Wer Liberale Beobachter Und Berks, Momgomery und Schuylkill Caunties allgemeiner Anzeiger. N- tAVi n g, Venn. Gedruckt uud herausgegeben vonAruold Puwelle, in der Süd 6ten Straße, zwischen der Franklin- und Chesnut - Straße. Jahrg. ganze Nmn. ASt. Sedingungen : Der Ntbernlc Zckcobtlclltcr erscheint jeden Dienstag auf einein großen Superial - Bogen mit schönen Lettern gedruckt. Der Subseriptions, Preis ist Ein Tl)a l e r des Jahrs, welcher in halbjährlicher Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Zahres nicht bezahlt, dem werden Hl 50 angerechnet. Für kürzere Zeit als 6 Monate wird kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Auskündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Subftriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. 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Sie traten mit glei chen Ansprüchen auf, waren beide jung, schön und liebten, beide jedoch auf verschie dene Weise. Meyal besaß eine etwas strenge Schönheit und einen «ies eindrin genden Blick. Seine Physiognomie zeig te, wenn sie sich belebte, eine seltene Ener gie ; aber er hatte die Blödigkeit einer wahr empfundenen Liebe. Er war in al len Verhältnissen des Lebens muthig und tüchtig, doch bei dem Mädchen, welches er liebte, stumm und verlegen. Er würde fein Leben für Lil aufgeopfert haben, er konnte es ihr aber nicht sagen. Woek war dagegen lebhaft, muthvoll, ungestüm; er wußte mit einer seltenen Beredsamkeit, allen seinen Gefühlen Wor te zu verleihen; er wußte selbst seine gro ßen Fehler so darzustellen, daß sie einen Reiz erhielten, und es gelang ihm um so mehr, als er gewissenhaft die Rol lte eines wahrhaft Liebenden spielte, und M) selbst getäuscht hatte, bevor er Ande re täuschte. Lil, zwischen diese Beiden gestellt, schwankte einen Augenblick, vielleicht sprach im Innern ihres Herzens eine Stimme, welche nicht die der Leidenschaft war, zu Gunsten Meyal's; sie sprach zu ihr von der hingebenden Gesinnung dieser lieben den Seele; sie sagte ihr, daß sie in Glück und Unglück in Meyal einen treuenFreund finden werde, der ihr sein ganzes Leben geweiht habe. Lil hörte einen Augen blick auf diese innere Stimme; dann rüh mte ihr Blick auf Meyal, mit einer Art naiver Neugierde, damit sie sich überzeuge, ob Alles wahr sei. Meyal pflegte nun in Verlegenheit zu gerathen; das Wort der welches er aussprechen wollte, erstarb auf seinen Lippen; sein Herz schlug heftig, und er schwieg. Die Blö- j digkeit beherrschte seine Leidenschaft, und das geringe Zutrauen, welches er zu sich selbst hegte, theilte er auf diese Weise auch Andern mit. Lil wandte sich nun über rascht und unzufrieden von ihm ab ; ihre Augen suchten die Woek'S, und nun aber kam an sie die Reihe, unter dessen leiden schaftlichem Blick in Verlegenheit zu ge rathen ; zitternd vor Aufregung, neigte sie sich zu ihm, um die süßen Worte der Liebe zu vernehmen, welche alle Fibern ei nes Herzens, das sich noch nicht kennt, er zittern machen. So war cS Woek, den Lil liebte, den sie wählte. Meyal zog sich mit zerisse nem Herzen zurück, allein ohne eine Kla ge vernehmen zu lassen. Woek wurde auch von Herrn Hawneß angenommen, und ward der Bräutigam Lil'S. Die bei den Familien einigten sich. Herr Haw neß war stolz darauf, seine Tochter dem Erben eines der reichsten Kaufleute in der Stadt, zu geben. Woek's Eltern blickten mit Freude auf eine Vereinigung hin, die das schönste und sittsamste Mädchen von Drontheim, in ihre Mitte führte. Man kam bald in allen Punkten überein. Woek selbst, vernahm mchtS von Allem, was um ihn vorging. Die Augen auf seine junge Braut heftend, betrachtete er mit Wonne die Klarheit ihrer jungfräulichen Stirn, die Lieblichkeit ihres Lächelns. Er be trachtete sie, wie der Gott Skamander die Jungfrau betrachtet haben mochte, wel- che das Volk in seine nassen Grotten sen bete, um sich seine Gunst zu erwerben. Und Lil war schöner, als alle Phantasie geschöpfe der Dichter. Woek umhüllte sie mit einem so liebevollen Blick, daß das junge Madchen, ohne in ihrer Unschuld zu begreifen, woher sich ihre Verlegenheit schreibe, erröthete, und die Augen abwen dete. „Nun wohl, nach sechs Monaten geht die Hcirath vor sich," sagte Hawneß, Woek die Hand reichend ; allein schon von diesem Augenblick an, seid Ihr mein Sohn, und mein Tisch und mein Haus sind die Eurigen." „Sechs Monatesagte Woek seuf zend, —„das ist sehr lange! Warum die se Verzögerung?" „Mein Sohn sagte der alte Mann, „daS sind die hergebrachten Gewohnhei ten ; ändern wir nichts an denselben." „Warum? wenn dieselben von keinem Nutzen sind; ich liebe Lil von ganzem Herzen, und habe Ihr Wort! warum unser Glück verzögern „Verliebte Ungeduld!" meinte Herr Hawneß lächelnd. Dann fuhr er mir mehr Ernst fort: „Legen wir nicht Hand an die Sit ten der Voreltern, weil zu besorgen wäre, daß die neuen uns weiter führten, als wir selbst wollten. DaS VerlobungS - Mahl ist beendigt, die Ringe sind gewechselt; heute Abend kommt Ihr, um unter un sern Dache zu wohnen und mit uns zu leben. Nach Verlauf der Zeit vereinigt Ihr Euch mit Lil, sicher der gegenseitigen Treue. Kommt, Woek, Eure Ehre ist die meinige." Woek antwortete nicht; er mußte sich bescheiden; allein sein glühender Blick, ruhte fortwährend auf Lil und bezauber.- te sie. Zwei Monate verflossen, zwei Monate voll berauschender Freude und Geheimnis se ; allein am Ende dieser Zeit war Lil sehr bleich; ihre schönen Augen blieben fortwährend gesenkt, und bisweilen waren sie mit Thränen benetzt; sie schloß sich stundenlang in ihr Zimmer ein. Ach! schon war ihr Glück entflohen; schon mehremal hatte das arme Mädchen vergeblich auf Woek gewartet; sie hatte stundenlang unbeweglich dagesessen, mit Angst das geringste Geräusch beachtend, welches ihr seine Ankunft verkündete, und er war nicht gekommen. Oft hatte sie, weil sie der Qual des Zweifels und der Ungewißheit nicht Trotz bieten konnte, die Thür geöffnet und einige Schritte hinaus gethan auf die lange Gallerie, an deren Ende sich WoekS Zimmer befand, und schweigend war sie stillgestanden ; einßest von Scheu und weiblicher Würde hielten sie von diesem Schritte zurück, welcher sie in den Augen des Geliebten erniedrigen mußte, und sie war im Zimmer geblieben, um zu weinen, zu beten, und zu —bereuen. Wenn Lil mit Woek vor dem Vater zusammenkam, richtete sie ängstlich fra gende Blicke an ihn, welchen er verlegen auswich, und auch nicht viel mit ihr sprach. Dann näherte er sich ihr wieder und ent schuldigte sich, er habe keinen Verdacht erregen wollen, durch eine Unvorsichtig keit, und rechtfertigte so seine Kälte. Lil liebte zu tief, als daß es nicht leicht gewe sen wäre, sie zu täuschen. Lieben heißt glauben. Es war ein Strahl des Glücks in dunkler Leidensnacht. Allein bald glänz te nicht einmal der Strahl mehr; alles war vorbei. Woek kam nicht zu der ge wöhnlichen Stunde zu Lil. Wenn sie sich ihm näherte, blickte er sie kalt an. Jetzt fühlte sie die Wirklichkeit des Unglücks. Eines Abendö nachdem sie lange gewar tet, waffnete sie sich mit Muth ; sie wag te sich in den langen Gang, und näherte sich den Zimmern Woeks. Mit zitternder Hand erfaßte sie den Drücker der Thür. Einen Augenblick noch zögerte sie. Ein sehr trauriger Ge danke mußte sich ihrer bemächtigt haben, um sie zu nöthigen, so das Ehrgefühl bei Seite zu setzen. Sie trat ein; "TVillig zu loben und ohne Furcht zu tadeln." Dienstag den 3«. Januar, 151?». Woek war nicht da. Alles Blut schoß ibr zum Herzen. Sie sank auf einen S.uhl, und murmelte: „Wo ist er denn So blieb sie drei lan ge Stunden sitzen, bleich, wie eine Todte. Mit Tagesanbruch trat Woek ein. „Du hier?" —sprach er mit Ungeduld und Ueberraschung. „Welche Unvorsich tigkeit !" „Vor zwei Monaten, - erwi derte Lil aufgeregt, würdest Du nicht gesagt haben, welche Unvorsichtigkeit!" „Allein, wenn Jemand begegnet wäre; wenn Dein Vater —" „Ah! jetzt denkst Du an meinen Va ter !" Dann erhob sie ihr HaNpt und sprach mit mehr Festigkeit: „Wäre ich meinem Vater begegnet, so hätte ich zu ihm ge sagt : ich gehe zu meinem Gatten, dem mein Glück anvertraut ist; kommen Sie mit mir, denn der Zeitpunkt unserer Ver einigung muß früher anberaumt werden." „Ist das Ernst?" stammelte Woek „Ja, es ist Ernst, die Heirath muß vor sich gehen, oder ich sterbe! —Allein es wird geschehen, nicht wahr, Woek ?—noch nie hat in Drontheim ein Bräutigam sei ne Braut verlassen ; Du hast mir gesagt, daß ich Deine Gattin sei. Gott hat un sern Schwur vernommen; Du hast nicht die Unwahrheit gesprochen, nicht wahr? O sage es mir, Woek, daß meine Befürch tungen eitel waren, daß Du mich noch liebst; sage es mir, damit ich nicht vor Schmerz und Schaam zu Deinen Füßen sterbe !" „Kind"— spricht Woek, —welche när rische Gedanken sind das? ohne Zweifel liebe ich Dich; aber warte noch, ehe Du mit dem Vater sprichst; vor einem alten Manne gilt die Liebe nicht als Entschul digung . . „Ich habe Dir gesagt, daß es unmög lich ist!" sprach Lil in Verzweiflung. „Nun, wenigstens einige Tage, daß heißt nicht zu viel verlangen. Warum weinen?" sprach er ärgerlich. „Ach, Du liebst mich nicht mehr!" „Lil, in der That, wir bedürfen der Liebesversicherungen nicht mehr; der gan ze Vorrath ist bereits erschöpft. Höre Lil, lass' mir wenigstens einige Tage, um mich vorzubereiten. Was hast Du zu fürchten?-Ich liebe Dich noch, beruhige Dich. Du wendest Dich ab, und schenkst also Deinem Gatten kein Vertrauen? Du zweifelst noch?" „Nein, nein," sprach Lil mit seltsa men Ausdruck, ich zweifle nicht mehr!" „Gut denn; allein es wird Tag, be gieb Dich in Dein Zimmer, ehe Jemand aufwacht; Muth gefaßt, Lil bald wirst Du glücklich sein." Mit diesen Worten, führte er sie zu ihrem Zimmer. Lil betrachtete ihn mit sonderbarem Blick; in diesem Augenblick erschien er ihr mehr erbärmlich, als grau sam. Sie sah ihn so verlegen, indem er sie beruhigen wollte, daß ein Lächeln der Verachtung aus ihre Lippen trat. Lang sam ging sie fort, und schloß sich in ihr Zimmer ein, wo sie mit den Worten auf's Bett sank: . „O, mein Herz, wie bist Du betrogen worden!" Um Mittag sah sie ihren Vater zum Erstenmale an diesem Tage. Der wür dige Herr Hawneß irGr sehr beschäftigt, und bemerkte die Veränderung in den Ge sichtszügen seiner geliebten Tochter nicht. Man setzte sich zu Tische; Lil sah nur zwei Couverts. „Mein Vater,"— fragte sie mit unru higer Miene,—„wo ist Woek?" „Heute Morgen nach Allzenn abge reist,"—antwortete ruhig der alte Mann, —„weißt Du es nicht?" „Abgereist?" „Was ist denn mein Kind, weshalb er schrickst Du?" „Ach, er wird nicht wiederkommen, Vater!" „O Himmel," rief der Vater, seine ohnmächtig gewordene Tochter mit den Armen auffangend. In der That es vergingen Wochen und Monate, ohne, daß der Bräutigam wie derkam. Er vergaß, einer neuen Liebe wegen, das arme betrogene Mädchen. Bald erfuhr man in Drontheim, die Schlechtigkeit Woek's und das Unglück der armen Lil. Allgemeine Theilnahme ward für das Mädchen und deren Vater rege. Letzterer war aus Gram zehn Jahr älter geworden. „Ach!" —sprach er einst zu einem Freunde, „wäre ich zwanzig Jahr alt, er stürbe durch meine Hand! Und Niemand, Niemand ist da, um mich zu rächen!" Einige Tage darauf kam ein junger Mann zu Hawneß. Lil saß bleich und niedergeschlagen neben ihrem Vater. Sie erzitterte, als sie Meyal erkannte, den sie abgewiesen hatte. Dieser verneigte sich und sprach mit fester Stimme: „Herr Hawneß, ich komme, um Sie um die Hand ihrer Tochter zu bitten." „WaS sagen Sie ?" stammelte der Greis, „wissen Sie nicht ? ... ." „Ich weiß," —erwiderte Meyal,—daß ein Elender, den gastlichen Schutz Ihres Hauses mißbraucht hat, daß er entflohen ist ; nun biete ich mich Ihnen zum Soh ne an." „Sie sind edel uud großmüthig, Mey al," —sprach Lil unter Thränen, —„aber ich bin Ihrer Liebe nicht mehr würdig." ~Ich weiß, daß Sie ihn von ganzem Herzen geliebt haben, und jetzt verachten müssen; allein deshalb soll Ihr Leben nicht ein kummervolles sein. Ueberlassen Sie mir die Sorge für ihr Glück." Lil stand auf, reichte Meyal die Hand und sprach tief bewegt: „Mein größter Schmerz ist, Sie ver kannt zu haben. Doch danke ich für die Ehre, welche Sie mir anthun wollen; ich darf sie nicht annehmen. So lange Woek lebt, ist für mich jede Heirath un möglich." „Wenn er todt wäre?" „Wenn er todt wäre?" sprach Lil schmerzhaft; „er wird vielleicht länger leben als ich." „Ich werde wiederkommen," sprach Meyal, ihr die Hand drückend. Zwei Meilen von Drontheim entfernt, in der Richtung des Kjölen Gebirges er hebt sich ein hoher Fels. Von diesem Felsen herab, stürzen brausend die Flu then, welche den berühmten Wasserfall bilden. Er entsteht auf demselben, und ergießt sich schäumend in den Nid, Dront heim gegenüber. Einige Tage nach der Zusammenkunft Lil's mit Meyal, kam ein junger Mann zu dem Felsen. Er wollte ihn ersteigen, und als ob schwere Gedanken ihn drückten, so schüttelte er das Haupt, dessen schwar zes Lockenhaar zurückfiel, und sang ein Nationallied. Als er so dahin wanderte, vernahm er Schritte hinter sich, und dreh te sich um. „Guten Tag, Woek?" sagte der Herzugekommene. „Sind Sie wieder in Drontheim?" „Seit zwei Tagen erst," erwiederte Woek unentschlossen. „Sie verstecken sich also?" fragte Meyal, dessen Blick unablässig scharf auf Woek gerichtet war. „Vergeblich suchte ich Sie in den Kirchen, auf der Börse.." „Und warum sollte ich mich verstecken ?" fragte Woek verwirrt und roth wer dend. „In der That, warum ?" —antwortete Meyal ironisch, —kommen Sie, wir wol len unsern Spaziergang fortsetzen, dort oben genießt man eine herrliche Aussicht, man kann Drontheim sehen, die Straßen, sogar die Häuser unterscheiden, welche einen Gegenstand unserer Liebe oder un serer Verachtung in sich schließen. Kom men Sie!" Woek wagte nicht, sich zu weigern, er folgte, mit sichtlicher Beklemmung, seinem frühern Freunde; innerlich jedoch, ärger te er sich, diesen Spaziergang eingeschla gen zu haben. Oben angekommen, stand Laufende Nummer 2S. Meyal still und sprach, die Hand auf den Arm deö Begleiters legend: „Sehen Sie, was ich liebe, ist, so ü ber einer noch schlafenden Stadt zu ste hen und die gleichsam bewachen zu kön nen, welche mir theuer sind. Dort ist das Haus Ihres Vaters ; es ist groß und schön. Ihr Vater war immer ein recht licher Mann, kein Schurkenstreich entehrt ihn; doch warum erzittern Sie? Zur Linken das Haus meines Vaters; Alles ruht noch darin; denn mein Vater ist alt und ich führe das Geschäft, und habe jetzt keinen freudigen Much mehr Dazwischen sehen wir ein anderes Haus ; —dort ist Unglück !—Schande! —" „Meyal!" „Sagen Sie mir Woek, welche Strafe verdient der Mensch, welcher die heiligsten Eide verrieth, der Schwiegersohn eines alten Mannes wurde, um ihn und seine Tochter in Verzweiflung zu stürzen? Sa gen Sie, verdient er nicht von allen Men schen verflucht zu werden, und Einem zu begegnen der Rache nimmt?" „Was meinen Sie?" stammelte Woek. „Du hast mich verstanden, Du weißt jetzt, daß Meyal der Rächer Lil's ist; er hält seinen Schwur besser, als Du die Deinigen, und hat geschworen, daß Du nicht lebend diesen Fleck verlassen sollst/' „Sie wollen mich also morden?" sprach Woek erschrocken. „Nein, wir wollen uns schlagen. Hier sind Pistolen. Wir stellen uns einander gegenüber, an den Abgrund, wir schießen zugleich, der, welcher fällt, fällt in den Nid und die Fluthen verschlingen das Ge heimniß der Rache und des Opfers." "Meyal!" "Kein Wort. Wähle die Pistole, bei de sind geladen. Fünfzehn Schrite aus einander, fort! —" Woek legte die Hand an die Stirn, sie war mit kalteni Schweiß bedeckt. Allein seine Bewegung dauerte nur einen Augen blick. Er ergriff eine der Pistolen, und nahm seine Stellung. Beide betrachte ten sich einen Moment. Haß und Zorn funkelten in den Augen Woek's. Mey al war ruhig, im Gefühl, daß er eine Pflicht erfülle, und sein Leben dabei auf's Spiel setze. "Nun denn", —sagte Meyal. Die beiden Schüße blitzten. Als der Rauch entschwunden, stand Meyal auf recht da. Von Woek war nichts zu se hen, als ein wenig Blut, am Rande des Abgrundes. Meyal neigte sich über den Nid ; er glaubte die Wogen eine röthlichc Färbung annehmen zu sehen ; dann kehr te er nachdenklich in die Stadt zurück. Am folgenden Tage wußte Jedermann zu Drontheim, daß Woek umgekommen sei; der Nid hatte seinen Leichnam aus geworfen. Es war ein Selbstmord oder ein Duell gewesen ; denn in seiner Hand, hielt er noch krampfhaft ein Pistol. Man sah in seinem gewaltsamen Tode eine Ra che des Himmels, und die Mütter, welche ein Duell vermutheten, beteten für den Mörder, wer er auch sei. Einige Wochen später, heirathete Mey al die schöne Lil. Dießmal fand keine Brautzeit statt. Die Monate verflossen schnell, und ei nes Tages vergaß die arme Frau alle Schmerzen, indem sie ihren Sohn zum er stenmale küßte. Allein dieß war die letz te Anstrengung der Natur gewesen: die Körperkraft unterlag dabei. In dem Kuß, den sie ihrem Kinde gab, schien sie ihre ganze Seele auszuhauchen. —Meyal war bei ihr; sie reichte ihm das Kind, er küßte es auf die Stiru und eine Thräne glitt über seine Wange. „Lebe wohl!" —sprach sie mit Zärtlich keit.—„Lebe wohl, Meyal! Du hättest ein größeres Glück verdient und mehr Lie be ; denn Du machst mir den Tod leicht und sanft. Ich empfehle Dir meinen Sohn. Ich lasse Dir mein halbes Ich zurück. Möge er Dir theuer sein im An denken an die arme Mutter! Und jetzt