NeSIÄ i N g, Denn. Gedruckt und herausgegeben von Arnold Puwell e, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklm- und Ckesnut, Snaße. Jahrg. IN, ganze Nnm. S»8. Sedingungtt»: Der Niberille Zsrolmclltcr erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit schönen vettern gedruckt. Der Subscriptions - Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlicher Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des ZahreS niwt bezahlt, dem werden Kl st> angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein llnterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Zubseriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für de» gewöhnlichen Preis ein gerückt. Unterschreibern in hiesiger Ltadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briefe und dergl. müssen postfr e i eingesandt werden. Die edle Tochter. sEine wahre Geschichte.) Eine vornehme Londoner Dame, Mist reß Henton genannt, kam einmal aufße such nach Maidstone, einem englischen Städtchen. Von allen Seiten ergingen Einladungen an sie, man beneidete sich um die Ehre Henton, die immer elegant und nach der neuesten Londoner Mode gekleidet war, bei kleinen Familien festen, die meistens um ihretwegen veran staltet wurden, in ihrem kostbaren Putze glänzen zu sehen, um etwas von ihr ler nen zu können. —Sir Thomas Spencer, ein reicher Baronet und unbezahlter Frie densrichter, wollte einen Ball geben, und lud die Londoner Dame zwei Tage vor her dazu ein. In Abwesenheit der Mist reß Henton nahm die HauSwirthin,Mist reß Füller, die Einladung in ihrem Na men an, und war nicht wenig erstaunt als die Londonerin in die größte Verle genheit geriet!) bei der Nachricht der Ein ladung.— ~Aber liebste, beste Freundin," rief sie ängstlich, „was soll ich anzie hen Mistreß Füller mußte lächeln, denn sie musterte im Geiste den reichen Kleidervorrath der eleganten Dame, mit dem sie ihreßestürzung nicht reimen kou te, und sagte ihr solches auch unverholen. „Meinen Kleidervorrath nennen Sie reich, beste Mistreß, was hab ich denn? nicht ein Kleid, daö ich nicht in Maidsto ne getragen hätte ! Für meine erste Ein ladung zu Lady Spencer bin ich ihr ein neues Kleid schuldig; so verlangt's die Londoner Sitte." —„Hier sindenSie frei lich kein fertiges; Sie müßten also gleich nachLondon schreiben," äußerte dieFreun din.—Ach nein, dieß ist zum Glück nicht nöthig," entgegnete die Londonerin schnell und freudig, eben fällt mir ein daß ich vierundzwanzig Ellen prächtigen Atlas aus London mitgebracht habe; aus die sem soll mein Ballkleid gemacht werden! Der kostbare Zeug wurde geholt und bewundert. Aber, meinte Mistreß Fül ler, wer soll hier in unserem Städtchen das theure Kleid in zwei Tagen ferlig ma chen? —Wer? in zwei langen Tagen? rief die Dame, nun, das wird doch eine der beiden Modistinnen zuwege bringen, hier im Städtchen wohnen, gleich will ich zu einer derselben hingehen. Das Kammermädchen trug den Atlas voran zu der Modistin Tucker, die beiden Damen folgten. Als die Kleidermache rin hörte, daß der Rock schon in zwei Ta gen sir und fertig sein sollte, da zögerte sie die Arbeit anzunehmen, weil dieß eine Unmöglichkeit sei.—Ja, wenn Sie mir s nicht versprechen können, sagte Mistreß Henton kurz, so muß ich zu der andern Modistin gehen. Das fuhr der guten Frau Tucker durch Mark und Bein; sie verabscheute ihre Nebenbuhlerin. Nun so will ichs versuchen, sagte sie endlich. — Ja, auf's Versuchen lasse ich mich nicht ein, versetzte die Dame, entweder Ja oder Nein ! Und was fordern Sie für ein sol ches Kleid ? Die Tucker nannte den Preis. Das ist zu wenig! rief die Londonerin, ich zahle das Doppelte wenn Sie mir das Kleid versprechen. Frau Tucker stand sprachlos, u. schien zu rechnen. Da näherte sich ein junges Mädchen, das bis jetzt in einer Ecke em sig genäht, ein Mädchen, hübsch gewach sen, aber Kummer im bleichen Gesichte, und die Augen ohne Glanz, wie vom We inen rorh. Während sie mit der Meiste rin leise redete, faltete sie die Hände. Dieß und ihr ganzeSWesen hatte den Au sdruck inniger Bitte.-Glaubst Du's zu zwingen? fragte die Modistin. —Ganz gewiß, war die Antwort, ich nehme heute Abend den Leib und die Aermel mit nach Hause und mache beides über Nacht so weit fertig, daß ich denßock morgen früh annähen kann. Nun, ich nehme den Auftrag an, sagte Frau beherzt. Das Maß wurde genom men und Alles verabredet. Beim Fort gehen äußerte Mistreß Henton gegen ih- j Wer Liberale Äcobachter Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties 'allgemeiner Anzeiger. re Freundin, ob der theure Kleiderstoff in den Händen der Modistin auch gut auf gehoben sei, worauf sie die Versicherung herhielt, daß die Tucker eine ganz ehrliche Frau wäre. Daran zweifle ich nicht, er wiederte sie, allein haben Sie das junge Mädchen angesehen, das die Arbeit mit nach Hause nehmen will? Hunger und Noth sprachen aus ihrem Gesichte, und vierundzwanzig Ellen Atlas, die Elle 12 und einen halbenSchelling, sind eine star ke Versuchung.— Als die Modistin das Kleid zugeschnit ten und sie und das Mädchen die Heftfa den einschlugen, entspann sich zwischen Beiden folgendes Gespräch: Sag ein mal, Elise fragte die Meisterin, was-ist das für ein Posten Dein Vater er halten soll? — Ein sehr guter für seine Umstände, entgegnete Elise Emden, und eben darum war mir's bange, Sie möch ten mir das Geld verweigern, das er zu ! seiner Reise nöthig hat; ich fühle mich ganz glücklich, daß dieses Kleid bestellt wurde!—Du mußt mir meineWeigerung nicht verargen ; weil ich weiß daß Dein Vater jedesmal das Geld vertrinkt und vergeudet, so möchte ich um deinetwillen Dir nicht immer vorstrecken. Du kennst ja Deines Vaters unheilbare Trinksucht, Du weißt, daß er sich in seinem Geschäfte hier gänzlich zu Grunde gerichtet u. Dei ne arme Mutter zu Tode gekränkt hat; dennoch hörst Du nicht auf Dich um ihn zu ängstigen.—Sie haben wohl Recht, erwiederte Elise, daS wird und soll nun aber anders werden. Ist er erst fort von hier auf seinem Posten, so bin ich fest entschlossen ihm nichts mehr zu geben, denn wie Georg Morley sagt—bei Nen nung dieses Namens lächelte Frau Tu cker—so glaubt er, wenn der Vater erst fort ist, so muß er sich auf sich allein ver lassen, und was ich dann verdiene kann ich für mich behalten. — Spät Abends erhielt Elise das ge wünschte Reisegeld für ihren Vater, band mit leichterem Herzen die Arbeit für die ! Nacht in ein Tuch und eilte fort. Die Nacht war dunkel, die Straße still, Eli sens Wohnung abgelegen. Furcht beflü gelte ihre Schritte, und obwohl ihr Nie mand entgegen kam, bangte ihr doch bei jedem Geräusch für ihr kostbares Bün del. Der Vater war, wie gewöhnlich, betrunken heim gekommen. Georg Mor ley, der im nämlichen Hause wohnte, hat te ihn zu Bette gebracht. Elise wollte das Kaminfeuer anzünden, allein Georg flüsterte ihr zu, seine Mutter habe Kaffee gekocht und lasse sie zu Gast bitten. — Ich danke Ihnen sehr und Ihrer guten Mutter, versetzte Elise, allein ich muß die ganze Nacht arbeiten. —Arbeiten, Elise? Was denken Sie? verwies Georg, und blickte ihr in das bleiche Gesicht, wenn Sie das so forttreiben, werden Sie mit Ihrem Leben bald fertig sein. Müssen Sie aber arbeiten, so können Sie's auf klnfererStube besser als hier ; dort brennt ein Helles Feuer und meine Mutter wird sich freuen Ihnen behülflich zu sein. Elise folgte der herzlichen Einladung und schneiderte die ganze Nacht hindurch. Des Morgens erbot sich Georg ihren V ater an den Eilwagen zu begleiten, der ihn auf seinen neuen Posten bringen sollte. Denn thue ich's nicht, setzte er hinzu, so bin ich überzeugt, er vertrinkt das Geld das Sie ihm zur Reise geben wollen; verübeln Sie mir's nicht, Elise, ich kenne ihn zu gut; sein Geld wäre vertrunken noch bevor er an den Wagen käme. Eli se, die ihm Recht geben mußte, willigte tiefbekümmert ein. He, Elise, wo steckstDu? rief's barsch über den Gang, Du weißt daß ich fort muß und kümmerst Dich nicht um Dei nen alten Vater! Damit trat der alte Emden in die Stube. Sie hat die gan ze Nacht gearbeitet, sagte Georg.—Die ganze Nacht? Und weßhalb denn? frag te der Vater.—Um das Geld zu verdie nen das Frau Tucker ihr vorgestreckt für Eure Reise. —Weiter nichts ? Nun frei- "IVillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln." Dienstag den 22» Jannar, ISS«. lich, sie thut was sie kann, um meiner los zu werden. Aber ich sehe, Ihr habt Frühstück ; mich dürstet Gebt mir ei ne TasseThee, und hättet Ihr einen Tro pfen Branntwein dazu, wär' mir s noch lieber. Dem letztern Wunsche wurde nicht willfahrt, und höchst mürrisch verzehrte daher der Alte sein Morgenbrod, und machte sich reisefertig. Elise ging mit ihm auf ihr Zimmer, Abschied von ihm zu nehmen und ihre Arbeit zu vollenden. Nur ein Trunkenbold konnte keine Augen haben für ihre schlaffen, eingesunkenen Züge, und kein Herz füi derTochterThrä nen. Emden blieb mürrisch wie zuvor, und als Georg sich als Begleiter einstell te, nahm er's schlechterdings nicht an und sagte, er bedürfe weder einesHofmeisters, noch eines Wegweisers, er sei alt genug u. auch in dem Städtchen bekannt genug um den Weg zu finden. Da half keine Bitte; Georg mußte abstehen. Ohne Dank empfing der alte Sünder das Geld, und verließ gleichgültig, nach kurzem Le bewohl, daß Haus. Der edlen Tochter, preßte dieß Benehmen viele und bittere Thränen aus. Sie trocknete sie, und setzte sich wieder an ihre Arbeit. Auch Georg ging seiner Werkstätte zu, nahm sich aber zugleich vor, ein wachsames Aug auf den Alten zu haben. — Als Frau Tucker die übrigen Theile des Kleides schickte, fehlte es blos noch an Fischbein für das Corset: in zwei Stun den sollte die Arbeit abgeliefert werden. Daher entschloß sich Elise, das Fischbein zu holen. Vorher aber hing sie das Kleid an die Thür, hob einenAermel auf, um das Ganze voll zu betrachten, und glaubte Ursache zu haben über ihrer Hä nde Arbeit sich zu freuen. Wenn's nur auch gut ansitzt! wünschte sie, und schloß die Thüre. Sie holte nun lfei Frau Tu cker das Fischbein und den Korb, in wel chem die Putzsachen gewöhnlich ausgetra gen werden, und verabredete mit ihr zur ! bestimmten Zeit in MistreßFullers Haus, wo die Londoner Dame wohnte, zu tref fen. Frau Tucker erschien pünktlich. Von der obersten Stiege rief ihr Mistreß Hen ton zu : Ich hoffe, Sie bringen dasKleid? —Meine Gehülfin wird augenblicklich damit hier sein, war die Antwort. Al lein Minute auf Minute verging, schon war eine Viertelstunde vorüber und Elise kam nicht. Die Frauen wurden unru hig. Mistreß Henton nannte es Leicht sinn, einem Mädchen, und überdies; einem armen Mädchen etwas so werthvolles an zuvertrauen ; Frau Tucker erbot sich, E lisen entgegen zu gehen. Sie ging und ging immer schneller ; eine trübe Ahnung stieg in ihr auf; in Kurzem war das Haus erreicht. Laute Stimmen schallten ihr entgegen ; Elisens Stube war offen, ohne Bewußtsein lag sie auf dem Bette; Georgs Mutter war mit ihr beschäftigt, Leute suchten im Zimmer umher, auch ein Polizeidiener. Frau Tucker errieth das Geschehene —das AtlaSkleid war gestoh len ! Endlich erholte sich Elise, doch kaum erblickt? sie die Meisterin, so sank sie mit einem lauten Schrei wieder besinnungs los zurück. Frau Morley erzählte der angstvollen Tucker, daß während Elisens Abwesenheit das Schloß ihrer Thür er brochen u. das AtlaSkleid entwendet wor den sei. Doch war noch Hoffnung den Dieb wieder aufzufinden. Es währte nicht lange so erschien auch Mistreß Hen ton. Von hitzigem Charakter sprudelte sie gleich zornig über. Einer Londonerin kann man nichts vormalen, eiferte sie, ich kenne solche Kniffe! Mir ahnete gleich, daß mein Atlas bei solch' armem Volk nicht sicher sei; die Ohnmacht ist Ver stellung, das Mädchen hat das Kleid ge stohlen ! Zum Glück gibts ein Gericht, Constabel, sie wandte sich an den Polizei diener, den Augenblick verhaften Sie dieß Mädchen als Diebin meines Atlas kleides! Vergebens wollte Fiau Morley der wüthenden Dame das Nähere erzählen; sie hörte nichts an. Der Constabel trat an das Bett und hob die Todesbleiche langsam auf. Jeder, nur nicht die Lon: doneun, sah wohl daß hier keine Veistel lung im Spiel sei, und daß Elise eher in ein Krankenhaus als in ein Gefängniß gebracht werden sollte. —Bringen Sie daS Matchen zum Friedensrichter, sagte Mistreß Henton zum Constabel, ich wer de mitgehn; es ist meine Pflicht die Sa che zu Ende zu führen; ich will doch se hen ob ich so schändlich um mein Eigen thum kommen soll! Ein Wagen wurde geholt, und nicht lange, so waren Klägerin und Angeklag te in Sir Thomas Spencers Gerichtszim mer, nämlichen Friedensrichters der Mistreß Henton zumßall eingeladen hat te. —Elise war bei vollem Bewußtsein; das Gefühl ihrer Unschuld gab ihr Kraft, dieGegenwarr befreundeter Menschen gab ihr Muth. Die Londonerin trug ihre Klage vor, und als die Reihe zu reden an die Angeklagte kam, erzählte sie kurz und deutlich was sie mit dem Atlas gethan, von der Stunde an, wo sie ihn mit nach Hause genommen, bis kurz vor der Ent wendung, und berief sich auf das Zeug niß der Hausgenossen und ihrer Meiste rin. Diese bestätigten die Aussage und Sir Thomas fällte die Entscheidung: In Betracht Elise Emden, falls sie den Atlas habe stehlen wollen, dieß muthmaß lich vor, nicht nach der Verarbeitung ge than, es auch unwahrscheinlich sei, daß sie die ganze Nacht aufgesessen und gearbei tet haben würde, um das Produkt ihres Fleißes zu unterschlagen, sei sie der Haft zu entlassen und von allem Verdacht der Unehrlichkeit rein. Weil jedoch nicht in Abrede zu stellen, fuhr der Richter fort, daß der Gegenstand des Diebstahls Ih nen anvertraut worden, sind Sie schuldig und verbunden zu Entdeckung des Die bes nach Möglichkeit mitzuwirken. Also i frag ich Sie auf Ihr Gewissen, haben Sie Verdacht, und auf wen? lleberlegen ! Sie wohl, wer mag der Dieb sein? Nach kurzem Schweigen versicherte E lise, daß sie Niemand im Verdacht habe. Ich will und muß dieß glauben, sprach der Richter ernst; dagegen fordert meine Pflicht auf einige Andeutungen wohl zu merken. Während Sie das Kleid hatten, wußten Georg Morley und feine Mutter darum. Auf Letzterer ruht kein Verdacht, wohl aber auf Georg. Ich weiß, daß er seit diesen Morgen nicht heim gekommen ist; auch ist er seit Mittag mcht in sei ner Werkstätte gewesen und der Consta bel, den ich nach ihm ausgeschickt, kann ihn nirgends finden. Daher frag ich Sie auf Ihr Gewissen, wissen Sie wo er sich aufhält? —Bei Morley s Namen hatte Elise sich entfärbt und den Kopf in die Hand gestützt. Zwar bleich, aber mit fe ster Stimme antwortete sie jetzt, sie müs se diese Frage verneinen ; wär's ihr jedoch möglich selbe zu bejahen so würde sie es ohne Bedenken thun. —Gut, sagte der Richter, so wollen wir den andern Con stabel abwarten; der hatßefehl ihn hier her zu bringen, wenn er ihn sindct. Schon rollten Kutschen vor daö Haus; die Festlichkeit des Balls sollte beginnen. Mistreß Henton wurde unruhig, denn hatte sie auch ihrem Mädchen Befehl er theilt, das schönste Kleid in Bereitschaft zu halten, so fürchtete sie doch nicht früh genug an die Toilette zu kommen. Sie bat daher Sir Thomas, das Verhör zu vertagen. —Die Pflicht des Richters geht bei mir sogar über die Pflicht vesWirthes, war die Antwort, doch, wertheste Mist reß, ist Ihre Gegenwart nicht durchaus nothwendig.—Die Londonerin benutzte den Wink, und eilte zum Putztisch. In banger Erwartung der Dinge die da kommen sollten saßen Elise und ihre Bekannten da. Nach einiger Zeit erschien Georg in Begleitung des Constabels. Er zitte, seine Lippen bebten, und Gram und Sorgen lagen auf seiner Stirn. Als er Laufende Nummer 22. Elisens Blick begegnete, wollte er lächeln, aber seine Muskeln zuckten und Thränen liefen über seine Wangen. Mild und freundlich sagte ihm der Richter um was es sich handle; keine Anklage liegt wieder Euch vor, setzte er hinzu, doch thut Ihr wohl daran, wenn Ihr mir saget, wolhr seit Mittag gewesen seid. Georg versuchte zu reden, allein seine Brust war zusammengepreßt; er drückte die Hand darauf, und als eö ihm leichter ward, so sah man's ihm an, daß er jetzt nicht reden wollte. Da nahm der Frie densrichter daS Wort; der Constabel hat te ihm unterdessen Bericht abgestattet. Der Constabel hat Euch vor der Stadt in einer gemeinen Schenke getroffen ; Ihr seid nicht gezwungen zu sagen, waS Euch dorthin geführt; doch bedenket wohl, daß Euere Aussagen zu Protokoll gebracht u. als Beweismittel gegen Ench gelten kön nen. Immer noch zögerte Morley und warf einen Blick voll Liebe und Mitleid aufE lisen, deren Augen an seinen Lippen hin gen und jede seiner Bewegungen bewach ten. Endlich erzählte er, wie er Mor« gens dem alten Emden von Weitem nach gegangen, bis er ihn in das Eilwagen- Bureau eintraten sah; dann begab er sich in seine Werkstätte u. blieb dort bis Mit tag. Von da auf meinem Wege nach Hause, setzte er zögernd hinzu, mußte ich zu meinem Schreck —er stockte, sein Blick war auf Elisen gefallen. Sie lehnte vor wärts, lauschte jedem seiner Worte mit einer Aufregung als gelte es ihr Leben, und bevor er ausgeredet brach ein Seufzer aus ihrer Brust, mit erschütternder See lenangst faltete sie die Hände, und streck te sie Georg entgegen. Entschlossen sag te dieser zum Richter: Mehr verlangen Sie nicht von mir! Sir Thomas hatte die Augensprache zwischen Elisen und Georg bemerkt, sie aber so gedeutet, als wolle.das Mädchen den Jüngling mahnen, sich nicht selbst zu beschuldigen. Er hob für heute das Ver hör auf und kündigte Georg an, daß er in Haft bleiben müsse. Elise zuckte krampf haft zusammen; Todtesblässe überzog wieder ihr Gesicht; umsonst suchte sie nach Worten, und Thränen stürzten aus ihren Augen. Ruhig ließ Morley sich abführen; er schien erleichtert, oder als trüge er um Elisens Willen die schwere Last. Der edle Friedensrichter ließ daö arme Mädchen in einem Wagen wieder nach Hause führen, wo Mutter Morley sich zärtlich ihrer annahm. — Wärest Du lieber Leser, am andern Morgen in der nämlichen Gerichtsstube gewesen, so hättest Du den Schluß dieser Erzählung mit ansehen und mit anhören können. Der Richter hatte seinen Sitz wieder eingenommen, ihm gegenüber stand Morley, ruhig und gefaßt, der Wirth aus den „Acht Glocken/' bei welchem E lisens gemeiner Vater gewöhnlich zechte, und ein Schacherjude. Auf dem Tische lag ein Packet und ein Paar Handschellen. Nun erschien auch Mistreß Henton. Sir Thomas befahl, den Gefangenen vorzu führen. Es geschah. Der Gefangene war ein alter Mann, schmutzig und lie derlich von Anzug, im Gesichte Spuren unlängst ausgeschlafener Trunkenheit; Georg blickte traurig zu Boden, denn es war Elisens Vater. Das Verhör be gann, und die Sache klärte sich auf wie folgt: Emden hatte von seinem Reise geld bis Mittag gezecht. Als Georg aus seiner Werkstätte heimkehrte, begegnete ihm zufällig der Alte; Morley radelte sein Betragen und erhielt von ihm das Versprechen, mit dem Nachtwagen abzu reisen falls er ihm frisches Reisegeld ver schaffe. Der Jüngling suchte das Geld aufzutreiben; während dieser Zeit traf Emden mit dem Schacherjuden, den er kannte zusammen. Des Juden Frage: ob er nicht etwas Gutes zu verkaufen ha be, weckte in ihm den Gedanken daß At laskleid zu stehlen. Gedacht, gethan. Er eilte nach Hause, erbrach die Thür,