In den Argonnen. l AuS de« Kriegsfahrien eines Berichterstatters im Weste». Auf seinen „Kriegsfahrien im We sten" stattete der schweizerische Be richterstatter Schürch auch den Fran losen hinter der Front in den Argon nen einen Besuch aö, über den er folgendes berichtet: Der sranzösische Soldat ist größer und kräftiger, als wie er in der Phantasie der andern Völker sieht. sieht auch schmalbrüstige, zapplige Wesen in Uniform; man sieht sie aber nur deshalb so gut, weil sie als Ausnahme abstechen von der Menge massiver Männer. Die wiederholten gewaltigen Kampfleistungen dieser Äruppen sind sicherlich auch nicht ohne fcher Voraussetzungen zu erreichen gewesen. Wenn dieses Volk einmal degeneriert gewesen sein sollte, so muß merkt man den jüngern Jahrgängen die sreie Luft an. Das Fahrrad soll in Frankreich eine besonders große Rolle gespielt haben. Die Disziplinierung der Truppen hat im Lause des Krieges, wie so manches andere, wieder verlassene Wege eingeschlagen. „Wir exerzieren viel," sagte uns ein Offizier in Ver dun; „es geht nicht ohne strammen Drill." Es wird auch fleißig Fußball gespielt hinter der Front. Wir fahren dem Hessenwald ent wendet und saust auf Heller Straße gegen Vauquois hin, wo die Deut schen stehen. Ein Bussard hebt träge seine schweren Schwingen, um sich nach einem kurzen Rundflug wieder auf seinen Baum an der menschenver lassenen Straße zu setzen. Wir werden durch einen Stabsof fizier eines Armeekorps degleitet. „Es freut mich, Schweizern einen kleinen Dienst zu leisten, sagt er. „Meine Frau und mein kleines Kind sind evakuiert worden, lassen Sie mich danken für die Aufnahme, die sie in der Schweiz gefunden haben." Und nach einer Weile: „Auch mein Mobi liar wurde evakuiert, aber ich weiß mutiger Höhe Clermont-en-Argonne, beherrscht von den malerischen Ruinen einer hochgebauten alten Kirche, „von grausamen Krieg, der der barmher zigste, weit kürzeste sei, Schrecken zu verbreiten." Das ist die Erklärung, damit verhalten wie eins ist sicher, daß der sranzösische Wider stand aus solchen Ruinen stets neue moralische Kraft zieht. Kann es denn anders sein? Man versetze sich an die Vcrlvnnd. Mannschaften von einem Marsch in die Feuerlinie durch da« niedergebrannte Städtchen kommt und an sein noch unversehrtes Heim hinter der Front denkt! Die Leute brauchen keine Predigt, um zu wissen, wofür sie sich schlagen. Da sind wir im Argonnenwald. In einer Lichtung schimmern die Kreuze und Kränze eines großen Friedhofes; Hand am Helm geht's vorbei; da ist schon ein Blockhaus, und bald zeigen sich verletzte Stäm me. Der Wagen hält. Wir treten in die Gräben ein. Durch «in laborin- Gängen marschieren wir, von Punkt zu Punkt wechselnden Führern nach, hier ein Träger erschossen worden. Unter der Erde geht's weiter. In sol- Unmittelbar vor uns liegen die Deutschen hinter ihren Wällen. Man schützt sich wieder mit Wall und ihrer Stellung verbunden. Noch näher heran geht's, bis auf vielleicht LS Meter; dann aber heißt es umkeh ren. Noch sehen wir Infanteristen langsamen Schritts auf ihre kleinen Posten gehen, das Gewehr vor dem Leib, die Rosalie so heißt das Bajonett aufgepflanzt; man denkt unwillkürlich an alte Gallier mit Alles ist unheimlich still. Erst als ein deutscher Scheidegruß über unsere Köpfe; sonst Pfiffen nur die Vögel. „Die da drüben haben Heimweh," be hauptet einer. Die Gegner sind sich fast zum Greisen nahe, man glaubt schon die Gefühle des Mannes jen seits des Walles zu erraten, aber man sieht sich nicht. Man sieht nichts. In der Luft ist's lebendiger. Ein deutsches Flugzeug ist uns zwar an der ganzen Westfront nicht zu Ge sicht gekommen, ich kann daher auch nicht über das aufregende Schauspiel berichten, das ein Aviatikerduell bie ten muß. Aber der französische Ar tillerieflieger, der unverdrossen durch den von Sprengpunkten getüpfelten Himmel voltigiert und einen Kome tenschweif von weißen Rauchwolken hinter sich herzuziehen scheint, ist auch etwas. Ganz nahe steigt wieder einer auf; es geht nicht lange, bis ihn eine Batterie, offenbar Feldgeschütze, aufs Korn nimmt. Schwarzgraue Ballen umgeben Ihn bald. Der erste Schuß' scheint zu hoch, der zweite zu kurz, der dritte sie folgen sich mit un heimlicher Schnelligkeit und erstaun licher Präzision scheint ihn unfehl bar aus dem Himmel herunterwischen zu müssen das Flugzeug ist ver schwunden, kehrt abet bald aus ver empor zur Fortsetzung der Beobach tungen. i Auf dem Rückwege machen wir bei einem Divisions-Konsumvcrein (co operaiive) Halt, dessen Lager unge fähr alles bietet, was der französi sche Soldat außer seiner ausgezeich neten Älltagsverpslegung wünschen kann. Die Leute erhalten täglich zwei mal ein Viertelchen Wein; sie kön nen aber in der Cooperative für den übrigen Durst um billiges Geld wei tere Getränke kaufen; wer Lust nach einem Huhn oder einer andern Ab wechslung der Speisekarte trägt, braucht sich nur beim Magazin zu melden. Da sind besondere Lager für Geflügel, Kaninchen usw. Man macht es dem Soldaten so bequem, als es eben nur der Stellungskrieg erlaubt. . Von Bar le Duc, der Stadt der Brücken, Konfitüren und Feldmar schälle, geht's zurück in die Haupt stadt. Was bei einem solchen Besuche fest gestellt werden kann, ist die außeror dentlich bemerkenswerte organisatori sche Leistung der Franzosen seit Kriegsausbruch. Sie haben es zustan vor dem Krieg ungeahnten Aufgabe steht. Die auf sechs Achsen rollenden Eisenbahngeschütze sind aus kinema tographischen Vorführungen bekannt; man muß aber auch den Troß gesehen Gebiete schwer beeinträchtigt worden; sehr viel Rollmaterial ist den Deut schen in die Hand gefallen. Das Pri zur Vereinfachung des Transport dienstes beigetragen. In allen Kom missionen sitzen Vertreter der betref fenden Eisenbahngesellschaften neben den Eisenbahnoffizieren. Es ist also militärische Wasch- und Flickanswli, ein mobiles Remontendepot, das einen guten Begriff von den Pferdereserven Frankreichs gab, und anderes mehr. Doch es ist Zeit, ein Ende zu machen. Letzte Hoffnung. Ver teidiger: „Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Angeklagte eine unoerlennbare Aehnlichteit mit Schil ler hat und also bei der Strafzu messung eine gewisse Pietät am Platze sein dürste!" Schlagfertig. Kanzlei direltor: „Was, Sie schneiden wäh rend der Kanzleizeit die Fingernä gel?" Kanzlist: „Gewiß, Herr Direktor, denn sie wachsen mir ja auch während derselben." Ein nettes Geschäft. Gendarm: „Wo haben Sie zuletzt ge bettelt?" Vagabund (stolz): »Das ist mein Stilblüte. Die Polizei bekam bald Wind, daß der Verdäch tige in keinem guten Gerüche stehe. Ein Philosoph. „Siehst Du, Karlchen, wenn Du fleißig lernst, kannst Du sogar noch Professor werden." „Nein, dann lerne ich lieber gar nichts, ich will nicht auch noch als Erwachsener in die Schule gehen!" Für's große Publikum. „Lieber Bruder, schreib' doch mal .Ich soll wohl einen Reinfall er leben?" I« einer Kriegsbeschädigten-Schule. Deutschland. Seine Beobachtungen in einer Kriegsbeschädigten-Schule in Deutsch land teilt «in Berichterstatter im Fol genden mit: Von Karlsruhe führt die Albtal- Ettlingen, wo in der villenartig an gelegten Gebäudegruppe einer neuen Unterofsiziersschule eine Schule sür Kriegsbeschädigte untergebracht ist. Mit etwa 9VV Insassen ist dies, wie klärte, die größte derartige Anstalt in ganz Deutschland ein Kriegser zeugnis neuester Art. Sie zeigt an einem modernen Staate für die vom Kriege Gezeichneten und Verstüm melten getan werden kann und darum getan werden muß. Die Wissenschaft hat auf diesem Gebiete, dem Drang der Not gehorchend, neue Fortschritt« gemacht. „Es gibt keine Krüppel mehr," hat ein deutscher Arzt un längst gesagt, und wenn man Ettlin gen gesehen hat, so kann man die sem stolzen Wort einig« Berechtigung nicht mehr absprechen. Man führt« uns zunächst in den Turnsaal, wo wir unsere ersten SO, 9ö, 100, ja Zentimeter ge- stellt, und auch da noch ging» bei den meisten ganz leidlich. Ein oder das andere Mal wurde allerdings das Seil heruntergerissen, aber gestürzt ist seiner. Ein hochgewachsener kräs- und am Pferd geturnt, mit sehr schö nen Leistungen. Ein Einbeiniger machte drei- oder viermal hinterein vorwärts über die Reckstange aus über zwei Meter Höhe auf den Tep pich herunter, ohne auch nur einen Äugenblick das Gleichgewicht zu ver lieren. Der Absprung war durchaus dem Staunen gar nicht heraus. Der leitende Arzt erklärte uns, daß man diese ausgezeichneten Lei stungen im Turnen der Einbeinigen hauptsächlich dem früheren Turnun terossizier zu versanken habe, der v»r einigen Tagen wieder an die Front eingezogen worden sei. Mit bewun dernswerter Energie habe es dieser Mann verstanden, die Einbeinigen aufzumuntern und anzuspornen, Er habe ihnen alle Uebungen ebenfalls auf ewc,!l Bein vorgemacht, in:ew er sich seinen andern Unterschenkels an den Oberschenkel bwausbinden - «"-W"--« ließ und so den ganzen Vormittag mit den Einbeinigen einbeinig her. umhumpelte. Krücken versehen waren, standen da in Reih und Glied, marschierten auf Kommando zuerst auf der flachen eine mühselige Wanderung, aber man merkte deutlich, wie diese jungen Männer eine sast übermenschliche Wil äus einzuüben. Von den Einbeinigen gings zu den Einarmigen, die in ei ner großen Stube an Tischen saßen vor allerlei künstlichen Hand- und richtig gebrauchen zu lernen. Ein Landarbeiter braucht natürlich eine andere künstliche Hand als ein Schlos ser, Zeichner oder Schreiber. Im allgemeinen hat man da, wie uns der leitende Arzt Dr. Baier sagte, die Erfahrung gemacht, daß das Ein ist. Die künstliche Eisenhand Götz von Berlichingens würde hier als eine veraltete Spielerei abgelehnt. Es gibt da zwar neben den praktischen ier in der Anstalt selber hergestellt. Anstalt unentgeltlich drei Prothesen von 3—4iX) Mark habe. Als Musterbeispiel sahen wir in gen hagern Mann, ber schon vor zwanzig Jahren bei einem Unfall in einer Mühle beide Arme verloren Als ich ihm zum Abschied gute Bes serung wünschte, sagte er ganz zu versichtlich: „Danke sehr; es wird gruppc.) schon gehen; jetzt hat es leine Not mehr." Diese zuversichtliche, ja sast heitere Stimmung ist uns übrigens in der ter, Schriftsetzer usw. Als Vorar, verletzte beschäftigt. Auch eine eigene Landwirtschaft ist der Anstalt ange gliedert, die mit einem Budget von 2,2 S Millionen Mark arbeitet und selbst zu decken sucht. Alles arbeitet Anstellung gesunden hat. „Da schafft der jüngste Kriegsfrei willige neben dem Familienvater, der Man neben dem Wachtmeister, der Schlosser neben dem Werksührer; und ob ihnen auch die Arbeit mit Mann stellen, diese schlichten Helden des Alltags." So lasen wir jüngst in einer Schrift über die ähnlich ein gerichtete Düsseldorfer Verwundeten» schule. „Der Krieg ist ein gewalti ger Erzieher. Er hat Eigenschaften und Kräfte im Menschen geweckt, die schlössen gemacht. Was selbst die streuung zu bieten vermochte, konnte die ernster gerichteten Naturen auf die Dauer nicht befriedigen. Sobald Körper und Geist auch nur einiger maßen das Gleichgewicht der Kräfte wiedergewonnen hatten, regte sich bei Betätigung; sie fühlten selbst, daß Arbeit des Blutes Balsam ist." So geschah es, daß auch auf unZ Unbeteiligte der Besuch dieser Kriegs beschädigten-Schule nicht etwa, wie wir befürchtet hatten, niederdrückend und verstimmend, sondern viel eher tröstlich.eingewirkt hat. Ich glaube, jeder, der diese Anstalt gesehen hat, wird künftig bei dem Gedanken, daß er selber früher oder später das Un glück haben könnte, ein Bein oder einen Arm zu verlieren, nicht mehr so sehr erschrecken wie vordem.