Nm Gekangenenluger. Besuch einer Schweizer Plesrllschaft in Griesheim bei Darmstadt. Die in einem süddeutschen Gefan- < yenenlager erhaltenen Eindrücke fchil- < dert ein Mitglied einer schweizer Ge- Lellschaft, wie folgt: i In der Nähe von Darmstadt, bei Griesheim in der weiten, sandigen , Ebene, ist eines der größten Kriegs- Franzosenlager, das für 18.999 Mann berechnet ist, aber zurzeit nur ! «twa 5999 bis 6009 beherbergt, da die andern 12 —13,909 alle in Arbei- > tertruppen über das Land zerstreut ! sind. Es war uns Schweizern ver- > gönnt, eines Nachmittags von Frank- - fürt aus dieses Lager unter der kun- > digen Führung seines früheren Be- fehlshabers, des Gener.ils Eosak, zu besichtigen. Allerdings wurde diese ' Deutsche Pioniere unter Mi.liUsc gcfnnncncr Russen beim Wiederaufbau zerstörter Städte. terdessen in Frankfurt Spitäler und Wohltätigkeitsanstalten besuchten. Mit der Eisenbahn fuhren wir nbholten und über eine .ieugepflastcr te, ungewöhnlich breite Militärstrahe durch niedriges Föhrengehölz und an Wnchtstube trat die Mannschaft unter meist älteren Herren, von der Kom mandantur her zur Begrüßung des Generals und feiner Gäste. Nach kurzer Vorstellung der offi ziellen Persönlichkeiten führte man uns zunächst durch dqs Lazarett. Ein 139 Meter langer, gedeckter Gang durchschneidet die fast unübersehbare Reihe der Krankenbaracken und teilt sie genau in zwei Hälften. Auf beiden Seiten standen die Türen offen, und man sah die Kranken in ihren blau weiß gestreiften Hauskleidern vor den Betten stehen- Jeder Insasse dieses Gefangenenspitals erhält nämlich bei seinem Eintritt neben frischer Wäsche auch ein eigenes Hauskleid. In der Mehrzahl schien es sich da um leich- tere Erkrankungen zu handeln. Nur einem Saal trafen wir eine grö ßere Anzahl Bettlägrigtr. Ueberall herrschte die peinlichste Sauberkeit: die Bettwäsche schneeweiß und der Fußboden wie ausgeblasen. Dieselbe musterhafte Ordnung und Reinlichkeit ist uns übrigens auch im eigentlichen fallen. „Ja, das muß so fein, das geht nicht anders, wo so viele Leute zu- Wir kamen dann noch in die Küche des Lazaretts, wo das einzige weib liche Wesen, das wir im Lager zu Ge dcm Kellenszepter in kräftiger Hand ihres Amtes waltete. Die Tageskarte Abteilungen eingeteilt ist. Jede Ab ger selber zum Einkauf von Tabak, Tee. Zucker usw. Kurs hat. Es sind zierliche blaue und braune Papierchen von 5, 10, 20 Pfennig. Gewöhnliches Geld dürfen die Kriegsgefangenen Anhängeadressen versehen und zum Versand bereit für die Arbeiter kolonnen, die draußen auf dem Lande beschäftigt sind, und denen das La ger von Zeit zu Zeit Wäsche und Kleider nachschickt. nicht nach Lebensmittelmangel aus. Auch das frischgebackene Schwarzbrot, das man uns zu kosten gab. und über das sich die an ihr gutes Weißbrot ge wöhnten Franzosen so sehr beschwe ren, schmeckte zwar etwas säuerlich, aber gar nicht unangenehm. Die Ge fangenen, soweit wir sie befragten, be klagten sich denn auch nicht über Ver pflegung oder Behandlung, wohl aber zum Teil darüber, daß sie ihre Briefe aus der Heimat nicht oder nicht recht zeitig erhielten. „Das ist die alte Klage," erklärte uns einer der Offiziere, „die Leute, die natürlich große Sehnsucht nach ihren Familien haben, erwarten je den Tag Briefe aus der Heimat und bilden sich weiß der Himmel was ein, wenn die Briefe nicht eintreffen. An unserer Posteinrichtung fehlt es wahr haftig nicht, und auch die Schweiz liefert ja alle dort einlaufenden Brief säcke sofort an uns ab." nicht schlecht zu sein. Auf eirem wei ten Platz vergnügte sich eine Abtei lung beim Fußballspiel. Ändere arbei schen Obergärtners, den General Co sa! uns mit besonderer Auszeichnung als „unsern vortrefflichen Garten- Auf die Bitte des Generals, dem Herr Prof. Röthlisberger in tadello sem Französisch eine schwungvolle kleine Dankrede, indem er daran er innerte, daß Rossinis „Tell" seine Schüler der Ecole des Beaux Arts, getroffen, der in einer eigens dafür errichteten Hütte an einem großen Grabdenkmal für die im Lager gestor benen und im Waldfriedhofe beigesetz ten Franzosen arbeitete. Die prächtige Reliefarbeit auf einem großen Rund fries war schon nahezu vollendet, des gleichen die Inschrift: A nos morts. Bescheidenen Herzens und nachdenk lichen Sinnes verließen wir das Ge fangenenlager. Wir hatten auch hin ter den Drahkzäunen den Menschen gesucht und gesehen nicht bloß eine Horde Ueberwundener. die man einsperrt, um sie unschädlich zu ma chen den Menschen, der für sein Land leidet und die herbste Entbeh rung duldet: die verloren»' Freiheit. Vor diesem Leid und Duldertum nah men wir in Gedanken tief den Hut ab. Anderseits allerdings hatten wir den Eindruck, daß auch die Leiter die- Cosak, der als Inspektor drs Kriegs- Arbeitsgruppen und Kolonnen, unter sich hat, ihre Pflicht in humanem Sinne erfüllen und auch für die see lischen Leiden ihrer Untergebenen Ge fühl und Verständnis haben. Als ge legentlich die Rede auf die Entwei chungen kam und ich den Gener^ „Gewiß kommen sie vor, und zwar ziemlich häufig, besonders bei den Übers Land zerstreuten Arbeiterkolon nen. Sie müssen eben bedenken, wie lange der Krieg und-die Gefangen schaft der meisten dieser Leute schon Die Revolution in Rußland. Borg^schichten. Der „Berner Bund" bespricht die Märzrevolution in Rußland in einer gendes entnehmen: Das eindringende Verständnis für russische Dinge ist dem Westeuropäer nicht gerade leicht, denn es sind dort noch Aktoren mächtig, die bei uns schon feit langem unwirksam gewor den sind. Insbesondere ist es eine Einrichtung die den westeuropäischen Staaten in diesem Umfange fremd ist: Die Macht der Beamten. Und gegen diese richtet sich zunächst auch die Bewegung der letzten Tage. > ' In ihrer jetzigen Gestalt geht die russische Beamtenherrlichkeit im Grun» de auf Peter den Großen zurück. Er war der Gründer der russischen staat lichen Zentralisation und zugleich ih res wirksamsten Mittels zur Herr schaft, der Bureaukratie. Peter der Große fand bei seinem Regierungs antritt noch eine Reihe von Resten aus der Zeit der staatlichen Zersplit terung. Diese fegte er mit eiserner Faust für alle Zeiten von der russischen Erde weg und um dieses neue gewal tige Reich zu regieren, schuf er eine straff zentralisierte Verwaltung, die einen ungeheuren Aufwand von Men schenarbeit verlangte. Und diese Ar mee von Menschen, die infolge der vielen Eroberungen im Laufe der Jahre immer mächtiger anwuchs, wur de eine Macht im Lande, vor der zu Zeiten sogar die Herrscher selber zit ierten. Wer nicht selbst in Rußland war, kann sich von dieser Macht höchstens einen Begriff machen aus Zeugnissen der russischen Literatur, in der gerade der Beamte eine nicht geringe Rolle spielt, nicht als Schreibender, wohl aber als Beschriebener. Man braucht nur an Schriften von Gogol, Tur genjeff oder Tolstoi zu erinnern. Ue berall die gleichen Anklagen gegen den Ren, hat mit jenen gemeinsam den Anlaß, aus dem sie erwachsen ist. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß in Rußland Krieg und innere Reform stets Hand in Hand gehen. Der Krim krieg brachte als innere Folge die Be freiung des russischen Bauern von der Leibeigenschaft, die ostasiatische ...>.->- " > . S^MM Niederlage die Schaffung der Grund gesetze von 1905, und der Weltkrieg, den wir erleben, die Emanzipation der Duma von den Banden kaiserli cher Selbstherrlichkeit. Es gehören stets gewaltige äußere Erschütterung gen dazu, um das Innere eines Rie senreiches in Bewegung zu bringen. Der Weltkrieg deckte die Schäden der russischen Verwaltung in Beispielen auf, die jedem einzelnen an Haut und Magen gingen, und so brachte der Hunger Kräfte zum Erwachen, die sonst wohl noch träge weitergeschlum mert hätten. Daran ist ja nach den nun vorliegenden Meldungen nicht mehr zu zweifeln, daß den ersten An stoß zur jüngsten russischen Revolution die Petersburger Hungerrevolten ge geben haben. Die führenden Elemen te der russischen Duma, das heißt die gemäßigten Links-Parteien, nahmen den Anlaß wahr, vereinigten sich mit den hungernden Massen und den wie es scheint längst mit der herrschenden Ordnung unzufriedenen Teilen der Armee, und so brachten sie eine Bewe gung dei sie heute noch den Namen geben, die aber morgen schon über sie wegschreiten kann. Wenn heute in der Presse Eng lands, Frankreichs und Italiens mit Genugtuung darauf hingewiesen wird, daß der Sieg des progressiven Blocks ein; noch entschiedenere Führung des Krieges bedeute, so ist das aus der politischen Lage durchaus zu verstehen. Man muß sich aber hüten, das, was Miljukow und seine Freunde wollen, mm ohne weiteres als Willen der Ge samtheit des Volkes anzusehen, die hinter dieser Revolution steht. Schon vor Monaten konnte man in der russischen Presse Aeußerungen lesen, die auf ein tief wurzelndes Friedens- Stimmen waren sicherlich nicht nur aus besonders intensiver Arbeit deut scher Propaganda zu erklären. Wir Opposition der „nationalliberalen" Kreise der russischen Duma gegen deutschfreundliche Tendenzen der Re aktion, u. der gewaltige Schrei eines ganzen Volkes nach Brot. Welches Nach der äußeren Wirkung ist das bemerkenswerteste Moment der Revo lution vom März 1917 die in auffal lend kurzer Zeit erreichte Abdankung des Zaren Nikolai 11., ein Erfolg, der bis heute noch nie einer aus dem deschieden war. Wohl sind im Laufe der russischen Geschichte manche Herr scher zur Nicderlegung der Krone ge -wungen worien, dann geschah es mee auf den Schild erhoben wurde. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Fall ist die Armee-Revolte, kurigsurkunde unterzeichnete. Sie hat damit das Grundgesetz von 190 S ge krochen, denn in diesem stand noch der lapidare Satz, daß „Gott selbst gebie te. dem Zaren zu gehorchen." Um die Mitternachtsstunde des 16. März 1917 bat der Zar der Duma gehör»