Der Liberale ücobacliter Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger. < M e ÄiN A, Gedruckt und herausgegeben vonAruold Pu»vell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- nnd Chesnut - Straße. Jahrg. I>, ga»;e Num. SS?» Bedingungen: —Der Nilier.'llr IZtob.iriltrr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial r Bogen mir fronen vettern gedruckt. Der Subfcriptions - Preis in Ein Thäler des Jahrs, welcher in halbjährlicher Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im des labres ni>l>t bezablt, de», werden Hl 50 angerechnet. Für kürzere Zeit al? »Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Sluskündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie emenMonat vor 'Ablauf des geschehen und gleichzeitig alle Rückstände werden. Bekannim.nliungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis ein gerückt. 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Pfad zu blicken, war von den Ueberleben den, die sich den Tod so gern unter dem schmeichelnden Bilde des Schlafes vorstel len, mit dem steifen Augenliede verhüllt; der Mund, der mehr Seufzer als Worte geäußert, war durch ein Gesangbuch unter dem Kinn gewaltsam zusammengedrückt ; die Stirn, so niedrig wie die Gedauken, welche sie umschlossen hatte, war vom To deskampfe und dem letzten Gedanken an die trostlose Familie umdüstert. Es ist ein trübes, abschreckendes Bild, welches wir dem Leser vorführen; aber ihr müßt den Muth haben, die Wunde, die ihr heilen sollt, anzuschauen. Es ist erfreulicher und heiterer im Lazareth; aber wollt ihr die armen Kranken hülflos leiden und sterben lassen? Die Welt ist jetzt ein großes Krankenhaus, der Aerzte sind wenige, ihr Alle müßt Hand anlegen, verbinden, helfen und heilen. An üppi ger Tafel läßt es sich behaglicher weilen, als im Beinhause, aber ihr sollt die Opfer sehen, die dem Hunger sielen, während ihr schwelgtet. Der Tod ist schrecklich in allen Gestal ten ; selbst der Verbrecher bebt vor der le benslänglichen Kerkerstrafe nicht so zurück, wie vor dem Beile des Henkers. Aber wenn der Mensch nach einem edeln und thatenreichen Leben sich mit dem Bewußt sein der Tugend willig dem grausamen Gebote der Natur fügt; wenn der Krieger, der für eine gute Sache gefochten, noch sterbend die geballte Faust dem Feinde entgegenstreckt und muthig seine Seele aushaucht, so berührt der Tod den Men schen, der nichts als Bitterkeiten in seinem Leben genossen und seine Familie zu glei chem Schicksale zurückläßt, am peinlich sten. Solchen Tod erlitt der arme Häus ler nach einem sorgenvollen Leben, und zu gleichem Schicksale der Armuth, Entsa gung und Entbehrung hinterließ er seine Frau, die arme Christine, mit ihren beiden Kindern. Er hatte sie als Taglöhnet kümmerlich ernährt; der Morgen Gar tenland, den er als Häusler zur Benut zung gehabt, nebst dem dürftigen Lohn, den er für die Pflichtdienste vom Guts herrn erhalten, hatten wenigstens seine Familie vor dem Hungertode geschützt. Jetzt aber mußte die Frau ihre Hütte und das dazu gehörige Land aufgebe», sich bei einem Büdner einmiethen und durch schwe re Feldarbeit das Geld für Miethe und allen Bedarf erwerben. Ihre ganze Le bensweise gibt uns das Bild des Jammers und der äußersten Armuth. Wir erblik ken ein enges Stübchen, aus welchem der Schmutz der Noth trotz aller Reinlichkeit nicht entfernt werden konnte, darin eine blasse Frau, gebeugt von der Arbeit, die - dem Manne fast zu schwer ist, spärlich ge kleidete Kinder, ohne die heitern Mienen der Jugend, ohne jene AnmuthundFreund lichkeit, wodurch uns die kleinen Menschen sonst zu gewinnen und zu fesseln wissen. Kartoffeln und trockenes Brod machen ihre einzige Nahrung aus, die nur zu» Fristung des Lebens, aber nicht einmal zur Stillung des Hungers hinreichend ist< In diesen Verhältnissen lebte Christine mit ihren Kindern einen Tag wie den an- dern, ohne zu murren und mit stiller Er gebung. Sie hatte nie von Menschen rechten sprechen hören und glaubte an eine Norbestimmung zum Reichthum? oder zur Armuth. Mit Seufzern, aber nicht mit Hast, blickte sie nach dem Schlosse deö Gutsherrn, mit Geduld hörte sie die Scheltworte des letztern, dem sie nicht ge nug arbeiten konnte, und ihr größter Trost war die Lehre deö Predigers, daß die Ar men im Himmel reich sein würden. Treten wir ans diesem Hause derEntbeh rnng in das der Fülle und des Ueberslu>- seö, in das herrschaftliche Schloß ! Hier finden wir reiche Säle mit prächtigen Ge mälden, strahlenden Tapeten und üppigen Polstern. Hier fragt kein Bedürfniß nach dem. Mittel der Befriedigung, son dern der Schwelgerei ist es zur Aufgabe gemacht, für die Fülle der Sättigungs mittel immer neues Verlangen zu wecken. Der Fust wandelt auf gestickten Teppichen, weiche Lehnsthüle und elastische Kanapee'S laden zu wollüstiger Ruhe ein; Wohlge rüche erfüllen die hohen, luftigen Räume; eine reiche Büchersammlung, die Schätze der Literatur enthaltend, bietet sich dem Geiste, Statuen und Gemälde fesseln den Kunstsinn. Eine Tafel leckerer Speisen und feuriger Weine, umgeben von harren den Dienern, erwartet die Gäste, die sich stetö zahlreich einfinden, um beim köstli chen Mahle heitere Schätze auszutauschen. Im Hofe stehen die glänzenden Wagen, mit edlen Pferden bespannt, um die Ge sellschaft, nachdem sie durch Spaziergänge im englischen Park ermüdet ist, nach fer nernVergnügungSplätzen zu führen. Den Gutsherrn erblicken wir in einem kräfti gen Manne mit beneidenswert her Eßlust und unsterblichem Durst, dessen heitere Laune nur gestört wird, wenn die Geld course gesunken sind, oder wenn der Tag herannaht, wo er der Regierung unbe deutende Abgaben zahlen muß. Seine Gemahlin ist eine blasse Frau, die oft kränkelt, fleißig in die Kirche geht, mit den Dorfbewohnern immer sehr leutselig spricht und bei jeder Krankheit derselben mit einem Mittelchen aus ihrer Hausapo theke zur Hülfe herbeieilt; dennoch hal ten sie die Leute für stolz. Die Kinder sind blühend und wohlgestaltet, jeder Weg zur körperlichen und geistigen Ausbildung wird ihnen geboten, keine Gelegenheit zu jugendlicher Lust und Erholung wird ih nen vorenthalten Das ist der Gegensatz zwischen Arm und Reich, der unS hier an einem von kaum hundert Menschen bewohnten Orte schon in die Augen fällt. In dieser kleinen Gesellschaft sogar, welcher Abstand von Fülle und Entbehrung, Genuß und Ent sagung, Frohsinn und Kummer, Stolz und Niedergeschlagenheit! Diesen Gegensatz fühlte schon Karl, der Sohn deö verstorbenen Häuslers, in seinem jungen Gemüth deutlicher, als sei ne Mutter; in seinem Herfen bildete sich ein bitterer Groll über dieses ungleiche Walten des Schicksals. Nachdem man den todten Vater mit den geringen Förm lichkeiten, welche beim Begräbnisse deö Ar men üblich sind, mit dem Gefolge des singtndcnSchulmcisters und einiger Freun de und Mühcgenossen, zur Erde bestattet hatte, verrichtete der Knabe, um der Mut ter beim Broderwerb behülflich zu sein, den Dienst eines Kuhhirten. Wenn er des Morgens auf dem Hügel dem Schlos se gegenüber lag, und das Vieh grasete oder freiwillig in den nahen See watete, um sich an den Sträuchern des Ufers die Fliegen abzustreifen, blickte der Knabe un verwandt nach dem prächtigen Gebäude. Alles lag noch in tiefem Schlafe der Ueppigkeit, in der behaglichen Ruhe des Wohlstandes ; die seidenen Fenstervo:hän ge sind herabgelassen, um das unberufene Eindringen deS frühen Sonnenstrahles zu verhindern; überall herrscht Stille, und selbst die Schwalbe unter dem Dache, die am Fenster der Bauernhütte so zeitig und fröhlich zwitschert, scheint hier schweigend auf den hohen Stand der Hausbewohner "IVillig zu loben und obne Furcht zu tadeln." Dienstag de» N». Juni, I8S<» Rücksicht zu nehmen. Allmählich zeigt sich etwas Leben: der Bediente deckt den Tisch zum Frühstück unter der Linde, der Postbote gibt ihm die eben angekomme nen Zeitungen ab, das Schoßhündchen der gnädigen Frau steckt neugierig die Nase zum geöffneten Fenster heraus und klärst einen vorbeifliegenden Sperling an ; aus dem großen Saale, durch dessen Fenster alte Ritterrüstungen glänzen, ertönt das Klavierspiel der ältesten Tochter. Wun derbaro Klänge der Kunst und des Luxus, wunderbar für das Ohr deS ungebildeten Knaben, dem sie eine Ahnung gaben von höherer und edlerer Bestimmung des Men schen ! „Ob ich nicht auch Klavier spie len könnte, wenn eS mir gelehrt würde fragte er sich, „aber es wird mir nicht gelehrt, weil ich der arme Sohn eines Häuslers bin." Nun öffnet sich die Thür des Schlosses und die wilden rothwangigen Knaben stürmen heraus und eilen nach dem Kahn; die alte Erzieherin führt zwei kleine Mädchen zum Bade, der Haus lehrer mit der brennenden Cigarre erscheint und nimmt vor dem Frühstück Platz; dann wankt die gnädige Frau im Mor genkleide herbei, anscheinend so erschöpft, wie Karl seine Mutter nach der schwersten Feldarbeit nie gesehen hat. Bald kommt mit der Reitpeitsche, den großen Schnurr bart seitwärts streichend, um bei dem rei chen Morgenimbiß, zu dem sich jetzt alle niederließen, durch nichts gehindert zu sein. Während der Hirtenknabe sein Stückchen trockenes Brod zur halben Stillung des Hungers verzehrte, verschwand von dem herrschaftlichen Tische eine Last von Ge bäck, Fleischwaaren und Früchten; auch der kleine Hund ward reichlich mit Zucker und Milch versehen, und Karl dachte an sein armes Schwesterchen zu Hause, das die Mutter täglich mit Hungergeschrei i belästigte.—Nachmittags rollten die Kut schen auf den Amtshof, an den Fenstern ! zeigten sich feine Frauengestalten in fri schen, durchsichtigen Kleidern. „Haben jene Frauen, die meiner gebräunten, ge beugten Mutter in den Lumpen derArmuth so unähnlich sind, die wie glänzende Son nenblumen durch die hohen Spiegelschei ben blicken, etwas gemein mit den Noth leidenden ihres Geschlechts? Jene Grä finnen mit den Rosenflngern und dem schmelzenden Blick, haben sie je dem Ar men die Hand gereicht, oder die Lagerstät te des inKummerSterbenden angeschaut DieS waren ungefähr die Gedanken des Knaben, als er die Heerde heimtrieb und den kleinen Junkern begegnete, die auf muthigen Ponys daher getrabt kamen. Als er nach Hause kam, forderte ihn Mutter Christine auf, mit ihr und der Schwester in den Wald zu gehen, um Holz zu lesen. „Es ist ja heute nicht der Tag dazu!" sagte Karl. Diese Worte des Knaben erschütterten die Mutter tief, sie hatte aus Noth den Widerwillen gegen das beabsichtigte Vergehen überwunden, aber sie bebte vor dem Gedanken zurück, daß ihre Kinder Mitwisser ihrer Schuld seien. „Der gnädige Herr hat mir ausnahms weise diese Woche zwei Tage zum Holzle sen gestattet," erwiederte sie, indem sie den Kindern den Rücken zuwandte und dann vor dem Bewußtsein der Lüge zusammen bebte. So grenzt die Armuth an das Verbrechen und die Noth an die Schande. Auf dem Heimwege wurden sie von dem herrschaftlichen Jäger ertappt. Christine und der Knabe wären entkommen, aber das kleine Mädchen fiel im Laufe, erschreckt hemmte die Mutter ihre Flucht und über lieferte sich dem Verfolger. Das Bewußtsein der Schuld ist schmerz lich, aber lähmender ist das Gefühl, zum ersten Male als Verbrecher gestempelt vor der Welt zu stehen. Es ist nicht zu be schreiben, welche Pein Christine fühlte, als das Forstgericht sie zur Arbeit an der öffentlichen Straße und die Kinder zu Prügeln verurtheilte. Diese Strafe, die der edle Mensch nur gezwungen beim Hun de anwendet, welche aber bei der ritterlu chen Gewalt mancher Länder, obgleich sie gebildet und aufgeklärt sein wollen, einen Haupttheil des Strafrechts ausmacht, brachte eine schreckliche Wirkung auf den Knallen hervor. Er bekam nicht das er ste Mal Prügel; der rauhe Vater war sehr freigebig damit umgegangen, und selbst Christine, so gutherzig sie war und so sehr sie ihre Kinder liebte, strafte diese in der üblen Laune, die dem Unglücklichen wohl zu verzeihen ist, zuweilen mit harten Schlägen; aber diese Härte, welche von Seite der Eltern oder deS Lehrers ohne bedeutende Einwirkung auf den Gezüch tigten bleibt, erhält einen schrecklichen, ver derblichen Einfluß aus der Hand des Büt tels. Der Knabe hatte keine klare Be griffe vom Rechte, aber er fühlte desto deutlicher, das; er unwürdig behandelt sei. Der erste Schritt zu dem wirklichen Verderben oder der Handlung die wenig stens vor der Gesellschaft so genannt wird, ist bekanntlich der schwerste. Nachdem das pochende Gewissen oder das quälende Vorurtheil beruhigt und beseitigt ist, nach dem das Ueberwinden der ersten Schmach das Ehrgefühl gehärtet hat, sobald die Noth als Antrieb zum Vergehen fortbe steht, ist der Fortschritt auf der verderbli chen Bahn leicht gemacht. Christine, nachdem ihr die kleinen Forstfrevel, die sie im Winter beging, um mit ihren Kindern nicht zu erfrieren, lange Zeit gelungen waren, wurde das zweite und bald darauf auch das dritte Mal auf der That ertappt. Die menschliche Gesellschaft ist eigennützig wie der einzelne Mensch und ahndet hart die Eingriffe in daDEigenthum. Jeder Staat hat für den Diebstahl grausame Strafen, und wenn das Gesetz gleich hier und dort bei den ersten Fällen milde ver fährt so- ist es desto eiserner bei der dritten oder vierten Wiedervergeltung. Christine wurde jetzt zur Zuchthausstra fe verurtheilt. Es war zu derselben Zeit, als sich zum ersten Male an dem einzigen Nahrungsmittel der Armen, an den Kar toffeln, eine Krankheit wahrnehmen ließ, wodurch sie zur Speise untauglich wurden, und so entging die arme Fran dem Hun gertypus, der bald allgemein in der Ge gend ausbrach, freilich mit der schrecklichen Angst des Mutterherzens, ihre Kinder der verheerenden Seuche zu lassen. Während in der Stadt Bonn eine fremde Königin von ihrem Gastgeber prächtig bewirthe! wurde, tönte der Schrei der Hungersnotl durch die Gegend der Eifel und dec Hunnörücks. Es war hier der Gegensatz im Großen, den wir oben zwischen de» Noth des Hirtenknaben und dem Ueber: fluß der gutsherrlichen Familie schon an geschaut haben. Karls Schwester erkrankte, und obgleich die gnädige Frau mit herbeieilte, starb sic bald als Opfer deS allgemeinen Elendes, Der Sohn des Häuslers weinte nur we nige Thränen am Grabe seines Schwe sterchens ; die Bitterkeit überwog fast du Trauer. Er war nun vielfach von de» Härte des Schicksals berührt, vielfach von der Ungerechtigkeit der Gesellschaft miß handelt worden. Die Gesellschaft hattc seine Mutter, trotz deren angestrengtestem Fleiße, nicht von der bittersten Noth be wahrt, nachdem sie den Vater in der Nachl der Mühe und Unwissenheit hatte verge hen lassen; sie hatte die durch Heißhun ger zum Verbrechen Verleitete in der qualvollen Kerker gestoßen, sein eigenes kindischesEhrgefühl durch hündische Stra fe verletzt, und seine kleine unschuldigk Schwester von der Hungerseuche hinraf fen lassen. Er fühlte diese Bitterkeil aber nicht wie ein kleinlicher Geist gegen die einzelnen Peiniger, sondern er begriff, daß die Gesellschaft schuldig sei, und nahm sich vor zur Fahne der unermüdlichen Kämpfer für die Menschenrechte zu schwö ren. Nachdem er das Grab seiner Schwe ster geküßt und das seines VaterS mit fri schen Rasen bedeckt hatte, wandelte e» schweigend und gefaßt zur nahen Stadl wo ihn der Gutsherr in die Lehre einec Sattlers empfohlen hatte. Gern und wittig betrat er die Laufbakn Laufende Nummer 43 des Handwerkers, dankbar gegen das Ge schick, das ihn jenem Zustande der Ab« i hängigkeit, in dem er bis jetzt gelebt, uni? der sich von der Leibeigenschaft wenig un terscheidet, entzog. Er verlebte die Lehr jahre, wie es gewöhnlich ist. Ein stren ger Meister, dessen Härte er doch der Ro heit der Gesellen vorzog, hielt ihn bei schmaler Kost und schwerer Arbeit und ne benbei noch zu allerlei häuslichen Dienst leistungen. Scheltworte wechselten mit Püffen und Maulschellen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre," sagte der Mei ster ; „mir ist es auch nicht besser ergan gen," sprach der Gesell, wenn er die Thrä nen im Auge des Knaben sah, Karl aber nahm sich vor, daß, wenn er Gesell ge worden, er die Dualen seiner eigenen Lehr zeit nicht ein anderes schwaches Geschöpf wollte empfinden lassen, daß er die jungen Menschen, die vom Baterhause in die Fremde zum Erlernen einer schweren Ar beit getrieben, mit Menschlichkeit und Mil de behandeln und ihnen Vater und Freund zugleich sein wollte. Als er nach vier schweren Jahren Ge sell geworden, lernte er die lüderliche und rohe Lebensweise der jungen Handwerker erst recht kennen, und wieder war es jene sogenannte „Gesellschaft," der Staat, dem er dies zur Last legen mußte. „Die Hand arbeit entwürdigt den Menschen nicht, aber die lange Arbeitszeit," pflegte er zu sa gen. „Was sind wir, die vom Sonnen aufgange bis spät in der Abendzeit schwit zen müssen, denen kaum Zeit gelassen wird, eine dürftige Mahlzeit zu halten, was sind wir Anderes, als Lastthiere ? Bleibt uns Muße für unsere wissenschaftliche Ausbil dung, zu deren Anfang uns die strengen Lehrjahre nicht einmal Zeit gelassen ? Ist dieser Aufwand von Kraft und Mühe er forderlich zum Wohl der Menschheit, oder gereicht er ihr zum Verderben? Nein, er ist zu ihrem Nachtheile. Die Geldsäk ke beuten die Kräfte des Arbeiters aus : dem Hülflosen Handwerker aber wird kein Mittel zur Vereinigung, keine Unterstüt zung gewährt. Man reicht uns nur die nöthigste Nahrung, wie der Maschine die Räderschmiere, man läßt uns nur so viel Ruhe, als durchaus erforderlich ist um un sere Glieder nicht in kürzester Zeit abzu nutzen ; aber man gestattet uns kein Recht auf Lebensgenuß. Und dennoch habt ihr nicht vermocht, den Arbeirer ganz herab zuwürdigen -er im Gegentheil ist noch der Einzige in der faulen Gesellschaft, der jeden Augenblick that- und schlagfertig ist, der die Idee der Freiheit und des Rechts in sich aufgenommen und sein Leben da ran setzt, obgleich ihr ihn und sein Stre ben mit Spott- und Ekelnamen belegt.— Was könnte aus diesem Stande werden, der trotz aller Dual noch das ?lrbild der Gottheit am reinsten bewahrt hat, wenn ihr ihm täglich Zeit zur Erholung, zur allseitigen körperlichen Entwicklung, zur Bildung des Geistes, zum Genuß der Na tur und der häuslichen Freuden gestatte tet, wenn ihr es euch angelegen sein ließet, ihn durch eure Achtung und euren Unter richt zu veredeln ? Aber ihr überlaßt ihm den Branntwein und die Kueipe, die Ro heit und Lüderlichkeit als Eeholung von der knechtischen Anstrengung. Eure Po lizei mißhandelt ihn, wie ein Fremder und Missethäter wird er im eignen Vaterlande beobachtet, kontrolirt, vertrieben und wenn er in Lumpen gekleidet auf der Landstra ße liegen bleibt, lasset ihr ihn wie ein Vieh verrecken. Aber ihr bildet durch eure Grausamkeit an diesem Stande eu ren Todfeind, und er ist es, durch den ihr den Untergang eurer morschen Zustände zu fürchten habt. Karl hatte seine Mutter mit den Früch ten seiner angestrengten Arbeit unter stützt ; aber obgleich die alte Frau sich jetzt in erträglichen Verhältnissen befand, lebte sie nicht mehr lange nach der Zeit ihrer Entlassung auS dem Zuchthause. SVie das Vieh, welches der Fleischer beim Feilschen angefaßt hat, nach dem Volks glauben verenden muß, so ist stets die Le-