Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 12, 1851, Image 1

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    Oer Liberale Beobachter,
Und Berks, Montgomery und Schuyltill Caunties allgemeiner Anzeiger.
NeaÄin g, Penn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Pnwe l! e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- nnd Chesnut. Straße
Jahrg. 12, ganze Nnm. <t>?»
Die Quittungen.
(Schluß)
„Ich schreie Feuer, Herr Oberst."
„Joseph wird dafür sorgen, daß es
Niemand hört. Allons!"
„Anton führte Eugen zur Schlachtbank
Joseph stopfte ihm den Mund zu, Friede
rich hielt den Kopf, Ludwig die zappeln
den Füße, und Johann that daS Uebrige.
Nach der Execution entfernten sich die
Diener; der Oberst zeigte dem geschlage
nen Manne AdolphsOuiltung und sprach :
„Da Hr. Adolph die 27>, die er erhalten
in ihrem Namen quittirt hat, so würden
Sie sehr klug daran thun, die die Sie
erhalten in seinem Namen zu quittiren,
damit Einer dem Andern nichts vorzuwer
fen habe."
Eugen stellte sehr bereitwillig folgen-
Schein aus:
Quittung
über 5>5 Prügel, die ich heute Nacht l!
Uhr von 5 Dienern des Hrn. Obnst v.
Z. als Strafe dafür, daß ich mich in frem
de Angelegenheiten gemischt und meinen
Freund Eugen in die Falle gelockt, dank
bar erhalten habe.
8., den t. Februar l84!Z.
'Adolph v. R.
Tief gedehmüthigt schlich Eugen nach
Hause, ohne den heimtückischen Freund
zu finden, der sich unterdessen aus dem
Staube gemacht hatte.
Am andern Morgen erhielten Beide,
Adolph und Eugen, Briefe folgenden In
halts vom Obersten:
Mein Herr!
Wäre ich rachsüchtig, so könnte ich von
Ihren die Prügel quittirenden Scheinen
einen für Ihre Ehre nicht vortheilhaften
Gebrauch machen, da ich aber nicht so in
discret bin, Sie vor der Welt blamiren zu
wollen, sende ich Ihnen, wie JhremFreun
>> de-die Quittung mit dem Versprechen zu
rück, daß ich von der Sache schweigen wer
de. Vergessen Sie was nun nicht mehr
.'v-zu ändern ist, verlangen Sie aber ei
ne andere Salisfaction von mir, so seien
Sie versichert, daß Ihre Forderung jeder
.Ä'it zu erfüllen bereit ist
ia Ihr ergebener
August v. Z.
Bis heute haben die Coeurbuben keine
Satisfaction gefordert und die Prügel
scheinen getheilt, ihre Freundschaft aber
ist vor der Welt unbekannter Ursachen wil
len aufgehoben. W. Republ.
Da nach den früheren Gesetzen in
Deutschland das Hasenjagen den Bauern
noch nicht erlaubt war, im Winter !844
aber die Hasen wegen deS hohen Schnees
in den bäuerlichen Baumpflanzungen gros
sen Schaden anrichteten, so sann ein Bau
er auf List. Da er nicht schießen durfte,
wollte er Hrn. Lampen auf eine andere
Art bestrafen. Er erklärte daher frank
und frei, daß er die Rackers lebendig fan
dig werde. Er errichtete in seinem Gar
ten auch wirklich eine Falle.
Diese stand durch ein Leinchen mit ei
ner Klingel in der Wohnstube in Verbin
dung, so daß es allemal klingelte, wenn
ein Hase sich gefangen hatte. Der Bau
er, um seines Fangeö gewiß zu sein,
konnte es sich nicht bequemer machen.
Kein Wunder, daß diese allen Gesetzen
Hohn sprechende Industrie, bald verrathen
ward. Nicht zwei Tage gingen in's Land,
als ein Constabel in der Wohnung deS
Missethäters erschien. Er fand blos die
5 Ehehälfte in der Stube.
„Wo ist Ihr Mann?" herrschte der
Diener deS Gesetzes.
„Mein Mann ?" antwortete mit gros
ser Gelassenheit die Bäuerin, „na, der
fängt Hasen."
Wie freute sich der Constabel dieser
Antwort. So leicht war ihm lange kein
" Geständniß geworden. Unterdeß tritt der
" Mann in die Stube.
, „Wo ist er gewesen?" wendete sich
' nun der Constabel an den Eingetretenen.
„Wo soll ich gewesen sein ? Im Garten.
„Was hat er da gemacht?"
„WaS soll ich da gemacht haben ? Ha
sen gefangen."
Unterdessen klingelt e6 wieder. ~Hört
Er," spricht der Bauer, „da klingelt es
schon wieder. Ich wette es steckt wieder
eine Bestie in der Falle, komm er mit,
wenn er sehen will, wie ich sie fanget
Die Beiden begaben sich in den Gar
ten. Es war richtig. Ein Hase saß
schon wieder in der Schlinge; jetzt ergriff
der Bauer eine Ruthe, gerbte dem Hasen
den Hintern tüchtig und derb, worauf er
die Schlinge aufmachte und den Gefange
nen laufen ließ.
„Sieht er," sprach nun derßauer, „die
ser kommt nun nicht wieder, der merkt sich
die Züchtigung, und so mach ich es mit
Allen, die da kommen, meine Bäume ab
zuschälen."
Lange hat man kein verblüffteres Po
lizeidiener Gesicht gesehen, als nach den
Worten des pfiffigen Landmanns.
Aus Saphir's humoristischen
Vorlesungen.
DaS ganze menschliche Leben ist eine
lange 7()jährige Frage: Wohin? und
der Tod ist die 'Antwort: Dahin ! u. auch
diese Frage beginnt mit einem Weh (W)
mit Weinen! Das neugeborne Kind
weint, und wenn das neugeborene Kind
nicht weint, so pufft es die Hebamme so
lange, bis es weint.
So wird der Mensch mit einem kurzen
Puff auf den langen Puff des Lebens vor
bereitet.
Auch dieses Fragezeichen : daS Leben,
hat an beiden Enden, Geburt und Tod,
einen Haken und wie man dieses Frage
zeichen auch auf den Kopf stellt, es bleibt
dasselbe Fragezeichen?
Der Mensch ist das Fragezeichen des
Lebens, daS Schicksal das Ausrufungszei
chen, der Schlaf der Gedankenstrich, der
Tod ist der Schlußpunkt, und die Frauen
zimmer sind die Anführungszeichen!"
In jedem Menschen steckt ein ganzer
Bienenkorb voll Fragen und nur ein klei
nes Etui mit Antworten; die Augen und
Ohren sind nur stehende Fragen beim
Menschen und sie fragen nur: was muß
ich sehen? was muß ich hören?
Wenn zmei fremde Menschen sich auf
der Straße begegnen, so fragt Jeder im
Stillen sich selbst : Wer ist der Tölpel ?
Wenn der Mensch in einem Gasthof ab
steigt, kommt sogleich der Kellner mit ei
nem ganzen SpeiSzettel voll Fragen : Wo
her kommen, wohin gehen Sie ? Wie lan
ge bleiben Sie hier ? Was haben Sie hier
zu thun? Wie alt sind Sie? Sind Sie
ledig? Wo sind Sie geboren? Und es
wundert mich, daß er nicht auch fragt:
Wann belieben Sie zu sterben, oder sind
Sie gestorben?
Ein Bittsteller kömmt zu seinem Gön
ner, und dieser frägt ganz höflich: Wol
len Sie nicht gefälligst Platz nehmen?
Welche Frage? Er kömmt ja um einen
Platz zu bekommen, er möcht' den Platz
schon nehmen, aber er kriegt ihn nicht!
So werden im Leben die Fragewörter
oft und räthselhaft verwechselt.
Wie oft fragt Jemand den Andern:
Wie leben Sie ? und er möchte gerne fra
gen : Wozu leben Sie ? Ein Mann des
sen Ehefrau melancholisch ist, grämt sich
und fragt: Was fehlt dir? er sollte aber
eigentlich fragen: Wer fehlt dir?
Man fragt oft, wenn man hört, daß
Jemand gestorben ist : An waS ist er ge
storben ? und man sollte eigentlich fra
gen : An wen ist er gestorben?
Der Freier fragt das Mädchen: Ha
ben Sie Herz zu mir? Er meint aber
diese Frage so: Haben Sie? Dann:
Herz zu mir?
Der Mensch sagt von vielen Fragen:
Das ist eine Herzensfrage, daß ist eine Ge
wissensfrage, das ist eine Lebensfrage!
Es gibt aber jetzt nur eine Herzensfra
ge: Wo haben die Leute das Herz ? Es
gibt nur eine GewissenSfrage, die zugleich
eine Lebensfrage ist, nämlich: Wenn ich
"willig zu loben und skne Furcht zu tadeln."
Dienstag den 12. Angnft, 18S1.
immer nach dem Gewissen fragen soll wo
von soll ich leben? !
In Gesellschaften lebt man nur von
Fragen und nie von Antworten.
Man fragt sich : Was gibt'S Neues?
Wie befinden Sie sich? Wie gehts Ih
nen ? Was macht Ihre Frau Gemahlin ?
Allein kein Mensch erfährt etwas Neues?
Niemand sagt, wie es ihm geht, und kein
Mensch kann mit Sicherheit antworten,
was seine Frau Gemahlin eigentlich jetzt
macht.
Da man in großen Gesellschaften nicht
weiß, von was man reden soll, so redet
man von dem, was man nicht weiß, und
da man sehr viel nicht weiß, so hat man
sehr viel zu reden, und am Ende hat man
von Allem dem gesprochen, was man nicht
weiß, und weiß gar nichts von Allem dem
wovon man gesprochen hat.
Eine Gesellschaft ist wie ein Spiel Kar
ten, je gemischter, desto besser, wenn die
Farben und die Matadors alle beisammen
stecken, ist's kein unte» haltendes Spiel.
In großen Gesellschaften spricht man
von Menschen wie von Büchern, man
kennt nichts von ihnen wie den Titel und
den Namen des Wel fassers, aber man ur
theilt über sie, als ob man sie durchstudirt.
Der Mensch geht mit den, Menschen
schlecht um, wie mit einem Theaterstück.
Bei einem Theaterstück sagt man doch :
Wir wollen erst das Ende abwarten, be
vor wir es beurtheilen; bei einem Men
schen aber wartet Niemand sein Ende ab,
um ihn zu be- und zu vernrtheilen.
Ja, die Menschen sind wie die Bücher,
ihre wahren Titel hängt man ihnen mei
stens hinter ihrem Rücken an, und nur
wer sie kauft, schneidet sie recht auf!
Die Ehemänner existiren stets in zwei
Ausgaben, in eine feine Ausgabe für die
Welt, und in einer groben Ausgabe für
die Frau Gemahlin l
Eine große Lebensfrage ist eS: Was
ist die Liebe?
Die Liebe, die Schönheit und die Tu
gend sind drei Schwestern, die sich ewig
zanken, aber am Ende leihen sie sich gera
de eben so wie Schwestern gegenseitig ih
ren Schmuck und ihre Kleider.
Die Liebe und der Verstand hingegen
ist ein Ehepaar, das untereinander zankt,
da mische sich nur um Gotteswillen kein
Dritter d'rein, denn am Ende gibt der
Mann: Verstand, nach, denn der Kluge
muß nachgeben ; dafür aber, daß der Ver
stand der Liebe immer nachgibt, kann die
Liebe immer einen Verstand vorgeben !
Nicht nur der Körper hat ein Vater
land sondern auch die Seele, das Herz, u.
wenn sich zwei Herzen aus einem Vater
land?, von höhern Welten, hier in dieser
Welt zusammenfinden, so fällt ein Herz
dem andern um den Hals und sagt: Sei
mir herzinnig gegrüßt, wir sind ja LandS
leute! Und das ist die Liebe.
Man hat oft den Vergleich gemacht:
das Mädchen ist die Rose und die Liebe
ist die Sonne dieser Rose; allein man hat
diesen Vergleich nicht von seiner schmerz
haften Seite aufgefaßt; dieselbe Sonne,
welche die Rose am Morgen roth färbt,
zieht ihr am Abend die Farbe aus, und
dieselbe Siebe, welche die Rosenwange des
Mädchens am Morgen mit Glücksroth
färbt, macht sie später selbst wieder erblas
sen nnd welken!
Was sind Liebesschwüre? — Liebes
schwüre sind Reife, mit welchen das Faß
der Treue zusammengehalten wird; unse<
re Männer sind kuriose Faßbinder! Sie
legen lauter Schwüre als Reife über ein
ander, aber das Faß fehlt.
Unsere Mädchen, wenn sie so ein lie
bendes Herz von ihrem Ritter zum Ge
schenk bekommen, halten dieses Herz für
ein großes Gut, für ein Rittergut, sie
würden sich aber nicht sehr freuen, wenn
sie wüßten, wie viel Schulden und Pro
zesse auf diesem Rittergut haften.
Die Liebe ist wie ein Krieg! Es macht
viel Freude, wenn man einen Sieg erringt,
aber man kann sich noch glücklicher prei
sen, wenn einem ein geschickter Rückzug
gelungen ist.
Das Gewissen.
Vor ungefähr dreißig Jahren suchte
ein wohlgckleideter und wohlgestalteter
fremder Man, der noch vorn in den Dreis
siger» zu sein schien, in dem Städtchen B.
in Frankreich um das Bürgerrecht und die
Erlaubniß nach, einen Handel anfangen
zu dürfen. Da er unzweideutige Zeug
nisse über seinen bisher geführten Lebens
wandel vorlegte, und ein hinreichendes Ve
rmögen nachwies, so trug der Magistrat
kein Bedenken, sein Gesuch zu gewähren.
Herr Louis so hieß der fremdeMann
kaufte sich nun ein geräumiges, in dem
lebhaftesten Theile der Stadt gelegenes
Haus, und errichtete darin ein bedeuten
des Krämergeschäft. Da er vorzüglich
gute Waare führte, und sich mit einem
sehr geringen Nutzen begnügte, so hatte
er bald einen großen Zulauf, so daß er
dem Geschäfte allein nicht mehr vorstehen
sondern erst einen und bald darauf einen
zweiten Gehülfen annehmen mußte. Er
erregte zwar durch sein Glück den Brod
neid der übrigen Krämer des Orts, allein
dieser konnte ihm nicht schaden, weil er
durch einen ächt - christlichen Lebenswan
del und durch sonstige lobenswerthe Ei
genschaften sich die Achtung aller gebilde
ten und rechtschaffenen Einwohner zu er
werben wußte. Von dem Ueberflusse,
welcher ihm zuströmte, machte er den an
gemessensten Gebrauch. Er gab mit vol
len Händen da, wo es einen wichtigen,
edlen Zweck galt; der Hilfsbedürftige
konnte sicher sein, daß er ihn nicht vergeb
lich um Hülfe ansprechen würde, und der
wirklich Arme fand stets einen freundli
chen, freigebigen Wohlthäter in ihm.
Manchem Handwerker, der durch den Druck
der Zeiten zurückgegangen war, und feine
zahlreiche Familie nicht mehr zu ernähren
wußte, half er wieder auf; ja selbst de
nen, welche ihn um seinen zunehmenden
Wohlstand beneideten, bewies er sich,
wenn sie in dringenden Verlegenheiten sich
befanden, gefällig und hülfreich. Für die
Verbesserung der Schulen that er, obgleich
er nicht verheirathet war, nicht nur sehr
nützliche Vorschläge, sondern unterstützte
die Schulkasse jährlich mit ansehnlichen
Summen. So schien es, daß er blos deß
wegen ein einträgliches Geschäft betrieb,
um die Mittel zu wohlthätigen Zwecken
zu erwerben, zumal da er für seine Per
son nicht den geringsten Aufwand machte
und keinerlei Art Lnxus in feinem Hause
duldete.
Man kann leicht denken, daß die Augen
vieler heirathsfähigen Mädchen, selbst aus
den vornehmsten Häusern der Stadt, auf
diesen Mann gerichtet waren. Er besaß
ja Alles, was ein Mann besitzen muß,
der ein Mädchen glücklich machen will:
eine wohlgebildete Gestalt, ein zwar blas
ses aber einnehmendes Gesicht, einen hel
len Verstand und höchst achtungswerthe
Gemülhseigenschaften. Dabei vergrößer
te sich sein Handel mit jedem Tage, wo
durch seine Vermögensumstände immer
glänzender wurden. Besonders wünsch
te der Mair (Bürgermeister), der mit vie
len Töchtern gesegnet war, ihn als Schwie
gersohn zu gewinnen, und suchte ihn da
her sich auf alle Weise zu verbinden. Zu
erst wußte er zu bewirken, daß er in den
Stadtrath aufgenommen wurde, und kur
ze Zeit darauf, als der erste Beigeordnete
starb, brachte er es dahin, daß er dessen
Stelle erhielt. Auf solche Weise kam Hr.
Louis mit dem Maire in vielfache Berüh
rung, und ward in seinem Hause bald ein
heimisch, da auch die Frau und die wohlge
bildeten Töchter desselben ihm viel Freund
lichkeit erwiesen. Es entging de n Eltern
nicht, daß ihre älteste Tochter Josephine,
die sehr schön und liebenswürdig war, dem
jungen Manne ungemein gefiel. Er ließ
sich am liebsten mit ihr in eine Unterhal
tung ein, und fühlte sich täglich immer
mehr von ihr angezogen. Schon in we
nigen Wochen war es ihm nicht mehr mög
lich, ihr seine Neigung länger zu verschwei-
Laufende Rümmer S«.
gen, und das Geständniß von ihren Lip
pen, daß sie dieselbe erwiedere, machte ihn
höchst glücklich. Daß die Eltern mit
Freuden in den Bund ihrer Herzen wil
ligten, wird man leicht vermuthen. Es
war ja dadurch einer ihrer Lieblingswün
sche in Erfüllung gegangen. Die Fami
lie konnte nun auf eine sichere Stütze rech
nen, der wenn Maire, der schon hoch in den
Jahren und ohne Vermögen war, sein
Haupt niederlegte. Die Ehe der jungen
Leute ward kurze Zeit nach ihrer Verlo
bung geschlossen und angemessen gefeiert.
Dem Hrn. LouiS schien nun nichts mehr
an seinem Glücke zu fehlen, und doch muß
te seine junge Gattin nur zu bald gewahr
werden, daß ein sehr wesentliches Stück
daran fehlte, nämlich innerer Friede.
Denn oft mitten in ihren zärtlichen Um
armungen umzog ein düsteres Gewölk sei
ne blasse Stirne, und ein wildes Feuer
blitzte aus seinen dunkeln Augen, so daß
sie lebhaft erschrak. Oft, wenn er sich
unbemerkt glaubte, heftete er starre Blik
ke auf einen Fleck, und nur wenn es um
ihn recht unruhig war, wenn die Geschäf
te seine ganze Thätigkeit in Anspruch nah
men, schien ihm wohl zu sein. Nichts a
ber konnte ihn mehr verstimmen, als die
laute Freude anderer Menschen, weßwe
gen er alle öffentlichen Lustbarkeiten, alö
Bälle, Kirchweihfeste und dergleichen zur
großen Betrübniß seiner jungen Gattin,
die sich gern mit den Fröhlichen freuete
und den Tanz liebte, vermied. Ja sogar
die Musik, welche alle fühlenden Herzen
anspricht, und sie oft über widrige Em
pfindungen tröstend hinwegführt, machte
auf ihn einen auffallend unangenehme»»
Eindruck. Niemand konnte dies mit sei
nen sonstigen Eigenschaften reimen, am
wenigsten aber seine heitere, lebensfrohe
Gattin. Fragte sie ihn besorgt nach der
Ursache seines innern Zustandes, so schütz
te er körperliches Unwohlsein vor, das bald
vorüber gehen würde, und dann bezwang
er sich eine Zeit lang, um die Besorgte zu
beruhigen. Allein die aufmerksame Frau
sah täglich deutlicher ein, daß etwas ganz
Anderes, als körperliche Krankheit, an sei
nem Leben zehrte. Es ward ihr immer
klarer, daß er durch ein höchst widriges
Geschick mit der Welt und mit dem Leben
zerfallen sein müsse; denn daß ein Ver
brechen auf ihm lasten sollte, ließ sich nicht
denken, sobald man seine ungeheuchelte
Menschenliebe, seinen Wohlthätigkeitssinn
und seinen ächt frommen Wandel in Er
wägung zog. Auch dachte wirklich Nie«
mand daran, am wenigsten seine Gattin,
die seine trefflichen Eigenschaften besser,
als jeder Andere, kennen zu lernen Gele
genheit hatte. Eine große Hoffnung ihn
mit dem Leben wieder auszusöhnen, setzte
sie auf die Geburt eines Kindes, die nahe
bevorstand. Sie gebar einen schönen
Knaben, und in der That schien er über
das Kind Alles zu vergessen, was ihn bis
jetzt in Trübsinn versenkt hatte. Die
Vaterfreude ist ein so heiliges, ein so er
hebendes Gefühl, daß ein Mensch ganz
verdorben und verstockt sein müßte, wenn
eS nicht bei der Geburt seines ersten Kin
des hell und warm durch seinen Busen zö
ge und alle übrigen Empfindungen zum
Schweigen brächte. Herr Louis schien
nach der Geburt seines SohneS ein ganz
anderer Mensch zu sein. Mit der zarte
sten Sorge war er um die jugendliche
Mutter bemühet, und er konnte sich an
dem Anblicke des holden Knaben nicht
sättigen. Wie unendlich glücklich fühlte
sich die zärtliche Gattin in solchen Augen
blicken ! Die Geburt des KindeS sollte
aber auch andern Menschen Freude brin
gen. Die Armen des OrtS wurden von
ihm bei dieser Gelegenheit reichlich bedacht,
der Altar der Kirche neu nnd kostbar be
kleidet, u. an hülfSbedürftige Familien be
trächtliche Summen in der Stille ver
theilt. Der ganze Ort pries Hrn. Louis
glücklich, und Viele beneideten ihn. Ach!
er war nicht zu beneiden. Denn es nag
te an seinem Herzen ein Wurm, der nim
mer schlief. (Schluß folgt )