Von Rustschuk nach Giurgevo. Hinter einem mit schweren schwar zen Büffeln bespannten österreichi schen Munitionswagen überschreite ich Lied in diese öde Wasserlandschaft. „Wo führt der Weg nach Giur gevo", wende ich mich an einen deut schen Landsturmmann, der sich un weit der Brücke damit abplagt, seinen in die Stadt kommen? ist die große Frage angesichts des tiefen Schlam mes, der, soweit das Auge reicht, die Erde bedeckt. Da durchzuwaten ist unmöglich, wenigstens nicht ohne Ge fahr des Ertrinkens. Der Fahrweg selbst ist ja etwas besser, aber in die ses Gewühl dir Wagen und Reiter, die in einem unentwirrbaren Knäuel sich entlang der- Straß« in die neblige Ferne wälzen, zu Fuß hineinzugera ten'. ist' lebensgefährlich. Ein un vorsichtiger Schritt bringt Einen un rettbar unter die schweren Hufe des Büffel oder die breiten Räder eines Riesengeschützes. So stehe ich nun unschlüssig beim Brückenkopf und fühle das ganze Elend der Ratlosig keit und Verlassenheit, die inmitten dieses hastigen Lebens noch viel drük schenleeren Wüste. Am liebsten möchte ich umkehren und wieder mei nen Weg nach Rustschuk nehmen, doch finde ich meinen Retter in dem wacht habenden Offizier der Brücke, einenr jungen deutschen Leutnant aus der ansprach: „Sie wollen wohl nach Giurgevo? Zu Fuß ist es ganz aus geschlossen, aber ich werde Ihnen ei nen Platz in einem vorbeifahrenden auf dem bequemen Sitz eines Luxus fahrzeuges, das in besseren Zeiten wohl aus glattem Pflaster irgend lenen, breiten Strom entfernt, in dessen Bett sich die Fluten ewig und teilnahmslos dahinwälzen. Da Kriegsgotte» fein Lager weit entfernt aufgeschlagen hat. Zwischen den traurigen winterlichen Weiden liegen zerbrochene Karren, tausend Fetzen kleidern. Im Tümpel blinken Ba jonette, wie schlafend ruhen gelbglit fahren einen penetranten Geruch, den pur der Krieg kennt, und das Auge sieht dann einen ausgedunsenen Pfer den dürren Zweigen streiten schimpfen, weil wir Vorbeifahrende sie im ruhigen Schmaus stören. Das ganze Bild ist unsäglich traurig. Wir Krieges gekommen, so daß wir noch keine Zeit hatten, uns an dieses Ganze der Verwüstung, Verlassen- U ,',l" " ' "" wohnen. Die lebendige, friedliche Hafenstadt Rustschuk liegt ja wenige Kilometer hinter uns. Wir sehen noch die blinkenden Kreuze auf den Zwiebeltürmen, das Weiß eines Spi tals leuchtet zu uns herüber, man hört den lustigen Pfiff der Eisen bahnlokomotiven, die im gegenüber liegenden User geschäftig hin und her eilen. All das ist mit unseren Sin nen vernehmbar, ist Gegenwart, und bare, das wir greifen können: Trau rige entlaubte Weisen, abgesägte Bäume, deren weißes Fleisch wehmü tig leuchtet, wie eine frische' Wunde; schwarze nasse Erde, die aufgerissen ist von tiefen Furchen der Schützen gräben, Gestrüpp, in dem sich Sta cheldraht windet, eine zerfahrene Landstraße, die mit ihren Furchen und Löchern von Furcht und Flucht erzählt. Ueber all das wölbt sich ein dunkelgrauer trauriger Himmel, ans dem Wolkenfetzen herunterhän gen, so tief beinahe, daß sie den nie dern Hügel am bulgarischen Ufer be rühren, und sie sind so eigentümlich gezackt, wie zerrissene weiße Bor hänge, die in einem ausgeraubten Haus vom Wind hin und her ge schmissen werden.' Jetzt kommen wir zum Hafen bahnhof von Ramadan. Der lange Zug der Kolonne stockt, weil ein schweres Auto bei der Uebersetzung der Schienen, die da sechs Paar ne- ganze Kraftanslrengung bringt keine Hilse. Der Wagen steht fast unbe weglich. wie hingemauert, und mit ihm steht dieser ganz riesige Zug von Fuhrwerken von hier an bis hin über, bis auf das bulgarische Ufer. Baio ist Hilfe da, eine Anzahl ru mänischer Gefangener, die in ihrem bis alle sechs Schienenpaare über wunden sind. Jetzt ist der Wagen wieder flott. Der große Zug der Die Gefangenen bleiben in einer unregelmäßigen Gruppe stehen. Es sind ganz eigentümliche Gesichter des Sklaven, der fein Leben ablebt, ohne freie eigen? Gedanken und Bie gungen. Da waren sogar noch die faul sm^sie' Auch ohne Au" laden, Wege Herrichten, oder die zu Hunderten zerstreuten Benzinsässer sammeln und am Donauufer m Reih und Glied aufstellen. Die ganze Bahnhofanlage sieht recht traurig aus. Die weißgetünch ten Mauern der Magazine, Bahn geln durchbohrt, an manchen Stel len klaffen Löcher in den Wänden von den verheerenden Granaten, die herübersandten. Hinter dem Bahnhof stehen die verrußten Reste eines Pe troleumtanks, die Eisenteile sind ver kohlten Resten. Aber es bleibt trotz Beim Vorbeifahren sehe ich durch die offenen Fenster die vollgefüllten Ma gazine, an den Ufern stehen »nbe- Ichädigte Schleppschiffe bis zur äu ßersten Grenze der Ladefähigkeit be laden, voller Getreide, Hafer, Mais, mit einem Wort lauter Dinge, deren Wert heute auch der wohl einzuschät zen weiß, der sich früher in der Frie denszeit um solche Dinge herzlich we nig gekümmert hat. Unsere Kolonne biegt jetzt von der Donau ab. In der Ferne sehe ich schon aus dem Weidenwald die Häu der zu nehmen, die ich jetzt auf geraume Zeit verlassen soll. Es ist spät nachmittags. Dunkle Schatten legen sich auf den breiten Rücken des Stromes. Die Kirchen und Häuser Rustschuks schwimmen in um den wartenden Dampfern Durch laß zu gewähren, die mit einer Un menge Fahrzeugen im Schlepptau ungeduldig vor der versperrten Brücke stehen. Die Sirenen brüllen, Dampf pfeifen antworten mit scharfem Viel auf dem Strom wohl schneller gehen. Da gibi es leine Ausweichstellen, Ge genzüge, verdorbene Brücken, jetzt Und in diesen, vielleicht etwas un wissenschaftlichen Worten ist die ganz« Weisheit enthalten, was dieser Strom für die Zentralmächte in den zukünftigen Kämpfen bedeutet. Ter Tod im Tower. Die alte Burg der englischen Kö nige im Herzen Londons, der Tower, die schaurige, dunkle Steinmasse, hat sich auf ihre geschichtliche Rolle beson nen. Welche Geschichte eines Königtums ist so blutig, wie die der englischen Das edelste Blut Englands wurde dort verspritzt. Oft klingt jetzt wieder die Tower- Glocke, wenn sogenannte Spione, .zurechtgestellt" werden. Man sagt nicht gerichtet, gemordet, nicht einmal freier Bürger. Darum liebt er die Worte nicht, die nach Gewalt klingen. Aber das Abschießen, das Henken, das lassen, wenn wieder einmal im Tower „zurechtgestellt" wird. Neulich mor gens waren es gleich sieben. Wer das war? Nur der Richter Zahl wird verkündet, und die Stunde ihres Todes wird allem Volk durch Glockenschlag kundgetan. Darauf will I schreien über allen Lärm der Welt» stadt bis zum Palast Georgs V. Nicht Gefängnis Venedigs, kein Herrscher Asiens hat soviel Blut verspritzen se hen wie Georgs des Fünften Tower. empfand- ein Gruseln, wenn Shake speare aus Englands Geschichte die schmählichsten Morde an königlichem so alt. Aber die blutigsten und ver bci Berlin. ruchtesten Schandtaten ihrer Borgän ger waren nach dem Herzen der „gro ßen" Königin, der „jungjräulichen", die sich noch im Alter ihre Liebhaber hielt. Freilich war sie darin weder die älteste noch die letzte auf England» Thron. Das war das „lustige Alt-Eng- Heute ist der Engländer anders, trägt die Maske des vornehmen, selbstbeherrschten und ganz unblutigen Inders, er wurde reich durch Skla venhandel, noch viel reicher durch da» Plündern ganzer Völker. Den Reich tum sieht er bedroht durch Völker, die mehr leisten als er. Da hetzt er lieber die ganze Welt in Waffen und Krieg und Tod. Und die ihn darin stören oder tadeln, die kommen in den Tower. Niemand kennt ihre Namen, nur die Zahl wird verkündet, und um die Stunde ihres Todes ruft die Glocke Fr. Paulsen, Steglitz.
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