Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 24, 1869, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Scr.inton UocllrM.lt!
3. Jahrgang.
Dr. F. Bodeman,
Eedar Straße,
Im Hause des Herrn Peter Franz.
OPce-Stu.iden, Morgens von S—9
Nachmittag« „ !>—<>
Abends ~ B—98 —9
In Abwescnheit wird Herr Franz Nachricht er
theilen. ?mz7
Dr. Cainill Krejci,
Arzt, Wundarzt u. Geburtshelfer,
Offire in Wyoming Avenue, Kaiser'S Hau»,
ordinirt von l l Uhr Lorinittag« bis Z Uhr Nach
mittags täglich.
Impfung jeden Montag, Mittwoch nnd Frei
tag, von t i Vorm. bis 3 Uhr Nachm. 28n7
Dr.
Deutscher Arzt,
Wundarzt und Geburtshelfer.
"l>lsB°'
Gustav Hahn,
Advokat und Nechts-Auwalt,
"
Januar tBtit>. ba
Chas. Dupout Breck,
Advokat und Sachwalter,
Gesellschaft fähr/fort, zu
Friedrich Schräder,
Fabrikant von sprudelndem Vronk Bier,
Sarlaparilta und Mineralwasser,
liefert.
znlraglich ist. Das Geschäft steht
G. Walter,
S Assec^ra^
Alle Arien von Eon lraNe
Scranton, ZV. Jan. 18KK. 1j
John (Y. Sailor S» Co.,
i^nd^Prov^one»^
M. Green.
Weinen, Square», Cigarren, örc.,
"iiirMbvr UouBv",
«ind lalle zu jeder Au steril, roh
den Linsten SprupS. Sin eleganter Saai für
Damen.
Zu recht zahlreichem Besuch ladet seine Freunde
»i» George Gräber, Prop'r.
Scranl»», t«. Ja». IB6K. da
M-
G ert,
Werlstalle in No. 4 Eliff Straße, Office im
Messingene Hähne, Gußarbeiten, Bierpumpen,
M-d-Ui und jede andere Arbeit pünktlich besorgt.
Sertige Arbeit au Hand »der auf Bestellmi,, an
««fertigt. 25>n8
ocbii-käi.
Pittsburg, Vtncinnati und St. Louis Eiseubahn,
koll IL.
Vermittelst dieser Bahn ersparen Passagiere ia Stunden Zeit, Wechsel in den
Wagen, l<»t> Meilen nach Cinclnnati, ItÄ Meilen nach St. Louis und ZV Meilen nach Chicago.
Dieses ist ebenfalls die kürzeste und schnellste Linienach
Indianapolis, LouiSvillc, Memphis, Mobile, New-OrleanS,
St. Joseph, Kansas llitp, Logansport, Milwauke«, St. Paul,
und nach allen Punkten westlich, nordwestlich und südwestlich.
Drei durchfahrende Auge
„ Alloona, .... 9.45 „ 5.t» „ 9.V5 „
„ Pillsburg, .... 3.M Vorm. ttl.ltl „ 2.45 Nachm.
„ Dennison, .... B.VU „ t.52 Nachm. 7.il> „
„ Newark, - - - - t1,05> „ 4.Z5 „ !<>.3l> „
„ ColumbuS, .... t.15 Nachm. 5.5t> „ tZ.jo „
Ankunft in Cincinnati. - - - ti.3» „ w.-w „ 7.2 N ~
„ Indianapolis, ... 8.55 „ 2.85 Vorm. 8.51> Vorm.
„ LoganSport, - - - tO.iil Vorm. 2.50 „ 9.W „
„ Chicago, .... g.l» Nachm. B.lö „ 2.45 Nachm.
„ Cairo, .... 3.35 „ 3.30 Borm.
„ St. Louis, .... 8.45 Vorm. 3.45 Nachm. Nachm.
LouiSville, .... 1.5« „ 7.3« Vorm. 4.t5 „
„ Nashville, .... 5.2« Nachm. 5.2« Nachm. 3.55 Vorm.
„ Humboldt, .... 12.35 VorM. t«.15 „
„ Memphis, .... 5.3« „ 2.45 Nachm.
„ New-OrleanS, ... 2.«« „ 12.3« „
Ten. Ticket Agent für den Osten, No. 526 Broadway, New-Aork City.
In Scranton kann man TickclS erhallen bei Hrn. O'Eonnor, Office der D., L. n. W. R.R.
In Wilkesbarre bei Hrn. Taylor, Office der Lehigh Valley Eisenbahn. Bap9
Karl D. Nenffer,
K ppen- Fabrikant,
lirlen Hillen und Kappen aller
Art auch Wollwaaren, Spielsachen, Bü-
>c.
Neuffer,
Ganster Sk.tznll,
Großes Mobilien-Lager,
Lackawanna Avenue, Scranton. Pa.
Alle Zeil in großer Auswahl vorrälhly t Bu
reaus, Comniode», Nachttische, gewöhnliche und
AuSzieh-Tische, Bettstätten jeder Ar», Matrazzen
Lokal-Beränderung.
Möbeln! Möbel»!
Griefier Lt Co.,
Scranton, 28. gebr. 186 L.
Vedarstraße Möbel-Wesckäft,
von David Neuis nnd Sohn.
in der Seder Slraßc,
14f?ba David Nenl« und Sohn.
Germania
Lebens- Versicherung« - Compagvte,
zu Nrw-Aork.
Kapital und Ueberschuß, I 77t><tXX> «0
Jährliche« Einkommen s>M,tkXl <»i
Bersichcrungen tili
Der Unttrzkichnete ist Agent für diese Gescll
ihn zi/zahlen/ M. Gehen, Alderman, !
?2,t> Ofsice- PittSlon Avenue, Scr»»ton.
Fischer und Kronzer,
Grveerie» nnd Pr^vifloaen,
Brock Sk Kintz,
Pen» Ave.»
Fainilirn
-2i>oB " Cedar Straße.
Scranton, Luzerne County, Pa., Donnerstag den 24. Zum 1869.
Philip Robinson,
Dranere! und Lagerbier-Salon,
Scranton, 1«. Jan/lBtiL. ba^
George Pfeffer,
Blech- und Eisenwaaren,
tikri, sowie Blechwäaren jeder Art. Preise dillig
und Waare gut. 23agLba
Joseph Ober,
Blech-, Kupfer- ck (sisenwaaren,
L'efen, sowie alle dem Haushall nolbigen
stände, als Messer, Gabcl», Löffel, Lügeleisen
bester Qualität.
empfiehl« er seine aufs dauerhafteste
Hytranl«, Blriröhrrn und Wasserleitungen
jeder Arl. 2ti«zB
Depositen- und Spar-Bank.
Geo. Sanders»» Si Eo.,
1855.
Sechs Prozent Int messen
3«. Januar 1868.
Spart Guer Gelb.
Scranton Sparkasse.
Dieses Institut ist eröffnet in
No. 3«3 Lackawanna Avenu',
Maschinisten,
kommen ist.
Jame« Blair, Präsident.
OScar <!. Moore, Cashier.
LameS Archbald, Sanford Grant,
Job» H. Sutphin, T. F. Hunt,
Daniel Howe», George Aisher,
Jame« S. Slocum.
Scranton, 3. Okt. 18K7.
John Rosen, Küfer,
Zu erfragen Ecke der Tedar und Alderstraße,
lt. Ward, oder ia Herrn Robinson« Brauerei.
2tn7 I»b» Rosen. Küfer.
Kalle Speisen zu jeder TagrSzeil.
Bap3m William Hack.
ComniercialHans.
werdc».'" ' «'«'° s?e."
Gefchäfts-Karten.
C. Q. Carman, Händler in
PineßrookKohlen
Office in No. tl>9 Penn Avenue,
2jlB Scranton, Pa. lj
K. D. Collins,
RechtS-Anwalt,
Officee, No. 30« Lackawanna Avenue (über dem
tvjr7ba Scranton, Pa..
Peter Ereter,
Haus-, Schild-,
Fresco- Lk Ornamental-Maler,
Fredr. W. Günster,
deutscher Advokat u. Rechtsanwalt,
Office in Hull'S Block,
Lackawanna Avenue, nahe der neuen Brücke,
A. V. Konarfon,
deutscher Uhrmacher i 5 Juwelier,
Wyoming Ave., gegenüber dem Wpommg HauS,
Scranton, lv. Jan. IBK6 ba
Deutsche Apotheke,
9apB H. F. Lobrck. lj
G. Merrifkeld,
Advokat und Sachwalter,
in John Zeidler'S neuem Block. Lacka-
Die Raben.
AuS dem Franzöfischen des A. de Pontmartin,
übertragen «on Albert Wittstock.
Zweiter Theil.
(Fortsetzung.)
Von jetzt an kannte die launenhafte
Leutseligkeit Sosannens keine Grenzen;
man bracht« ihr von allen Seiten hübsche
Blumen zu BouquetS, denn man bemerkte
bald, daß dies ihre Lieblingsbeschäftigung
war.
Bald erfuhr man, daß Susanne auch
Geld annahm. Diese neue Eigenheit rief
großes Erstaunen hervor.
Einige meinten, daß sie inmitten ihrer
Geistesverwirrung nicht das Andenken an
Jacob verlöre, und daß sie ein paar Tha
ler sammeln wolle, um sie ihm zu schicken.
Aber nein, die Zeit verging; man fragte
die Posthalterin von Villefort, eine alte
geschwätzige Frau, man sprach mit Herrn
von Esterac und erfuhr bestimmt, daß Su
sanne Alles aufbewahie und nichts fort
schicke.
nun, daß sie diese beiden Ideen festhalten
Geld an Jacob zu schicken? Nein, sie
spielt damit wie die Kinder —o, die Arme!
In diesem herumirrenden Leben bemerkte
man, daß sie eine maschinenmäßige Regel
mäßigkeit beobachte. Alle Sonnabendever
brachte sie in den Feldern und hielt Ernte.
Sie wußte, wo die schönsten Blumen aller
Art wuchsen. Oft sah man sie über die
Felsen springen, leicht wie ein Hirsch,
graziös wie eine Sylphide.
Wenn sie so dahinschwebte, schien »S
denen, welche sie von unten beobachteten,
als würde sie von einer unsichtbaren Macht
über dem Abgrund gehakten. Es war kein
Weib mehr, sondern ein Engel, und diese
häufigen Episoden trugen vollend« dazu
bei, ihr den Charakter einer phantastischen
Erscheinung zu geben.
„Ack, diese Unglückliche! Wenn sie Ih
ren Verstand hätte, würde sie sich schon
tausend Mal den Fuß gebrochen haben,"
sagten die Bergbewohner.
„Habt keine Furcht, sie steht in höherem
Schutz," erwiderten die Frauen.
Aus den Blumen machte sie reizende
BouquetS, etwas wie eine ländliche Poesie
mit göttlicher Schönheit. Sonntags, am
besten gekreidet, aber immer in Schwarz,
ging sie theils in die Landhäuser der Um
gegend, theils nach Vlllesort ausden Kirch-
Platz und bot den vornehmen Damen ihre
Bouquet« in einem niedlichen Körbchen
an. Einige Male sogar, al» die Er«te
eine gute gewesen, als sie die seltensten
Arten der Flora der Sevennen mitge
bracht, ließ sie sich nach Mende fahren und
> erhielt hier doppelte Preise.
Bald wurde sie das allgemeine De
fpräch auch in der Stadt. Jäger aus
der Stadt, welche dem jungen Mädchen
bei der Verfolgung des Wildes begegnet
waren, drückten ihre Verwunderung aus
über ihre Luftsprünge. Sie wurde jetzt
wie ein reines und unschuldiges Opfer
der Liebe behandelt. Man riß sich daher
um Susannen« Bouquet«; man versuchte,
sie zum Sprechen zu bringen, aber ver
geben«.
Am nächsten Sonntag kam Susanne in
die Kathedrale zur Messe, wo sich die ganze
schöne Welt vereinigte. Sie hatte ihre
BouquetS in einem befreundeten Hause
gelassen; sie trat in die Kirche, ohne Je-
mand zu sehen, tauchte ihre Finger in An
Weihkessel, machte das Zeichen und ging
in eine Seitencapelle, wo man sie nieder-
Madame Belviale stieß ihre Nachbarin
an und machte ste auf die Knieende auf
merksam. Bald richteten sich alle Augen
auf sie man weiß, daß die Messe der
vornehmen Welt nur eine Art Rendezvous,
ein gegenseitige« Sichzeigen ist.
„Sie ist die ganze Margarethe im Faust,"
sagte man. Man war überzeugt, daß
Susanne, einmal in der Kirche, in der
Gegenwart Gottes, in den Besitz ihrer
geistigen Fähigkeiten zurücktrete und fähig
würde, zu beten.
Eine Stunde nachher zeigten sich auf
dem Kirchplatzt mehrere Gruppen aus ver
schiedenen Classen der Gesellschaft. Su
sanne ging vorüber, ohne daß sie die
Worte und Bezeigungen der Sympathie,
welche laut wurden, zu beachten schien.
Sie erkannte die jungen Mädchen nicht
wieder, welche ihr freundschaftlich zulächel
ten oder sanft die Augen gen Himmel er
hoben, als wollten sie seine Barmherzigkeit
für die arme Irre anflehen. Sie schien
nur zu bedenken, daß die Gegenwart so
vieler Leute ein geeigneter Augenblick zum
Verkauf ihrer BouquetS wäre. Sie ging,
sie zu holen; als sie zurückkam, war der
Platz fast leer.
Die Gruppe der vornehmen Herren und
Damen war auf Einladung der Frau
de« Präfecten in einem der Salons der
Präfectur eingetreten.
Ein Bedienter erhielt den Befehl, Su
sanne zu suchen. Sie kam und ihre Bou
quetS wurden gut bezahlt. Darauf sprach
man mit ihr von Jacob; man fragte sie,
ob sie ihn nicht gern sehen möchte. Sie
antwortete durch ein lautes Lachen.
In diesem Augenblick trat Herr Anton
Favernay in den Salon. Er hatte vor
gestern seine Ernennung al« General-Ad
vocat in Rouen erhalten und kam, Adschied
zunehmen. Sein Ruhm verminderte sich,
je mehr da» einstimmige Mitgefühl für
Jacob und Susanne sich vermehrte.
Wie versichert wurde, hatte Herr Faver
nay um die Hand der Valentine von
Prangy angehalten. Die Eltern hatten,
ehe sie antworteten, sich über «in« werlh
volle Frage beunruhigt. Sie wollten wis
sen, ob Herr Favernay der Familie der
Marquis von Favernay angehöre. Der
Prokurator hatte geantwortet, daß er es
nicht genau wisse, Se. Excellenz der Sie
gelbewahler dürfte aber im Stande fein,
darüber Auskunst zu geben.
Diese Auskunft hatte nicht genügend
geschienen und der Bewerber war höflich
abgewiesen worden. So wurde wenigstens
die Geschichte erzählt, worüber sich der
Bürgerstand nicht wenig amüsirte.
Beim Eintritt Favernay'S preßte die
gleiche Sensation alle Herzen. Susanne
stand mitten im Salon, den leeren Korb
in der Hand. Sie heftete ihre großen
schwarzen Augen auf den Neuangekom
mtnr» und schien ihn nicht wieder zu er
kennen. Die aufmerksam auf sie gerichte
ten Blick« sahen weder ihr« Wangen er
blrichen, noch ihr« Stirn sich verfinstern,
noch ihr Mieder sich bewegen. Die Da
men berathschlagten sich einen Augenblick
mit leiser Stimme. Bald darauf nahm
Madame Belvial ihr Bouquet, welches sie
auf das Piano g«l«gt hatt«, und, auf Fa
v«rnay zeigend, sagte st« zu Susann«:
„Da, mein Kind, geh und stecke mit
Deiner schonen Hand dies« Blumen in da«
Knopfloch jene« H«rrn."
Susann« blickte sie mit einer naiven
und erstaunten Miene an, ging auf d«n
Mann zu, der zur Verurtheilung Jacob«
sehr viel beigetragen hatte, und ohn« zu
zögrrn, ohn« daß ihre Hand zitterte be
festigt« fi« »ine hübsche Rose an dem Rocke
Favernay'S. Dieser war bleicher als sie.
„Es ist klar," murmelten die Anwesen
den, „st« w«iß von nicht» m«hr, das Uebel
ist unh«ilbar."
Susanne machte ein« Vtrbeugung und
ging hinaus auf ter Trepp« hörte man
sie den reizenden Gesang der Magali an
stimmen, so populär ia jener Gegend
„O Magali, warft Dn in den Liiflei, da« Boge
lein, so wollle ich dein Jäger sein, ich würde
nach dir jagen, o Magali,
O Magali, wärst du ein schöne« Röselein, so
wollte ich der «i-chmetterling sein, ich würde
Unter den Frauen, welche dieser trauri
gen Scene beiwohnten, war ein« von
sünsunddreißig bi« vierzig lahren, welche
sich ein wenig entfernt gehalten hatte.
Ihre Figur bot nicht« Bemerkeniwerthes
und man sah leicht aus der Einfachheit
ihrer Haltung, daß sie nicht bemerkt sein
wollte. Der ganze Reiz ihre« Gesichtes
druck von Sanstmuth und Güte.
E« war eine von den grauen, denen
man manchmal in der Welt begegnet.
Anfang« beachtet man sie kaum, aber wenn
ein Zufall uns ihnen nähert, so sehen wir
gern diese Figur, von der ein inneres Licht
auf uns überströmt. Es ist keine Leid«»-
Frau unsere Schwester wäre.
Diese Dame folgte Susannen auf dem
Schritte nach; sie Holle sie auf der Straße
ein und neben ihr gehend, sagte sie:
„Susanne, mein theure« Kind, wollen
Sie nicht zu mir kommen, sich ein wenig
Susanne machle noch einige Schritte,
wie eine Maschine, und blieb dann stehen.
„Kommen Sie," sagte die Dame, „Sit
sollen meine kleine hübsche Marie sehen,
sie ist sehr liebenswürdig."
Dasselbe Stillschweigen, dieselbe Unbe
weglichkeit Susannen».
„Ach, es ist wahr," sagte ste darauf,
„Sie wissen nicht meinen Namen, ich heiße
Frau von Ribiere."
Sie suchte die Hand de« jungen Mäd
chens zu nehmen; dieses aber zog seine
Hand zurück und antwortete nicht. Di«
Dame fuhr fort:
„Frau von Ribiere, Schwester des Herrn
von Esterac," ß« betonte diesen Namen
mit tiefem Gefühl, „Herr von Esterac,
welcher Sie liebt und welcher, so wie Sie,
sicher an die Unschuld Jacobs glaubt.
Nun, mein Kind, wollen Sie kommen?"
Diesmal leuchtete ein Blitz in Susan
nens Augen, sie heftet« auf Frau von Ri
biere «inen ergebenen und dankbaren Blick,
wie ein Hund, den man liebkos't, nachdem
ihn Andere geschlagen.
Und sie antwortete: ~Ja."
Versetzen wir un» «in«n Monat fpät«r
in «in einfaches Landhaus in der Nähe
von Mende, an dem Wege nach Villefort
gelegen.
einer Art Jnstinct geleitet, hatt« sich all
mntter, hatte Stunde für Stunde alle
Zweifel ihres Mannes in der Angelegen
heit Jakob BoucardS getheilt. Sie hatt«
gesehen wie er zuerst an die Unschuld Ja
kobs glaubte, dann aber war er durch das
bestimmt worden, was man den Augen
schein nennt. Und selbst diesem Augen
schein gegenüber, indem er ganz und gar
seine Pflichten als Jnstruction«richter «r
-pfunden, welch« d«m Eif«r und d«r Ueber«
zeugung Favernay'S schroff gegenüber
standen.
Di«s«r Zustand konnt« Frau von Ri
bicr« nicht «ntgtht«. Sie glaubte sehr
gern, daß diese« Mal die menschlich« Justiz
sich getäuscht habe.
Sie liebte leidenschaftlich ihren Bruder,
welchen sie unaufhörlich zu Jakob« Gun
sten protestiren hörte; der alten Madelai
ne, die Mutter dieses Unglückliche«, hatte
sie ei« treues Andenken bewahrt, dieselbe
hatt« si« in ihrer Kindheit gekannt. Sie
b«obachtet« «ine Art Neutralität, indem
sie sich erinnerte, daß sie, die Frau eines
Beamten, ten Beschlüsse« ihres Manne«
nicht widersprechen dürfe.
Aber ihr« mitfühlend« Seel« sprach lau
ter, als all« di«s« Zurückhaltung; Nirmand
hatt« so viel Mitleid mit Susanne und dem
Verurtheill««, al» Fran von Ribitr«.
Als si« erfuhr, daß in Folge de« schreck
lichen Ereignisse« das junge Mädchen
wahnsinnig geworden sei, al« Esterac, der
erste Z»«ge dieses neue« Unglück«, ihr die
Details erzählte, tndem er kaum seine
Seufzer zurückhalten konnte, fühlte sie sich
von einem unendlichen Verlangen ergriffen,
diesem armen OpferHeilungzuverschaffen.
Wir haben gesehen, wie sie di« erst« G«-
l«g«nheit btnntzle, die sich darbot, um sich
Susann« zu nähern.
Einige Wochen verflossen und bald hatt«
Frau von Nibier« ei««« neuen Grund,
ihren Schützling an sich zu fesseln.
Ihre Tugenden und mütterlichen Zärt
lichkeiten waren grausam geprüft worden.
In einem Zwischenraume »on drei Jah
ren, fast in demselben Alter sech« bi«
siebe« Jahr« war dir ältrst« Sohn und
di« Tochter an «in«r Krankheit gestorben,
welche di« Wissenschaft d«r A«rzt« nicht «r
-gründen konnt«; Fieber oderGehirncong«-
stionkn hatte» in wenigen Stund«» dies«
armen kleinen Wesen unter schncklichen
Krämpfen dahingerafft.
Die Verzweiflung der Frau von Ribiere
bei dem Tode ihres ersten Kindes war so
groß, daß, als sie das zweite verlor, man
ernste Befürchtungen für ihr Leben hegte.
Sie erholte sich langsam wieder und einige
Jahre nachher bracht« ihr ein reizendes
Töchterlein ein« unau«sprechlich« inner«
Fieude.
Als sie da« Kind an ihre Brust drückte,
glaubt« st« in d«ms«lb«n diejenigen zu er
-5 kenn«», welche sie verloren, und mitAengst
lichkeit fragte sie sich, ob dieser hohe Trost
sich nicht wieder in hohen Schmerz ver
wandeln wtrd«.
Ao. 23.
Frau von Ribier», abivrchselnd glücklich
und unglücklich durch dies« hatt«
nur Aug«nblick« der Freude und nicht «i
-neu Tag der Sicherheit. In dem r«iz«n.
den Antlitz ihr«r kleinen Marie schien sie
die Züge Georgs und Luisen« wi«d«rzu
sehen, der beiden Kinder, welche sie beweint«.
Auf den leisesten Schrei, auf den leise
sten Anfall von Husten gab e« Schrecken
und Unruhe ohne End«. E« gab Aug«n
blicke, wo di« süßen Liebkosungen Marien«
sie «rschncktrn wi« «in« Drohung; dann
wi«d«r, wo sie sich vorwarf, Gott«» Zorn
auf ihr Kind zu zi«h«n, w«il si« dies««
mehr liebt«, als ihn. Aufrichtig« Christin,
aber noch mehr Mutter als Christin, bat
ste den Himmel, lieber ihr L«b«n zu n«h
«en und da« Marien? zu schonen, auf je
den Fall aber ihr genug Resignation und
Muth zu verleihen, um alle Prüfungen
ertragen zu können.
Das Ende des Mai brachte «in schmerz
haft«« JahrrSgedächtniß. I« dem Augen
blicke, wo Fra» von Ribiere sich mit Su
fanne verbunden hatte, erreichte Marie
das Alter, welche« für ihren Bender «z>d
ihre Schwester so verhängnißvoll gewes««
war.
Gleich am ersten Tage war «in« lebhaft«
Neigung zwischen dem Kinde und der un
glücklichen Kranken entstanden. Marie
reichte Susannen ihre rosigen Wangen
und, sich in den Armen emporheben las
send, gab sie ihr die Küsse mit jenem hüb
schen Lärmen wieder, welcher zugleich Mu
sik und Sprache ist.
In Gegenwart diese« engelhaften Ge
schöpfe« schien Susanne zu vergessen, was
ihre Seele, den Lauf ihrer Gefühle und
Gedanken gestört hatte, wie ein schnell«»
Lvass«r durch da» Ei» angehalten wird.
Eine große Zärtlichkeit malte sich auf ih
rem Gesicht. Ihr« Worte drückten au»,
wie sehr sie sich an ihrer neuen Freundin
erfreue.
ES lag/(was Rührendes in der plötzli
chen Annäherung dieser beiden Kindhei»
ten; denn die Wesen, deren Vernunft ge
schwächt ist. ohne daß ihr« Narrhrit «in«n
Charakter von Heftigkeit enthält, werden
wieder Kinder; sie haben deren Schwäche,
deren Eigensinn und Anmuth.
Dieser Blitz von Freude und Hoffnung
war von kurzer Dauer. Acht Tage später
wurde Marie schwer krank und die ersten
Symptome erinnerten nur zu genau an
das, was dem Tod« G«orgs und Luisens
vorhergegangen war. Ja dem Haus«
herrschte eine solche Angst, daß man f«lbst
die Fähigkeit verlor, gegen die Gefahr zu
kämpfen. Herr Ribier« irrt« wie ein Ge
spenst von Zimmer zu Zimmer. Der Arzt,
«in der Familie, schrieb zitternd
seine Recepte, er sah das schnelle Fort
schreiten des Uebels.
Die Mutter war verwirrt; sie sah schon
ihre Tochter todt, wie ihr« ander«» b«id«n
Kinder, und diese Hoffnungslosigkeit, d«r
Gedanke ihren Schatz zu verlier««, macht«
st« unfähig zu Allem.
All« Augenblicke «rgriff fl« die glühen
den Hände Marien«, drückt« ihre Lippen
auf ihre Stirn, wo die Schweißtropfen
p«rlten, sucht« in d«m Blicke de« Arzte«
die Tiefe der Gefahr oder da« Lrnchtrn
d«r Hoffnung und si«l dann »itder «rfchöpft
auf ihren Stuhl zurück. Ihr Bruder,
Herr von Esterac, dessen Hingebung und
Festigkeit ihr groß« Hilfe hätt«n l«ist«n
könne», war feit «inigen Tag«» auf einer
begriffen.
In di«f«r schr«ckllchen Krisis blieb allein
Susanne ruhig und konnte l» diesem ver
zagten Hanse unendlich« Dknst« leisten.
Man hätte sagen können, daß in dem
Augenblick«, wo all« Welt um si« de» Kopf
verlor, sie ihre Vernunft wiedererhi«lt.r«in
maschinenmäßig zu leben, bestimmte si« zu
tiner mechanischen Regelmäßigkeit, w«lch«
dem kranken Kind« nur nützt«.
Außerdem hatte Mari« b«i dem «rst«»
Fieberansall so lebhaft di« Pfleg« Susan
nen« verlangt, daß Frau »on Ribier« sich
an si« als die einzige Rettung hielt.
Es war allein Susann«, welch« Mari«»
bestimmen konnt«, wenn e« sich darum
handelt«, mehr od«r minder übelschmeckende
Getränk« zu sich zu nehm«», sich Ei« auf
di« kl«in«n Torturen zu ertrage», welche
der Behandlung der Kinderkrankheit«» so
vi«l« Schwierigkeit«» tntg»gens«tz«n.
Di« n«unte Nacht, sagt« der Arzt, würd«
tntschtidtnd s«in. Nachdem man Herrn
von Ribier« b«schwor«n hatt«, sich riaiß«
Stunden Ruhe zu gönnen, hatt« «r sich
zurückgezogen. Die Mutter und Susanne
wacht««; von zw«i zu zw«i Stund«» mußt«
di« Klein« «inen Trank nehme», bestimmt,
dem Ueb«rgang d«« Fi«b«r« nach d«« Gr
hir» vorzubeugen.
Man kann sich diese Nachtwache leicht
vorstell«n. Ein tiefe« Schweig«» herrschte
draußen, da« Schweigen d«r Sommer
nacht« auf dem Land«. Drin»«« hörte
man k«in ander«« Geräusch, al« da« lick
(Siehe »irrte Seit«.)