mead i n s, Venn. Gedruckt und herausgegeben vonArnold Pulve ll e, in der Sud 6ren Straße, zwischen der Franklin- nnd Chesnur' Straße. Jahrg. It, ganze Nnm. S 3«. Bedingungen:—Der Leob-irkter erscheint jeden Dienstag auf einem großen Superial - Bogen mit schonen vettern gedruckt. Der LubseriptionS» Preis ist Ein Thaler des Jahrs, welcher in halbjährlicher Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe deS Jahres nicht bezahlt, dem werden KI slt angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreibe? angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Lubseriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und für den gewöhnlichen Preis ein gerückt. Unterschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post oder Träger, aus Kosten der Unterschreiben Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden. Die Geschickte eines Rhein Kieselsteins. Es war gegen Mittag, als eines Ta ges, im Jahre 1730, drei Jahre nach sei ner Vermählung mit Fräulein vonHaur- Bussy, der Marquis Gaston von Druon- Maubreuil, mein Großvater den alten Maubin, den treuen Freund und langjäh rigen Diener seines Hauses, in sein Eabi. net eintreten sah. „HerrMarquis," sprach der alte Man, „Herr Garnon, Ihr Juwelier, wartet draußen und wünscht vorgelassen zu wer den." „Ich weiß es, ich weiß es," unterbrach ihn der Marquis, führe ihn herein, Mau bin, und sorge dafür, daß ich in meiner Unterredung mit ihm nicht gestört werde. Der alte Diener wollte sich wegbege ben ; der Marquis rief ihn noch einmal zurück. „Maubin," sagte er, „meineGemahlin ist noch nicht wieder nach Hause gekom men, nicht wahr?" „Nein, gnädiger Herr. Die Frau Marquisin hat befohlen, daß ihr Wagen sie erst um vier Uhr bei der Frau Präsi dentin abholen solle." „Schon gut! Sorge nur dafür, daß Niemand im Hotel von der Anwesenheit des Herrn Garnon etwas erfährt; vor Allem darf Suzette nichts davon ahnen, weil diese es sogleich ihrer Gebieterin hin terbringen würde." Maubin entfernte sich, nachdem er zu vor Garnon, den Modejuwelier, Hostie feranten, den unvermeidlichen Vertrauten aller verschwenderischen Thoren jener Zeit, eingelassen hatte. Der Marquis Gaston, ein junger, schö ner, wackerer unv verständiger Eselmann, der angebetete Gatte einer anbetungswür digen Gattin, stand in diesem Augenbli cke auf dem Punkte, eine jener vollende ten Thorheiten zu begehen, auf die man im spätern Alter mit Scham und Reue zulückblickt. Er halte nämlich bei gewis sen Soupers, an denen er vor einigerZeit Geschmack gefunden zu haben schien, die Bekanntschaft einer florentinischen Aben teuerin von blendenderSchönheit gemacht, für die er eine leidenschaftliche Liebe ge faßt hatte, eine heiße, glühende Liebe, die, neil sie so rasch entstanden, um so wem ger Dauer versprach, die aber wegen ih rer Undauerhaftigkeit um so blinder war. Allein trotz seinen unausgesetzten aufmerk samen Bewerbungen, seinen Bitten und Betheuerungen und kostbaren Geschenken, war es Gaston nicht geglückt, das Herz der schönen Grausamen zu rühren, und so hatte er den Abend zuvor von seinem verlikbtenWahnsinn sich so weit hinreißen lassen, der angebeteten MarchesaGiudetta einen eben so reichen Vrillantenschmuck, wie ihn die englische Gesandtin auf dem letztenßalle in Versailles getragen, anzu bieten, wenn sie verspreche,^ihm dafür gut zu werden. „Ich kenne ihren Geschmack und» neh me ihren Vorschlag zum Voraus an," halte die Marchesa geantwortet; „aber hören sie mich, lieber Marquis, ich kann in ihrem Vaterlande Ihnen nie meineZu neigung offen zeigen. Ihre Bewerbun gen um mich sind bereits stadtkundig, mir scheint es, daß Aller Augen auf uns ge richtet sind; heute oder Morgen kann die Marquisin Alles erfahren, und ich hätte keine ruhige Stunde mehr.—Sinnen Sie auf eine Ausrede für eine Reise. Ich werde nach Italien zurückkehren, u. wenn sie imStande sind. Alles um meinetwillen zu opfern und dadurch, daß Sie mich be gleiten, mir einen unbestreitbaren Beweis Ihrer wahren, aufrichtigen Liebe zu ge ben, dann werden Sie mich vielleicht ge neigt finden, die Schranken, die uns tren nen, zu vergessen und einzig mein Herz sprechen zu lassen. Außerdem geben Sie jede Hoffnung, mich zu rühren, aus/' Auf diese Worte, die von rosigen, lä chelnden Lippen so süß und verführerisch lauteten, glaubte der Marquis nur durch neue Betheurungen seiner Liebe antwor- Der Liberale Lcobactitcr Und Berks, Monegomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger. ten zu müssen und in den Vorschlag ein zustimmen. Die Schwierigkeiten, die sich etwa ei ner solchen Reise entgegenstellen dürften, wurden sogleich besprochen, und das Re sultat der Berathung war, daß man al len HindernissenTrotz bieten und den fol genden Tag um 5> Uhr Nachmittags sich auf den Weg machen wolle.—Es sollte nämlich um diese Stunde jedes derßeiden seine Wohnung verlassen und um (> Uhr wollten sie sich an einem 2 Stunden von Paris entfernten Orte treffen. Der Ma rquis schrieb hierauf sogleich an Garnon, daß er sich um die Mittagsstunde des ver abredeten Tages in seinem Hotel einfin den solle. ~Meister Garnon," sagte mein Groß vater mit heiterer Miene, als der Juwe lier sich ihm gegenüber gesetzt hatte, „Sie können mir einen zweifachen,großenDienst leisten : zuerst, indem Sie mir den werth vollsten Schmuck, den Sie haben, käuf lich überlassen, und daß Sie sodann das tiefste Stillschweigen darüber bewahren, was ich Ihnen Beides baar und gut be zahlen werde." erwiederte der Kauf mann, ~ich bin in diesem 'Augenblicke im Staude die Wünsche eines Kaisers zu be friedigen ; was meine Verschwiegenheit anbelangt, so hatten Sie schon Gelegen heit, dieselbe auf die Probe zu stellen, u. meines Wissens werden Sie noch nie Ur sache gehabt haben. —Wünschen Sie ei nen BriUantschmuck! „Ja, Herr Garnon, aber die Brillan ten müssen schön sein." „Ich glaube etwas Passendes für Sie zu haben, etwas ganz Ausgezeichnetes, von Gold, mit schwarzer Emaille; mit beivundernsiverlher getriebener Arbeit am Rande; die darauf befindlichen Diaman ten machen die Wirkung einer strahlenden Sonne." „Vortrefflich! Vortrefflich! ~Ach! vielleicht wünschen Sie aber auch ein Diadem „Ganz gewiß," sagte Gaston, dem die schonen schwarzen Haare der Marchesa einfielen. „Wie Schade! versetzte der Kaufmann, daß ich gerade kein Diadem bei mir habe, das schön genng ist, daß ich es dem Herru Marquis anbieten könnte. —Zwar könnte ich in ganz kurzer Zeit ein s anfertigen lassen, wie man noch kein's gesehen hat und mit dem Sie, gnädiger Herr, gewiß zufrieden sein würden. Ich würde an demselben einen Stein von bewunderns würdigem Feuer und seltener Größe ver wenden, vollkommen demjenigen ähnlich, der das Diadem zierte, welches die Frau Marquisin vonMaubreuil an ihremHoch zeitötage trug; ja, der so ähnlich ist, daß ich, als man ihn zum Kaufe antrug, fast glaubte, es sei derselbe. „DaS ist nicht möglich!" riefderMar quis aus. Es ist nicht möglich, fuhr MeisterGar non fort, indessen, sind mir in der Praxis schon sehr merkwürdige Fälle vorgekom men. Ich meine übrigens mich zu erin nern, daß der Diamant der Frau Mar quisin viel schöner sei, und wenn es mir erlaubt wäre, den Herrn Marquis darum zu bitten, eine Vergleichung anstellen zu dürfen —ich habe nämlich den Stein bei mir, den ich ihnen anzubieten habe—so wäre es mir ein Leichtes. — Ohne auf das, was der Juwelier sprach, weiter zu hören, erhob sich Gaston. Eine unbestimmte Unruhe trieb ihn in das An kleidezimmer seiner Gemahlin, aus dem er nach einigen Minuten wieder zurück kehrte, mit einem kostbaren Schmuckkäst chen in der Hand. Bergleichen Sie, sprach er. Der Juwelier öffnete das Kästchen mit einer gewissen Hast, welche den Marquis unwillkührlich erbeben machte. Nun! mein Herr, sprach er, redenSie, was meinen Sie? Meister Garnon blieb aber, das Dia dem in den Händen, stumm. "Iviltig zu loben und ohne Furcht zu tadeln." Dienstag November, 2/ Laufende Nummer 14. Hören Sie, was ich Ihnen sage! rief Gaston mit mit zorniger Stimme. Herr Marquis, stammelte endlich der Juwelier heraus, ich glaube, daß der Di amant, den ich an Sie verkauft habe, durch einen sehr schönen Rheinkiesel ersetzt wor den ist, der so sehr einem ächten Diaman ten gleicht, daß alle Augen, mit Ausnah me der meinigen, dadurch getäuscht wer den können Sie lügen, Garnon, dieß ist nicht mög lich ; Sie irren sich; Sie lügen, sage ich. Darauf habe ich dem Herrn Marquis Nichts zu erwiedern; aber glauben Sie mir, daß einMann, der, wie ich, schon seit vierzig Jahren mit ächten Steinen han delt, sich nicht auf so plumpe Weise täu schen kann. Verzeihen Sie, mein Herr, fuhr der Marquis sanfter fort, der sein kalteSßlut wieder zu gewinnen suchte; verlassen Sie mich aber jetzt, ich muß allein sein. Und das Geschmeide, von dem Sie vor hin sprachen, gnädiger Herr? wann be fehlen Sie, daß ich wieder kommen solle? Kämmen Sie—wannSie wollen; Ad jeu! Adjeu! Sobald Gaston allein war, eilte er an den Glockenzug, den er aus Leibeskräften anzog. Maubin kam erschrocken jn'öZim mer gestürzt. Maubin, ist meineGemahlin nachHau se gekommen? Noch nicht. Ich hatte die Ehre, dem Herrn Marquis zu sagen, daß erst um 4 Uhr— Ja es ist wahr, pack' Dich ! Wenn der Herr Marquis befehlen — Packe Dich! Gaston schellte noch einige Male, um sich nach der Marquisin zu erkundigen : Maubin gab st.ts die Antwort und ver ließ jedesmal erschrockener seinen Herrn ü ber die Aufregung, in der er ihn fand. Endlich, nach einigen Minuten nach 4 Uhr, hörte der Marquis das Geräusch ei-- neS in den Hof des Hotels rollendenWa gens. Er nahm das Schmuckkästchen u. begab sich durch den geheimen Gang in das Gemach seiner Gattin, wo er deren Allkunft erwartete. O! in diesem Au genblicke dachte er weder an den Schmuck, den er bestellt hatte, noch an die Abreise um ü Uhr, noch an dießeise nach Italien, noch an die schöne Giudetta. Man mag daraus auf seine leidenschaftliche Stim mung schließen. Nach kurzem Warten wurde die Zim meilhür geöffnet und Armande vonHaut- Bussy, Marquisin "onMaubreuil, erschien im vollen Glänze yrer Jugend, Anmuth und herzgewinnenden Schönheit auf der Schwelle. Als Armande ihren Gemahl mit ge kreuzten Armen, zusammengekniffenen Li ppen, gerunzelter Stirne und stier auf sie gerichteten Augen erblickte, blieb sie einen Augenblick bestürzt stehen. Mein Freund, sprach sie endlich, sich ihm nähernd, indem sie ihm die Hand ent gegenstreckte. Madame, sagte Herr von Maubreuil so ruhig, als es ihm möglich war, erklä ren Tie mir sogleich, warum Sie statt des Diamanten, der dieses Diadem geziert hat, jetzt diesen Kieselstein auf die Stirne setzen, wenn Sie auf den Ball gehen? Armande blieb ruhig. Auf ihrem G esichte zeigte sich keine Spur von Verlegen heit, ihr Blick verrieth nicht die mindeste Angst. Gaston, sagte sanft, Sie müssen von herbem Kummer gequält werden, da Sie auf diese Weise mit mir sprechen. Heute Abend, wenn Sie denselben bei mir zu bringen wollen, werde ich ihnen die Ge schichte dieses Kieselsteins, wie Sie ihn nennen, erzählen; und wenn ich Ihnen Alles gesagt haben werde, stelle ich esJH nen anheim, michJhren ganzen Zorn füh len zu lassen. Ist Ihnen dieß ange nehm ! In diesem Augenblicke noch will ich Alles wissen, Madame. So setzen Sie sich, mein Herr; Ihr unartiger Zorn verdient es, daß Sie Al les sogleich erfahren. Ich hoffe aber, daß Sie mich ohne Unterbrechung ausreden lassen. Und an Suzette sich wendend, die Dienstleistungen in vorwitziger Ab sicht anzubieten gekommen war, sprach sie: Verlaß uns, Suzette, und sorge dafür, daß uns Niemand störe. Nachdem sie dieß gesprochen hatte und die Thür zuge macht worden war, setzte sich meine schöne Großmutter neben ihrer, Gemahl und ließ sich mit ihren Silberstimme, die mir aus meinen ersten Kinderjahren her noch so süß in die Ohren klingt, folgendermaßen vernehmen: Vor zwei Jahren führten Sie mich nach Artois, Ihre wie meine heimathli che Gegend. Wir wollten dort den So mmer in Ihrem alten Schlosse von Druon- Sarteville zubringen, das schon seitJahr >hunderten Ihrer Familie gehört. In die sem alten Gebäude, ganz nur mit unserer gegenseitigen Liebe beschäftigt, ferne vom Geräusche der Welt, brachten wir glückli che Stunden hin! —Seit einigerZeit den ke ich mit Trauer an dieselbe zurück, wen ich Abends allein bin und Sie von Zer streuungen nach Hause kommen, die ich vielleicht nicht wissen darf. Eines Morgens erhielten Sie einen Brief von Paris. Der Lhevalier von Kervore, Ihr theuerster Freund, wünschte Sie bei sich zu sehen, weil er Ihres Bei standes in einer sehr wichtigen Angelegen heit, in einer Ehrensache beduifce. Zu meinem großen Leidwesen sah ichSie gleich darauf abreisen und ich blieb allein und tief betrübt über diese Trennung, die er ste seit unserer Vermählung. Die auf Ihre Abreise folgenden Tage waren die traurigsten meines Lebens. Sie werden sich noch erinnern, Gaston, daß ich, als ich Sie bei meinen Austritte aus dem Kl oster kennen lernte, sogleich eine innige u. aufrichtige Liebe für Sie gefaßt hatte und meinHerz, das die Welt nicht kannte, ganz nur Ihnen gehörte. Die Ehe hatte es nicht geändert, im Gegentheile—denn als Sie mich in Sart.viUe zurückließen, er füllte es noch dieselbe Leidenschaft, ja in diesem Augenblicke-ich bitte, unterbrechen Sie mich nicht —liebe ich Sie noch ebenso innig wie damals!--Ach ! Herr Mar quis, es ist dieß ein tief eingewurzelter Fehler von mir; wenn Ihr Stolz sich dadurch geschmeichelt fühlt, so erfahrenSie jetzt, daß derselbe unter Umständen mei nen Tod beschleunigen könnte. Zu jener Zeit, an welche ich Sie erin nern will, weinte ich viel, und weil die Zeit mir immer langsamer dahin zu schlei chen schien, suchte ich ein Zerstreuungs mittel, das einzige, das mir zusagte, in täglichen Spazierritten. In Begleitung eines Dieners zuweilen aber auch allein, besuchte ich auf diese Weise die Orte, an denen wir zusamen gewesen waren; Sie waren zwar nicht an meiner Seite, aber doch in meinem Herzen, und die Vögel, die über meinem Haupte hinflogen, und die Wolken welche über die Gehölze wegeil ten, würden Ihnen, wenn sie hätten spre chen können, meineGrüße und meine laut ausgesprochenen sehnsüchtigen Wünsche Ihrer baldigen Rückkehr zugetragen ha ben. EineS Tages halte mich das herrliche Wetter verlockt, meinen Spazierritt, den ich dießmal allein unternommen hatte, et was weiter wie gewöhnlich auszudehnen; ich war über Ihr Grundeigenthum hin ausgekommen und langte mit untergehen der Sonne an den Saum eines Waldes, den ich noch nicht kannte, an. Die Natur um mich herum war schweig sam und ruhig und stimmte so völlig mit meinen Empfindungen überein, daß ich mich den lieblichsten Träumen überließ. Ich ließ mein Pferd im Schritt gehen, u. die sanfte, regelmäßige Bewegung dessel ben wiegte mich in die schönsten Gedan ken. Ich fühlte mich sehr glücklich. Ich erinnere mich meiner Empfindun gen von damals noch, wie wenn eS erst gestern gewesen wäre, denn ganz dieselben erfüllen mich in diesem Augenblicke, in dem Sie mir zuhören, Gaston. Plötzlich, als ich eben einen schmalen Waldpfad entlang ritt und an einer ein zeln stehenden Hütte von armseligem äu ßern Anscheine vorüberkam, hörte ich ei nen durchdringenden Schrei, der mir durch Mark und Bein drang. Es war ein herzzerreißender Schrei aus der Kehle ei ner Frau, der Ausdruck eines furchtbaren physischen Schmerzens, der grenzenlose sten Verzweiflung. Ich überlegte nicht lange, ich zögerte nicht, sondern hielt mein Pferd an, stieg ab und trat in die Hütte. Der Marquis lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit der Erzählung seiner schö nen Gemahlin, welche an dieser Stelle ei nen Augenblick innehielt, weil die Uhr auf dem Kamingesimse eben mit lautenSchlä gen die fünfte Stunde verkündigte. Ga ston erhob langsam den Kopf, blickte sei ne Gattin an, der seine Unruhe nickt ent ging ; eine Wolke flog über seine Stirne, er beobachtete einige Minuten lang, wie um seinHerz zu befragen, ein Stillschwei gen, bis er endlich die Hand der Mar quisin erfaßte und sprach: Fahren Sie fort Armande ich bitte! i Was ich in dieser Hütte sah, Gaston, —fuhr die sanfte und schöne Armande fort —vermag ich kaum zu beschreiben! Trotz der Dunkelheit, die bereits in dem armseligen Raume zu herrschen anfing, bemerkte ich eine ältliche und abgemagerte Frau aufrecht und regungslos dastehen; ihre Hände, welche sie ohne Zweifel zum Gebet gefaltet halte, schienen ohne sich wieder vereinigen zu können, herabgefal len zu sein; in ihren stieren Blicken war allerGlanz erloschen und ihr bleiches, run zeliges Antlitz verzerrte eine schweigsame und dumpfe Verzweiflung. Der Schrei, den ich so eben gehört hat te, war nicht aus dem halbgeöffneten Mu nde gekommen; meine Blicke forschten da her weiter, und so sah ich auf einem elen- den Bette, kaum einen halben Fuß höher als der Boden, halbliegend, eine wie mir schien, junge Frau, die das Gesicht auf die Decke herabgesenkt hatte. Ich näher te mich ihr und berührte sie. O, Mutter! Mutter, todt! es ist todt!—rief sie aus, unter Seufzern fast erstickend und in der Meinung, mit der alten Frau zu sprechen. Todt! todt, so ist denn Alles aus, oh Gott! mit diesen I Worten fiel die Aermste vom Lager herab auf den Boden, und nur ihreStirne ruh te noch auf dem Rande desselben. In diesem Augenblick fiel noch einer der letzten Strahlen der untergehenden Sonne durch das enge Fenster der Hütte und beleuchtete das Lager, auf dem ich das weiße und kalte Antlitz eines Kindes erblickte. Dieses war so eben gestorben, und der herzzerreißendeSchrei, den ich gehört hat te, war unmittelbar auf dessen letzten A themzug gefolgt. Ich fühlte mein Herz vom heftigsten Schmerz bewegt, und au ßer Stande, weinen zu können, betrachte te ich diese, vom tiefsten Leid gebeugten Meschen, für deren Schmerzen es keine menschliche Hülfe gab: das Kind dessen Seele entflohen war, die Mutter in ihrev wahnsinnigen Verzweiflung, die Großmu tter, die noch immer regungslos und stulü dastand, und als Staffage dieses trauri gen Bildes ringsum die bitterste Armuth, ein Elend, das schon von lange her sich datiren mußte und von keiner Seite eine Abhülfe erwartete. Ich war noch nicht Mutter, Gaston, ich wußte noch nicht, durch welche starke Bande des Blutes, des Leibes und derLic be diese armen kleinen Geschöpfe uns an dasHerz gewachsen sind ; aber dieser gren zenlose Schmerz der Mutter, die ich hier nach dem unmittelbaren Verlust ihres Kindes sah, wie sie den Leichnam küßte und ihn an sich drückte, machte mir auf einmal die süßeste aller Empfindungen klar; ich fiel auf die Knie nieder u. rief, die Hände faltend, auö: Mein Gott,