Pennsylvanische Staats zeitung. (Harrisburg, Pa.) 1843-1887, July 12, 1866, Image 1

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Jahrgang 1.
Die
, PennsylvanischeStaats-Zritung
Joh. Georg Nipper,
erscheint jeden Donnerstag, und tostet 82.00
per Jahr, zahlbar innerhalb dcsJabrcs, und
Ä.AO nach Verstuß des Jahrgange.
Einzelne Ercmplaren, 3 Gents per Stück.
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als,-sechs Monaten angenommenauch kann
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sen inscrirt.
Officcn: in der „Patriot nd Union"
Druckerei, Dritten Straße, Harrisbarg, und
in der „JntrUigcncer" Druckerei, am Centre
Square, Lanraster.
PM'siss.
Der 'Rosenstrauch.
DaS Kind schläft unter dem Rosenstrauch,
Die Knospen schwellen im Maicnhauch:
ES ruht so selig, es träumet so süß
Und spielt mit Engeln im Paradies.
Die Jahre vergehen.
Die Jungfrau steht am Rosenstrauch,
Umspielt von der Blüthen duftigem Hanch !
Sie preßt die Hand auf die schwellende Brust,
Erglühend in wundcrseliger Lust,
Die Jahre vergehen.
Die Mutter kniet vor dem Rosenstrauch,
Die Blätter säuseln im Abcnbhauch;
Sie denkt an vergangene Tage zurück,
Die Jahre ergehe.
Entblättert trauert der Rosenstrauch,
Die Blüthen verweht im Herbsteshauch;
Die Blätter welkten und fielen ab
Und deckten flüsternd ei stilles Grab.
Die Jahre vergehen.
Feuilleton.
Pcunsylvanisch.-Dcutsche Rache.
Von
A. Douai.
(Schluß.)
Die beiden Frauen Aeu--
Berste betroffen, man sab, daß sie an diese
Wahrsagungen glaubten. Aber sie woll
ten in ihrer so plötzlich erregten Unruhe
noch viel mehr wissen. Eva war uner
müdlich im Wahrsagen, da sie sah, wel
chen Eindruck sie gemacht hatte. Aber
endlich lvurde die Neugier der Weiber
auch ihr zu arg, sie verlangte ihre Be
lohnung, welche reichlich aussiel, und
zog sich mit ihrer Gefährtin, der Schwä
gerin, unter Segenswünschen zurück, in
dem beide den Waldpsad bergauf ein
schlugen.
„Ich glaube, selbst Jacob hätte uns
in dieser Verkleidung uicht erkannt," rief
Eva, als sie daheim der Schwiegermut
ter den glücklichen Esrolg ihrer Maske
rade erzählte, und während sie die alten
rothwollenen Lumpen von sich warf und
sich die mit zerquetschten Nußblättcrn
angemalte braune Farbe vom Gesicht
wusch. „Die „Eberin" glaubte an mich,
wie an'S Evangelium."
„Eva kann alle Tage Komödiantin
werden," versicherte ihre Schwägerin Sa
bine. „Wo sie's nur gelernt hat? Ich
bin beinahe vor Angst vergangen."
„Ihr seid Herzcnotöchtcr!" rief die
alte Mutter frohlockend und rieb sich die
Hände. „Jetzt also werden wir wohl
von dem „Seehund" und seinem ganzen
Hause Ruhe haben. Aber ist euch ans
eurem Wege Niemand begegnet, der et
was verrathen könnte?"
„Niemand," war die Antwort, und die
drei Frauen waren voll geheimen Jubels.
Als Conrad nach Hause kam, fand er
Mutter und Schwester sehr verändert.
Sie waren übereingekommen, ihm den
Besuch der Zigeunerinnen z verheimli
chen, weil sie mit Recht besorgten, er
würde ihre Wabrsagcrci lächerlich machen
und sich nicht daran kebren. Er konnte
nicht umhin, zu bemerke, daß sie ihn
Tag und Nackt auf Schritt und Tritt
bewachten. Wenn er nach der Bachseite
hinausblickte oder ging, so rief ihn ge
wiß alsbald die eine oder andere ab und
hatte ein Geschäft für ihn. Wenn er
das Gespräch auf die „HöllenbrandS"
brachte, so lenkten sie so fort die Rede auf
etwas Anderes. Sie lasen ihm häusiger
als je die Bibel vor, oder bewogen ihn,
sie für sich zu lesen, und sie luden häufi
ger als sonst den Pfarrer ein, Conraden
mit geistlichem Zuspräche zu erquicken,
indem sie ihm zu verstehen gaben, dieser
habe Anlagen zur Geisteskrankheit. Sie
verboten dem Gesinde, die Chrispel's ge
sprächsweise zu erwähnen, oder ihnen den
geringsten Streich zu spielen. Sic selbst
wagten nicht einmal mehr auf die Nach
barSleute hinzudenken oder anzuspielen,
geschweige denn Neckereien gegen sie aus
zusinnen. lind wenn Conrad irgend et
was Dummes odcrUnzusammcnhängen
des sprach, so sahen sie sich in ängstli
chem Bedenken einander an, als besorg
ten sie, der prophezeite Wahnsinn werde
bei ihm zum Ausbruch kommen. Des
Nachts schliefen sie nur abwechselnd; eine
von Beiden mußte unablässig wachen
um vor dem Kehlabschneiden und Hirnzer
schmettern sicher zu sein; und oft schlt
che sie aus den Fußspitzen um seine
Kammerthür oder um sein Bett. So
trieben sie's ohne mit der Zeit in ihrer
Wachsamkeit zu erlahmen, bis das ge
fährliche Jahr vorüber sein würde.
Conrad konnte sich, wie gesagt, das
Alles nicht erklären und wurde immer
besorgter für ihr leibliches und geistiges
Befinden. Sie fielen vom Fleisch, sie
wurden nervös, ihre stierend ihm nach
folgenden Blicke schienen ihm lauernden
Wahnsinn zu bedeuten. Und so begann
auch er wachsam über sie zu werden, ih
nen auf Schritt und Tritt zu folgen und
des Nachts unruhig zu schlafen. Das
galt wiederden Frauen für ein verdäch
tiges Zeichen der seinem Geiste drohenden
Gefahr. So war Even'S Plan durch
aus erfolgreich diese drei Menschen
waren verhindert, sie und ihr Haus län
ger zu beunruhigen.
IV.
Unsere Leser haben gesehen, daß Con
rad für einen Bauer ungewöhnlich scharf
sinnig war. Die stete Wachsamkett der
Rachlust hatte ihn dazu gemacht. Es
geht ja überhaupt in derWclt mchrGeist
und Scharfsinn darauf, um Verbrechen
zu erzeugen, als um das Gute zu thun;
es wird mehr Genie verschwendet, um dir
Tyrannei, das alte Unrecht, den Glau
benswahnsinn aus alter Zeit zu stützen,
als dazu verwandt wird, die Menschheit
geistig und sittlich vorwärts zu bringen.
Conrad legte sich endlich planmäßig
darauf, das Geheimniß zu ergründen
welches das Benehmen seiner Mutter und
Schwester umgab. Es gelang ihm einst,
daß seine Mutter im unruhigen Schlafe
die Worte: „Zigeunerin batte Recht
er wird verrückt!" rufen zu hören. So
fort verfolgte er diese schwache Spur mit
einem bewundernswürdigen Aufwände
von Fleiß und Scharfsinn weiter. Na
türlich ließ er den Seinigen davon nichts
merken.
Er frug vorsichtig bei allen Nackbarn
in der Runde, ob Zigeuner zu der Zeit
in der Gegend gewesen seien, als er ver
reist war. Niemand hatte davon gesehen,
als ein kleiner Junge, der zufällig ober
halb seiner Farm am Backe, da wo der
Steg hinüberlag, Nüsse und Vogelnester
auf de Bäumen gesucht und sich ängst
lich vor den seltsam aussehenden Gestal
ten versteckt hatte. Jetzt forschte er jen
seits des Gebirges, ob die Zigeunerinnen
von dort gekommen wären und hier
war nicht die mindeste Spur von ihnen
zu finden. Es war also ganz klar, daß
sie nur von der Chriöpel'schen Farm her
gekommen sein konnten.
Jetzt war er soweit, daß er Mutter und
Schwester zum Reden zu bringen und
enttäuschen zu können Aussicht hatte.
Er fing es schlau genug an, indem er ei
nes Abends mit dein ruhigsten Tone von
der Welt begann: „Eigentlich verdient
ihr kein Mitleid, weil ihr euch so grob
täuschen läßt. Wie kommt es, das ihr in
den beiden Zigeunerinnen nicht auf der
Stelle Höllenbrand's Frau und Schwe
ster entdeckt habt?"
Den Frauen gingen rasch die umdü
sterten Augen auf, und sie erzählten nun
haarklein Alles, was die vrrme intlichen
Zigeunerinnen gesagt, gethan und wie sie
ausgesehen hatten. Sie wunderten sich
jetzt über ihre Verblendung, daß sie den
Betrug nicht eher erkannt hätten. Zum
Ueberfluß erfuhr man, daß Eva von ei
nem Hausirer rothen Flannel kurz vor
jener Zeit eingehandelt habe, genau von
der Art, mit welcher sie angethan gewe
sen waren, und daß sie in der nächsten
Apotheke nach einem schwarzen Farbe
stoffe für das Haar gefragt hatten. So
viel Verdachtsgründe genügten unseren
drei Schellenberger zur völligen Ge
wißheit.
Man kann sich die Erbitterung vor
stellen, mit welcher sie jetzt der langen, so
schrecklich verlebten Monate gedachten,
während deren sie einander halbwahn
sinnig geglaubt hatten. Alle jene schlaf
losen Nächte, alle jene trüben Besorg
nisse, alle jene verlorenen Frohstnnsstun
dcn sollten und mußten an den Urheber
innen so vielen Jammers gerächt, zehn
fach heimgesucht werden. Aber wie? —
es war Eile vonnöthen. Denn die zwei
Dienstjahre des Jacob'Sschen Regiments
nahten ihrem Ende, und der „Höllen
brand," der Conrad nicht den Gefallen
gethan hatte, in einem der vielen erbit
terten Gefechte zu bleiben, welche seine
Truppen durchgemacht hatten, wurde
demnächst zu Hause erwartet. Conrad
hoffte allerdings noch immer, sein Geg
ner werde bei ChancellorSville einen
Denkzettel bekommen haben, und kaufte
sich alle möglichen Zeitungen, welche Li
sten der in den dortigen Gefechten Ge
tödtetcn und Verwundeten enthielten, in
der stillen Hoffnung, unter den Einen
oder den Anderen dem Namen Jacob
Chrispel zu begegnen; aber umsonst.
„Unkraut verdirbt nicht!" rief er jedes
mal, oder etwas dem AehnlicheS, wenn
er ein solches trügerisches Zeitungsbtatt
>in die Ecke schleuderte. Endlich kam die
bestimmte Nachricht von der baldigen An
kunft des Regiments in seiner Heimath,
und rings in der ganzen Umgegend rü
steten sich die Verwandten und Freunde
der wiederkehrenden Krieger zu ihrem
festlichen Empfange.
Conrad saß wie aus Kohlen, verwarf
einen Nacheplan nach dem andern als zu
handgreiflich und plump nnd schlug sei
nen Hirnschädel, der ihn diesmal im
Stiche zu lassen drohte, wiederholt mit
der schwieligen Faust.
Als er endlich das Richtige gefunden
zu haben glaubte, da hätte man das
Grinsen seines Gesichtes, das Fletschen
seiner Eckzähne, das Blinzeln seiner
schlauen Augen sehen müssen! Er sagte
aber seinen Frauenzimmern kein Ster
benswörtchen von dem, was er vorhatte.
Jacob war endlich mit dem Ueberblieb
seln seines Regiments im County-Orte
angekommen. Stundenlang vorher war
die halbe Bevölkerung der Umgegend dort
zusammengeströmt, um ihren Empfang
zu feiern. Ehrenbogen waren errichtet,
weiß gekleidete Jungfrauen zierten einen
Triumphwagen, und ein anderer Wagen
war gefüllt mit einem Musikcorps, aus
Geigern nnd Posaunen bestehend, wel
ches „Heil Columbia!" spielte. Dießür
gcrmiliz war ausgerückt, und die Schul
jugend war ausmarschirt. Indeß wartete
der „Eber" ungeduldig in seinen vier
Pfählen, bis der Chrispel'sche Wagen,
mit allen Insassen des Hauses gefüllt,
abgefahren war, um Jacob einzuholen.
Und während Alles, was de geringsten
Funken Vaterlandsliebe hatte, die helden
müthigen Vertheidiger der Unionssache
ehren ging, schlich Conrad, nachdem er
sick vorsichtig davon überzeugt, daß kein
Mensch auf der Chrispel'schen Farm zu
rückgeblieben sei, hinüber, um einem der
bravsten Landesvertheidiger einen gifti
gen Nachestreich zu spielen. Er tröstete
sich vor seinem bösen Gewissen, welches
ihn des Wortbruchcs zieh, mit dem schein
heiligen Gedanken, Hacob sei ja zurück
gekehrt, und die Frist der Übrsehde sei
abgelaufen.
Jacob war wieder in den Armen seiner
Eva; er hatte mit Entzücken seinen klei
nen Jungen umarmt, den sie ihm entge
genlaufen ließ; er hatte beide und Mut
ter und Schwester fast erdrückt, so jubelte
in ihm jede Fiber bei der Freude deö
Wiedersehens. Er war, nachdem unter
wegs ihm von den Frauen haarklein Al
les von dem Verhältnisse zu Schellenber
gcrS erzählt worden war, auf scinerFarm
wieder eingetroffen. Aber ebe er noch
seine Felder besehen ging, ehe er noch
das erste Mahl am eignen Herde wieder
schmeckte, äußerte er seinen Wunsch, hin -
über zu gehen und sich bei Conrad dafür
zu bedanken, daß er so ehrlich sein gege
benes Worr gestalten habe, und nur mit
Mühe hielten ihn die Frauen davon zu
rück, indem sie darüber, ob dies wirklick
der Fall gewesen, ihre Zweifel äußerten.
„Gleichviel!" rief Jacob. „Ich will
aller Feindschaft zwischen meinem Hause
und seinem ein Ende machen. Wenn
das Vatereand sich seiner Todfeinde er
wehren soll, muß daheim Alles einig sein.
Ich bin dieser ewigen Häkeleien mit dem
Nachbar müde." Und er ging schnur
stracks hinüber.
„Conrad Schellenberger," rief er
warm, als er bei ihm eintrat, „ich kom
me, dir zu danken, daß du in meiner Ab
wesenheit mit meinem Hause Frieden ge
halten hast. Was meinst du? wollen
wir nicht das Tomahawk zwischen uns
begraben und gute Freunde für alle Zeit
werden? Hier ist meine Hand, schlag
ein!"
Conrad stand in schwer beschreiblicher
Verwirrung da. Tiefe Schamröthe über
goß sein ganzes Gesicht —er wollte spre
chen, aber konnte nur unverständlich
stammeln. „Ich will mir'ö bis morgen
früh überlegen," sagte er endlich und
drehte Jacob den Rücken zu.
Dieser fühlte eine so mächtige An
wandlung von cdelmüthiger Wärme, daß
er eben einen Versuch machen wollte, sei
nen Gegner vollends zu erweichen, als
die alte Schellenbergerin und ihre Toch
ter zwischen Beide traten, und einen
Strom von bitteren Schmähungen los
ließen, der den verständigen Jacob zum
eiligen Rückzüge nöthigte.
Am nächsten Mvrgen früh, als die
fleißige Eva sich leise von ihres Gatte
Seite stehlen wollte, um das Räderwerk
der Haushaltung in Gang zu sehen,
kreischte die Diele, auf welche sie beim
HerauSsteigcn aus dem Ehebette trat, so
laut, daß Jacob troh ihrer Vorsicht er
wachte.
„Sieh, fleh," sagte sie, während er sie
in seinen Armen fing, „der Hausvater
hat und lange und überall gefehlt. Ich
glaube in deiner zweijährigen Abwesen
heit und während ich bei der Mutter und
Schwester schlief, haben die Ratten oder
Mäuse die Träger unter den Diele zer
fressen. Du solltest einmal nachsehen,
was es da auszubessern gibt. Es ist gar
zu garstig, wenn ich allemal beim Auf
stehen dich um den Mvrgenschlummcr
bringen soll."
„Wollen sehen," sagte er, noch schläf
rig. „Aber laß doch die Dielen „kroa
ken," wenn nur die Frau nicht „kroakt."
Sie küßte ihn zärtlich und sagte: „Das
soll sie niemals, so wahr ich nie der alten
Schellenbergerin gleichen möchte. Aber
wie hübsch dir der Soldatenbart steht."
„Und wie hübsch dir das Kind am Bu
Harrtsburg, Pa., Donnerstag, Jnli 12, 18V.
sen steht. Ei, wie viel habe ich versäumt
und wieder einzubringen. Und da denkst
du, ich soll im Bette liegen bleiben, wäh
rend du schön Wetter im Hause machst?
Ei, lieber soll die Diele kroaken und
mich wecken!"
Er sprang rasch auf seine Füße, um
der davoneilenden Gattin zu folgen.
Aber unter seinem kräftigen Tritt wich
das Bret, schlug um und gewährte ihm
einen Anblick, den er, wie er spricht, in
seinem Leben nicht vergessen wird.
—ln dem breiten Loche im Fußboden
stand ein länglicher schmaler Kaste ein
gelassen, und in dem Kasten lag das
Gerippe eines Kindes.
„Großer Gott! was ist das?" rief
er dumpf und bestürzt. Und der starke
Mann, der auf keinem Schlachtfelde ge
zittert hatte, zitterte am ganzen Leibe,
sah abseits, wieder hin und so mehrmals,
ehe er den Muth gewann, den furcktba
ren Gegenstand näher zu untersuchen.
Keine Täuschung seiner Sinne war
da möglich. Es war ja Heller Tag. Er
riß das kleine Fenster auf, ließ die frische
Morgenluft herein, rieb sich die Augen
und Schläfe und —das Gerippe war
uoch immer vorhanden. Es war allem
Anscheine nach das vollständige Knochen
gerüst eines kaum halbjährigen Säug
lings, fleischlos, hautlos ein Anblick,
überall anders geeignet, im menschlichen
Beschauer tiefes Mitleid und leichtes
Grausen zu erregen, aber an dieser
Stelle gesunden, zehnfach ergreifender,
da es ein geheimes Verbrechen anzudeu
ten, als stummer Ankläger von jenseit
des Grabes aufzuerstehen schien. Jacob
war so sehr außer sich, daß er nicht ein
mal rufe konnte.
Dieser Fußboden war, wie das ganze
eheliche Schlafgemach vor zwei lahren
neugebaut erst seit jener Zeit konnten
diese menschliche Uebcrrcste dabin versetzt
sein. Wie sollten sie dahin gekommen
sein? Kein Mensch fand hier so leicht
Zutritt als Eva —wäre es möglich, daß
sie in seiner Abwesenheit sich vergangen
und diesen Beweis ihrer Schuld hier ver
borgen hätte? —Aber ein eher Him
mels Einsturz vermuthen!
Und doch hatte ihm gestern noch Eva
selber mit lächelndem Munde erzählt,
und Mutter und Schwester hatten sich
darüber fast ausgeschüttet vor Lachen,
daß Eva im Gerede mit Job Hiller ge
standen hatte. Das Gerede war so lä
cherlich —und hier schien eS eine furcht
bare Bestätigung zu erhalten!
Und doch hatte ihn soeben och Eva
selbst zur Untersuchung deö Fußbodens
aufgefordert!
Es schwindelte ihm —er versuchte län
gere Zeit, vergebens seine Gedanken zu
ordnen, nm in der Sache klar zu sehen.
Er schaute das Gerippchen an, und
seine mächtig erregte Einbildungskraft
bekleidete cS ihm mit Fleisch und Haut,
und es nahm ihm eine unverkennbare
Aehnlichkeit mit Eva und Job Hilter
an!
Er schauderte und wollte in'ö Freie,
um sich zu sammeln; aber indem er dies
ausführen wollte, schoß ihm der sehr
vernünftige Gedanke durch den Sinn,
daß er, wenn es hier ein Verbrechen zu
entdecken gäbe, das Geheimniß vorläufig
vor Aller Augen verbergen müßte, bis er
sich klar wäre, was in der Sache zu thu
sei.
In dieser surchtbarcnLage galt cö die
vollste Besonnenbeit, das sah er zur
Stelle, und rasche Entschlossenheit, da er
jeden Augenblick das Kommen eines
Dritten zu besorgen hatte —und mit hel
denmüthiger Stärke kämpfte er alle seine
unklaren Gefühle nieder und rang nach
Licht im Geiste.
„ES ist unmöglich", sagte er zu sich
selbst, „daß hier eine Verschuldung
EvaS vorliegen sollte. Sie selber
ist dir Bürge dafür; allein wäre sie es
nicht, wie hätte sie vor meiner Mutter
und Schwester die Schuld und ihre Fol
gen geheim halten wollen? und was in
aller Welt könnte diese Beiden verhin
dert haben, in Briefen, wie es andern
falls ihre Pflicht gewesen wäre, mir rei
nen Wein einzuschenken? — Aber es ist
Verrath an deiner Frau, ihr AehnlicheS
nur entfernt zuzutrauen!"
In diesem Augenblick wirbelte Eva'S
helle Stimme unten ihren Morgenge
sang durch das Haus. Das klang so
frisch und fröhlich, wie uur ein Natur
kind ohneSchuldbewußtsein fingen kann.
Mit jedem Tone zog tiefere Beruhi
gung in Jakob's noch eben trostlose
Seele ein.
„Eva, Eva," rief er stürmisch, als sie
verstummt war, durch's Haus. „Komm
herauf, ich bitte dich!"
„Willst du uicht lieber einen Augen
blick herunter kommen?" rief sie entge
gen. „Conrad Schellenberger ist hier
und will dich sehen."
„Conrad ist hier?" rannte Jakob sich
selber zu. —„Ha, das Räthsel ist gelost!"
Es liegt hier ein Schurkenstreich von
ihm vor—er glaubt ihn entdeckt—er ist
durch mein freundliches Entgegenkom
men gestern gebessert—irre geworden in
seiner tückischen Stimmung." Und noch
immer wankenden Schrittes stieg er lang
sam die steile Treppe hinab
Da stand Conrad, wie gestern, ein
Bild der Verwirrung und ganz unfä
hig Jakob's durchdringenden Blick zu
ertragen.
Eva und die andern beiden Frauen
entfernte sich aus der Nähe der beiden
Männer, im richtigen ächt weiblichen
Gefühle, daß hier eine Zeugenschaft stö
rend sei, aber nicht ohne in der Nähe
ein wenig zu horchen.
„Und was bringst du mir, Conrad
Schellenberger ?" sagte Jakob eiskalten
Tones, und indem er ihn mit den Bli
cken zu durchbohren schien.
„Ich hab' —ich hab' die ganze Nacht
—nicht schlafen können —ich hab' dir —
schweres Unrecht gethan."
Er hielt, wie gebrochen, inne, und
Jakob, der sonst so cdclmüthig war,
konnte sich diesmal die Genugthuung
nicht versagen, den lautlosen Zuschauer
seiner Demüthigung abzugeben, anstatt
ihn aus derselben herauSzuziehcn.
„Verzeih mir, Jakob, wenn du
kannst—ich weiß nicht hast du et
was iit deiner —Schlaskammer gefun
den ?"
„Ja, ich habe etwas gefunden," sagte
Jakvb ernst und streng, „und wohl dir,
wenn eS kein Mord von dir ist. Woher
hast dn das Gerippe?"
Conrad fand allmählig die Sprache
wieder, er schien ein lebhaftes Bedürf
niß des Beichtcns zu haben. Aber er
schwankte und mußte sich dazu setzen.
Er erzählte, daß er das Gerippe einem
Arzte in einer benachbarten Stadt, der
es als Seltsamkeit aufbewahrt, weil eS
dreizehn Rippcnpaare habe, um hohen
Preis abgekauft, da dieser in äußerster
Geldverlegenheit gewesen sei. Er habe
durch Einsteigen von Außen in die
Schlafkammer, deren Fenster zum Lüf
ten offen geblieben waren, während die
Frauen Jakob entgegenfuhren, in die
selbe gelangen können und Alles so ge
fügt, daß Jakob das Skelett bald entde
cken mußte. Seine Absicht dabei sei al
lerdings die gewesen, Verdacht gegen
Eva in Jakob's Seele zu säen und da
durch ehelicken Unfrieden zn stiften. Er
hätte allerdings bedacht, daß der Fund
des Gerippes leicht zn einer gerichtlichen
Untersuchung hätten führen können; für
diesen Fall hätte er noch immer mit ei
nem Gcständniß, wie das Gerippe da
hin gekommen, sich in'ö Mittel schlagen
können und wollen. Er hätte aber viel
mehr erwartet, daß Jakvb, um Eva und
sein Haus nicht zn beschimpfe, den Fund
zu vertuschen suche und luisäglicheiii na
len der Eifersucht mit sich herumtragen,
und daß die Sache ein tiefes Geheimniß
bleiben würde.
lind man wird gestehen müsse, daß
dieser Bauer ein höchst erfinderisches
Mittel der Rache gefunden hatte, wie es
nur lange Uebnng im Schmieden von
Nacheplänen an die Hand geben kann.
Jetzt saß er ganz zerknirscht vor Jakod
da. „Vergieb, vergieb," stöhnte er wie
der und immer wieder, „und halt' die
Sache geheim, sonst müssen mich alle
ehrlichen Menschen in der Runde ver
achte und scheuen wie die Pest. Und
wenn du noch mein Freund sein kannst,
so sei'S —ich brauche einen Freund sehr
nöthig!"
„Da du von freien Stücken gekommen
bist z gestehen, che dein Rachepla gro
ße Schaden anrichten konnte, so will
ich allerdings vergeben und schweige "
sagte Jakob bedächtig. „Ob ich o ch
dein Freund werden kann—das will ich
—wie du —mir bis morgen früh über
legen. Geh jetzt hinauf, hole das Ge
rippe und entferne es heimlich."
Und Jakob begab sich zu den Frauen
hinein, mußte sich aber vor Erschöpfung
niedersetzen und lange warten, bis er
sich überlegt hatte, wie und wie weit es
räthlich sei, die Frauen in'ö Geheimniß
zu ziehen.
Eva schmiegte sich besorgt an ihn, und
er bedeckte sie mit Küssen, wie um es ihr
abzubitten, daß er, wenn auch nur einen
Augenblick, an ihr hatte irre werden
können.
Die beiden Nachbarn sind mittler
weile Freunde geworden, und Conrad
hat, um ein ewiges Band zwischen bei
den Häusern zu knüpfen, unlängst Ja
kob'S Schwester zur Frau verlangt, die
ihm auch nicht abgeneigt ist.
Der Vater der sein Kind zu Tode
prügelte. Wir erzählten unserer Lesern bc
rcits von dem Prediger Lindslcy in Mcdina,
N. N-, der sein Kind zu Tode prügelte, weil eS
nicht beten wollte. Rochester Zeitungen brin
gen über diese grauenhafte Geschichte folgendes
Nähere:
Die Leiche des Kindes lieferte den Beweis,
welche furchtbare Mißhandlungen dasselbe zu
ertragen hatte. Mehrere Finger waren gebro
chen und das Blut war aus allen Poren ge
strömt. Um das begangene Verbrechen zu ver
heimliche, band der unnatürliche Vater seinem
Opfer die Hände auf den Rücken und legte es
in den Sarg. Während die Aerzte eine Unter
suchung der Leiche vornahmen, saß das heuchle
rische Ungeheuer dabei und sah den Operatio
nen mit dem größten Gleichmuthe zu. Nachdem
er eine Zeit lang so da gesessen, fragte er die
Aerzte, ob sie diese Sache nicht schon weit genug
getrieben hätten. Die Aerzte entdeckten nicht die
geringste Spur einer Krankheit und das Kind
starb lediglich in Folge der grausamen Behand-
lung, die ihm widerfahren war. Im August
wäre da Kind I Jahre alt geworden. Lindsle
rechtfertigt sein Verbreche damit, daß er erklär,
es wäre seine Pflicht gewesen, den Willen de
Kindes zu drecken und er sei dieser Pflicht nach
gekommen. Er wurde verhaftet und nach dem
Gefängnisse in Albion gebrach. Die Polizej
konnte die aufgeregten Bürger von Mcdina nur
mit Mühe abhalten, an dem Mörder sofort
Lynchjustiz auSzuUbcnr. Lindslcy ist etwa fünk
Fuß acht Zoll groß, wohl Proportion, hat ei
cn schwarzen Backenbart und dunkle Gesichts
farbe. Er scheint ein Mann von heftigem Tem
perament zu sein. Der Mord ist da allgemeine
Politisches.
Frei Schiff, frei Gut.
Die Confiscation des Privateigen
thnmö zur See von Bürgern eines Lan
des durch die Seestreitkräfte eines an
dern, mit welchem dasselbe in Krieg steht,
ist Nichts als ein Ucberrest des alten
brutalen Kriegsrechtes, vor welchem we
der Leben noch Eigenthum von Privat
leuten heilig war. Alle Kriege in frü
herer Zeit waren Mord-, Raub- und
Brandzügc. Man denke an Tilly's Zer
störung Magdeburgs und an andere
Schandthaten im dreißigjährigen Krieg,
wo allcine Gustav Adolf von Schweden
den Ruhm genoß, daß er nur mit Be
waffneten Krieg führe. Man denke an
die grausame Verheerung der blühenden
Rheinpsalz durch den schrecklichen Mclac,
den General Ludwigs XIV von Frank
reick. Noch in unsern Tagen hat der
spanische Admiral Nunez die wehrlose
chilenische Stadt Valparaiso in Völker
rechtswidriger Weise einem mehrstündi
gen Bombardement unterworfen, bei dem
Millionen neutralen Eigenthums zerstört
wurden.
Die beiden deutschen Staaten, welche
sich jetzt in Europa mit gezogenem
Schwert gegenüber stehen, um sich gegen
seitig zu zerreiße, haben die Erklärung
abgegeben, daß kein Privat Kauffahrtei
schiff einer feindseligen Nation mit Be
schlag belegt werden soll und haben die
sen Beschluß offiziell in Waschington
angezeigt. Darin heißt es, daß nur
solche Kauffahrteischiffe feindlicher Na
tionen confiszirt werden sollen, welche
Kriegskontrcbande enthalten. Es wird
dieser Beschluß jedoch nur solchen Na
tionen gegenüber gehalten, welche eben
falls das Privateigenthum zur See von
feindlichen Nationen nicht mit Beschlag
belege. Diejenigen Schiffe freilich, wel
che eine Blvkadc zu durchbrechen suchen
werden weggenommen. Bei den Ver
handlungen der großen Mächte über diese
Fragen, welche kurz nach dem Krimkrieg
zu Paris stattfanden, betheiligten sich
auch die Vereinigten Staaten, deren al.
ter Grundsatz war: „Frei Schiff macht
frei Gut!" Die europäischen Seemächte
waren bereit die Güter feindlicher Nati
onen auf fremden Schiffen freizulassen,
unter der Bedingung, daß das Ausge
ben von Kaperbriefen abgeschafft werde.
Mr. Murre, der damalige Sekretär des
Acußcrn, erklärte, daß die Union in An
betracht ihrer schwachen Kriegsflotte den
Vorschlag nur annehmen könne, wenn
jedes Kauffahrtci - Schiff nebst Ladung
(wenn eS leine Kriegskontrcbande trägt)
frei sein sollte von jeder Confiskation.
Diese amerikanische Forderung ist jetzt
von den Mächten anerkannt worden, wel
che in Europa am Vorabend des Krie
ges stehe, und so darf sich die Union
das Verdienst zuschreiben durch ihre Vor
stellungen dies alte barbarische Seekriegs
recht zu milderen Formen umgewandelt
zu haben.
Steuerbczahlcr, denkt daran!
Die dem Congresse vorliegende „De
ficiency-Bill" enthält, wie das „Mount
Vernon Banner" bemerkt, mehrere cu
riose JtemS, welche für die Steuerbezah
ler des Landes interessant sind.
Ein Item besteht aus
30, SV Dollars
zur Bestreitung derLincoln'schcnLeichcn
kostcn; ein anderes beläust sich ans
100,000 Dollars
für den Ankauf des Ford'schen Theaters
zu Waschtngton, worin Lincoln ermor
det wurde; ein drittes betrifft
70,000 Dollar
für die Wieder - AuSmöblirung des
„Weißen Hauses^.indem zur Todeszeit
Lincoln'S alle wcrthvvllen Gegenstände
durch „loyale" Diebe daraus gestohlen
wurden. Dann wieder kömmt ein Item
von etwa
,.000 Dollars
vor, welche einer „loyalen" jungen Da
me für die Sammlnng gewisser statisti
scher, die Armee betreffender Notizen
zum Geschenke gemacht werde sollen.
Wenn die Steuerbezahler, mögen sie
Demokraten oder Republikaner sein, die
Fortdauer eines solchen corrupten und
verschwenderischen Systems verlangen,
dann brauchen sie blos die radikale Dis
unionö-Partei im Amt zu belassen,
aber wenn ihnen eine ehrliche und spar
same Staatsverwaltung lieb ist, dann
müssen sie die Aboltonisten-Faktion aus
der Gewalt treiben.
Stimme, cht der Reger gegen Herr
schaft der Weißen.
Die radikalen DiSunionistcn in
Pennsylvanien fühlen sich jetzt völlig
glücklich und zufrieden gestellt, weil es
ihnen zuletzt gelungen ist, die Ne
ger-Frage vor das Volk zu bringen.
Viele der temporisirenden Brüder
wollten dem „kitzlicheu Punkte" aus
weichen und sich auf eine JanuS-
GesichtS-Platform stelle, aber die arro
ganten Führer gaben dies nicht zu. Hr.
T. Stevens knallte gewaltig mit seiner
Peitsche und alle „furchtsamen und tem
porisirenden Seelen" fielen auf ihre
Kniee und flehten um Pardon. Er
verlangte ein offenes Visir, und stellte
Geary auf seine Platform. Alle fügten
sich natürlicherweise und willigte ein,
so daß wir jetzt Geary und Neger-
Stimmrecht auf der einen, und
Clymer und Weißen-Herr
schaft auf der anderen Seite haben.
Immer lustig vorwärts!
allen Erscheinungen uuseres öffentlichem politi
scheu LcbenS das Wie und Warum zu
destillircn sich bemüht hat, bemerkte uns jüngst
in seiner kaustischen Weise:
„Jedem Menschen der einen eigenen Kopf und
eine vernünftige Ansicht hat, muß cS klar gewor
den sein, daß in unseren Tage eine Verhältniß
mäßig kleine Anzahl puritanischer Pfaffen Ame
rika regiert."
Was immer man von dieser etwas derben
Ausdrucksweise denken mag, so bringt uns nichts
dcstoweniger jeder Tag neue Beweise für die
Richtigkeit de Satze. So jammert z. B. ein
deutsch radikales Blatt von PittSburg unterm
Datum des 7. Juni wörtlich wie folgt:
„Am Dienstag Abend haben die Temperenzler
„in der zweiten U. P. Kirche in Allegheny bei
„einer Wasserbrunst an ihren Wasser
„pfohlen^werden/
„Alle Kneipen sollen geschlossen, alle Zabrika
„tum des „Geistigen" unterdrückt, und die Rc
„über Bord geworfen ertränkt
„werden. In Anbetracht solcher Wühlereien,
„ist eS die höchste Zeit, daß sich die „Freunde
„socialer Freiheit" regen, und dieser drohenden
„Wasserfluth die stärksten Dämme entgegen
„setzen. Wo steckt das Erecutiv - Committee?
„ES wird sich doch nicht wieder Einen ange
„trunken haben oder gar katzenjammern ?
O Du lieber guter, gesinnungstüchtiger re
publikanischer Freund und College! Das re
publikanische Erecutiv - Committee, dessen Bei
stand Du in so rührenden Worte anrufst, ha
sich jedenfalls im Stillen „Einen ange
dusselt"; aber erlaß Dich darauf: Eine
Krähehacktder andern die Augen
nicht aus. Wenn eS darauf ankommt, so
wird das Erccutiv-Committee nickt Dich und
dieDcutschen sondern, ganz im Gegentheil,
die Temperenzler der U. P. Kirche unterstützen,
welche ja auch im Stillen einige Dutzende täg
lich hinter die Binde gießen, damit sie desto kräf
tiger über das Laster der Unmäßigkeit losziehen
können. Das ist so die althergebrachte Weise
dieser Augenverdreher!—So treiben sie es jetzt
in Ncw-Nork, in Baltimore, Philadelphia, Pitts
burg, St. Louis und im ganzen Staat Indiana
Auch in unserem Eincinnati ist bereits ein viel
versprechender Anfang gemacht. Zum allgemei
nen Hohngcläcktcr aller derjenigen, welche in
unser geheimes Parteigetriebe näher eingeweiht
sind, brüstet sich unser „swnrtvr" Herr Hassau
reck im Ein. Volksblatte mit dem enormen Ein
drucke, den sein Ticket und sein Wahlprogramm
in republikanischen Kreisen gemacht haben soll.
Thatsache ist indeß, daß die Temperenz Lich
ter von Eincinnati, welche am Mittwoch den 2ö.
Mai in der Christie Chapel Hierselbst cin rouswg
towperauoe mooling hielten, (bei welcher Ge
legenheit der Reverend Bradcn von der M. E.
Kirche in der Carrstraße sich so sehr darüber ent
setzte, daß zwei Knaben sich gerühmt hätten, ein
ganzesGlaS Lagerbier trinke zu
können) schon seit jener Zeit im
Stille an der Arbeit sind, um für
die ausschließliche Nomination und
Erwählung onTemperenzlcrn die
Dräthe zu legen.
Die Heuchler wissen sehr wohl, daß bei unse
rer starken deutschen Bevölkerung eine offene
Agitation schlecht ankommen würde, deshalb ha
ben sie sich auf folgendes Programm geeinigt:
Zunächstmüssen wirunS,unter
was immer für einer MaSke, der
Aemter versichern; dann, wenn wir
einmal daSHeft in der Hand haben
wird das Weitere sich schon finden."
ES ist eine wahre Schmach, daß deutsche Blät
ter, denen diese Wühlereien gewiß ebenso gut
als uns bekannt sind, denselben gegenüber Au
gen und Ohren verschließen, ja gar noch sie be
schönigen oder wegdiSputiren.
„Wir müssen unsere Jugend Ich
ren, dieLiquörhändler zu hassen,"
sagt unser Reverend Broden. Und unter den
Liguörhändlem ersteht er naiürlich zu aller
nächst die Bierbrauer und Bierverkäufer.
„Wenn die Deutschen sich unse
ren Temperenz - Maßregeln nicht
unterwerfen, so werdenwirmit
den Sklavenhaltern des Südens
sertiggeworden sein"—ruft die radikale
New-Zlork Tribune mit bitterem Hohne.
Die Deutschen und die Sklaven
halter— wahrhaftig ein schöner Vergleich!—
Was sagt unsere deutsch republikanische Presse
dazu?—„Nun,'man darf doch nicht gegen die
eigene Partei wüthen! ES ist so schön und
so vorth eil haft, zur herrschenden
Partei zu gehören! Man muß abwarten und
daS Publikum beruhigen; denn eS gib t ja
noch immer Kaffern und Fanatiker, die nicht
eher glauben, bis sie an Hand und Fuß
geknebelt sind, wie die Deutschen in New-
Aork, Maryland, Pennsylvanien, Indiana und
Missouri!
Schön —sehr schön!
Rro..
Wie das Ding schafft.
Eine Johnson Versammlung wurde vor Kur
zem zu Towanda, Bradford County, Pa., abge
halten. DieS war Wilmot'S alter Electionecr-
Distrikt und die dunkelsteNeger-Gleichstellungs-
Gegend im Staate. Die Versammlung war
zahlreich besucht und einige der einflußreichsten
Republikaner des Staates bctheiligten sich dabei.
Col. Allen M'Kean, früher Mitglied der StaatS-
Gesrtzgtbung, in einflußreicher Republikaner,
und Sohn de Achtb. Samuel M'Kean, der
vormals Ver. Staaten Senator gewesen, führte
den Vorsitz. Unter den bedeutenderen Repub
likanischen Führern, die Theil nahmen, waren
E. W. Smith, Esq., und Achtb. H. W. Traey,
zweimal Assemblymann und zuletzt republikani
scher Congreßmann von jenem Distrikt. Be
schlüsse wurden passirt, welche die Politik des
Präsidenten unterstützen und die Berufung ei
ner Convention der Freunde des Präsidenten
empfehlen, um einen Dritten GouvcrnörS-Can
didaten aufzustellen.
Die Aufstellung eine dritten speciellen John
son Candidaten, müßte natürlich die Erwählung
Clymcr'S selbst in den Augen der fanatischsten
Radikalen um so sicherer machen. Allein ob ei
dritter Candida aufgestellt wird oder nickt, so
ist das Verlangen darnach von Seilen des kon
servativen Theiles republikanischer Parteiführer
schon eine Garantie, daß die Stevens - Geary
gaktion unter keinen Umständen ihre Unterstütz
ung erhalte wird, und wenn active Politiker
eine solche Abneigung gegen die Plattform und
den Candidaten der Ncgerstimmrecht und Dis
unionS Partei habe, wie muß da erst bei den
konservativen Massen de Volkes wirken, die sich
nicht dauerhaft einer bestimmten Partei an
schließen? Solche Leute stimmen geradezu für
Clymer, denn sie erblicken in ihm den Candida
ten einer lebenskräftigen Partei, die dem Präsi
denten gegenwärtig in seiner RcstorationS - Po
litik zur zuverlässigen Stütze dient den Can
didaten der Partei der Zukunft! (R. Ad.
Die New - Bork World über das
Sonntags - Gesetz.
t. IstderHandel mit berauschen
den Getränken ein Verbrechen?
Die Gesetzgebung des so intoleranten Staates
Maine ging von diesem Grundsatz aus und be
antwortete diese Frage mit Ja.
Der Staat Maineist aber nur ein kleine un
bedeutendes Häuflein von Fanatikern, während
die Regierungen aller eivilisirten Länder anderer
Ansicht sind und es vorziehen, den Handel als
gesetzlich anzusehen—um ein ungeheure Quo
tum ihrer Revenuen daraus zu ziehen.
Die Regierung von England bezog letzte
Jahr au dieser mehr als kW Millionen Doli,
während die Commissäre unserer Regierung die
Einkünfte von diftillirten Spiritus für da näch
sie Jahr auf 40 Millionen, von gcgohrencn Ge
tränken auf 5 Millionen abgeschätzt haben und
die Erlaubnißschcine (Lizense), die die Brauer,
Rectificr, Verkäufer im Großen und Kleinen,
zahlen, belaufen sich wiederum auf gegen fünf
Millionen. Dazu kommen die manchen Milli
onen in hartem Gelde, die für die Einfuhr von
spirituösen Getränken, besonder Weinen gezahlt
werden. Keine andere Quelle von Einkünften
in die Regierungskasse kann sich mit dieser rei
che, unerschöpflichen vergleichen. Ist es ei
Unrecht, daß die Regierung obige Summe ein
kassirt—bisher will der allgemeine gesunde Men
sckenverstaud sich nicht dafür erkläre, wie sehr
auch einige Fanatiker den Mund gegen die Sün
de aufreißen. Wir möchten deshalb zu dem
Schluß kommen, daß der verkauf von obigen
Getränken an und für sich kein Verbrechen ist,
wenigsten nicht sechs Tage lang.
2. Ist Dasjenige einVerbrechen am
Sonntage,was für unschuldig gehal
ten wird an den W och entag en? Der
Amerikaner denkt in diesem Punkte sicherlich an
ders als der Deutsche, welcher Letztere eS nicht
für sündlich hält, am Sonntage z. B. Klavier zu
spielen, eine Novelle zu lesen, Briefe zu schrei
den, zu tanze, während der Amerikaner, beson
der der Puritaner, de Sonntags kaum ein
freundliches Gesicht machen darf und eS für
sündlich gehalten wird, wenn er mit seiner Da
me am Sonntage sich unterhält, und er sich ge
wärtigen muß, ausgestoßen zu werden, sollte er
so kühn sein, ein Frauenzimmer Sonntags zu
küssen. Weshalb eristirt in Amerika kei n Gesetz
da am Sonntage Diebstahl, Einbruch, Noth
zucht verbittet und besonders verpönt, während
man doch so geneigt ist, diese Untugenden, All
tags begangen, mit dem Mantel der Liebe zu
zudecken ?
ES entsteht deßhalb die praktische Frage: Ist
Verbrechen ist? Ist cS nur eine Sünde, so ha
ben unsere weltlichen Gerichte sich nicht mit der
gleichen profanen Sachen zu befassen, ebensowe
nig als wenn Jemand flucht oder schwört; ist
eS ein Verbrechen, dann ist eS ebensowohl ein
Verbrechen an den Werktagen als am Sonntage
und sollte als solches stets abgeschafft oder ver
mindert werden nicht aber sollte sich die Re
gierung oder eine Gemeindekasse damit berei
chern oder Lizense dazu verkaufen.
Was den Einwurf betrifft, den die strengen
Kirchenleute machen, sie wollten am Sontagc
Ruhe haben, keine Trunkenbolde sehen, so finden
wir denselben für gerecht doch das ist Sacke
einer strengen Polizei, die auch an Wochentage
dergleichen Ruhestörungen ahnen sollte.
Wir sehen mit Vergnügen, daß Präsiden
Johnson den Col. Karl Müller von Ohio
als Consul nach Amsterdam ernannt hat. Herr
Müller ist ein zuverlässiger Demokrat; vor
dem Ausbruche des Krieges redigirte er de
„Deutschen Demokrat" von New-Philadclphia,
Ohio, trat später in dze Armee und schwang sich
bis zum Oberst-Lieutenant des ti)7. Ohio
(deutschen) Regiment empor und wurde that
sächlicher Commandeur desselben. In dieser
Eigenschaf erwarb er sich die Liebe seiner Was
fengefährten und den Ruhm eines tapferen, sä
higen Offiziers, dessen Führung sich die Solda
ten mit Freude anvertrauten. Wir freuen uns,
daß der Präsident die Verdienste dieses wackern
deutschen Bürgers und braven Soldaten aner
kannt hat. Der gegenwärtige Consul in Am
sterdam ist Joh. E. Marr, der ehemalige
Herausgeber des ultra-radikalen deutschen Blat
tes in Toledo. Andy Johnson glaubt wahr
scheinlich, daß Marx den Posten lange genug be
kleidet hat und gieb ihm den Laufpaß um ei
nem tapferen Soldaten Play zu machen. Als
„loyaler Patriot" und „Letzien-DoUar-Mann"
hat Marx keinen Grund, sich darüber zu be
schweren. Vielleicht wird noch mancher andere
Consul, der drüben sehr weich sitzt, von Andy
Johnson hören, ehe drei Monate herum sind.
Mancher Postmeister auch.