Beim französischen Armeekommando. Sl»i> den Aiif,cie Canevas, die kartographische Anstalt Bor unsern Augen ko »ml die neueste Auflage eines großen Plans von der Presse. Eine im gleichen Maßstab ge haltene deutsche Aufnahme der glei chen Gegend, von der wir allerdings nicht wissen, wann sie hergestellt wur de. ist viel summarischer ausgefallen. An anderer Stelle sind Modelleure mit der Herstellung eines Karten reliefs beschäftigt; wieder ander-, mit feinen Instrumenten versehene Leute prüfen die neuesten Fliegerphotogra phien und sie geben ihre Entdeckungen an die Kartographen weiter. Ein Besuch bei den Fliegern des schwindigkeit gesetzt, wie auf der Rennbahn. Selbst auf die Panzerung verzichten die Luftkämpfer; sie wollen lein totes Gewicht mitführen. Der Flugpark eines Armeekorps zeigt an dere Typen. Sämtliche Flugzeuge sind blitzblank, Flügel und Körper metal lisiert. Jeder Flieger führt fein beson deres Erkennungszeichen. Bis auf ei ne Höhe von'6VM) Meter wird schon gekämpft. Ein Mensch muß sich schnell aufbrauchen in dieser Tätigkeit. Sechs Monate Kampffliige genügen wohl auch für einen, der nicht abgeschossen wird. Als Wafse dient offenbar nur Ländern scheinen wirklich die wenig sten Leute das 1914 im Parlament gesprochene Wort Kitcheners: „Wir müssen mit wenigstens drei Jahren rechnen", ernst genommen zu haben. Mancher mag über Meer gekommen sein im Gedanken, ein paar Monate oder höchstens ein Jahr mitzutun, nun sind schon bald „Dreijährig-Freiwilli ge" daraus geworden. Die amerikani .Urteil französischer Offiziere ganz Her oorragende Dienste geleistet. ' Schon war die Nacht hereingebro chen. als wir der Telephon- und der radiotelegraphischen Zentrale unsere Aufwartung machten. Technisch« Ein zelheiten verbieten sich hier von selbst. Vielleicht aber darf man verraten, daß im Gebiet der Armee von Ver dun vierzigtausend Kilometer Draht gespannt worden sind; das reicht ja fast um die Erde. Noch ist über ein Evakuativnsspital zu belichten. wo uns die neueste» Er rungenschaften der Kriegssanität ge zeigt wurden. Wir sahen ein mit einer vollständigen chirurgischen Einrichtung versehenes Automobil. Statistische Ta bellen gaben einen Begriff von den fürchterlichen Kämpfen im Festungs gebiet. Die „Spitzenbelastung" dieses einen Armeespitals zeigt am gleichen Tag mehrere tausend Eingänge! Die Ankommenden werden in Transport fähige und zu Hospitalisierende und gleichzeitig immer in Sitzende und Liegende geschieden, entkleidet, ge waschen, unter die A'-Strahlen ge schoben (manche haben Splitter im Leibe, ohne es zu wissen) und ihrem Zustand entsprechend untergebracht oder sofort weiterbefördert. Das Spi tal hat Raum für 2000 Patienten. Jedes Operationszimmer ist mit zwei Tischen versehen; während auf dem andern für den nächsten Patienten bereit. Es mußte oft Tag und Nacht ununterbrochen gearbeitet werden. Sterbende werden ins chainbre des moribonds verbracht. Es ist hervor zuheben. daß die Anlage innen und außen tadellos sauber gehalten wird, und daß sämtliche Räume, auch die Gänge, von der Zentralheizung durch wärmt sind. Man sieht den Baracken von außen die reiche Ausstattung nicht an. In einem Kranlenfaal sind Deut sche untergebracht. Sie sehen sauber und wohlgenährt aus. Bette» und Einrichtung genau wie in den übri gen Sälen. Man muß aber immer be denken. daß die hier liegenden Leute schwer Leidende sind, da ja die Transportfähigen weit zurück ins Innere geführt werden. Es geht eine Weile, bis ein Angesprochener auf die unerwartete deutsche Frage eine Anl- Nebenan ein Saal, in dem die Vergifteten liegen. Graugrüne Gesich ter, weitoffene Augen folgen unseren Schritten. Mit diesen Leuten, die mit erbärmlichen Lungenresten atmen, spricht man nicht. Es ist fürchterlich. »och die Erfindungsgabe sind Sonder gut einer Nation. Schon hört man ' gerüchtweise von fürchterlichen neuen Gasen, die nächstens angewendet wer den sollen^ Eine weitere Folge ist die maßlose Erbitterung und das in immer wei tere Kreise dringende Gefühl, daß alle völkerrechtlichen Kriegsregeln außer Kraft seien. Mehr als einmal hört« ich: „Das ist ktin Krieg mehr. Es ist etwas, für das noch der Name fehlt." Dem Soldaten in der Kampflinie ist der natürliche Widerwille gegen die Vergifterei, die alles, was Odem hat, Tode oder elendem Siechtum bedroht, noch lange nicht vergangen; dafür sind dem Schreibenden Zeugnisse von beiden Seiten bekannt geworden, von Leuten, die noch in der Front stehen, wie von Internierten. Neben dem Hospital stehen in lan gen dunklen Reihen die Sanitätsziige. Jedem von hier ins Innere fahrenden Zug ist ein Eantinewagen beigefügt, der jederzeit bereit ist, für 400 Mann ein warmes Mahl aufzutischen. So wird der Berpflegungsdienst des Spi tals entlastet. Wie wir über den Bahnkörper steigen, öffnet sich ein Schiebetor und eine Rotkreuz-Dame fragt: „Trinken die Herren eine Tasse Thee?" Man läßt sich nicht lange bit ten, mit Hilfe eines heruntergelangten Strickes erklettern wir den Wagen und befinden uns in einem artigen kleinen Salon. Nach einer Weile hißt sich ein kleiner bleicher Flieger herauf zu uns. Er bewegt sich mit einiger Mühe. „Wird Ihr Bein immer steif bleiben?" „Mein Bein? Es liegt auf dem Friedhof." Der kleine bleiche Leutnant hat viel erlebt, selbst eine Amputation ohne Narkose. „Es war nicht anders zu machen, ich war zu schwach und von der Schwäche auch bald betäubt. Aber das durchgehende Messer aller dings habe ich gespürt!" Der Mann ist immer noch Flieger; er steigt sogar zu Pferd. Das sei übrigens nichts Besonderes, in St. Ehr sei sogar ein Reitlehrer mit einem künstlichen Bein. Unsere Gastgeberin :st mehr für den heiteren Ton. Es gebe auch ganz amü sierliche Dinge im Krieg. „Mich zum Beispiel werden Sie herzlich ausla chen, wenn ich meine Erlebnisse erzäh le. Seit Kriegsbeginn bin ich Militär. Seit zweieinhalb Jahren fahre ich von der Front nach Süden, bis Nizza und zurück, immer in diesem lieben Zigeu nerwagen. Mein Mann ist Arzt im gleichen Armeekorps, und auch er be gleitet Sanitätszüge. Wie oft mögen wir uns gekreuzt haben? Aber ich konnte es anstellen, wie ich wollte, noch kein einziges Mal habe ich ihn erwischen können oder auch nur gese hen. Ich guckte wohl immer zum falschen Fenster hinaus. Das muß doch für andere Leute furchtbar komisch sein!" Und richtig, die ganze Gesellschaft bricht in ein großes La chen aus, in dem ein Heller Sopran mitklingt. Nach so trüben Eindrücken ist ein solches Lachen wie ein Seelen bad. Man darf es nicht verlernen. In Wangen an der March befinden sich fünf Nachbarn, die zusammen 56 Kinder hatten, von denen noch 4g leben. Eine dieser Fa milien stellt sieben Söhne in den Dienst des Vaterlandes. Neulich such te ein Wangener Bürger die Heimats gemeinde wieder auf, dessen Ehefrau dem 22. Kinde das Leben geschenkt hat. Haushaltungen mit über einem Dutzend Kindern gibt es in der March viele, und Familien mit 5 und Dieser Tage starb in Leipzig 62jährig der Konrektor des dortigen Königin Carola-Gymnasi ums, Prof. Dr. Horst Kohl. Der Verstorbene ist weit über die Grenzen seiner Schultätigkeit bekannt gewor den als eifriger Spezialist auf dem Gebiete der Bismarck-Forschung. Zahlreiche Quellenbücher zu Bis marcks Leben verdanken ihm ihre Entstehung, und zu vielen Bismarck- Schriften lieferte er gelehrte Kom mentare. Kohl war auch der Heraus geber des Bismarck-Jahrbuches und des Bismarck-Kalenders. Der Weg znm Weltfrieden. kretärs der Deutschen Friedensgesell schaft. Fritz Röttcher, über die „zwi schenstaatliche Bedeutung der deutschen Neuorientierung" vielfach auf Wider- Interesse: Unter der Neuorientierung, von der kürzlich der deutsche Reichskanzler ge sprochen hat. oersteht man eine An zahl innerpolitischer Fragen, deren bei weitem wichtigste die Einführung eines freien Wahlrechtes in Preußen ist. Eine solche Reform würde eine Demokratisierung des gesamten deut schen öffentlichen Lebens ergeben. Sie interessiert vom pazifischen Stand punkt mehr, als meistens angenommen Der Anfang dessen, was das Aus land heute preußischen Militarismus nennt, geht auf Napoleon l. zurück. Der Kampf gegen ihn wurde im Zei chen der allgemeinen Wehrpflicht ge führt, und das siegreiche Ende der deutschen Befreiungskriege war gleichzeitig der Anbeginn des Sklave rejzustandes des bewaffneten Frie dens, aus dem wir heute noch nicht spricht davon, daß überhandnehmende militärische Einrichtungen nirgends der Entwicklung der Demokratie gün stig sind, und in der Zeit von 1815 bis 1848 hatte dieses Wort sich in Deutschland nur zu sehr bewahrheilet. Als dann die deutschen Demokraten dem preußischen König die deutsche Kaiserkrone anboten, da traf dieses Angebot einen in militärischen Ge sichtspunkten befangenen Personen kreis, der für den großen Moment ein kleines Geschlecht darstellte und dem Wesen der deutschen Demokratie verständnislos gegenüberstand. Dieser Moment, einmal verpaßt, entschied über das Schicksal der euro päischen Völker. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts wäre es mög lich gewesen. Deutschland und Frank reich auf demokratischer Basis in or ganische Verbindung zu bringen und damit eine dauernde Friedensgaran tie, ein wirkliches Mitteleuropa, zu schaffen. Es war die Zeit, wo in Frankreich Victor Hugo im Sinne des Pazifismus wirkte und in Deutschland die erste Friedensgesell schaft gegründet wurde. Es hat nicht sollen sein. Was dann in der Folge auf deut scher und französischer Seite geschah, dewandern zur Kette wurde, die zu der heutigen Katastrophe zwangläu, fig führte. Preußen machte den ver hängnisvollen Schritt, das eben ein geführte freie Wahlrecht durch einen Staatsstreich abzuschaffen und durch ein bureaukratisches Wahlsystem zu ersetzen, eben dem heute noch zu Un recht bestehenden preußischen Drei klassenwahlrecht. Damit entschwand auf seiner Seite die Basis des Zu sammenwirkens mit Frankreich. Frankreich dagegen endete in den Ar men des Kaisertums, das eine Er höhung der militärischen Kontingente nach do« andern vornahm. In einer deutschen Einigung konnte der dritte Napoleon dann, von militärischen Gesichtspunkten ausgehend, nichts an deres erblicken als eine Bedrohung. Damit wurde die deutsche Einigung, falls überhaupt noch möglich, nur auf kriegerischem Wege erreichbar, und zwar im Gegensatz zur Nachbarna tion. Bismarck als Mann der Praxis zogen. Weil er dazu aber Soldaten brauchte, deren Bewilligung ihm von seiten der Demokratie zweifelhaft er scheinen mußte, so tonnte er in Preußen nicht vom Dreiklassenwahl recht los. Die Zwiespältigkeit seiner Auffassung über diesen Gegenstand läßt sich an seinen Aeußerungen leicht nachweisen. Der Krieg von 1870/71 Das Alikeuern eines Geschosses. I, ' - Das Geschoß verläßt das Rohr. Es Das Geschoß hat das Rohr eben verlas, scheint still zu stehen, bewegt lich aber in sc», begleitet von einer kleine» weißen Wirklichkeit mit einer AnfangSgeschwin- Rauchwolke, die von der Pulveierplojion digkeit von 3 Kilometern i» der Sekunde. herrührt. WWWWDMWWHAWAWK Tie Rauchwolke ist größer geworden hoch oben wird das G-ichoß sichtbar, und umgibt wie ein weißer Strahlen- mit ungeheurer Geschwindigkeit feinem kränz die Geschützmündung. Ziele zufliegt. Die vier Photographien, nach denen diese Zeichnungen gemacht wurden. !n« das Abs-uer» c.nes Geschosses aus einem grogcn Küstengeschütz SA-n. wux den von einem amerikanischen Ingenieur gemacht, der eine Spezialkamera konstruiert hat, Tie Hett,panne zwischen e er und »,. nächüen beträgt kaum das Hundert wuscndstel einer Sekunde. Die -ottoer sind Meisterstücke, einzig in ihrer Art und sind in ähnlicher Vollkommenheit noch niemals gezeigt worden. brachte ferner eine Verschärfung des deutsch-französischen Gegensatzes und gestaltete ihn zu einem dauernden. Was aber wohl noch schlimmer war, auch die deutsche Demokratie beugte sich der „praktischen Politik des Er folges" Bismarckscher Staatskunst. Es entstand in der deutschen Litera tur jene Verherrlichung des Machtge dankens, die uns im ganzen Ausland so unendlich geschadet hat. Nicht viel anders aber war es in Frankreich. Auch dort, ja man ist versucht zu sa gen, dort ganz besonders, wurde die Entwicklung des Machtgedankens be günstigt durch die kapitalistische Kul tur. Der natürliche Gegensatz des poli tischen Machtgedankens ist der Furchtgedanke. Aus ihm zog der aufsteigende Kapitalismus hüben und drüben ungeheuren Nutzen. Aus Furcht vor dem Nachbarn, der mit der Keule vor der Tür lauern sollte, wurden die Rüstungsausgaben be willigt und immer wieder bewilligt. Der ganze Aufbau der deutschen und der französischen Schwerindustrie wäre ohne die staatliche Unterstüt zung, die aus dem Furchtgedanken erwuchs, ein anderer geworden. Die deutsche Neuorientierung hat nun auch als schwersten und stärksten Gegner die Schwerindustrie auf den Plan gerufen. In einem Artikel im „Berliner Zageblatt" untersuchte der Rcichstagsabgeordnete Gothein die Dinge und kam zu dem Resultat, daß Preußen sich selbst mit eigener Kraft kaum aus dieser Verstrickung durch Schwerindustrie und Dreiklas senwahlrecht lösen könne. Er ver langt daher nicht mehr und nicht we- I Niger, als daß der Staatsstreich au» den vierziger Jahren, dem das preu ßische Dreiklassenwahlrecht seine Gel lung verdankt, rückgängig gemacht werde. vor 1848 standen. „Ein großer Aufwand schmählichist vertan." Die alten Sünden verlangen Sühne. Die Neuorientierung steht vor der Tür. Wird man es in Preußen fertig bringen, trotz alledem den todesmu tigen Kämpfern an der Front den ihnen zustehenden Einfluß auf die Gestaltung der innern preußischen freien Wahlrecht in Preußen, so wie die Dinge in Deutschland liegen, gleichzeitig auch der Machtgeöanke in bezug auf die äußere Politik erschüt tert. Die Berührung von Feind zu Feind an den Fronten, die letzte und einzig praktische Konsequenz deS Machtgedankens, ruft aus beiden kens hervor, die als Voraussetzung des Rechts- und Organifationsgedan kens unerläßlich ist. Auf alle Fälle ist die deutsche Neu- Der Umstand, der 1871 Bismarck bewog, der französischen Demokratie entgegenzukommen, muß Bethmann- Wgswahlrechts für Preußen geneigt machen. Das ist, soziologisch gese hen. nur die praktische Folgerung der von Immanuel Kant durch systema tisches deutsches Denken gewonnen« Erkenntnis, daß der Weg zum Welt frieden durch die Demokratie führt.