die duldende Haltung
eines ungerecht geschlagenen Wesens,
welche er fast beständig von seiner Verhaf
tung bi« zum Ende seines Processes be
obachtet hatte.
Was in seiner neuen Gestalt in ihm
herrschte, war eine männliche Resignation,
welche nichts gemein hatte mit der Niedrig
keit seiner Kettcngesährten. Unter dieser
Livree ter Schande bewahrte er, was in
dieser schrecklichen Lage am schwierigsten
ist, das Ansehen und die Haltung eine«
Manne«.
Um ihm eine zu heftige Bewegung zu
ersparen, hatte ihn der Commissar von
dem Besuche, den er erhielt, benachrichtigt.
eine Unterredung mit Susanne. Er kannte
schon durch «inen Brief des Herrn von
Esterac die Art de« Wahnsinns, von der
ste betroffen war. Er hatte daher weder
eine zu lebhaft« Fr«ud«, noch «in« zu
schnitrzhafti U«b«rraschung.
ge» dieser Scene mitfühlten, was in sei
nem Herzen vorging. Er ging mit offenen !
Armen auf das junge Mädchen zu und
rief mit erstickter Stimme:
sich an ein Bild zu erinnern, das noch in
ihrer Seele schwebte, wie in einem zer
brochenen Spiegel? Ein Blip kam in ihre
Augen, eine leichte Nöthe färbte ihre
Wangen. Sie that einige Schritte zu ihm
alle Anwesenden glaubten, sie würde
den Namen Jakobs aussprechen, ihm um
den Hals fallen und in diesem Augenblicke
ihre Vernunft wiedererlangen.
Doch so geschah es nicht. war fast
in seinen Armen, als man sie plötzlich,
nachdem sie mit ihm einen befremdenden
Blick gewechselt, zurücktreten sah. Ein
Schrei entstieg ihrer Brust und, die Augen
verdrehend, rief sie:
„Das ist er nicht! Das ist nicht Jakob!
Man hat ihn mir genommen!"
„Ja, er ist es, es ist Ihr Bräutigam
er ist Ihrer würdig Gott wird ihn Ih
nen früher oder später zurückgeben," sprach
der Geistliche und näherte sich schnell Ja
kob. Ungeachtet seines Widerstandes er
griff er seine Hände und legte sie in die
holte ste.
„Ach," rief der Galeerensträfling, „ste
hat leider recht; das bin ich nicht mehr, ich
bin nicht mehr ter Mann, welche» sie ge
liebt hat!"
Und große Thränen rollten ihm über
das Antlitz.
Der Conimiffar glaubte diese traurige
Prüfung abkürzen zu müssen. „Es ist
nichts mehr zu hoffen," sagte er halblaut
zu Frau von Nibiere. *
„Leider! Es ist wahr, ich hoffe nichts
mehr," antwortete sie mit dem Ausdruck
einer tiefen Traurigkeit.
Alles war indeß noch nicht zu Ende.
Nach einem Augenblick des Stillschweigens
ergriff der Commiffar das Wort und, sich
der Reihe nach an den Sträfling und an
das junge Mädchen wendend, sagte er ernst:
„Wir haben nicht auf das Urtheil zu
rückzukommen, aber die königliche Milde
kann die Strafe kürzen. Sie sind uns
durch geehrte Personen empfohlen worden,
edle Herzen nehmen an Ihrem Unglück
Theil und Ihre gute Führung, welche sich
keinen Augenblick, seitdem Sie hier sind,
verleugnet hat, bestimmt uns, für Sie zu
sprechen.
„Ja, Madame," fuhr er fort, während
feine Blicke von>< Susanne zu deren Be
schützerin gingen, „es ist nicht gesagt, daß
Ihre Reise nach Toulon vollständig für
Jakob Boucard verloren ist. Hier ist ein
Gnadengesuch. Die Gründe sind zahlreich,
um auf dieses schuldige Haupt Barmher
zigkeit und Verzeihung herabzurufen. Diese
Petition ist von Allen unterzeichnet, welche
hier irgend eine Autorität sind und mit
Ihrem Schützling in Beziehung stehen.
Wollen Sie, Madame, daß ich das Gesuch
auf dem gewöhnlichen Wege abschicke oder
würde es Ihnen in Ihrer unermüdlichen
Güte gefallen, es selbst zu besorgen? Hier
ist es."
Und er überreichte Frau von Nibiere die
Petition; sie begann zu lesen und freute
sich über die warme Verwendung, welche
sie darin fand, als Susanne sich plötzlich
auf das Papier stürzte, es ihien Händen
entriß und in Stücke zerriß, indem sie mit
einer Mischung von Zorn und Schmerz
ausrief:
„Nein, nein! Ich will nicht! Ich will
nicht!"
diesem neuen Beweis einer Geistesstörung,
für die es keine Heilung gab. Der Abbe
erhob seine Augen gen Himmel, der Kom
missar konnte ein Zeichen von Ungeduld
nicht zurückhalten. Aber er faßte sich als
bald und sagte zu dem Galeerensträfling:
„Das verspätet die Sache."
„Sie hat wieder Recht!" antwortete
Jakob mit einem gewissen Stolz und Su
sanne mit einem langen und tiefen Blick
messend. „Ich sollte nicht durch die Gnade
diesen Ort verlassen."
Man führte ihn ab. Einige Augenblicke
später verabschiedete sich Frau von Ribiere
betroffen und entmnthigt von Denen, de
ren Gedanke dem ihrigen so gut entspro
chen hatte; ste waren ebenfalls entmuthigt
durch dieses doppelte Räthsel zu dem allein
eine Irrsinnige und ein Sträfling den
Schlüssel hatten.
K.
Bei der Rückkunft nach Hause war Frau
von Ribiere nur halb befriedigt. Die
Seebäder hatten bei Marie bewunderns
würdige Erfolge gehabt, indem ste größer
und stärker heimkam; aber Susanne hatte
alle Hoffnung getäuscht und ein wenig
schlechte Laune mischte stch zu dem Mitge
fühl, welches sie ihrer Beschützerin einflößte, i
Ahnt« das Mädchen, daß man sie etwas >
weniger liebte? Oder hatte sich eine neue i
Laune in ihrem kranken Gehirn festgesetzt? !
Thatsache ist, daß Frau von Ribiere,
Ao. 2K.
d welche ihrem Manne und ihrem Bruder
alle Vorfälle der Reise erzählt hatte, bald
bemerkte, daß Susannens Besuche weniger
i häufig und weniger lang wurden. Ganze
, Wochen vergingen, ehe ste wieder erschien.
- Marie, welche sie immer mit derselben
? kindlichen Lebhaftigkeit liebte, fragte ihre
r Mutter unaufhörlich nach ihr. Diese zog
i Erkundigungen ein, und die Nachrichten,
k welche sie erhielt, verursachten ihr Unruhe.
> Sie hatte eine Kammerfrau, Namens
? Rosalie, etwas familiär, wie alle Dienst
boten der Provinz, namentlich wenn ste
t sich genug im Hause festgewurzelt glauben.
, Rosalie war bei Marie als Bonne ge
> Wesen. Man muß das menschliche Herz im
> Allgemeinen und das alter Dienstboten im
> Besonderen kennen, und man wird nicht
über die Eifersucht erstaunen, welche die
! Aufnahme Susannens unddieHinneigung
des Kindes für seine neue Gefährtin ihr
- eingeflößt hatten.
Eines Morgens sah Frau von Ribiere
! ste mit einer wichtigen Miene in ihr Zim
mer kommen. Unter dem Vorwande, die
Möbel abzustäuben oder ihrer Herrin beim
Ankleiden zu helfen, machte ste eine Miene,
wie Jemand, der etwas zu sagen hat und
sich fragen lasse» will. Sie zuckte mit den
Achseln, hob die Augen gen Himmel, stieß
große Seufzer aus und betrachtete Frau
von Nibiere, welche endlich ungeduldig
„Nun, Rosalie, was giebt'S?"
„Man ist sehr erstaunt, Madame, über
die neuen Gewohnheiten, welche Ihr lle>
beS Fräulein Susanne anzunehmen scheint.
Es wird ihr sicherlich ein Unglückzustoßen."
„Was macht sie denn, die arme Irrsin
nige?"
„O, die Irrsinnige! Doch man weiß,
was man weiß! Was ste macht? Sie führt
cin Vagabunden- und Abenteurerleben in
den Feldern. Und was das Sonderbarste
ist, man begegnet ihr stets an den Orten,
welche ihr am »leisten Schreck einflößen
sollten."
„Wo denn?''
„Bci dem Häuschen des unglücklichen
Jakob, beim Priesterfeld, wo Simon Ber
ne» ermordet wurde, endlich und haupt
sächlich bci dem Hofe des Anselm Eosse
ronsse. Der Ort ist ziemlich schlecht im
Rufe; der Bauer hat eine böse Miene und
sein Knecht, cin Pieinontese von Geburt
hat den Schein eines Taugenichts und
schlechten Menschen."
„Das ist traurig, aber cS erstaunt mich
nicht mehr, als das klebrige. Die Ver
nunft nnd das Gedächtniß Susannens
sind Zleich getrübt. Diese finsteren Plätze,
welche uns Furcht einjagen würden, erin
nern sie an das ganze Unglück, »ein ste
zum Opfer gefallen. Wer weiß? Vielleicht
ist es eine fixe Idee, welche sie auf den
Schauplatz des Verbrechens führt. Sie
gtaubt hier irgend ein Andenken, irgend
eine Spur zu finden, das ist es."
„Ja," erwiderte Rosalie; „aber man
hat sie mit dem Piemontesen sprechen
sehen, sich von ihm begleiten lassen, bald
auf den Weg, bald in den Wald. Und
jetzt sagt man, daß er ste liebt. Wenn er
mit ihr spricht, leuchten seine Augen wie
zwei glühende Kohlen unter dem Blase
balg."
„Aber eS ist unmöglich," sagte Frau von
Nibiere, ihre Unruhe verbergend, „daßman
ste ohne Schutz lasse!"
„Die jungen Leute des Dorfes haben
stch schon besprochen, auf Matteo Perondi
das ist der Name des Piemontesen
Acht zu haben. Sie sind entschlossen, mit
ihm ohne Barmherzigkeit zu verfahren,
wenn er Miene machen sollte, den Zustand
Susannens zu mißbrauchen. Aber man
kann sie nicht bewachen von Morgens bis
Abends und von Abends bis Morgens.
Die Berge sind hoch, ter Wald dicht, die
Felder einsam und ein Unglück kommt
so schnell —"
„Großer Gott, weiter fehlte nicht«!"
rief Frau von Ribiere, von einem schreck
lichen Gedanke» getroffen, welcher ihr noch
nicht in den Sinn gekommen war, „Das
Unglück Susannens konnte sich also noch
vergrößern?"
In diesem Augenblicke trat Marie in
das Zimmer, srisch wie eine Rose und leicht
wie ein Vogel.
„Mama, Mama," sagte sie, „als wir in
Carqueiranne waren und ich nicht in'S
Wasser gehen wollte, versprachst Du mir,
wenn ich recht artig wäre, zur Belohnung
Alle» zu thun, was ich verlange. Nun
bitte ich Dich, mit mir auf den Markt
nach Bigan zu gehen."
„Auf den Markt nach Vigan? Was ist
das für eine Jtee!"
„Denke Dir, da giebt es Bären, Hunde,
Papageien, welche .guten Tag!' und ,gu
ten Abend!' sagen, Affen, welche Gesichter
schneiden, aber so drollig, so drollig! Und
die Musik! Die Tambour«! Die Mario»-
»ettentheater! Schöne Herren und Damen
in Wachs! ES ist prächtig! Ach, ich bitte
Dich! Du weißt, daß Tante Sophie Dich
(Siehe «ierte Seite.)