Der liberale beobachter und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeine anzeiger. ([Reading, Pa.) 1839-1864, August 06, 1850, Image 1

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    N e ViN A, Gedruckt und herausgegeben von A rnold PuweU e, in der Süd Kren Straße, zwischen der Franklin- und Ckesnnt - Straße.
Jahrg. 11, ganze Nnm. SVV.
— Der UroliarNtcr erscheint jeden Dienstag aus. einem großen Luperial - Bogen mit schönen Vettern gedruckt. Der - Preis ist Ein ;ha l e r des Jahrs, welcher in halbzal rl che^
erbeten wird ->9er >,» Vause des Lahres nicht bezal.lt, de», werden HI 5.» angerechnet. Hur kürzere Zeit als <i Monate wird fein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur
dum an;eno»im!» >venn sie -nen Monat vor 'Ablaus des geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und sur den gewöhnlichen preis ein
qe "ückt Lea dt w?rd d.e Z.tung poriosre. geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, aus Kosten der ttnterschreiber. - Briefe und dergl. müssen p ° stfre. e.ngesandt werden.
Die (Hründmig von Peking.
Eine Erzählung von Friedrich Münch.
Vorbemerkung.
Die Art der Verbindung, in welche in
unsern Tagen die alte Welt mit der neu
en getreten ist, hat eine Menge der aben
teuerlichsten Ereignisse zur Folge, von
welchen Diejenigen, welche aus ihren Um
gedungen niemals heraustraten, wenig
Atmung haben. Einiges dahin Gehörige
was dem Verfasser bekannt wurde, ist
hier zusammengestellt nnd in ähnlicher
Weise an einen Faden gereiht, wie dies
auch größere Geister schon vor ihm mit
andern Dingen gethan haben. —Wenn es
ihm gelingt,' den Leser zu erfreuen, so ist
sein Zweck erreicht.
Wenn ich s recht verstanden habe, so
besieht das Leben und Treiben in der
weiten Natur darin, das; Alles beständig
sich in's Gleichgewicht zu setzen strebt uud
dabei zugleich umner wieder aus dem
Gleichgewicht herausfällt.— So geht denn
auch die Vermischung deS Menschenge
schlechtes wohl schon manches Jahrtausend
vor sich: die Blonden und die Braunen,
die Schnellen und die Langsamen, die Klu
gen und die Einfältigen, ja die Schwar
zen, Gelben Rothen und Weißen mischen
sich beständig,—man sollte schier glauben,
daß daraus längst gleichsam ein gleichar
tiger Guß, eine Art Tomback oder Neu
silber, entstanden sein mupte; allein im
mer springt der Schmelz auch wieder
theilweise auseinander, sich sondernd in
Zinn und Zink u. s. w. Ja eS geschieht,
daß exzentrische Naturen sich zusammen
finden, und wehe dann den Sprößlingen
eines solchen Vereins! Für ihr sieberi
sches Herz, für ihr sprudelndes Gehirn
ist meistens die Welt zu enge, oder jie
müssen wenigstens weit, weit lausen, bis
sie Kühlung und Ruhe sinden. Der Ver
fasser hat in diesem Punkte seine Ersah
ruiig gemacht, doch noch bei weitem nicht
die schlimmsten die überhaupt gemacht
werden. Die nachstehende Erzählung
wird diesen Sah weiter erläutern.
In einem Landstädtchen Thüringen s
wohnte Hr. Balthasar Sauer als wohl
bestellter Steuercollector und mit ihm sei
ne Shehalfte Maqdalene, beide gleich
feurige Naturen. Ihr Ehesegen war im
bedeutend, wenigstens nicht im Verhalt
niß zum Dleiifteinkommen, —er bestand
auS fünf Söhnen und einer Tochter.
Wenn das Wort des Dichters wahr ist,
daß „ans Feu,r der Geist geschaffen ward,"
so war's bei ihnen nicht etwa ordinäres
Kohlenfeuer, sondern eines von der " rt,
worin Diamanten schmelzen, und da n
ist auch ihr alter Lebensgang mehr ei. 7
Kometenbahn ähnlich als dem ordentl.
chen nüchternen Laufe von Planeten.
Truge« sie doch, wie wir Alle, „in der
eignen Brust ihres Schicksals Sterne."—
Altersgrau und Lebenssatt segnete der
Water dieser Heldenfamilie endlich das
Zeitliche, und so haben wir es nur noch
mit dem Rest derselben zu thun.—Die
Hinterlassenschaft verursachte keine ver
wickelte Berechnungen. Beginnen wir
mit den Söhnen —der Altersunterschied
zwischen dem ältesten und jüngsten betrug
weniger als acht Jahre—und nehmen sie
von oben herab vor.
Stephan hatte sich der edlen Heilkunde
gewidmet. Sein Wissen war besser als
seine Aussichten auf Brod. Geduldiges
Harren war jedoch seine Sache nicht, —
und so, nach des Vaters Tode, schnürte
er den Ranzen, wanderte nach Holland
und ließ sich alö Schiffsarzt nach Bata
via anwerben.—Obwohl sein Herz unter
der Aequatorsonne lange kühl blieb? Wer
kann es glauben?
Eine lMändische Schöne, eines rei
chen Pflanzers Tochter —und zwar von
der seltensten der gelben, Rosenart —be-
geisterte ihn zu den unsterblichsten Sonet
ten. „Herz, mein Herz, was soll das ge
ben ?" —Aber sie war zu sehr noch Knos
pe, als daß der verständige Vater zu ta
deln gewesen wäre, wenn er noch ein Jähr-
Wer Liberale Äcobachter
Und Berks, Montgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger.
che,» Aufschub der Verbindung begehrte.
"Fahre nicht aus der Haut, junger Hitz
kopf." ist unser Rath; ..denn gut Ding
ivill Weile haben, und ein Holländer über
eilt sich nicht." Er aber achtet unseres
Rathes nicht. ..Länger kann er's nicht
ertragen" und lieber will er erst noch ein
Bischen das Weite suchen, als ruhig har
rend und still sehend zwölf Monate von
Zava's Sonne sich schmelzen lassen. Der
Abschied ist herzbrechend, aber ehrlich das
Gelübde ewiger Treue. Und so eilt er,
..Ruhe zu erjagen," nach Japan hin.
Er will sich das närrische Völkchen der
Japanesen zuin Zeitvertreibe ein wenig
besehen und hofft zugleich, in den japani
schen Gebirgen ruhmvolle botanische Ent-
Deckungen zu machen. Doch die japani
sche Majestät versteht keinen Scherz und
ivill sich weder in die Karten noch in das
Land sehen lassen. Er lernt von diesem
merkwürdigen Lande eben nicht viel mehr
kennen als die japanische Polizeieinrich
tung und die japanischen Gefängnisse,
und in einem der letzter»! müssen wir ihn
vorderhand lassen, ihm Zeit gönnend, sei
ne Thorheit zu bereuen.
Christoph war zur Zeit des Todes seines
Baters von seiner Heimath abwesend und
—sah ihn niemals wieder. Er hatte sich
ver Handlung gewidmet, hatte eben in
einer entfernten Seestadt bei einem Ver
wandten seine Lehrjahre beendigt und da
rauf mit Vergnügen das Anerbieten ei
nes Petersburger Kaufmanns, in feinem
Geschäfte zu arbeiten, angenommen. Was
konnte erwünschter sein, als die weite
Welt, ja die glanzvolle Zaarenstadt zu se
hen, und irgend eines der Abenteuer zu
bestehen, die sich junge Leute meistens von
fremden Ländern versprechen? Wirklich
kam eines für ihn im Verlaufe weniger
Jahre, und zwar eines der bedeutendsten
Art. Ein polnischer Graf bewohnte ei
nen prunkvollen Palast gerade der Woh
nttng deS Kaufherrn gegenüber. Wa
rum machte die junge Gräfin so viel hau
figer als vordem ihre Besuche in den
Schmuckladen, welchem Christoph vor
stand? Warum wurde er so oft beschie
den d.... >'r jene Stoffe zur Auswah!
der Damen in den Palast zu bringend
War es nicht die schöne Gestalt und die
gefällige Art des jungen Kaufmanns
was die hohe junge Dame ungleich mehr
als seine Kaschmir-Shawls entzücktes
Mädchen zwischen 15» und I I», selbst pol
nische Gräfinnen, haben nicht immer sc
vollständig gelänterte Begriffe über Stau
desabstand, daß das Herz sich nicht in ein
zelnen Fällen herausnähme, die weisen
Ansichten der Väter, welche diesen wichti
gen Gegenstand zum Studium ihreö Le
bens gemacht haben, unbeachtet zu las
sen und dem süßen Zuge zu folgen. Adel
aide lernte bald eine Art von Zeichen und
Augensprache verstehen; sie lernte noch
mehr, sie lernte einen kleinen, gar un
schuldigen und zartsinnigen Briefwechsel
führen, selbst, die „Begegnung" (vie!
leicht in den schönen englischen Gartenan
lagen des Grafen an der oberen Neva)
ließ sie sich gefallen u. s. w. Dies allec
gebührte es sich zur Ergötzung unsere»
theilnehmenden Leserinnen weiter auszu
mahlen, wenn nicht der übermäßige Stoss
unserer Erzählung uns leider zu eilen
drängte.—Weil indessen doch Alles in de»
Welt, zumal ein Liebesabenteuer, auf ein
Ziel hinaus laufen muß,—kann es befrem
den, daß eine Flucht nach glücklicheren
Gefilden, wo ächte Liebe keine Fesseln,
wenigstens keine Standes fesseln, kennt,
ernstlich berathen wurde?
Das Losreißen war für Adelaide in
in diesem besonderen Falle nicht sehr
schwer. Ihr Vater lebte in zweiter Ehe
mit einer Nationalrussin, welche die pol
nische Stieftochter mit Stolz und Härte
behandelte. Der Vater hatte und kann
te kein höheres Lebensziel, als im Hof
dienste, dem er sich gewidmet hatte, immer
höher zu steigen. Geliebt war sie von
Niemand im Hause, als von ihrer getreu
en Zofe. Diese war zugleich die Ver-
zu loben und otine Furcht zu tadeln."
Dienstag den Angnst,
Mittlerin ihres süßen Verhältnisses mit
Christoph und sollte jedenfalls ihre Be
gleiterin sein, wohin auch ihr Geschick sie
führen wurde. Ein stolzes Wimpel
wehte im Hafen von Petersburg, und zu
verschiedenen Zeiten sah man den jungen
Liebhaber an Bord des Schiffes, Mittel
standen reichlich zu Gebot, denn Adelaide
besaß den werthvollen Diamantenschmuck
ihrer Mutter und Christoph selbst halte
als guter Haushalter bedeutendes erspart.
Ob der Kaufherr in den Handel einge
weiht war? Wir wagen es nicht zu ent
scheiden. 'Aber in einem Punkte sehen
wir schärfer, als die beiden jungen Leute
—was am Ende bei unserem Altersun
terschied kein großes Verdienst sein mag.—
wir haben nämlich längst bemerkt, daß der
schlauen Russin von dem LiebeShandel nicht
das Geringste entgangen ist, ob sie ihn
gleich bis dahin in keiner Art zu stören
schien.—Wir sind eben noch der stille
Zeuge gewesen, als alle nothwendige Ver
abredung mit dein wackern Kapitän des
Bostoner Schooners zu Ende gebracht
wurde, und müssen nun vorerst die beiden
Liebenden ihrem Schicksale überlassen.
Mathias. Er hatte als Jurist begon
nen. Aber die Pandekten! Eben so ge
wiß kann die stolze Magnolie am Nord
pol blühen, als ein Schöngeist mit den
Pandekten sich befreunden. Im dritten
Semester wird das Corpus juris zugeschla
gen für immer.—„Wie poetisch ist das
Leben eines LandpredigerS! Wie nahe
sind Rede und Dichtkunst verwandt! Und
die freundliche ländliche Pfarrerswoh
nung ! Das schöne patriarchalische Ver
hältniß des Predigers zu der Gemeinde!
Die viele Muße!" Also die Theologie
wird ergriffen.—Die hebräischen Zeitwör
ter schmecken schlecht, noch schlechter die
Dogmatik. Und die Symbolik gar! und
die römischen Päbste! Es ist nicht zum
Aushalten. „Hole der Henker all das
verrückte Zeug !"—Ein Freund dem er sei
ne Noth klagt, erwiederte »hm mit den
bekannten Worten : „Grau, theurer
Freund, ist alle Theorie, doch grün deS
Lebens goldner Baum." DaS hat er
längst gedacht; aber die Schwierigkeit
ist nur, dem goldnen Baume auf gute Art
beizukommen. Er besucht gelegentlich
noch einige Vorlesungen, z. B. über Aest
hetik, über daS Nibelungen Lied n. s. w.
Zu gieicher Zeit fängt er an, erst Solda
tenrollen dann Bedientenrollen, dann Lieb
haberrollen im Theater zu spielen, auch
als Turnmeister die Knaben am Recke
springen zu lassen, und ist in Zwischen
stunden mit der Abfassung eines Schäfer
romanes im nenesten Geschmacke beschäf
tigt. Die Abendstunden sind dem Billi
ard und der Uebung anderer gleich edler
Künste gewidmet. Gerade als die letzten
Mittel erschöpft sind, bietet sich eine er
wünschte Versorgung dar. Die rheini
sche mexikanische Golderbeutungs-Gesell
schaft bedarf eines Schreibers, und ein
Bekannter verschafft ihm die Stelle. „Land
der Träume aller großen Seelen, Land
der Aloen und Caktus, Land deS ewigen
Frühlings und der Vulkane und —nicht
zu vergessen—Land des GoldeS und der
Schönen, dich werde ich sehen!"
In einem der abgelegensten, ödesten
und rauhesten Theile der Sierra Madre,
wo die Goldmine bearbeitet wurde, fand
Mathias es freilich nicht ganz so bezau
bernd, als er es sich vorgestellt lMe.
Doch hielt er es zwei Jahre aus verließ
dann mit wohlgefüllter Börse das ungast
liche Gebirg, um unter liebenswürdigeren
Menschen als seine bisherigen Nachbarn,
die Lipanen, waren, seines Lebens wieder
einmal froh zu werden. Sein guter
Stern führte ihn zum Paradiese der neu
en Welt, nach Chihuawa. O die mahleri
sche Lage der Stadt! die herrlichen Do
me! der prächtige Fluß! die lieblichen
Gärten! der ewig freundliche Himmel!
die milde Luftdie schwarzäugigen Frau
en ! die tausend Genüsse aller Art, so
leicht zu erlangen. „ Hier ist'S gut,"
denkt Matthias, „hier laßt uns Hütten
bauen !" Beim Fandango fehlt es natür
lich nicht. Welche Welt der Frauen!
Nichts von steifer Zurückhaltung oder eit
ler Förmlichkeit. Diese Frauen sind wie
ein lieblicher Maitag, der alle einladet, an
seiner milden Schönheit Theil zu nehmen,
und dessen sich Zeder in seiner Weise er
freut. Zum entzücken sind sie alle; aber
—o armes Herz! --Donna Clara über
strahlt doch dennoch in reizender Anmuth
alle die andern so weit, als SyriuS einen
Stern fünfter Größe. Die Himmlische!
wie unnachahmlich sie die Cigarita in ih
ren Corallenlippen rollt! wie schelmisch
ihr Auge blickt! wie graziös sie im Tanze
alleGlieder rührt! wie unschuldig, schmach
tend jeder Laut ihrer Stimme ist! —Zu
tritt zu Don Alvaro's Hause ist leicht er
langt. Mathias unterhält bei der damp
senden Chokolade den ernsten Herrn über
die Einrichtung des deutschen Theaters.
Clara verläßt eben das Zimmer. „Sie
haben eine himmlische Tochter." „Sie
steht ganz zu Ihrem Befehle," erwiederte
der Don. —Mathias bedenkt nicht, daß
dies in der Sprache mexikanischer Höflich
keit nur etwa so viel bedeuten will als un
ser „ gehorsamer Diener," und schreibt
sich die Sache hinter s Ohr. „ Mit der
Tochter muß ich in's Reine zu kommen
suchen, der Alte legt mir ja nichts in den
Weg." Ein Spaziergang im Mond
scheine bringt, wie wir mit Vergnügen
bemerken, alles in s Gleiche.
Eben bog der Begeisterte mit seiner Ge
liebten Arm in Arm um eine Straßenecke,
als ein vermummter ihm entgegen sprang
und einen blinkenden Dolch auf seine Rip
pen gerade in der Herzgegend sties.—Wie
sehr ist es Verliebten in diesen heißeren
Regionen anzurat hen. daß sie eine massive,
wohlgefüllte Brieftasche bei sich führen
und in der linken Seltentasche des Rockes
tragen! Der Inhalt hilft über manche
Verlegenheiten hinaus und die Saffian«
schaale wenvet vielleicht den Dolchstich ei
nes eifersüchtigen vom Herzen ab. We
nigstens verdankte unser Amadis jenem
Umstände seine Rettung. Seine Bank«
noten haben, wie man sehen kann, noch et
was vom Stiche abbekommen, aber sein
Herz blieb unberührt.—Noch war von sei
nem Arme nicht alle Turnersgewandtheit
gewichen, und so empfing der unberufene
Störer seiner Freuden im nächsten Au
genblicke einen so gewaltigen Fauststoß
gerade unter die Nase, daß ihm nicht al
lein das Sehen und Hören verging, sou»
dern die Straße auch bald mit seinem Blu
te bedeckt war. „Mörder !" ruft die be
bende Donna. Die Wache kam, fand den
Ohnmächtigen, den Dolch mit der abge
brochenen Spitze in der Hand, und brach
te ihn in sicheren Gewahrsam. Die ge
richtliche Untersuchung des Vorfalls nahm
weniger Stunden weg, als anderwärts
Monate dazu erforderlich gewesen wären.
Schuld und Unschuld lagen so klar vor.
daß nicht einmal den Advokaten ein Feld
ruhmvoller Thätigkeit sich darbot.—Dem
Staate Chihuawa war gerade der Befehl
von Santa Anna zugekommen, ein neues
Truppenkontingent zustellen, und so sand
te man ohne viel Umstände den allzuwar
men Liebhaber mit einem Trupp gleich
respektabler junger Helden ab, um ihm
Gelegenheit zu geben, im Garnisonsdienste
von St. Ulloa sein Gemüth etwas abzu
kühlen.
Dies war ein Glück für Mathias. Nicht
blos war er so eines gefährlichen Neben
buhlers ledig, sondern auch die Bedenklich'
keiten der Alten wurden um so leichter be
siegt. Der Eheknoten wurde ohne vielen
Aufschub geschürzt, und Mathias florirte
etwa ein Jahr als Handelsmann in der
reizendenStadt.—ln ihm selbst ging wäh
rend dieser Zeit eine wohlthätige Verän
derung vor. Immer war der tiefere Kern
seines Wesens ein guter gewesen. Leicht
sinn und übersprudelndes Jugendfeuer
hatten ihn bisher zu mancher Thorheit ver
lockt ; er lernte indessen in der kurzen Zeit
Lanfende Nnmmer SV.
seines Ehestandes mehr vom höheren Ern
ste des Lebens begreifen, als in allen sei--
nen früheren Jahren. Er sah ein, daß
auch seine Gattin zwar nicht ohne manche
gute Naturanlagen war. daß diese aber
unter den Verhältnissen, worin sie lebten,
nicht zur Entwicklung kommen konnten,
ja daß diese ganze Existenz seiner unwür.
würdig war. Er sehnte sich nach dem
Umgänge mit Menschen, die ihm gleichge
stimmt wäre», —er sehnte sich nach einem
Vaterlande. Dieses Letztere konnte Me
xico nie für ihn werden,—und als Fremd
ling ein Land nur auszubenten, welchem
außerdem seine Theilnahme fehlte, wel
ches ihm kein Heimaths und Bürgerge
fühl einzustoßen im Stande war, das wur
de ihm auf die Dauer immer peinigender.
Dazu kam daß Claras Mutter um diese
Zeit starb, sowie daß sein Schwiegervater
als eifriger Förderalist täglich mehr in ei
ne unangenehme, ja für ihn persönlich
nicht ungefährliche Stellung gegen die
herrschende Partei Santa Anna's gerieth.
Und so konnte es geschehen, daß zwischen
allen Gliedern der Familie eine Verstän»
digung dahin zu Stande kam. gemeinsam
das bedrückte Land zu verlassen. Beglei
ten wir denn in Gedanken die Karawane
auf ihrer mühsamen Wanderung über
Sandsteppen und auf den engen Wegen
durch die Chaparals (ausgedehnte Strek
ken mit dichtem, ja undurchdringlichem
Stachelgebüsche bedeckt) nach der Seekü
ste hin und lassen he einstweilen in Mata»
moras sich von den Reisebeschwerden er
erholen. Leider müssen wir noch zufügen,
daß Mathias an diesem Orte in Folge der
Reisebeschwerden sehr bedenklich erkrankte
und daß um die Zeit, da wir von ihm schei»
den. nur geringe Hoffnung seiner Herstel»
lung vorhanden war.
Peter. Wir stehen jetzt an Nr. 4. Pe
ter heißt unser Held. Ihm träumte frü
he von Schlachten und Siegen. Einen
Eäsar. einen Napoleon fühlte er in seiner
Brust. Womit also konnte er entspre
chender beginnen als daß er als Freiwilliger
in das Schleizische Kriegsherr eintrat ?
„Tage von Marengo und Austerlitz. ihr
werdet wiederkehren, wenn erst meine Zeit
kommt."—lndessen machte Peter guten
Gebrauch von seinen natürlichen Talen
teu ; er war der vorzüglichste in der Ka»
dettenschule und hatte es um die Zeit, da
ihm der Bart zu wachsen anfing, bis zum
Fähndrich gebracht. ..Bis hierher und
nicht weiter," schien weniger der Beschluß
eines blinden Fatums, (an das wir nicht
glauben) über ihn zu sein, als vielmehr
derjenigen Sterblichen, die er selbst als die
entscheidenden Lenker seines Geschickes be
trachtete. Er stand der nächste zu der
überaus wichtigen Stelle eines zweiten
Lieutenant's und sah sich schon in Gedan
ken mit Epauletten geschmückt, als gerade
noch im rechten Momente ein entsetzlich
unwissender, glattwangiger Baron vor
ihm in den hohen Posten einschlüpfte.
..Kein verdrießliches Gesicht, mein Gu
ter." sagte sein Hauptmann ;,,solche Din«
ge muß man verschmerzen lernen, wenn
man im Dienste vorwärts kommen will, —
der iunge Baron war zu gut empfohlen,
man konnte dießmal nicht anders. Das»
selbige ereignete sich nach einiger Zeit noch,
mals, und wiederum lag in nichts Ande
rem die Schuld, als in der guten Empfeh
luug.
„Geburtsunterschied," sagte der Major,
„kennt man im Staatsdienste dieses Lan
des nicht,"—die Würdigkeit entscheidet;
allein es gibt manchmal Rücksichten, über
die man nicht hinaus kann." Endlich
ging abermals ein Veteran der höheren
Offiziere ab. was ein allgemeines Bor
rücken zur Folge hatte, und dießmal—so
sagte Jedermann—konnte eS unserem Pe
ter nicht fehlen. Es fehlte ihm dennoch ;
denn der ihm Borgezogene war zu gut
empfohlen.— Peter ersparte seinen Obe
ren jede Mühe, ihn zn trösten, forderte