Oer Liberale Beobachter, Und Berks, Momgbmcry und Schuylkill Camtties allgemeiner Anzeiger. Wravi ng, Nenn, Gedruckt und tierausgegeben von Arn oldPnwe II e, in der Süd Sten Straße, zwischen der Franklin- nnd Ehesnut - Straße. Jahrg. BS, ganze Nnm. SBB. Der Kindesräuber. (Schluß) Sechs Wochen waren verflossen, als Geschäfte mich nach Natchez riefen, wo ich an einem heiteren Januar Nachmitta ge ankam. Ich hatte so eben das Dampf, schiff verlassen und ging in Begleitung einiger Bekannten von der untern Stadt den Lehmhügel hinan, der zur oberen führt, als ein verworrenes Getümmel an unsere Ohren schlug. Auf der Höhe an gekommen sahen wir einen sich immer ver mehrenden Volkshaufen vor dem Hause des Friedensrichters B —r. Wir eilten zu sehen, was es gebe. Die Menge be stand aus den besseren Klassen von Nat chez, Weibern, Männern, Kindern, aber vorzüglich den ersteren. Zugleich war in den Gesichtszügen eine Aengstlichkeit zu lesen, eine Theilnahme, die auffallend mit dem Tumulte contrastirte, der sonst bei solchen Versammlungen zu hören ist. Ich bemerkte Mütter, die ihre Kinder mit einer instinktartigen Heftigkeit in die Arme preßten und convulsivisch ihre Häl se umfingen, gleichsam als befürchteten sie sie würden ihnen entrissen. Auf meine Fragen erfuhr ich, daß der Kindtsräuber endlich entdeckt, oder vielmehr, daß ein Mann verhaftet worden, der des an Mi ster Clarke von Hopesiield Caunty began genen Kindesraubes sich stark verdächtig gemacht. Ich war von Herzen über die se Nachricht erfreut, welche endlich Auf schluß über die so fürchterliche Verletzung der heiligsten Naturrechte zu geben ver sprach. Ich drückte mich vorwärts, aber die Frauen hatten eine so starke Stellung genommen, daß alle meine Bemühungen fruchtlos blieben. Es war ein allerdings für Frauen wichtiger Criminalfall; aber Jedem von uns mußte die gräßliche Si cherheits- und Eigenthumsverletznng von unendlicher Wichtigkeit sein. Wir stan den so nahe an zwei Stunden; die Men ge mehrte sich, Niemand wich. Alle Fen ster waren mit Köpfen vollgepfropft. Endlich öffnete sich die Thüre und der Gefangene, in der Mitte von zwei Con stabeln, hinter ihnen der Scheriff. kam aus dem Hause, um in das Gefängniß abgeführt zu werden. Das ist er! murmelten die Frauen mit hohler, heiserer Stimme und bleichen Ge sichtern, auf den Mann deutend, als er durch die lebende Gasse hindurchgeführt wurde, und zugleich hielten sie ihre Kin der fester mit fieberhaftem Krämpfe. Und wahrlich, wenn daß äußere Geprä ge den inneren Menschen verräth, so muß te dieses der Kindesräuber sein. Es war das abstoßendste Gesicht, das mir je vor gekommen ; eine hündisch verstockte, stumpfsinnige, heimtückischePhisicgnomie, mit einem teuflisch-finstern hohnlachenden Ausdrucke. Man hielt unwillkührlich den Athem an, indem man in dieses Gesicht blickte. Seine grauen Augen waren auf die Erde geheftet; nur zuweilen schoß er einen Blick, in dem die Holle sich spiegelte, auf die Anwesenden, wie sie ihre Kinder fest in den Armen hielten. Beim ersten Anblicke sah man, daß er ein Jrländer war. Er war etwas über Mittelgröße, seine Gesichtsfarbe schmutziggrau, seine Wanden hohl, seine Lippen ungewöhn lich groß; der ganze Mensch ekelhaft, wild aussehend. Seine Kleidung bestand aus einem abgetragenen blauen Fracke, eben solchen Beinkleidern, einem hohen, runden, fchäbichlen Hute'und sehr zerris senen Schuhen. Der Eindruck, den sein Erscheinen hervorbrachte, schien sich in den erblassenden Gesichtern der Menge zu malen. Alle sahen ihm mit einem langen verzweifelnd hoffnungslosen Blicke nach, als er dem Gefängnisse zuging. „Wenn dieser Mann das Kind gestohlen hat," murmelten Mehrere, „dann ist es verlo ren." Ich eilte nun, den Friedensrichter zu sehen, der mir folgende Aufschlüsse gab: Beiläufig vier Wochen nach unserer Excursion in dem Caunty Hampstead hatte Mister Clarke ein Schreiben erhal. ten, das mit dem Namen Thomas Tutti unterfertigt, und das Postzeichen von Natchez am Couverte hatte. Der Vater wurde darin benachrichtigt, daß sein Kind am Leben sei, daß Schreiber deS Briefes von seinem Aufenthalte wisse und daß, wenn er, Mister Clarke, eine Banknote von 50 Dollars in seine Antwort ein schließen wolle, der Verwahrungsort des Kindes ihm angezeigt werden solle. Der Schreiber verlangte ferner, daß Mrs. Clarke allein, ohne Begleitung, an dem zu bezeichnenden Orte erscheine, daß sie zweihundert Dollars mehr mit sich bringe und daß nach Bezahlung dieser Summe ihr Söhnchen ihr ausgeliefert werden sol le. Aer bejammernswerthe Vater hatte kaum diesen Hoffnungsstrahl erhalten, als er auf den Rath seiner Freunde und Nachbarn ein Schreiben an den Posthal ter zu Natchez absandte, in welchem dieser von dem Vorgange unterrichtet und zu gleich aufgefordert wurde, die Person an- Halten zu lassen, die um die Antwort an fragen würde. Vier Tage nach Erhalt dieser Aufforderung kam auch wirklich der oben beschriebene Jrländer an an das Postbureaufenster und erkundigte sich, ob kein Brief unter der Adresse „Thomas Tutti" angekommen wäre. Während der Posthalter den Mann unter dem Vor wande aufhielt, daß er unter den Briefen nachsehen wolle, sandte er nach dem Con stabler, der, bereits von dem Falle unter richtet, sogleich herbeieilte und den Anfra ger in Verwahrung nahm. Es ergab sich bei der Examinalion, daß er sich eini ge Zeit in und um Natchez aufgehalten und bemüht halte eine Schule zu errichten. Da er jedoch keine Auskunft von seinem früheren Thun und Treiben geben konnte, auch sonst höchst auffallend und verdäch tig erschien, so war.ihm sein Vorhaben nicht gelungen, und die Wenigen die ihm ihre Kinder anvertraut, halten sie bald wieder zurückgenommen. Damals nann te er sich Thomas Tutti. Nichtsdestowe niger leugnete er, daß dieses sein eigentli cher Name sei, oder daß er den Brief ab gesandt, der allerdings von einer geübten wenn auch nicht schulmeisterlichen Hand geschrieben zu sein schien. Aus dem Verhöre erhellte es ferner, daß er vollkom men mit den Pfäden und Wegen zwischen Natchez und Hopesield und der von letz terem Orte zu der Wohnung des Mister Clarke führenden Straße, sowie den Ba yous, Sümpfen und Flüssen und ihrer Schiffbarkeit bekannt sei. Es war hin längliche Evidenz vorhanden, und er wur de auf das Faktum, daß er um die Ant wort auf das geld-erpressende Schreiben angefragt, den Gerichten überantwortet, was zu gleicher Zeit dem Vater des ge raubten Kindes kundgethan wurde. Nach fünf T»gen kam der unglückliche Vater mit dem Negerknaben. Die gan ze Stadt bezeugte dem tiefgebeugten Va ter die innigste Theilnahme. Man schritt zu einem zweiten Verhör; alle Anwälte waren zugegen und hatten ihre Dienste unenlgeldlich angeboten. Man nahm die früheren Aussagen des Jrländerö zur Grundlage der gegen ihn sprechenden Evi denz, und bemühte sich etwaö Näheres über den Aufenthalt des Knaben aus ihm herauszubringen ; aber allen Fragen setzte er ein hartnäckiges Stillschweigen entge gen. Der Negerknabe erkannte ihn nicht. Zuletzt gab er zu verstehen, daß bloß die Hoffnung Geld vom Vater herauszulok ken, ihn zum Schreiben des Briefes ver möcht habe. Kaum war jedoch diese Aussage zu Protokoll genommen, als er sich mit einem teuflischen Hohnlachen zum Vater wandte und ihm zuflüsterte: Ich will Euch doch noch elender mochen, als Ihr mich zu machen im Stande seid. Zugleich bedeutete er ihm, daß er an ei nem gewissen Orte die Kleider seines Soh nes finden würde. Der Vater reiste mit einem der Con stables an den bezeichneten Ort, fand richtig die Kleider und kehrte nach Rat- ""Willig zu loben und ol>ne Furcht zu tadeln." Dienstag de» 7. Jauuar, IBSR chez zurück. Der Beschuldigte wurde neuerdings vor die Schranken geführt und versicherte nach vielen Widersprüchen, daß das Kind noch am Leben, wenn man ihn aber länger im Gefängnisse behalten würde, dem Hungertode ausgesetzt sei.— Nichts in der Welt konnte ihn bewegen, auch nur eine Silbe für weitere Aufklä rung von sich zu geben. Die Quarter-Sessions waren mittler weile herangekommen. Eine ungeheure Menschenmenge hatte sich versammelt. Man hatte Alles aufgeboten ; Verheis sungen. Versprechungen von Freiheit und selbst die ausgesetzte Belohnung wurde ihm zugesichert—der Mann schwieg.— Es waren starke sprechende Vermuthun gen, aber immer noch keinen Beweis für seine Theilnahme am Raube vorhanden. Die aufgeklärtesten Anwälte waren der Meinung, daß der verzweifelte Mensch von Noth getrieben, Gelderpressungen durch sein Schreiben beabsichtigte. Für dieses Verbrechen und als Vagrant wur de ihm eine mehrmonatliche Gefängniß strafe zuerkannt. Dieser Ausspruch war weit entfernt den Nichtern selbst oder den Anwälten zu genügen. So milde sind jedoch die Geset ze, die die freien Bürger dieses Landes sich selbst geben, so human der Geist der Auslegung, daß man auch den ver zweifelten ausländischen Bösewicht nicht ihrer Begünstigung berauben konnte oder wollte, so sehr sich das Innerste eines Je den gegen eine solche Begünstigung em pörte. Es war wirklich etwas so Hölli sches in dem finstern Hohnlachen dieses Mannes, die Lust, die er an den Qualcn des Vaters und der Menge zu empfinden schien, so wahrhast teuflisch, daß man sich eines kalten Schauders bei seinem Anlßic ke nicht erwehren konnte. Die kältesten Anwälte versicherten, ihre Brust sei be engt und sie fänden weder Worte noch Gedanken. Es war mit einem Worte ein allgemeines Gefühl deS Schrecks und Schauders. Die Bewohner von Natchez, besonders der Oberstadt sind eine sehr acht bare Classe von Menschen, mit einem ho hen Grade von politischer und intellektu eller Bildung; allein bei dieser Gelegen heit riß ihre Geduld und ihr warmes Ge fühl verleitete sie zu einer Handlung, die nur das Scheußliche dieses Verbrechens entschuldigen konnte. Ohne vorläufige Übereinkunft versammelten sie sich in der Nacht vom AI. Januar, mit dem festen Vorsatze, für dieses Mal die Milde der Gesetze hintenan zu setzen und einen wirk sameren Versuch mit dem Gefangenen zu machen. Einige der angesehensten Ein wohner nahmen ihn aus seiner Zelle, wäh rend mehrere starke Neger mit Rindseh nen versehen wurden. Diese nun wur- den auf ihn in Anwendung gebracht. Mit jedem Hiebe schien die Kraft der Schlagenden zuzunehmen. Eine lange Zeit beobachtete der Gefangene ein hart näckiges Stillschweigen; der Schmerz je doch wurde zu groß, und er versprach ein volles Bekenntniß. In einem Hause beiläufig 59 Meilen oberhalb Natchez am Mississipi, so laute ten seine Worte, lebt eine Familie, deren Oberhaupt im Stande ist, den Verwah rungsort des Knaben anzugeben. Der Scheriff war natürlicher Weise während dieser Execution abwesend gewesen und hatte sie ignorirt, ohne sie*zu mißbilligen. Kaum halte er jedoch die Wirkung dieses ungesetzlichen Einschreitens erfahren, als er noch in der Nacht mit dem Vater nach dem bezeichneten Orte aufbrach. Er kam daselbst am folgenden Mittage an, fand eine sehr achtungswerthe Familie von Hinterwäldlern, die wohl von dem began genen Raube, weiter auch nichts wußten. Die bloße Zumuthung der Theilnahme an der Gräuelthat schien die ehrlichen Hinterwäldler auf's Tiefste zu verletzen. Der Gefangene hatte, wie es schon oft ge schehen, wieder sein Spiel mit ihnen ge trieben. Die gespannte, so oft getäuschte Hoff- rumg hatte den armen Vater auf's Kran kenlager geworfen. Er lag mehrere Ta ge im Kampfe zwischen Leben und Tod. Das Publikum war müde, erschöpft; der Schmerz erschlafft. Die Strafzeit des Gefangenen war mittlerweile verlaufen. Es war während dieser Zeit Alles aufge boten worden, den Bösewicht zu einer Mittheilung zu bewegen; nichts als stumpfsinniges Hohnlachen war die Ant wort gewesen. Man konnte ihn nicht länger festhalten, und in Bezug auf den Kindesraub wurde er auf das Noli pro sequi freigelassen. Dem Vater war ge rathen worden, sich wo möglich noch ein mal mit ihm in's Vernehmen zusetzen. — Beide Eltern warfen sich dem Ungeheuer zu Füßen, der verstockt kein Auge weg wandte und höhnisch dem Vater zuflüs terte : Du hast mich elend machen wollen sei Du es nun. Der unglückliche Mann sprang auf und bedeutete dem Entlassenen daß er ihm folgen müsse. Sie setzten über den Mississippi. Hinter Concordia angekommen beschwor der Vater nochmals den Jrländer, ihm um Gotteswillen den Verwahrungsort seines Sohnes zu sagen ihm drohend, wenn er es nicht thun wür de, sollte er nicht lebend aus seinen Hän den kommen. Der Jrländer fragte ihn, wie lange er ihm Zeit geben wolle. Sechsunddreißig Stunden war die Ant wort. Eine Weile ging der Elende ne ben den Eltern in tiefen Gedanken ver sunken, dann, plötzlich auf den Vater zu stürzend, riß er ihm eine Pistole aus dem Gürtel und drückte sie ihm auf die Stirne ab. Die Waffe versagte; da sprang er auf ein Bayou zu, dem sie sich genähert hatten, und kaum war er im Wasser, als dieses über ihm zusammenschlug und er versank. Nach einer Stunde wurde sei ne Leiche gefunden. Von dem Söhnchen des unglücklichen Vaters wurde nie wie der etwas gehört. Ueber die so eben an geführte Thatsache, die sich zu Ende des Jahres 1825 zugetragen, findet man in allen Zeitungen des Mississippi-Staates ausführliche Berichte. Der Name deß unglücklichen Vaters ist beibehalten. W. P. Staats-Ztg. (Ans dem Illustr. Unterhaltungs-Blalte.) Der Postillion Novelle. Ein munteres Posthorn tönte auf der Heerstraße, weckte vielfältige Echo an den nahegelegenen waldigen Höhen und schien die Aufmerksamkeit einer kleinen Gesell schaft von Männern zu erregen, die unter dem großen Lindenbaume der Schenke hinter vollen Bierkrügen saßen, und bis dahin ein leises aber hitziges Gespräch ge führt hatten, das von besonderem Inte resse für Alle gewesen sein mußte, wenn man die rothen Gesichter und die mitun ter wirklich feindseligen Geberden der Sprecher als gültige Zeugen annehmen durfte. Die Schenke l?g einsam in ei nem Winkel Norddeutschlands, wo sich die Grenzen dreier Fürstenthümer, dieses leider so vielherrigen, schönen Reichs be rührten und zackicht in einander schoben, als hätte die Erde selbst, durch diese un trennbare Nath Einrede gegen das Kust werr der ehemaligen Grenzcommissarien einlegen wollen; doch waren die Besitzer nicht darin zu verdenken, daß keiner sei nen Anspruch auf diesen Erdwinkel abzu treten geneigt gewesen, denn in der Nähe fand sich auf viele Meilen kein Plätzchen wo die Natur in solchem Maße verschwen derisch ihre Schönheiten vergeudet. Rei ches Ackerthal üppig bewaldete Berge wechselten mit einander; ein Dutzend klei ner Flüsse und Bäche bildeten, indem sie sich mit stetß breiterem Laufe einem grös seren Strome zudrängten, ein lebendiges Wassernetz; ein ziemlich bedeutender fisch reicher Landsee dehnte seinen Spiegel in der Nähe mitten zwischen einem grünen Wiesenrahmen aus, und am Rande der Höhen streckten kleine, doch freundliche Dörfer ihre Dächer durch die untern Baumgruppen hervor, und von einem Laufende Nummer IS. Kirchthurme klang jetzt ein eintöniges Glöcklein ununterbrochen in kurzen Schlä gen im Wehen der Abendluft herüber. Das Posthorn hatte bis jetzt die Me lodie eines fröhlichen bekannten Volkslie des hören lassen, als es sich aber dem Waldecke näherte, wo das Ohr des Horn bläsers von dem weinerlichen Geklingel des Kirchenglöcklcins berührt werden mußte verstummte daß Horn plötzlich, und nach einer kurzen Pause vernahm man von ihm die langgezogenen Töne ei nes ernsten Kirchengesanges, die in beson derer Harmonie mit dem Glockenklang traten, und gleichsam sich bemühten seine unverständliche Eintönigkeit zu verdeutli chen. Der Mann des vierblätterigen Klee blattes von der Schenke, welcher am äus sersten Eck des Tisches gesessen, trat zur Straße und schaute mit Blicken, die mehr* als gewöhnliche Neugier zu schärfen schien nach der Schlucht, durch welche der Weg in den Wald versank, wandte sich jedoch gleich wieder zu seiner Kameradschaft und dem Vesperbrode, indem er verächtlich sagte; „es ist nichts" dürft sitzen bleiben, Gevatter, und könnts Kappel in Ruhe lassen. Ein armseliger Postknecht reitet die Extrapferde zurück, langsam und faul im Eselsschritte wie derlei Tagdiebe es gerne thun." „Es ist der Hirten Wilm," erwiederte der kleinste und unansehnlichste unter der Compagnie, dem man den Herrn der statt lich neu erbauten Schenke nicht ansah; „der achtzehnjährige Bursche ist ein Vir tuos auf seinem Hörne; auf drei Statio nen weit thut's ihm keiner gleich, und er bekommt von mancher Herrschaft ein dop pelt Trinkgeld, weil er sie gar süß in den Schlaf geblasen." Der Erste, ein stämmiger Mann in ei nem hellgrauen Oberrocke fuhr sich mit der breiten Hand durch den rothgelben Bart, der dicht und starr vom Ohr unter dem nackten Halse durch sich bis zum an dern Ohr hinauf zog, strich sich dann mit beiden Händen das dünne grauliche Haar von der breiten Stirne zurück und murrte indem sich seine scharfen und widrigen Gesichtszüge recht teuflisch verzerrten: „Möchte er sich recht bald im scharfen Ostwind die Schwindsucht an den Hals blasen ! mich grollt's immer, sehe ich den Burschen so fröhlich seinen Weg ziehen, den Habenichts. Gäbe ihm der Landes herr nicht das blaue Wams und den blan ken Hut, müßte er im Hemde hinter den Gänsen und Säuen laufen. Solch Volk weiß nicht, waS Sorge ist, und das Geld fällt ihm in die Hand wie vom Himmel herab ohne Noth und Arbeit." „Gönn' es ihm, Vetter Müller," siel ihm einDritter, ein derbknochiger Arbeits mann im Kittel ins Wort. „Es ist doch ein traurig Leben, so Tag und Nacht im Wetter, im Wind und Frost auf der Heerstraße liegen und auf den dürren Postkleppern sich wund zu reiten für schlechten Lohn. Und der Wilm ist kein Schlemmer wie die Andern. Er thut viel Gutes an der alten Loofs, der Hir tenfrau, seiner Ziehmutter, und geht mit der alten, halbblinden Hexe um, wie ein Christenkind nur mit der Mutter umge hen kann, obgleich die ganze Gegend weiß wie schlecht ihn die Loofö gehalten, und daß der Knabe im Schmutz hätte verkom men müssen, wäre nicht der Postmeister, als der Hirt im See ertrank, mitleidig zu getreten, und hätte sich des hübschen Bu ben erbarmt und ihn in seinen Stall ge nommen." „Halt's Maul mit deiner Lobpredigt, > alter Schwatznarr!" rief der Müller, ei nen grimmigen Blick auf den Sprecher schießend. „Hier im Hause sind genug, die ohne deinen Sermon dem geckenhaften Jungen mehr zugethan sind, als ich leiden mag und leiden will." Er drehte sich da bei zur Seite, und sein Auge siel auf das Fenster der Gaststube, an dem sich ein weiblich Köpfchen sehen ließ, das ihm die Glutb auf die braunen gefurchten Wan gen trieb. (Fortsetzung folgt.