Sit hat ihn geküßt. Humoreske »un Friy Wolbeck. Der Tag war glühend heiß gewe sen; als die Sonne unterging, wurde Hitze schien auch die kurze tropische auf; kurze Windstöße brachten di<^Vr Ungewiiters, tief zie ten, als ihre Herrin: «Ist Friedrich zur Bahn gegangen, om Papa abzuholen?" «Sieht der Apfelwein kalt?" .JawohN" HM' Tür. Da stand er schön auf der Schwelle, die hohe Gestalt in dem langen, grauen Regenpaletot und den ficht gedrückt. Der Sturm blies die FlurWmpe aus, der Regen schlug Su sanne ins Gesicht aber was scha dete das! Sie umhalste den lieben Papa und gab ihm einen herzhaften «uß. Fremden so?" Allmächtiger Gott! Das war nicht ihr Vater, sondern ein Fremder, und pe an der Treppe, an der Tür aber der wirkliche Professor, dessen Wagen dem des Fremden dicht auf dem Fuße gefolgt war. »Was, Doktor, Sie schon hier?" „Gewiß, Herr Geheimrat! Sie telegraphierten mir ja, daß ich Sie um neun Uhr in Ihrer Villa auf suchen solle." „Famos! Da können wir gleich zur Sache kommen. Aber, wo ist Fräulein Susanne?" wandte er sich on das Mädchen. „Na, sie wird wohl kommen. Vor allem aber, lieber Doktor und zu künftiger berühmtester Chemiter, legen Sie ab und speisen Sie mit uns zu Abend. Ich sage Ihnen dann gleich. Damit öffnete der Geheimrat die Tür des Speisezimmers, in welchem zu feinem Erstaunen sein Töchterchen im Vestibül. Susanne war auf ihr Zimmer ge flüchtet. Sie h.itte einen fremden Mann geküßt! Sie. die Tochter des Geheimrais Herborn! Auf teinen Fall wollte sie eher hin untergehen. als bis der Fremde fort war. Sie lauschte da siel die Tür ins Schloß! Gewiß, er war ge gangen! Sie konnie es freilich nicht sehen, da ihr Zimmer nach dem Gar ten hinauslag. Sie schlüpfte hinun ter und trat in das Speisezimmer mit den Worten: „Willkommen, lie ber Papa!" aber ohne ihm entgegen zufliegen wie sonst, ja sie schlug nicht einmal die Augen auf. „Na, bist Du endlich da. Susi?" und dann die Schreckensworte: „Mei ne Tochter Susanne Herr Doktoi Brons, der einige Wochen unser Hausgenosse sei» wird." älterer Herr! Alles das dachte Su sanne in wenigen Augenblicken durch, „Was Teufel, Susi, Du siehst ja aus, als ob Dir die Petersilie ver hagelt wäre!" sagte nun gar noch der entsetzliche Papa: „Was hat's denn gegeben?" Gott sei Dank, er wußte noch nichts, sonst hätte er wahrscheinlich einen schlechten Witz darüber gemacht! „Ich habe mich so sehr vor dem Gewitter geängstigt!" log Susanne immer die Augen zu Boden gerichtet. „Du, Susi? Na, das ist auch das erste Mal!" Wohl oder übel tonnte sie doch mit sotanen niedergeschlagenen Augen nicht ven ganzen Abend mitten in der Stube stehen bleiben; sie trat also den Tisch, auf den Friedrich be reits ein drittes Gedeck gelegt hatte. Dann schlug sie den Blick auf und begegnete dem des Fremden, der for schend auf ihr ruhte. Forschend, aber ehrerbietig, nicht spöttisch, wie sie ge fürchtet hatte. Er hatte gute, klare, graue Augen, die nicht einmal, wie sonst bei Gelehrten, hinter einer Brille Man setzte sich zu Tisch; der Ge heimrat, noch ganz voll von den an genehmen Begegnungen, die ihm der soeben beendete Naturforscher - Kon greß gebracht hatte, plauderte unauf hörlich, und der Dottor hörte ihm aufmerksam zu, ab und zu eine Be merlung hineinwerfend, wohl mehr um sein Interesse zu bezeugen, als um zur Unterhaltung beizutragen. Su sanne machte die aufmerksame Wirtin, aber sie fühlte, wie sie der fremde Mann ansah, sobald sie auf ihren Teller blickte. Es war hübsch von ihm, daß er das Wort noch nicht an sie gerichtet hatte; sie die weltgewandte junge Dame, hätte nichts zu erwidern gewußt. Aber es ist ein Unglück, wenn man einen jovialen Papa hat: „Nun aber, lieber, junger Freund, wollen wir auf das Gelingen Ihres großen Wertes anstoßen! Du kannst auch mit anstoßen. Susi! Ich sage Dir, es ist etwas Großes, was der Doktor da in Petto hat." Was half's! Susanne ergriff ihr Glas der Doltor VrönS aber erhob sich und, während Glas an Glas klang, verbeugte er sich mit so ritter licher Ehrerbietung, daß Suschen or dentlich gerührt war. Der Herr sagte dem Pap?, nichts dessen war sie in diesem Augenblick sicher. Aber darum war die entsetz liche Tatsache doch nicht aus der Well zu schassen: Sie hatte ihn geküßt! Wenn auch nur aus Irrtum das war vielleicht ein mildernder Umstand, aber mehr auch nicht! Und jetzt mel dete der Gärtner noch, daß er das Gepäck des Herrn Doktor aus dem „Stern" gebracht hätte! Er blieb also wirklich! Als das Abendessen beendet war, stand Susanne auf. sagte dem Papa gute Nacht, verbeugte sich stumm vor dem Doktor und woll te das Zimmer verlassen, aber das so guter Laune war, wie am heutigen Abend. „Was, Susi, Du willst schon aus kneisen? Du brauchst Dich doch vor dem Doltor nicht zu genieren! Meine Tochter kneipt nämlich sehr gern mit ihrem Papa, besonders wenn es Mar kobrunner gibt, wie ich ihn vorhin bei Friedrich bestellt habe." Wie es enfants terribles gibt, so gibt es auch Papas terribles. „Aber heute nicht, lieber Papa!" flehte beim qe Susanne; „ich habe Kopsschmerzen; ich will nur sehen, ob im Fremdenzimmer alles in Ordnung ist, und dann selbst schlafen gehen." „Na. wie Du willst, Susi; ich möch te nur wissen, waS Du heute hast", meinte der Papa mit einer Unbefan genheit, die einer besseren Sache wür- Sufanne machte, daß sie aus dem Zimmer kam, aber noch in der Tür hörte sie de» Papa sagen: „Meine Tochter nämlich —" Gott weiß, was da für eine In diskretion zu Tage kam! Es gibt Professoren und sogar Geheimräte, die erschrecklich indislret sein können. Daß Susanne in dieser Nacht nicht viel geschlafen hat, bedarf leiner nä heren Begründung; erst gegen Mor gen sank sie in einen unruhigen Schlummer, aus dem sie erst spät er wachte. Der Anlaß zu diesem noch dazu ziemlich jähen Erwachen war ein entsetzliches Gebell und Gewinsel, das aus dem Garten heraufscholl. Susanne lugte durch den Vorhang: Da lag der Herr Doktor Justus Bröns auf dem Rasen, in der hocher hobenen Hand ein Stück Zucker und über ihm in buntem Durcheinander Herr Doktor tat ganz, als ob er zu Hause wäre! Milly auf dem Rasen, den nicht zu betreten sie doch erst mit buntscheckige Gewühl und das klei ne Licht der Wissenschaft dachte gar nicht daran, sich oor der großen Leuch- zahl Blumentöpfe eine lebende Hecke errichtet, über die er mit Milly ab wechselnd hinübersprang, während Es waren Susannes Lieblingsblu men! Und der Papa amüsierte sich wieder köstlich! mann seiner Kompagnie bieten würde, wenn er sie nicht zu seiner Zufrie denheit gerichtet fände, näherte sie sich den Exzedenten. „Guten Morgen, gnädiges Fräu lein!" antwortete der Doktor. und Papa aber nickte vergnügt und hatte nur Augen für das kleinste Puppy, das sich zwischen zwei Aesten festgekeilt hatte und kläglich winselte. Susanne stand hoch aufgerichtet da; aus ihren Augen blitzte der Zorn sie biß die Lippen fest auseinan der. deshalb ist Ihr Mund " nach einem Stuhl „der so freundlich lächeln kann, so fest ge schlossen. Ich bitte tausend Mas um Verzeihung!" „Gar nicht nötig, lieber Freund!" lachte der Geheimrat. „Es ist ganz gut, daß hier einmal e'n bischen Le lein Tochter ist überhaupt weit über ihre Jahre ernst ja wohl, Susi! Du solltest auch mal versuchen, ob Herr Geheimrat tat es wirklich! „Wenn die Herren zur Genüge ge turnt haben, könnten wir vielleicht auch Kaffee trinlen," entgegnete Su sanne mit schlecht verhehlier Ironie. An der sich jetzt entspinnenden Unter haltung beteiligte sie sich nicht, denn diese drehte sich darum, ob die Ein torium des Geheimrats hinten im Garten für alle Zwecke des Doktors genügen würden. Die Herren Zeit wohnen könne, da er nicht im Gasthof bleiben wolle. „Also war es nicht seine Absicht gewesen, die Gastfreundschaft ihres te Susanne innerlich an. Sie habe ihm daraus ihre Adresse somit in unzweideutiger Weise zei- Das Sünden - Register des Dok tors hatte sich damit um einen ansehn- Jdeen - Assoziation folgend, auf und sah nach der Uhr. Es war eins, und der Papa noch nicht daheim! So spät schl"f-nd "" „Gehen Sie zu Bett. Friedrich; Pa — er kannte das Fräulein. Es war die höchste Zeit im In teresse der Autorität des Geheimrats, „Was, Susi, Du bist noch nicht zu Bett?" „Hörst Du's. Susi? Der Doktor Wahrscheinlich hatte ihn der Wind ' ihn nun jemand fand! Aber der Wind glich d»in Speer des Achill, der die Wunden heilte, die er gefchla» zu Bett. ermutigte. Wahrscheinlich wollte sich der Dok tor wegen seiner gestern getanen unar- s' w'ß G gehoben hatte! Und die Karte?! Ob er wirtlich schon fort ist? Was wird der Vater sagen! Als Susanne zum Frühstück hinu?,- Hause treibst. Der Dottor Bröns ist heute in aller Frühe fort." „Ist er abgereist?" unterbrach ihn Susanne freudig. vor ins Laboratorium, wird auch dort mit mir frühstücken dazu habe ich ihn wenigstens bewogen, aber er sondern durch den Eingang in der Ne bengasse lommen. Das ist die Folge Deines Benehmens von heute nacht!" Gott sei Dank, der Papa wußte nichts, weder von dem Brief noch von dem Kuß! Das war nett von dem Doltor! Aber Susanne sprach kein Wort. „Nun?" meinte der Geheimrat nach einer Pause. „Was befiehlst Du, Papa?" fragte „Willst Du dich nicht entschuldi gen?" „Nimmermehr!" rief Susanne, „ich, die Beleidigte?" „Also, Du willst niemals Schwie germutter werden?" entgegnete der Papa mit einem Anflug seines son stigen Humors, „schade, bei dem Ta lent!" v Das war zu arg! Jetzt wieder holte der Papa noch den schnöden Witz! Susanne stand auf, ohne ein Wort zu erwidern, und verließ das Zimmer. „Schade!" wiederholte der Geheim rat, als Susanne fort war, „der Dok tor hätte mir gerade gepaßt. Er hätte mir das Mädel wieder jung ge macht kaum zwanzig Jahre und so pedantisch!" Damit ging er durch nur erblickt hätte. Auch den Bater sprach sie wenig nur bei Tisch; abends ging er fort, kam aber stets vor Mitternacht wieder, wahrsch-in lich war er alle Abende mit Bröns Wohnung, die er, wie sie keinen Au genblick bezweifelte, bei der Witwe Jürgens in der Lindengasse genom men hatte. Das wäre ja abscheulich! Sie mußte das wissen, schon aus Für sorge für den Pavo! Suse begann, die ganze Welt zu hassen; zunächst den Doltor, dann Milly und beinahe den Papa! Am ineisten aber, als dieser ihr erzählte, der große Wurf sei dem Doktor jetzt gelungen und in wissenschaftliche Form gebracht, jetzt wolle er mit ihm eine achttätige Erholungsreise machen. Und sie hatte sich so darauf gefreut, mit dem Vater nach Helgoland zu reisen! Es war abscheulich! Beiläufig erwähnte auch der Ge heimrat, daß Bröns sich als Privat dozent bei ihnen habilitieren würde. Er blieb also in der Stadt! Das hatte sie nicht erwartet! Am Ende gar wegen der Witwe Jürgens! Sie mußte das bestimmt wissen! „Wo wohnt denn der Doktor Bröns jetzt?" Der Geheimrat horchte hoch auf; es war das erste Mal, daß seine Toch ter den Namen aussprach: „In der Bonifacius - Straße." Also doch nicht bei der Witwe! Der Geheimrat reiste wirklich! Su sanne wünschte ihm VerLniigen, An dem Tage, als sie des Papas land zu reifen; alles für ihn selbst zu einem längeren Aufenthalt Nötige solle sie mitbringen. Wer war froher seinem Reise - Kumpan nicht vertra gen, um so besser! Noch am selben Abend dampfte sie ab. Am nächsten Morgen gingen Va- Helgoland. Des Dottor Bröns wankte sie weiter. Als ihr besser wurde, blickte ,ie aus. Entsetzen! Ihr zur Seite, ihre Schritte sorgfältig lei tend, ging der Doktor Bröns! Aber gelobt seiest Du, o Seekrankheit! Di« energische Susanne hatte nicht die Laufe der nächsten Tage. Susanne fand, daß Bröns sehr gut und unermüdlich tanzte allerdings und noch hinzuzufügen, daß er über haupt ein Faible für junge Witwen zu haben schiene. Der Doktor wußte aus dem Brief sofort, was Susanne meinte und erwiderte: „Ach so, Sie meinen die Witwe Jürgens! Das war nur solch' klei ner Ulk auf einer sonst langweiligen Eisenbahnfahrt." Ihren Jahren und in Ihrer Stel lung!" „Dergleichen würde ich noch machen, selbst wenn ich verheiratet wäre." „Und ich würde mir das als Frau entschieden verbitten!" versetzte Su sanne unbedacht. Des Doktors Augen blitzten auf, wie von einem plötzlichen Entschluß; der Geheimrat vertiefte sich in die Be sichtigung der auf der Düne wachsen den Gräser. „Das wird aber schlimm werden!" sagte Bröns schallhast. „Wieso?" meinte Susanne noch immer in holder Unbewußtheit. „Ich will mir nun einmal mein Recht zu einem kleinen Ulk nicht neh men lassen, und Sie wollen es mir nicht gestatten!" „Wer? Ich!" rief Susanne, der jetzt ein Licht aufdämmerte. „Fräulein Susanne", der dreiste Mensch nannte sie sogar schon beim Vornamen! „Sie haben soeben ge sagt, daß Sie mir, wenn ich verhei ratet wäre, dieses oder jenes nicht er lauben würden; einem verheirateten Mann aber hat nur eine Person zu befehlen, und die ist »Herr Dottor, ich bitte!" „Susanne", tönte des Geheimrats Stimme, .ich tann's bezeugen, der Doktor hat Recht! Entweder bist Du eine entsetzlich herrschsüchtige Person, die sogar stemdcn Leuten befehlen will, oder „Papa!" rief Susanne Vorwurfs-, voll, „ist das der Schutz, den ich von Dir erwarten muß?" „Du verstehst Dich selbst fehr gut zu schützen, und wenn Du das nicht mehr kannst, dann ist es besser, Du ergibst Dich auf Gnade und Un gnade." „Die Gnade erwarte ich don Ih nen, Susanne —" jetzt ließ der Dok tor schon das „Fräulein" fort „ich habe lange genug unter Ihrer Un gnade gelitten!" „Ich ich will versuchen, Sie zu entschädigen", flüsterte Susanne. „Liebe, süße Susanne!" „Ich werde mich umdrehen", lachte der Geheimrat vergnügt, „damit Ihr Euch den ersten Kuß geben könnt." „Papa", klagte Susanne, „es wäre ja nicht der erste!" „Den habe ich schon bei meiner An kunft in Ihrem Hause bekommen; er war Ihnen zugedacht, Herr Geheim rat". Herr; „der Vater bekommt einen ganz anderen Kuß als der Bräutigam."