IkabineM. li. Erstes Kapitel. Weit draußen im Cuxhavener Au- ankerte der „Cäsar". an diesem Spätnachmittag des präch tig schönen Maientages harrten oben auf dem Sonnendeck Kapitän und Offizier:, um die Passagiere erster und zweiter Kajüte zu empfangen, die da kommen sollten. Alle fünf standen sie an der Reling des Promenaden .vom Auge sinken. „Jetzt sind sie losgefahren," sagte «r. Indessen hatte sich im eigentlichen Hafen eine lebhafte Szene abge spielt. Von Hamburg brachte ein graugelleidete Gepäckträger unter der Last schwerer Schiffskoffer leuchten. Denn obwohl alles größere Gepäck Hamburg selbst. Ja, nicht einmal in Cuxhaven. Das Riesenschiff liegt weit draußen, manchmal außer Sicht Ein gieller Pfiff, so daß alle Pas sikkapelle spielt. Alle Kapellen auf abstößt: den ersten gemütlichen Abend auf dem Schiffe zu verleben, Toilette zu machen, zu speisen, zu plaudern wissen, daß diesem ersten gemütlichen Abend sehr leicht ganz ungemüt liche folgen können; je nach der Lau ne des Wassergottes. Und die nicht Eingeweihten ahnen etwas Ähn liches. Tender nicht ganz „warm" wird. Mann stellt sich nicht vor, lernt sich nicht kennen, knüpft keinerlei Gesvrä stalt erblickt, im stillen denkt: Hof fentlich wird das dein Nachbar bei Tisch oder in der Kabine. zum Empsang des Bräutigams schmückt-. Oder wie ein Ungeheuer. Mit Hunderten von Augen scheint es den Ankommenden entgegenzublicken. Denn ein jedes Fenster sieht mit seiner Rundung wie ein Auge aui; einander, übereinander, untereinander Hunderte. Und die Sonnenstrah len brechen sich in dem Glas und verleihen diesen Augen Leben. . . Alle sind gespannt und ganz'ver tieft in den Anblick des Ozeanriesen. Kein Mensch spricht ein Wort. Die Musikkapelle des Tenders hat längst zu spielen aufgehört. Jetzt tönen les. . vor den Passagieren liegt das Ächiff. Es ist mit einem Blick nicht mehr zu umfassen; der Kopf beit. „Das Wandern ist des Müllers Lust. . schmettert es über das Wasser hinaus. Indessen klettern alle Passagiere die Falltreppe empor. Männer, Frauen, Kinder, alles durcheinander. In langen Reihen ren geschulter Kellner erstklassiger Ho tels erkundigen sie sich höflichst nach den Nummern der Kabinen und ge kommt. Der Goliath hat sich in Bewegung gesetzt. Ganz unmerklich eigentlich verschwindenden grauen Streifen zu gekehrt. Mit dem Gesicht nach dem Baterland. de. Der erste Tag auf dem Meere ging zur Neige. Oben aus der Kommandobrücke stand der Kapitän; neben ihm sein Erster Offizier. Beide blickten hinunter aufs Deck, wo die Passagiere zu zweien und dreien ihre „Nun Gräbert?" fragte der Kapi ten für eine Gesellschaft? Ich habe Zachy." d K " ?" „Nein." Der Kapitän kraute sich hinterm Ohr. Er war dafür verantwort lich, daß sich seine Passagiere auf der Reije auch gesellschaftlich wohl sühlten. „Das ist schon faul! Wen hat die Gräfin denn zum Nachbar?" „Aon Southampton aus Sir Al > bracht?" Jetzt war die Reihe an dem Er sten Offizier, sich hinterm Ohr zu Pflichten kümmern zu können. Ma chen Sie, was Sie wollen; nur ma chen Sie es recht geschickt. Sie sind dafür verantwortlich." Der Ton dieser Worte stand im Gegensatz zu dem Blick, mit dem der Kapitän seinen getreuen Offizier musterte. Der Blick sagte deutlich: armer Kerl, tust mir leid. Und auch sen/ M t „Verzeihen Sie, sind Sie der Herr Kapitän?" Die Verwunderung des Offiziers klappte die Hacken zusammen und stellte sich vor: „Gräbert, Erster Ossizier." bitten." handelt?" sehlt ein Brillantkollier." Die Worte wirkten aus den Offi zier wie ein elektrischer Schlag. „Donnerwetter!" stieß er zwischen den Zähnen hervor. Und dann zu Gräsin. Ich werde dann dem Kapi tän Bericht erstatten und das Weitere veranlassen."- „Seit einer halben Stunde." „Kann er nicht vielleicht verlegt sein?" die junge Dame eintreten und folgte ihr. Dabei fiel ihm auf. wie sehr sie am ganzen Leibe zitierte, Räume tonnten in der Tat nur Millionäre oder regierende Fürsten dewohnen. Daß den jeweiligen Insassen die ser Zimmerflucht vom Personal des lich den Offizieren mußte daran ge legen sein, sich die Gunst solcher Herrschaften zu erwerben und zu er halten. Und nun war dieser Frau Gräfin ausgerechnet dieser Dame ein sich ärgerlich auf die Lippen und ballte nervös die Fäuste. Er mochte an einen Diebstahl nicht recht glau ben; er hatte es schon zu oft erlebt, es so gut verwahrt, daß sie es zuerst selbst nicht finden konnte. Aber dieser Fall war unter allen Umständen fa tal. Denn selbst wenn der Schmuck sich wiederfinden sollte, mußte not lassen. „Ich werde Frau Gräfin rufen." Der Vorhang, der das Zimmer wo feine Begleiterin ihn verlassen, die Gräfin erwartend. Und fluchte ob seines Pechs weidlich in sich hin ein. Die Gräfin Zachy war eine jener Erscheinungen, die stets davon llber einslußt HLtle. Sie mochte etwa vier zig Jahre alt sein; in der Beleuch tung des fahlen elektrischen Lichtes Herr —" Der Offizier sprang auf und stellte .sich vor. Zur Erledigung dieser Höf lichkeit hatte ihm die Dame vorher keine Zeit gelassen. „Gräbert, Erster Offizier." „Herr Gräbert warum ist der Herr Kapitän nicht selbst gekom men?" Sie schien beleidigt. Gräbert ver suchte schleunigst, sie zu besänfti gen. „Der Kapitän ist augenblicklich fin." .Ich verstehe. Sie wissen, um was es sich handelt?" „Die junge Dame, die mich geru fen, hat es mir gesagt." „Meitte Gouvernannte, vielmehr die Gouvernante meines Kindes. Das Kollier ist verschwunden; ich habe überall nachgesucht und kann es nicht finden. Womit ich nicht gesagt haben will, daß ich irgendwelchen Verdacht hege. Ich hatte es hier auf diesen Tisch gelegt," sie tippte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte— „auf diesen Tisch." „Wollen Sie die Güte haben, mir ausführlich zu erzählen, was dem ging?" schlössen haben?" Die Gräfin schüttelte energisch den Kopf. „Das ist gänzlich ausgeschlossen. Ich habe allerdings, obwohl ich wußte, daß es durchaus zwecklos sei, der Form wegen alles durchstö bert, sämtliche Räume. Aber ich bin bereit, einen Eid zu leisten, daß ich das Kollier auf diesen Tisch hier niedergelegt habe." aus. Tausend Gedanken schössen ihm durch den Kops. Einer immer ärger- licher als der andere. We»a die Dinge so lagen, wie die Grästn sie genehmen Tatsache. Wie sollte man auf diesem Riesenschiff den Dieb ausfindig machen; wie einen Schmuck, decken? Er dachte an eine Durchsuchung der Passagiere. Und dann erinnerte ton anlegen würde. Das kompli zierte die Sache doppelt. Lag ein Diebstahl vor und wollte man den Mensch in diesem Raume?" Gräbert hatte diese Frage wohl mehr der Form wegen gestellt; die Antwort schien ihm ganz selbstver ständlich. Um so mehr überrascht war er, als die Gräfin sagte: „Als ich das Kollier hier im Sa lon ablegte, war ich allerdings al lein. Aber als ich aus meinem Schlafzimmer wieder hierher zurück- Gräbert wurde aufmerksam. „So?! Und wer war das?^ „von Gilsdorfs?!" Die Gräfin mochte das Erstaunen des Offiziers, das in dem Ausruf lag, bemerkt haben. „Ganz recht. Ich habe die junge. Dame in Berlin als Gouvernante für meine Tochter engagiert; sie ist eine Deutsche und unternimmt die Reise nach Amerika zum ersten Mal. Ihre Zeugnisse waren gut; sie ent stammt einer Familie, die früher bessere Zeiten gesehen hat. Ich glau be, der Vater war Offizier und hatte Spielschulden," fügte sie gleich gültig hinzu. „Wissen Sie, einer von diesen Fällen, denen man leider nichts" Das jetzte war in einem Ton ge sprochen, der die Gedanken Gräberts in eine gewisse Bahn lenkte. Da bei gedachte er der hilfeflehenden Blicke des Mädchens, als sie ihn oben auf Deck angesprochen. Unwill kürlich, ohne daß er es wollte, zogen sich seine Augenbrauen verdrießlich zusammen. gendeinen Menschen?" Die Gräfin zuckte mit den Schul tern. „Mein Goti, was soll ich darauf antworten. Der einzige Mensch, der dorff." „Und daraus folgern Sie —?" Die Gräfin breitete nach Art der Südländer ihre rechte Hand vor sich aus. „Wie gesagt, sie war die einzige im Zimmer. Ich tenn? sie nicht nä her —" Zweites Kapitel. zu beiden Seiten der Reling und be obachteten das Spiel der Leuchttür me, an denen sie vorbeikamen. Das Horizont. Und wäre dies abwech lelnde Blitzen nicht. gewesen, man hatte glauben können, ein besonders klares Sternlein säße dort droben Auf Wunsch des Kapitäns hatten sich die Offiziere und der Schiffsarzt unter die Passagiere gemischt. Ihr einzige- Ziel schien es zu sein, den Reisenden möglichst viel Wissenschaft über Küstenleuchttürme und maritime mit Nebel rechnen muß " haben ganz recht. Als Nelson sich anschickte, die Schlacht von Trasal- Die Abwechslung hier, die, wie je der wußte, bald oer Eintönigkeit des weiten Meeres Platz machen würde, übte eine solche Anziehungskraft auf die Passagiere aus, daß selbst der Rauchsalon verlassen lag. Bis auf einen einzigen Mann. Der saß in einem behaglichen Klubsessel; vor ihm, ein Krug Bier. Zurückgelehnt, die Augen zur Decke emporgerichtet, eine schwarze Importe rauchend und den Rauch aus gespitzten Lip pen vor sich hin blasend, schien er so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er in diesem Moment sich wohl kaum bewußt sein mochte, wo er sich befand. dreißig, auch fünfunddreißig Jahre alt sein mochte. Duntelblond, schlank und muskulös gebaut! mit einem Blume. Rauchsalon vorbeikamen, warfen sie einen Blick durch die erleuchteten Fen ster. Dann sahen sie den Mann da schen, sagt- der eine, „sie sind über „Mein Gott, was wollen Sie? sie doch minstens sein können. Wenn ich sie so gar nicht leiden könnte, so würde ich doch mit einem eng gesagt habe, sind sie ja doch überall! Und, ehrlich gestanden, am be sten fährt es sich schon auf einem deutschen Dampfer." hört. „Was wollen Sie? Man nimmt „Der Deutsche haßt die Franzosen, aber er liebt ihre Weine," sagte der erstere in deutscher Sprache. „Wie?" Rauchsalons vorbei. Ein flüchtiger Blick zeigte den bei den Herren den einzigen Gast des Rauchsalons noch immer bei seiner alten Beschäftigung, Bier trinkend und rauchend. neuem an, »und nicht einmal in rich tigem Dreß! Ich wette, wie er da drin sitzt, so ist er schnurstracks aus seinem Bureau oder seiner Fabrik gekommen —" „Fabrik?! Sagten Sie Fa brik?!" „Ich meinte nur so; als Illustra tion. Ich kenne ihn nicht." „Ach so." Sie gingen weiter. Als sie zum dritten Male an den Fenstern vorbei kamen, blieb der eine, der vorher auch Monsieur Pitrou. Zudem habe ich wirklich selbst Appetit auf ein Gläs chen Wein, kommen Sie; gehen wir Doch der andere schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Mit einem biertrinkende» Mann in einem hellen Jnckettanzug ckt"-l"h haben wir uns an unfern Tisch gesetzt, wie er heißt. Das ist so Mode in Deutschland, daß man Menschen, die „Verzeihen Sie, wenn ich störe. Mein Name ist Bergmann. Ich sehe Sie so allein da sitzen; und wenn cs (Fortsetzung folgt.) . .