Per Dollen. Von Gustav Hochstetter. Ich kan» es nicht sür mich behal ten, es muh heraus: Ich habe ge stohlen. Nicht etwa de» Stoss zu einem Drama. Daraus würde ich mir kei nen Normurs niachni, das haben Größere getan. Nein. Etwas ganz Materielles hab' ich gestohlen. Ich kann's nicht mehr sür mich behalten, daß ich gestohlen habe. Und das brauch ich auch nicht! Diebstahl ist ein Verbrechen, Selbst das schlimmste Verbrechen verjährt nach zwei Jahrzehnten. Uno oaß ich gestohlen habe, das ist schon weit über zwanzig Jahre her. Zurzeit meines Delikts war ich sechs Jahre alt, trug ein kurzes, braunes Samt ciner Gymuasial-Vorschule. Dieses Bildungsinstitut hatte drei Klassen und jede zählte etwa dreißig Schü ler. Wir waren somit unser etwa neunzig, und alle neunzig haben gestohlen. Ich will auch gleich sage», was ich gestohlen habe. Ei nen Bollen. „Pardon, einen Bollen? einen Den kan» doch kein sechsjähriger Junge stehle»?" „Nein, ich sagte nicht Bullen, son dern Bollen." „Ach sol Sie meinen eins Bolle? Bolle sagt der Berliner für Zwie bel. Rhein mündet, wird man mich ver stehen. Da weiß man, daß ein „Bol len" eine Zuckerstauge ist, drei Gymnasial-VorschUlern. Das heißt bis zu dem denk würdigen Tag, an dem ich diese schmachvolle Missettat beging, konn ten von den neunzig Schülern nur neunundachtzig als Verbrecher be trachtet werden. Ich als neu»zigster und einzigster war meine stark in ihrer Achtung gesunken sei. Es war um die Zeit der Mai-Messe. Auf dem Paradeplatz standen die war, eben nial zuzugreifen, wenn die Verkäuferin wegsah. Jeden Morgen und jeden Nachmittag, eh' den. 810 ß ich bekam nichts ab. nichts als böse Blicke und gistige Sticheleien, lind eines schönen To nen Tag, von de», nia» schließlich « verlangen dars, daß er schön ist>, trat eine eigens gewählte Noinmis nicht weiter gehen könne. Die Kommission bestand aus den Acltcste» meiner Klasse. ES liegt Das war nachiiiittags um vier. Ich litt an einer Art von Maiin haftigkeitsrausch, der bis um acht meine Mannhaftigkeit überraschend schnell verflüchtigt. Bange Zweifel stiegen in mir auf. Hat man etwas gemerkt? Weiß man? Ach Gott, was werden die Eltern dazu sagen? Ich schaute keinem ins Gesicht. Im mer a»f de» großen Abreißkalender, drüben an der Wand. Er zeigte de» meinem Bettchen lag und es leer und schwarz und dunkel iin Stübche» war, da kam ganz ohne fremden Zuspruch, ganz von allein die Neue heiß und sch»ierzlich in mir aufgestiegen, und ein paarnial sprach der kleine Hemdenmatz, der sich nun gar nicht mehr recht mannhast vor kam, laut in die sinstere Nacht hin ein: „Heute, am zwölften Mai, habe ich gestohlen!" nimmer wieder zu tun. Was ist mannhast, was ist kin disch? Wer ist schuldig und wer nicht? Eine verflixte Geschichte! Jeden falls ist es gut, iveun ein Mann ein Mann ist. Und jedenfalls ist es schlimm, wen» ein Leutnant seinen Kameraden niederknalle», wenn ei» Studio dem andern das Gesicht zer hacken, und wenn ein kleiner Junge für seine Mitschüler Bolle» stehle» muß. Zur Mode-Geschichte. Während der Regierung Ludwigs bräuchlichen Form der Milchtöpft hatte. Die Ursache dieser Mode war einer der Günstlinge des Königs, der er etwas zu zärtlich geworden war, ihren Topf auf den Kopf gestülpt hatte. Nach verbrachter Tat war das Mädchen davongelaufen in dem selben Augenblick als die Kavaliere und Hofdamen eintraten. Sie wa ren über den seltsamen Anblick nicht wenig verblüfft, dem Grafen d'Artois aber fehlte es nicht an Witz und er erklärte die Situation sofort damit, daß ihm der Michtopf die Idee zu einer neuen kleidsamen Mode gegeben habe. Und nun wurde er von allen Seiten begückwiinscht, denn man fand daß ihm fein „neuer Hut" vorzüglich stehe. Damit war die neue Mode ge macht und niemand hätte ihren Ur sprung geahnt, wäre nicht der Graf d'Artois später selbst auf den Ge bauten gekommen, in feinen Memoi ren die Geschichte auszuplaudern. Berechtigter Ahnenstolz. Während der Regierungszeit der Königin Viktoria soll sich folgendes Geschichtchen ereignet haben: Als die Königin der Sandwich-Inseln ihr einst im Buckingham Palace einen Be such abstattete und von ihrer „euro päischen" Schwester mit großer Zu wollte sie an Liebenswürdigteit »ich! hinter dieser zurückstehen und meinte deshalb im Laufe des Gesprächs ein mal: „Auch in meinen Adern rollt etwas englisches Blut." „So? Wie ist daS möglich?" fragte Viktoria er staunt. „Meine Vorfahren haben James Cook verspeist!" Die Herero in Siidmest-Afriku.! Deulsch-Siidwest-Afrila ist seit undenklichen Zeiten von nomadischen Völkern bewohnt, deren volkreichster und herrschender Stamm die Herero nichts Höheres kennt, als möglichst viel Vieh zu haben. Obwohl der Biehreichtum einzelner Fürsten wie zeugung des Menschen Herz erfreuen tonnte. Wie ein richtiger Deutscher für den Wald schwärmt, so schwär getränkt werden. Für eine Herero- Gefellfchaft gib! es auch kein interes santeres und fesselnderes Gesprächs nisse ihrer Ochsen, die Stammbäume ihrer Kühe durchzusprechen. Ihres Herzens Sehnen ist erfüllt, wenn nur die Heerde sich vermehrt. Daher Hammeln wird, außer bei ganz au ßerordentlich festlichen Ereignissen (Begräbnissen und dergleichen) nichts angegriffen; sonst ist man zufrieden, von der Milch der Heerden zu leben, von dem, was die Jagd bietet, von 'stirbt. Denn selbstverständlich läßt ihn übrig bleibt. Noch heute selbst der reiche Herero, wenn in dür rer Zeit die Milch knapp wird, lie ber mit Weib und Kind Hunger lei den und den Leibgiirtel (der deshalb in der Landessprache „Hungerstlltzer" heißt) alle paar Tage um ein Loch enger schnüren, als daß er einen sei ner vielen lieben Hammel oder Ochsen bloß aus dem Grunde schlachtete, sich satt essen zu können. Neben diesen reichen Nomaden und stammverwandten Vasallen und Knechten treibt sich im Lande ein rätselhaftes, schwarzes Volk umher, als wie eine An Zigeuner, die Berg damara, auf der tiefsten Stufe der Kultur stehend. Obwohl an Zahl verhältnismäßig nicht gering, haben sie unter sich nicht den geringsten Zusammenhalt ein 801 l von Skla ve» und Vagabunden, das nur einen Gedanken hat, sich den Bauch mit ir gend etwas, das nach Eßbarem aus steht, vollzustopfen, sei es Gummi ara bitum oder seien es zerklopfte Baum wurzeln, sie holen den Ameisen den gesammelten Grassamen aus den Lö chern hervor, um ihn zu verzehren, und kennen keine größere Freude, als wenn Heuschreckenscharen das Land überfallen, weil sie dann Nah rung in Hülle und Fülle haben. Da neben betreiben sie auch allerlei schwarze Künste, kennen die heilsamen Kräuter und tätlichen Gifte, beschwö ren die Schlangen und wissen auf geheimnisvolle Weise den Kranken aus den schmerzenden Stellen die Krankheit herauszuzaubern, die ir gend ein Bösewicht hineingezaubert hat. Daß sie ihre Hände nicht von den geheiligten Ochsen der Herero zu rückhalten, ist selbstverständlich, wie es natürlich ist, daß die Nomaden, um den Raub zu rächen, die Berg damara überfallen, die Alten erschla gen und die Kinder als Sklaven mit- Nach der Schöpfungsgeschichte der Herero gab es im Anfang aller Dinge einen Baum, der Baum gebar alles andere, was da lebt, nämlich die Hereros, Ochsen, Zebras und Buschmänner. Die Häuptlinge ha ben mehr priesterliche als kriegerische und politische Autorität. Sie segnen die Ochsen und ihre Töchter bespritzen alle Morgen die seltesten Ochsen mit einem in Wasser getauchten Gras wisch, ehe das Vieh auf die Weide geht. Sie erwarten kein zukünfti ges Leben, noch wissen sie etwas von einem Jenseits; doch betet man über den Gräbern um Ochsen und Schafe und zwar um recht fette und von rechter Farbe. So sind die Herero ein habsüchtiger, herzloser und dum mer Schlag von Wilden. Das neugeborene Kind wird ge waschen das einzige Mal in sei nem Leben! Da die Herero keine Jahresrechnung haben, so ist es kaum möglich, über ihr Alter Gewißheit zu erhalten. Etwa mit IS Jahren heiraten sie, indem sie für einen oder zwei fette Ochsen oder einen oder zwei fette und einen oder zwei ma gere sich eine Frau kaufen. Nach dem Tode wird der Leichnam in eine kauernde Stellung gebracht, wobei das Kinn auf den Knien ruht, und in dieser Stellung werden sie in ein« alle Ochsenhaut genäht, das Ding, worauf sie gewöhnlich schlafen, und dann in ein Loch hinabgelassen, das dazu gegraben worden ist.das Gesicht nach Norden gewendet und zugedeckt; dann springen die Leid tragenden rückwärts und vorwärts Eine kranke Person findet kein Mitleid; sie wird von ihren Angehö rigen aus der Hiltte vom Feuer weg Ochsenhäute über ihn, bis er erstickt. Nur wenige sterben eines natürlichen Todes. gebaut. Man steckt im Krei'e bis zehn Fuß hohe Stöcke in die Erde und biegt und bindet sie oben zu sammen und „das neue Haus ist aufgerichtet!" Die Stöcke werden mit Reisig u. s. w. verflochten, oben drauf werden Ochsenfelle gebunden. Lager bilden neben einigen hölzernen Milchgefäßen das gesamte Meuble ment und die ganze Kücheneinrich tung. noch, daß trotz alledem diese Völker auf solch entsetzlich niedriger Stufe stehen? Woher dieses traurige Schau gel als Ursache des tiefen Beifalles lastet der schlimmste Egoismus, der sich denken läßt, der sich bei den Rei chen und Vornehmen als der schmut- Macht, sich selbst herauszuretten. schauungen. Deshalb imponiert« dem Herero seligen Lande überhaupt nur Besseres geben! Die Versuche der Weißen, Kornfelder und Gärten anzulegen, er — Der Ansichtskarten- Fanatiker. „Was nützten de» Alten eigentlich ihre sieben Wcltwun — Brei st Brei. „Aber hö „Das wird nicht viel ausmachen, schätz' ich, Brei is Brei! Haberbrei sder Reisbrei, Eberlbrei oder Ll> wenbrei! Das kommt alles auf eint hinaus!" - Die beiden Kchnei dergesellkn. Bon Marx Hirschsrld. Die ganze tragische Geschichte wäre nicht passiert, wenn ihnen nicht in der Schneiderhcrberge zu Osfenbach ein gemeinschaftliches Zimmer angew!e?cn denn sie waren die Söhne wohlhaben» der Meister, aber ' die Erzählungen von den Abenteuern ihrer Großväter Nach durchschlafener Nacht war Bemme zuerst auf den Beinen, und als Appel ins Wirtszimmer hinunter kam, hatte Bemme eine von den an „Was tust Du denn da?" fragte Appel. „Mensch, ich bin verliebt." Dabei hielt er dem andern die Alter darstellte. Kaum hatte Appel das Bild erblickt, als er auch sofort Feuer fing. „Die möchte ich zur Frau haben," rief er aus. „Ich habe sie entdeckt", rief Bemme empört, „und mir kommt es zunächst zu, mich in sie zu verlieben." Appel wollte das nicht zugeben, ja, er sprach sogar von „allgemeinen Menschenrechten", bis sie im Laufe der Debatte endlich auf den Gedanken tamen, nach dem Original des Bil des zu fragen. Zu ihrer Freude tonnte ihnen der Wirt sogleich prompt Auskunft geben: „Das ist die Schwestertochter mei ner Frau, Ulrike Zwickel aus Eschen- G h , -h Ber Entrüstung lehnte der Wirt dies Gesuch ab. Aber als Bemme ein Ge bot tat, Appel sogleich einen höheren Preis nannte und die Versteigerung so lange hin und her ging, bis Bem chen und übergab ihm gegen die Be zahlung die Photographie. „Behalt' Du das Bild," rief kann sie nur kriegen, und wenn wir uns drum schlagen sollten, bis einer auf dem Platze bliebe." „Das fft eilt Gedanke," rief Ap len." „Herr Wirt, zwei Schnäpse und zwei Pistolen." Der Wirt goß die Schnäpse ein, andern Weg." Am Kreuzweg angelangt, lud Ap pel die und gab eine davon los." „Komm doch vor, Du Feigling!" höhnte Appel. „Ich komme," rief Bemme, und ei mes ihm keine Zeit bleiben werde, sei ne Pistole abzuschießen. Das Mord instrument in die Tasche steckend, ent schloß er sich kurz und kletterte auf einen Baum. D b he jagt. „Klettert Appel hinunter," dachte er, „so ist es für mich am sichersten, Aste eines Baumes, und nun konnten sich beide Gegner zu beiderseitigem Schrecken sehen. Appel wurde totenblaß, und sogleich entstand in ihm der Gedante, diesem , Zustande des Schreckens ein Ende zu machen. Wie der Blitz hob er die Pi stole und feuerte. Ein lautes Krachen ein Jam merschrei und vor seinen entsetzten Blicken sah Appel den Körper seines Gegners vom Baum herunterstürzen liegen bleiben. Bon Todesangst gepackt, kletterte er hinutner und lief davon, ohne auch zu werfen. Nach einigen Stunden atemlosen Manderns wagte er es endlich, zu ruhen und über seine Lage nachzu denlen. tig überlege," fuhr es ihm durch den Kopf, „so habe ich eigentlich gar nichts zu befürchten. Man wird den ja nun der Sieger und dürfe jetzt auch die Lorbeeren des Sieges pflücken. Er beschloß also,'Aach Eschenberg zu ge hen und um die schöne Ulrile Zwickel zu werben. Während er da hinwanderte, sehen wir uns nach dem erschossenen Bem ihn getötet zu haben, die Flucht er greifen. „Er wird sich ivahrscheinlich ein der festen Absicht, sich um Ulrike Der Wirt hatte beiden Gesellen nte m odengasse Er trat in die Werlstatt, in der er schästigt sah. „Sind Sie Herr Zwickel?" fragte er. „Könnte ich Ihre Tochter spre chen?" „Nee, das geht nicht, sie schläft jetzt." Dabei öffnete er die Türe und zeigte in das Nebenzimmer auf eine Wiege, in der ein Kind schlum merte. »Nein, ich meine Ihre ältere Toch ter Ulrike." „Ulrike heißt meine Frau." „Da sind wir schöne hereingefal len". ließ sich die Stimme Bemmes ver nehmen, der eingetreten war und zum Zeichen der Versöhnung die Hand. Nachdem sie auch noch die Genugtuung hatten, Frau Ulrike Zwickel zu sehen, deren Aussehen nur noch andeutungsweise an die Photo graphie erinnerte, setzten sie frohen Mutes die Wanderschaft fort. In späteren Jahren, als beide ehrsame Meister geworden waren, sprachen sie bisweilen im Familienkreise oder un einem Duell, das sie in ihrer Jugend gehabt, und daß sie damals nur durch eine günstige Schicksalsfügung dem Beim Gericht. „Aha, Sie haben eine Vorla dung für Neune und sind schon da? Das ist recht, der Herr Richter liebt die Pünktlichkeit; nehmen S' nur Platz er kommt um Zehne."