Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, June 03, 1869, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    KcrNnto« MockeMM
5. Zahrqang.
Dr. F. Bodeman,
Straße,
Im Hanse des Herrn Peter Franz.
OPcc-Stu.iden, Morgens von B—9
Nachmittags „ 3—6
Abcnds „ B—98 —9
In Abwesenheit wird Herr Franz Nachricht er
theilen. 7wz7
Dr. <?amill Kreje:,
b e u t s ch"e r
Arzt, Wnndarzt u. Kelinrtshclfer,
ordinirt von t l Nhr Vormittags bis 3 Uhr Nach.
Wieden Montag, Mittwoch und Frei
tag, von l I Vorm. bis 3 Uhr Nachm. 28n7
Dr.
Deutscher Nrzt,
Wnndarzt nnd GebnrtSlielfer.
t— von 6—tt. t»sB
(Vustav Hahn,
Adtiokat «nd Nechtö-Anwalt,
WilkeSbarre, Luzerne Co., Pa.,
eisen werden schnell ausgestellt.
Offiee mit Stanley Woodward, Esg., Franklin
1». Januar ba
(shas. Tnpont Brerk,
Advokat nnd Sachwalter,
mä
Friedrich Schräder,
Fabrikant von sprudelndem Crouk Bier,
Sariaparilla und Miiieriiillii»lcr,
Fabrik in Mulberrystraße, zwischen Pen» u. Wyo-
Ale und
chäfle befähigt mich, einen Sarsaparilla zu lie-
Äksnuthkil sedr zuträglich ist. Das Geschäft steht
unter meiner persönlichen Leitung, nnd »olle Zu-
Aufträge, weiche Herrn John Zeibler abge
26ba Fr. Schräder.
L. Stewart Potter, Nachfolger von
G. »H. Walter,
Schiffs- uud Asseruranz-Aqent,
Seranton, 3». Jan. tSK6. tj
Zohn <>>;. Tailor Eo.,
M. Green,
Nlkincn, Cigarren, ölt.,
Dankend für das bisbem'ge Zutrauen, billet er
um Erbaltung desselben in der Zukunft.
t 2. Juli tktiii.—da
4. Ward ffrllber Hvde Park) Seranion, Pa.
Dieses im besten Style kingerichtetk sok! ist Äufnabinr
Äufnabinr von Reisenden bereit.
und kalte Gpenen zn jeder
yetocht; Ire Sodabrnnnen, mit
ein George Grade r, Prop'r.
Seranton, l». Jan. 1»66. ba
atu
VS isi-rt,
Werkstätte in N«. 4 <!liff Straße, Office im
»'kst'Oun^an
PittSbnrg, <stneinnati und Tt. LoiUS Eisenbahn,
II >l> I.N UOII I IZ.
Vermittelst dieser Bah» erspare» Passagiere 10 Stunden Zeit, zwei Wechsel in den
Wagen 1 <»0 Meilen nach Cinclnnati. j »2 Meilen nach «t. Louis und Sti Meilen nach Chicago.
Dieses ist ebenfalls die kürzeste und schnellste Linie »ach
InbianavoliS, LoiiisMe, Memphis, Mobile, New-OrleanS.
St. Josevb, Kansas Eitv, Logansport, Milwankee, St. Paul,
und nach allen Punkten westlich, nordwestlich und südwestlich.
Drei dnrchfnhrende Züge
verlassen HarriSbur,, täglich und stellen ihr- Verbindung nach folgender Zeit-Tabelle her:
Verlassen Harrisdura, - - - Nachm. 12.2» Vorm. 4.15, Borm.
.. Altoona. .... !>„ts „ 5.U> ~ !>.<>s „
Pittsdara, - - - Vorm. ltt.il> „ 2.tü Nachm.
Dennison, - . . B.tXt „ t.52 Nachm. 7.4 t) ~
' Rewark, .... ll,»5 „ 4.25 „ tU,»> „
„ EolumbnS, . . - . 1.t5 Nachm. 5.5» ~ t2.4tl ~
Ankunft in llincinnati, - > » 6.3» „ ttl.j» „ 7.2» „
Indianapolis,- ... 8.55 „ 2.85 Vorm. 8.5» Vorm.
s'oaanSport, ... t».4» Vorm. 2.5» „ 9.4» „
Chicago, .... 9.j» Nachm. 8.1» „ 2.45 Nachm.
" Cairo, .... 3.1t5 „ 3,3» Vorm.
„ St. .... 8,45 Vorm. 3.45 Nachm. l»,»» Nachm.
„ LoU'Svillt, .... t.5» „ 7.3» Vorm. 4.t5 „
„ Nash>.'illt, .... 5.2» Nachm. Nachm. Vorm.
„ New-OrleanS, ... 2.»» „ 12.3» „
dlc ekt von nach i"t! ohne
S IKIIiIiDIi.
«Neu. Ticket Agent für den Osten, No. 526 Broadway, New-Zlork City.
In Scranton kann man Tickets erhalten bei Hrn. O'Tonnor, Office der D., L. u. W. N.R.
In WilkeSbarre bei Hrn. Taylor, Office der Lehlgh Valley Eisenbahn. Bap9
Karl D. Neuffcr,
K ppen- Fabrikant,
tirten Hülen und .kappen aller
Art auch Wollwaaren, Spielsachen. Bü
ch e r ic. kalte. Bestellungen dcuische und >
<Y>i,ister St Hüll,
Großes Mobilien-Lager,
Lackawanna Avenue, Scranton. Pa.
Alle Zeit in großer Auswahl voiräthlg» Bu
reaus, Commode», Nachttische, gewöhnliche und
Slu?;icl,.Tische, Bettstätten jeder Art, Mattazzen
und dillig, als die Zeituniständ« e« «r-
Kommt und beseht Euch unsre Waare»!
Scranton, t». Jan. iBkk. ba
Lokal-Veränderung.
Möbeln! Möbeln!
Grießcr St Co.,
Scranton, At. gebr. 18Lti.
<scdarsiraf-c Möbel - Geschäft,
woselbst ste »ine gute Auswahl von Tischen, Stuh-
Nf7ba David Neuis und Sohn.
Germania
Lrbcns-PkrslchrniiiftS-ssompapvtc,
zn ?kcw-Ae>r?.
Kapital und Ileberschuß, K 77», M» »»
Jährliches Einkomme» stl»,tXXl »»
Versicherungen t7,iX>»/XX) tX>
Fischer und Kroujer,
Verkäufer von
(Hroeerien nnd Provisionen,
w, Rutsche
Brock Ä Äintz,
Penn Ave.»
Groeeries <K Provisions,
hakten die besten Sorten von Familien-Mehl, so
wie Roaaenmebl, destSndig auf Lager.
Teutsche Früchte und alle sonsiiacn i» unser
Fach einschlagenden Artikel,
ü« wird deutsch gesprochen. Züjrg
Oute nnd Kappen.
«tniem verehrt.u deutschen Publikum hiermit
d.e ergebene Anzeige, las, ich stc.s ci» au-aewahl.
teS von Hillen und Kappen Vorratbig halte
und zu den billigsten Preisen verkaufe
s'"°'" "pari., oder
auf Bestellung neu angefertigt.
John Schilling,
WoB Cedar Straße.
Scranton, Luzerne Cou»tt>, Pa., Donnerstag den 3. Znni IBW.
Philip Robinson,
Drauerei und Lagerbier-Salon,
l». l?>
George Pfeffer,
Blech- »nd Eisentvaaren,
Joseph Ober.
Blech-, Kupfer- «K Eisenwaaren,
bester Oualilat.
jede/Art. ' 2KmzB
Depositen- und Spar-Bank.
Etablirt >Bss.
3». Januar tBW.
Spart Gner Geld.
Scranton Sparkasse.
Maschinisten,
Handwerkern,
M t n e r n,
Taglöhnern,
Weibern,
John H. S?l^bn',.! Bice-Präsidenten.
OSear E. Moore, Tashier.
James Archbald, Sanförd Grant,
John H. «utphin, T. g. Hunt.
Daniel Howell, George Fisher,
S^anton.3, Okt. MiT^
5nV
21 »7 Johu Rosen, Küfer.
Cröffnnng.
Commereial Haus.
werde». (tf9) il Harle» Boss»,
»s- Geschäfts-Karte».
C. -Li. Carman, Händlerin
PineßrookKohlen
Office in No. i»!> Penn Avenue,
2jlB Scranton, Po. lj
F . D . <5 o l l i n s,
NechtS-AilwlUt,
Peter Creter,
Hans-, Schild-,
FreSco- L 5 Ornaniental-Maler,
Fredr. R 5. Gnnster,
deutscher Advokat u. Rechtsanwalt,
Office in Hull'S Block,
Lackawanna Avenue, nahe der neuen Brücke,
2908 Scranton, Pa. ba
A. <5. Kvnarson,
deutscher Uhrmacher S> Juwelier,
Scranton, lv. Jan. 1866 ba
Deutsche Apotheke,
418 Lackawanna Avenue,
schrägüber dem Wyoming Hause,
!>->pB H. F. Lobeck. >j
<K. Merrisield,
Advokat nnd Sachwalter,
Die Raben. '
übertragen von Albert Wittstock.
Erster Theil.
(Fortsetzung.)
Am nächste» Morgen rollte ein Wagen
in vas Dorf und brachte den Staatsanwalt
Favernay und den Untersuchungsrichter
von Ribiere aus Mende. Beide Männer,
obwohl bei denselben Geschäften thätig,
glichen sich durchaus nicht.
Herr von Ribiere war nicht mehr jung.
Ein Kind des Landes, sehr intelligent, aber
ohne Ehrgeiz, war er einer von dtn Beam
ten, welche in demselben Ressort leben und
sterbe», ohne daran zu denken, ihre Talente
auf einen größeren Wirkungskreis auszu
dehnen. Er liebte seinen Stand und be-
Schlusse einer Untersuchung einen Unschuld
digen anstatt des Schuldigen getroffen
hatte. Vor zehn Jahren hatte er die ältere
Schwester des Herrn von Esterac geheira
der ältesten Familien des Landes.
Favernay war ein junger »nd geistvoller
Pariser und wurde höchsten Ortes sehr be
vorzugt. Ihm kam es hauptsächlich darauf
an, überall seinen Scharfsinn glänzen zu
lassen, und jedes neue Verbrechen sollte
ihm zu seinem Avancement dienen. Ein
„wohl reussirteS" Verbrechen nannte er
ein solches, das ihn eine Stuse höher
brachte. Er war ein Mann von Welt,
eleganter Tänzer, Pianist und Sänger,
dessen Mund manchen Abend von senti
mentalen Romanzen überströmte. Es ist
unnütz, hinzuzufügen, daß ihm die kleine
Stadt Mende ein langweiliges Exil zu
sein schien. Um daraus so schnell als mög
worden wäre, um ihm Gelegenheit zu
tüchtigen Untersuchungen zu geben.
ches mir Ehre machen soll!" und Nibiere
sagte: „Man muß sehen!"
Sie machten zunächst den traurigen
zeichnet hatten, hielten sie an. oder
drei Mal glaubte Herr von Nibiere zu be
merken, daß die Größe der Fußstapfen nicht
immer dieselbe war. Man konnte daraus
schließen, daß der Mörder nicht allein ge
wesen, und ein leiser Zweifel hätte zu Gun
sten Jacobs entstehen können, aber dieser
Beweis war zu schwach und der öffentliche
Verdacht so stark.
Man war zu dem Häuschen gelangt.
Jacob batte hier unter den Augen der
Gensd'armen die Nackt zugebracht, eine
schreckliche Nacht; seine Erschütterung war
so tief, seine Angst so groß, daß er nicht
einmal die Kraft hatte, an feine Verthei
digungsmittel zu denken.
Die Beamten traten ein und schritten
zum Verhör.
Jacob konnte nur durch eine absolute
Verneinung antworten. Er hätte, sagte
er, den ganzen Tag im Wakde zugebracht,
sehr weit vom Schauplatz des Verbrechens.
Aber damit war »och nichts bewiesen.
„Um welche Zeit sind Sie ausgegan
gen?" fragte Herr von Nibiere.
„Um acht Uhr," sagte Jacob ruhig, im
Bewußtsein seiner Unschuld.
„Gut," fiel Favernay ein. „Her Duc-
los," wandte er sich zum GerichtSarzt, „um
welche Zeit meinen Sie, daß der Mord
begangen sei?"
„Zwischen sieben und acht Uhr haben die
Holzhauer den Leichnam gefunden, er war
noch warin; der Mord ninß also zwischen
sechs und sieben Uhr Morgens begangen
fein."
„Was haben Sie zu antworten?" fuhr
Favernay, zu Jacob sich wendend, mit
Dieser antwortete nichts. Die Beschul
digung war so natürlich, der Schein so
offenbar, daß es in seiner Seele arbeitete
wie ein leichtes Gift im Körper. Es war
nur zu leicht, diesen bleichen iungen Mann
mit den verschwommenen Augen, dem ver
störten Gesicht und dem bezeichnenden
Stillschweigen für einen Verbrecher zu
halten.
Jedermann bezeichnete ihn als den Ri
valen uud Feind des OpferS; seine natür
liche Energie war durch eine schlaflose
Nacht, durch ein Chaos von Räthseln und
Gedanken und durch den schrecklichen Ver
dacht gebrochen, der auf ihm lastete und
auf welchen er nichts zu antworten wußte.
Hatte Jacob vierundzwanzig Stunden
früher ein wildes und finsteres Aussehen,
so schien er jetzt böse und verrucht.
Diesen Augenblick des Stillschweigens
benutzte Herr von Ribiere zu einer Betrach
tung, welche gut gemeint war.
„Ist es das erste Mal, daß ich Sie sehe ?"
fragte er ihn.
„Nein, Herr Richter," stotterte Jacob.
„Sie haben mich bei Herrn von Esterac ge
sehen, meine Mutter war seine Amme ge
wesen."
„Aber Ihre Mutter war eine sehr brave
Frau!" rief Herr von Ribiere, dessen Erin
nerniig erwachte. „Was ist aus ihr ge
„Sie ist todt."
Es lag in diesen Fragen, welche fast in
einem väterliche« Tone gethan wurden, et
was wie eine Leuchte der Hoffnung, wie
eine Zuflucht gegen die allgemeine Be
schuldigung. Vielleicht hätte der Unglück
liche unter diesem balsamischen Einfluß ein
wenig vou seiner Festigkeit und seinem kal
ten Blute wieder erlangt, wenn nicht ein
neuer Verdachtsgrund, schrecklicher als alle
übrigen, dazwischen gekonünen wäre.
Während des Verhörs mußte der Bri
gadier im Zimmer auf Befehl seiner Vor
gesetzten Untersuchungen vornehmen. Er
schien dies nur der Form nach zu thun,
wenigstens zeigte er dabei eine gewisse
Nachlässigkeit, denn er konnte nicht glau
ben, daß Jacob so dumm sei, Beweise des
Verbrechens bei sich zu behalten. Jacob
sah mit gleichgiltiger Miene zu.
Man sah unter das Bett, in den Stroh
sack, in die Matratze, unter den Schrank,
unter die Kommode
aus und zeigte Jacob den blutigen Geld
beutel mit de» Worten:
„Ah, Schurke, willst Du noch leugnen?"
gende Bewegung, wie wenn er, durch den
Schein besiegt, nichts weiter zu thun hätte,
als den Schuldigen der Strenge der Ge
rechtigkeit zu überliefern.
„Man rufe die Zeuge»!" sagte Faver
naz» mit seiner heißenden Stimme.
Die Verwandten und Freunde Simon
Vernou's, welche sich vor der Thür dräng
ten, wurden eingelassen. Alle erkannten
die Ledertafche Simons; sie war zerrissen
uud blutbefleckt.
„Erkennt Ihr diesen Beutel für den,
welcher dem Ermordeten gehörte?" fragte
Herr von Ribiere, welcher fast erröthete,
daß er bis jetzt eine Art wohlwollender
Neutralität beobachtet hatte.
„Ja, Herr Richter."
„Und Simon trug ihn gewöhnlich?"
„Jmnier. Wir hörten ihn sagen, daß
er ihn stets bei sich trüge wie einen Talis
mann."
„Und wie viel schätzt Ihr, daß darin
war?"
„Oh, Hunderte und Tausende! Gold
Herr Richter! Goldstücke von ganz beson
derer Form, wie wir sie hier zu Lande noch
nie gesehen haben. Ich erinnere mich ei
nes Abends, als Simon stark getrunken
hatte, da ließ er uns eins sehen. Das war
so groß wie ein großer Sou und hatte das
Portrait eines König» darauf, der weder
Napoleon, noch Ludwig 18. war."
„Simon Vernou hatte also außerhalb
Frankreich gedient?"
„Ja, er Halle in Spanien den Feldzug
von 18-2 mitgemacht."
„Jacob Boucard, was habt Ihr darauf
zu sagen?" fiel plötzlich Favernay ein, sich
kurz gegen den Beschuldigten wendend.
Neues Stillschweigen. Seine Blässe
wurde leichenartig. Endlich stürzte er her
vor:
„Meme Herren, was soll ich sagen? Ich
weiß nichts, ich habe nichts gethan, nichts
gesehen; es waltet hier ein teufliche« Ge
hcimniß. Ich weiß »ohl, daß ich verloren
bin."
Hier wandte sich Herr von Ribiere zum
Prokurator und fragte ganz leise:
„Aber das Geld oder Gold?"
~Er Hat'S versteckt, ohne Zweifel im
Walde. Hat er uns nicht gesagt, daß er
arm ist wie Hiob und daß seine Armuth
ihn von dem jungen Mädchen trennt, wel
ches er liebt?"
„Nun, und der Geldbeutel?"
„Er hat nicht Zeit gehabt, ihn einzu
scharren. Wissen Sie denn nicht," fuhr
Favernay mit leichter Ungeduld fort, „daß
dieser Mensch noch dachte, einen langen
Tag vor sich zu haben; daß er gestern
Abend, ehe er in sein Zimmer eintreten
konnte, von der aufgeregten Bevölkerung
gepackt wurde und daß die Gensd'armen
ihn die ganze Nacht bewacht haben? Muß
man einen so alten und erfahrenen Be
amten, wie Sie sind, an die geheimniß
volle Fügung der Vorsehung erinnern,
welche selbst In den dunkelsten Sachen fast
immer ein Detail refervirt, um die Gerech-
Der InstruktionSrlchter duckte das
Haupt, wie Jemand, der es aufgiebt,
eine verlorene Sache zu vertheidigen.
Favernay dagegen fühlte sich in seinem
Elemente. In dem Maße, als die Ver
dachtsgründe sich entrollten, als immer
schwerere Anzeichen auf den Angeschul
digten niedersielen und als die dramati
schen Umstände das Verbrechen für die
öffentliche Aufmerksamkeit empfahlen, in
dem Maße rief der Staatsprocurator sich
zu: „Ich Hab'S gefunden!"
Für ihn schien die Schuld Jacobs ohne
den leisesten Zweifel festzustehen, und er
berechnete schon Im Geiste den Vortheil,
den er durch seine Beredsamkeit daraus
ziehen konnte. In diesem Augenblicke be
merkte er, daß eine Person an dem Gan
zen des Gemäldes fehlte, und er sagte da
her zu den Umstehenden:
„Aber man spricht von einer Frau
einem Mädchen, welches zu dem Mörder
wie zu seinem Opfer in Beziehung ge
standen?"
„Ja, Susanne Servaz!" riefen mehrere
Stimmen.
„Es ist unsere Pflicht, sie zu Hefragen.
Wo Ist ste?"
„O, sie wird nicht weit sein," sagten die
Zeuge».
„Wohlan, m n fche sie «n 112 h si
Susanne war in der That nicht weit.
Sie war am frühen Morgen fortgegan
gen, hatte den Weg durch den Wald ge
nommen und wollte nicht nach Villefort
zurückkehren, ohne Jakob einen Augenblick
gesehen zu haben.
Man weiß, mit welcher Schnelligkeit
die bösen Gerüchte sich fortpflanzen und
mit welcher Gefälligkeit die Unbetheiligten
die von dem Unglück Betroffenen davon
benachrichtigen. Auf dem halben Wege
von Mercoire nach Fontanes begegnete
Susanne Bauern, welche ihr die Ermor
dung Simons, die Arretirung Jacobs
und die Ankunft der Richter mittheilten.
Sie erbleichte. Diese Nachricht machte
sie verwirrt, und mit zitternder Stimme
sprach ste:
, Doch nicht im Streite? O, der Un
glückliche!"
„Ein Streit? O, nicht doch! Er hat
Simon gestern früh anfgelauert und ihn
ermordet, auf seinem Acker, auf dem Prie
sterfeld."
Das junge Mädchen fühlte sich ruhiger
bei dieser Nachricht. Sie war sicher, daß
Jakob nicht so feige war, einen solchen
Mord zu begehen, sie sagte sich, daß er
ohne Zweifel das Opfer eine« Mißver
ständnisses sei und daß es nicht schwer
sein würde, seine Unschuld zu beweisen.
Sie verdoppelte ihre Schritte, aber ein
böses Omen begegnete ihr und vergrößerte
ihre Verwirrung.
Um zu dem Häuschen des Forsthüters
zu gelangen, mußte ste vor einem einsamen
und öden Bauernhofe vorbei. Das war
die Wirthschaft des Anselm Eosserousse;
er bearbeitete sie mit Hülse des Piemonte
se» Matteo Perondi.
Ihre Beziehungen zu Susanne be
schränkten sich auf das Nothwendigste:
Guten Tag und guten Weg, da« war
Alles. Diese beiden Menschen, von denen
der eine tiefsinnig, der andere leidenschaft
lich war, mißfielen ihr. Außerdem ward
ihre jungfräuliche Scham durch den frechen
Ausdruck beleidigt, welchen sie Inden Blik
ken Perondi'« zu lesen glaubte.
Wenn Susanne ein weniger reines Ge
wissen und eine weniger feste Seele gehabt
hätte, so würden sie diese beiden Physiog
nomien erschreckt haben.
Durch einen besonderen Zufall traf sie
Eosserousse und seinen Helfer auf ihrem
Wege. Hinter der Ecke des Gehöftes, wo
der Fußweg vorbei ging, schienen sie Je
mand zu erwarten.
„Haha, schönes Kind!" rief Eosserousse.
„Wohin so schnell? Zum Geliebten? Wenn
Du ihm folgen willst, mußt Du entweder
Ao. 22.
nach Toulou auf die Galeeren oder auf den
Kirchhof gehen."
Sie antwortete nicht, aber in diesem
Fieberzustande, in welchen ste dieser dop
pelte Schlag —Simons Ermordung und
Jacobs Verhaftung—versetzt hatte, machte
diese Begegnung auf sie einen Eindruck, den
Sie wandte sich ab und ging vorüber,
aber als sie sich dem Häuschen näherte, er
wartete sie eine neue Prüfung. Die Dorf
bewohner befanden sich in der Nähe, neu
gierig, was das Untersuchungsgericht be
schließen würde, und einigt v»n ihnen, die
Susanne begegneten, stießen Schimpfwort«
gegen sie aus. Da waren alle Redner aus
dem Wirthshaus der Eoueourde: Vincent,
der Schmied, der Bauer Oueyranne, Cha
quynon, Vialat, Marc Eurel, der alte
Soldat des Kaiserreichs, und alle Vettern
des Dahingeschiedenen.
Susanne war noch einige hundert
Schritte von dem Hause entfernt. Sie
wurde förmlich verfolgt. Ihr Ruf war
zu rein, als daß man sie der Mitschuld zu
zeihen gewagt hätte, aber man kannte ihre
Liebe, welche sie sich keine Mühe gegeben
hatte, zn verbergen, und es konnte nicht
fehle», daß diese aufgeregten Menschen
ihren Zorn sie fühlen ließen.
„Komm doch, komm doch!" rief Vincent.
„Du fehlst noch."
„Komm nur," fügte Chaquynou hinzu,
„und zeuge zu Gunsten des schönen Kna
ben, welcher uns in's Gefängniß schickt
für einen Hasen, und welcher die Leute
todtschlägt, die Ihn in feinen Liebschaften
geniren."
Susanne schritt vorwärts, ohne die Au
gen oder den Kopf zu drehen.
„Ja, es ist traurig," sagte Oueyranne,
welcher plötzlich hinter einem Baumstämme
erschien; „von Deinen beiden Geliebten
wird der eine heute Abend begraben, und
der andere ist ein Frühstück für die Gull-
Susanne ging immer ruhig weiter.
„Bedenke wohl, was Du aussagst!" rie
fen Vialat, Claudius und Matthias.
„Wenn Du lügst, um diesem schönen Mör
der das Leben zu retten, so hast Du es
mit uns zu thun; Du kannst Dich nicht
mehr sehen lassen, die Kinder des Dorfes
weiden mit Sleinen nach Dir werfen."
Das jung« Mädchen war nur noch fünf
zig Schritte von der Thür entfernt.
Nun wurde es immer ärger. E« war,
als öffne sich jeder Baum, um Beleidigun
gen, Drohungen und Verhöhnungen zu
schleudern.
Die Gruppen sammeltenstch, mankonnte
vor Lärm nichts mehr hören. Susanne
war das Zentrum dieses sonderbaren Zu
ges geworden, welcher, ohne ihr Uebles
zuzufügen, sich mehr und mehr um sie
drängte und sie vorwärts stieß.
So kam sie an dem Hause an, wo die
Gensd'armen die Menge von ihrer Beute
vertrieben. Wenn ein Zeuge dagewesen
wäre, der für dieses traurige Bild einen
passenden Vergleich gesucht hätte, so würde
er Susanne mit Charlotte Eorday vergli
chen haben, die nach ihrem heroischen Ver
brechen durch die wilde Horde zum Revo
lutionS-Tribunal gezogen wurde.
Diese Fluth von Beleidigungen und
Drohungen hatten Susanne sehr aufge
regt. Ihre Haltung glich in nichts derje
nigen Jacobs.
Aufrecht, die Stirn hoch, das Auge feu
rig, stolz, die Wangen gcröthet vom En
thusiasmus, wie hätte ste als
Modell für eine Statue des Schmerzes
dienen können, aber eines Schmerzes, wel
cher allen Prüfungen und allen Schrecken
Stand hält.
Sie war so schon, daß alle Anwesenden
eine übernatürliche Erscheinung zu sehen
glaubten. Jacob zitterte, er heftete einen
Blick auf sie, wandte aber schnell die Au
gen wieder ab, unfähig, diesen neuen
Schmerz zu ertragen.
Der Eoininissar und die Gensd'armen
flüsterten sich unter einander zu: „Teufel,
da lassen sich die Messerstiche erklären!"
Herr von Nibiire empfand ein Gefühl der
Pietät heim Anblick von so viel Schönheit
gegenüber dem großen Unglück. Was Fa
vernay bettifft, so betrachtete er zunächst
Susanne mitder Bewunderung de« Künst
lers als Kenner, als Pariser, ter so schöne
Blumen in dem rauhen Terrain de« De
partements der Lozere nicht vermuthet
hatte. Darauf war fein herrschender Ge
danke der, daß Susanne den schönsten
Schmuck seines Triumphes abgeben sollte.
Im ersten Augenblicke sah und hörte
das junge Mädchen nichts von Allem,
was um sie vorging. Ein einziger Gegen
stand beschäftigt ihren Blick, ihre Seele,
ihr ganzes Wesen; sie betrachtete Jacob
Zärtlichkeit und Vertrauen, und ihm ein
leichtes Zeichen mit der Hand machend,
sagte sie:
(Siehe vierte Seite.)