des Südens^ Roman von Hans Dominik. (12. Fortsetzung und Schluß.) „Ich weiß selbst nicht, warum ich heul' so elegisch gestimmt bin. Ich glaube, ich fühle heut' schon den Sehnsuchtsschmerz nach hier wenn ich wieder allein in München sein werde." „Müssen Sie denn durchaus dahin, Fräulein Trude?" „Es ist doch mal die Residenz für uns Künstler," entgegnete sie. „Und es lebt sich auch wirklich gut da, wenn er. „So ein Leven in angenehmer gleichgesinnt«! Gesellschaft ist unoer gleichlich schön. Der Gedanke, wieder mehr zu hören!" Sie sah ihn an, ein Fragen und Hoffen stand in den grauen Augen sternen. „Ja, scheiden tut weh," lachte sie leise girrend. Da saßte er nach ihrer schmalen schönen Hand, daß sie stillstand: „Gertrud," fragte er leise, „muß «s denn sein? Wer zwingt uns denn zur Trennung. Frei sind wir beide und Herr unseres Tuns, ein sam im Berus und doch uns sehnend nach Gemeinsamkeit, könnten Sie sich entschließen, die Meine zu werden. Ich würde unsäglich gliUlich sein restlos glücklich!" „Einander glücklich zu machen, ist der wahre Beruf des Menschen," ent gegnete sie. „Aber wie wenigen gelingt das doch ich bin im Grunde ein ernsthaftes Menschenkind. Geburt und Schicksal, die mich früh einsam machten, nahmen mir die Leichtlebigkeit, wer weiß, ob ich die rechte Gefährtin für Sie bin. und meine Kunst lassen das kann ich auch nicht versprechen " Da standen sie am Abhang der großen Wiese. Der Doktor hatte die Sachen auf's Gras geworfen. Nun saßte er Gertruds beide Hände: „Liebe Geliebte," sagte er innig. „Ich will Dir nichts nehmen. Nur Glück und Zufriedenheit möchte ich Dir geben. Und mein Glück fin den. Getreu Dir selber, im gött lichen Muß sollst Du bleiben. Laß uns gemeinsam die Erdensüße genie ße» und das Erdenleid tragen. —" „So nimm mich hin," erwiderte sie und bot ihm die Lippen, die er ju belnd küßte. Dann saßen sie beisam men jm luftigen Gras und malten sich in goldenen Bildern eine begliik kende Zukunft aus, so herrlich, wie «s die meisten jungen Brautpaare tun, wenn die Liebe den Bund ge schlossen hat. Der joviale Kurdirektor... il di rettore generale Eimback, wie ihn die Italiener nannten... machte trotz seines nicht unbeträchtlichen. Gewich tes einen bedeutenden Freudensprung, als er die Kunde von den beiden Verlobungen erfuhr. Und dann hielt er eine kleine Konferenz mit seinen nachgeordneten Stellen ab, wie man in Preußen zu sagen Pflegt. „Zwei Verlobungen gleich zun, Be ginn ber Saison und in ein und demselben Hotel. Das ist Rekord und hebt unseren Ruf in der Welt. Das muß gebührend gefeiert werden. Ma chen Sie Vorschläge, meine Herren. Bei dieser Gelegenheit muß die Kur verwaltung Eifer prästiere». Es muß Seiten, aber sie waren nicht ganz frei von Eigennutz. Der Manager des al ten Kurhauses schlug einen Gesell, schastsabend mit Musik und Tanz im Vecchio Skabilimento vor und rühmte dabei die Eigenschaften des großen mit spiegelndem Parkett aus gerüsteten Musiksaale?) als Tanz raum. Der Direktor des neuen Kur- Etablissements. „Wissen Sie nichts Besseres?" schlag vom Stapel gegangen war. „Das ist ji alles verkehrt. Wir brau chen ein Fest, an dem sich ganz Leoico Musikkapelle und alle Anwesenden verstanden, was il direttore generale mit seinen Worten meinte. Ein kur zes allgemeines Nachsinnen. Dann .varf der dirigierende Kurarzt ein neues Wort in die Debatte. „Il lido!" Das Wort zündete. „Natürlich Il lido!" der schöne tveiße Bade strand am Levicv-See, an welchem die neue große Badeanstalt gerade fertig geworden war. Die mußte sowieso weiten englischen Parkflächen, die von der Badeanstalt bis zu den Weingär ten reichten, boten den rechten Platz für ein großes allgemeines Fest. Der rechte Plan war gefunden und die nächsten Stunden brachte» an allen Stellen fieberhafte Arbeit. Der Pyro ten der Bevölkerung für den nächsten Abend das große Strandsest. Fritz Overhoss hatte seine neue Tätigkeit als Bergmann aus Bitte» seiner Braut und Schwester aus ei nen Tag unterbrochen und sich zu einem Ausflug nach Betriolo bereit erklärt. „Es geht wirklich nicht so weiter, Overhoss," hatte ihm sein Freund Brandt erklärt. „Wir sind jetzt seit 14 Tagen im Orte. Jedes alte Nur mit Sträuben hatte genieur nachgegeben, denn die neue Beschäftigung nahm ihn von Tag zu Tag mehr gefangen. Jm alten Kur hause hatte er ei» großes Ziinmer allerlei Stellagen von den verschie densten Erzstuse». Doch schließlich hatte der Inge nieur sich dem Drängen seiner Be gleiter gefügt und am frühen Mor gen waren sie zu fünf von Levieo ausgebrochen. Nicht zu Wagen, wie schlug! „Wir sind alle jung und rüstig," meinte Fritz Overhoss und hatte sür den Ausstieg den kürzesten na^ Wolken. Dann hatte der Aufstieg schein gefolgt. Fernblick. Meter sind tausend Me „Wer das Bild einmal gesehen hat, vergißt es nie wieder," meinte Dr. Brandt. Bereust Du es. Overhoff, und Lacisio. Lange nahm er das Bild in sich auf. Dann erst kam langsam und fast zögernd die Ant- dort zu arbeiten, denn große Dinge stehen heut zur Entscheidung." Der Kommerzienrat blickte seinen „Was für Dinge, lieber Overhoff, „Ich habe ja Generalvoll zerstreut und zerfahren, daß er die wichtigsten Dinge vergißt. Overhoss, Menschenskind! Du hast ja noch nicht einmal sür Verlobungsringe ge sorgt, obwohl Du sast acht Tage länger verlobt bist, als ich, Da sind wir doch anders und sorglicher! Erst jetzt bemerkte Fritz Overhoff an den Händen seiner Schwester und Der Ausstieg über de» steilen Waldweg war der schwerste Teil der Tour gewesen. Alles weitere war das Wirtshaus „Zum deutschen Land". Dann die Rückkehr nach Ve triolo. Der Besuch der Starkwas serquelle, der Fönte forte, die wohl hundert Meter ties im Berge selber in einem uralten Stollen entspringt. Fritz Overhoss die Uhr. „Jetzt ist's bald vier. Um sieben legt hat, u»l im Falle einer Mobil machung die schwersten Geschütze hin aufbringen zu können." schritten die Wanderer den Weg zu Tale, den Fritz Overhoss vorgeschla gen hatte. In weiten Serpentinen trachteten das Bild. den alten Tannenhain hinter unserm Hotel?" fragte Fritz Overhoss seine Verlobte. gangen. Wo sind sie? Ich kann sie Fritz Overhoss wies ihr die Rich tung H d kl ' lb Ungläubig schüttelte Margot Rei ckard den Kopf. „Unmöglich, Fritz. Die allen mächtigen Tannen, die das Hotel sehen sie slach aus. Wirklich wie Fritz Overhoss lachte belustigt. „Mein liebes Kind, die Tannen sind vielleicht 30 Meter hoch. Was bedeutet das, wenn man sich immer 700 Meter über ihnen befindet Ja," fuhr er nachdenklich fort, „die Dinge gewinnen «in anderes Aussei sehen," meinte Gertrud Overhoff. „Wir haben ja Gelegenheit, von 1000 Meter Höhe an bis wieder ganz hin ten, als ob wir im Luftschiff over in der Flugmaschine säßen übrigens ganz offen gesagt, ich finde Fritz Overhoss richtete sich strass aus: „Das ist Ansichtssache. Ich liebe Strandfest beginnt", meinte der Arzt. «D»s war der Eröss- Schliicht hinauf und nach jeder Kehre des Weges ließ sich das Fest da unten immer deutlicher beobachten. Jetzt der berühmten Banda in die Höhe. „Schade!... die schöne Musik da unten und wir Habens noch so weil. wir unten sind", seufzte Gertrud Overhoff. „Talfchleiche", lachte ihr Bruder. der Fritz hat für alles Arzt. „Natürlich Deine Berge und Erze liegen Dir mehr am Herzen. Hast che» " Fritz Overhoff rieb sich die Stirn. „Allewetier! Ja, gesehen habt ichs „Dann mach sie Di. jetzt", erklär te der Arzt. „In allen anderen Ba deorten, in Kissingen, Karlsbad und und muß für die Ve ucher jedesmal zu Tale gefahren werden. Daher iene Fuhre da vor uns" mein Teuerster. Mag das Wasser den Kranken wohlbekommen und sie heilen. Ich selber ziehe, wie Du weist, den Terlaner dem Wasser vor", gen bestellt. „Ehe vi- uns in den Festtrubel stürzen", meinte er, „wollen wir uns Biaggio entlang und seine Insassen hatten die Gelegenheit, aus etwa 30 Meter Höhe das festliche Treiben am „Eine italienische Nacht, obwohl wir noch gar nicht in Italien sind", scherzte der Arzt. „Aber doch wenigstens dicht dabei, Brandt", meinte Fritz Overhoss. ~ ln nun. nachdem wir uns die was bei getreten war. Dann bot er seiner Äraul den Arm und folgte den übrigen auf den Festplatz. „Ein wundervoll.s Bild", rief Ger trud Overhoff. „Sieh nur, Fritz, da hängen ja überall rote Lampions über dem Wasser. Aber die müß ten sich doch lpiegeln". In der Tat erblickte man weite mattblau leuchtende Fläche», über denen die Lainpions in langen Rei hen hingen. Erst beim Näherkom men erklärte sich der eigenartige Zu sammenhang der Farben und Lichter. Es zeigte sich, daß noch gar kein Wa»er war. Der Pyrotechniker hat te viele Tausende von . kleinen blau brennenden GlaSlampions auf den Rasen verteilt und dadurch im Zu san.menhangi. mit den darüber auf gereihten roten Lichtern einen eigen artigen Esselt geschaffen. Während man auf den breiten Kieswegen zwi schen diesen mattblau beleuchteten Flächen dahinwandelte, schien man ruf schwanken Stegen zwischen un endlichen Wasserflächen zu gehen und zu schweben. Die Jllumiation, die sonst wohl nur benutzt wird, um blendende Effekte hervorzurufen, muß te hier so dich! am See und in die ser Zusammenstellung den geschilder ten traumhaften Eindruck hervorru fen. Erst als die Paare den Mittel punkt der Wiese erreichten, wo um die Kapelle herum an Hunderten von Ti schen geschmaust wurde, gewannen die Dinge wieder eine realere Ge stalt. Hie. erwarteten il direttore generale an einer reservierten Tafel die Paare und ließ es sich nicht neh men, sie persönlich zu begrüßen und zu beglückwünschen und im schäumen den Sekt das Wohl der jungen Paa re auszubringen. Und dann erhob sich Dr. Brandt ivid danlle in Worten sür diese Aufmerksamkeit, und ließ der Reihe nach den Generaldirektor und den Lido und die Levico-Bande und den ganzen Ort hochleben. Fritz Overhoss aber saß bei alle dem ziemlich unruhig und ossensich lich zerstreut zwischen dem alten Rei chard und seiner Verlobten und ließ die Blicke bisweilen weithin über den Festplatz schweifen, bis der Kutscher, der ihn vorher gefahren hatte, wieder auftauchte, sich seinen Weg durch die Menge bahnte und ihm ein kleines zusammengefaltetes Papier in die Hand drückte. Ein Telegramm! Fritz Overhoff riß es schnell auf, während Dr. Brandt gerade die mu sikalischen Vorzüge deriiapelle in län gerer Rede-pries. Das Telegramm enthielt nur das eine Wc>rt: „All right!" , Er schob das Papier seinem Schwiegervater hin und flüsterte ihm hastig zu: „Hurra! Meitte amerikanischen Freunde sind mit allein einverstan den. Die Bergbaugesellschaft wird in der nächsten Woche mit 20 'Mil lionen neu gegründet. Unsere An teile werden nach ».einen Vorschlä gen bewertet". Fritz Overhoff hatte in der letzten Woche rationelle und ganze Arbeit gemacht. Während er den Tag über die Schürfungen überwachte, hatte er in den Abendstunden bereits die neue großzügige sinnnzielle Konstruktion der Gesellschaft, die nach seiner Mei nung notwendig war, eingeleitet und wie dies Telegramm ihm zeigte, bis zu,.l Abschluß gefördert. Der Generaldirektor erhob sich und wollte das Zeichen zum Beginn des großen Feuerwerkes geben, welches da draußen auf dem See ausgebaut war. Mit einem Blick auf die Uhr bat ihn der Ingenieur, noch wenige Minuten damit zu warten und nahm dann seinen Platz am Tische so. daß er in der Richtung auf das Plateau von Calisio freien Ausblick hatte. Er mußte zu dem Zweck seinen Platz aufgeben und sich neben den General direktor setzen. Dort zog er seinen Chronometer aus .der- Tasche und legte ihn vor sich hin. „Was erwarten Sie da, Herr Over hoss?" fragte ihn der Direktor. »Auch ein Feuerwerk, wenn ja wenn wir werden abwarten müssen. Entweder sehen wir um neun Uhr .twas, oder ich ha be mich eben getäusch!". Der große Zeiger seines Chrono m.-terc strich eben über die Zwölf, Hann wurde es wieder dunkel am Horizont. Fritz Overhoss aber schob ofjenjjchtlich besriedigt jeii>ei> Ehro „So, Herr Direktor, jetzt tonnen Sie Feuerwerk anfangen lassen; den» meine ist zu siide. Aber ver in den letzten Tagen gewonnen, hat, zur Anfertigung oo» o>er jchweren Trauringen ausreicht. Und nun, Herr Direktor, bitte Musit und Feuer werk!" Rauschend fiel nun die Kapelle wieder ein und in feurige» Garben und Bündeln begann das schöne Schauspiel auf dem See. Ei» Gespräch über Lebe» und Ster ile». Wir waren durch den aufbrechen den Frühling gewandert, und den Kleinen war das Herz voll von der erwachenden Schönheit der Natur. Vom Werden und Hergehen hatten wir gesprochen. Als wir rasten, klettern sie mir auf den ischoß und schmeicheln, wie sie es gern tun. > „Aaler ist der liebste." «Die Mutier doch auch!" .Ach, ich »leine >a, von allen Män nern bist du ver liebste," redet die Aeltere mit ihrem Advokatengeschick sich schnell heraus. „Ich meine das auch," echot die Kleine. Und um mir etwas besonders Schönes zu sagen, siigle Marie hin zu: „Du sollst niemals sterben." „Ach Kind, danach gehts nicht, jeder Mensch muß sterben." „Aber du nicht! Mußt du denn „Das wollen wir nicht hoffen! Ich kann noch lange leben, so lange, bl ich alt geworden bin. Seht den Großvater an. ver ist alt, viel älter als ich, deshalb hat er auch so weiße „Wie lange kannst du noch leben, bis du so alt wirst wie Großvater?" „Noch vierzig Jahre." „O, das ist noch lange, das ist Greie den Großvater, der »ach Was serkantensitle behaglich seine kurze „Wie kommt es, daß der Großva ter so alt geworden ist?" Die nach denkliche Grete möchte es gern wis sen. Aber ehe ich antworten kann, sprudelt die schneltserkige Marie schon einige Erklärungen des Naturwun ders: „Nicht Vater, der Großvater hat keine gistigen Blnmen gegessen, und er hat nicht mit Feuer gespielt, und er ist er hat überhaupt immer getan, was ihm sein Vater ge sagt hat." Aber Grete weiß auch noch eine» Grund: »Und der Großvater lebt auch so gesund, nicht Vater, er badet leden Tag im kalten Wasser." wenn du älter wirst, ja Vater?"^ Marie zieht diese Nutzanwendung. Und dann schmeicheln sie mir wje- Als die kleine Grete hierbei einig« verstohlene weiße Fäden entdeck!, rust sie mit besorgter Miene: „Sieh, Vater, da sind schon weiße Haare! Nun fang nur an mit dem kalten Baden!" Merkwürdige Strafen. In der großen Handfeste, welche Albrecht der Lahme im Jahre 1340 den Bürgern von Wien erteilte, ist sür Bäcker, die zu leichtes oder schlech tes Brot lieferten, die Strafe des Schupfens rechtskräftig ausgespro chen. Diese Strafe, die auch bei spielsweise in Köln, Frankfurt und anderen deutschen Städten im Pfütze tauchte. In demselben städti schen Gesetzbuche ist auch ein Para graph über die Zunft der Fischer ein gefügt, die folgende drollige Bestim mung enthält: „Als der rohesten und wildesten Innung solle den Fischern weder im Winter noch im Sommer erlaubt sein. Sie sollen bei Sonne und Regen bloßhäuptig auf dem Markte stehen, solange sie Fische seil halten, damit sie desto mehr eilen, und den Leuten besseren Kauf ma chen!" Diese Bestimmungen bestan den bis in das 18. Jahrhundert hin« ein. Starke Einbildung. ..Warinn halten Sie sich den» da ichäst I"