Am Helena Roma» von Ida BoV-Ei». (12. Fortsetzung.) Malte Holvin sagte, datz er Edles gern seinen Leibjäger abträte, allein er selbst sei noch Novize im edlen Weidwerl i nd brauche seinen Mann. Edles wies zurück, daß er einen La der nötig habe. Endlich arrangierte sich alles, Prancken trat seinen Leib jäger an den Bürgermeister ab. Die beiden Gäste Pranckens bekamen je aber die Mehrzahl der Herren mutzte allein auf den Stand, Sie waren auch fast alle erfahrene Jäger. .Wir fangen mit dem Trieb im Glanauer Busch an." sagte Altheer, die übliche Jnstrultionsrede haltend, .Sie wissen, meine Herren, wir be kommen da hauptsächlich Fasanen zum Schutz. Für den zweiten Trieb habe ich den Wolfsgrund bestimmt. Dort und beim dritten Trieb im Fal lenhorst kann ja alles vorkommen und darf auch alles geschossen werden: Ha sen, Füchse, Böcke. Auf den Bock aber, bitte, nur mit der Kugel! Und die Ricken schonen, meine Herren! Die Ricken und die Fasanenhennen!" Der Zug setzte sich in Bewegung. Beate winkte noch ein Weilchen nach und stieg dann auf den kleinen Wa gen, der sie nach dem Glanauer Guts hof zurückbringen sollte. So lautlos als möglich schritten die Treiber den Jägern voraus. Auch Vorsicht, das Wild nicht stutzig zu Die Treiber waren davon unter richtet, datz sie sich an der Hinteren, geradlinigen Grenze des „Busches" ler Wiesenstrich in Form eines sanf ten Halbbogens umschlotz den „Busch" und trennte ihn zugleich von dem zweiten Revier, dem Wolfsgrund. Hier nahmen die Jäger, den Rücken Der Nebel hatte sich nicht sehr ver nahe. Aber von Gestalt zu Gestalt Ein leichter Frost hatte die Erde hart. Das Gras lag fahl und ver eist zur Erde gestrichen. Die feierliche, kühle Stille des winterlichen Waldes ausstoßend, durch den Tritt ihrer schreitenden Fütze, durch das Brechen der Reiser die Tiere scheuchend. Die Fasanenhähne und -Hennen aber such ten Deckung im Unterholz, und lange dauerte es, für die bis zum Herz klopfen gesteigerte Spannung einiger Jäger unerhört lange, bis der erste Hahn aufstieg, mit seinem köstlichen Federschmuck metallisch schimmernd vor dem weihgrauen Hintergrund. Ein Schuß und dann ein Steigen ganzer Bouquets von Fasanen »nd «in Knallen von Flintenschüssen, ein wildes Durcheinander jener platzen den, scharfen, seltsamen Töne... Knall auf Knall... Das tollte vorüber. Und dann ka men die Treiber aus dem Busch, und der Förster ging am Stand entlang und erbat sich vön jedem Herrn die Zahl der erlegten Hahnen. Sehr animiert traten die Herren zusammen. Es wurde Strecke gemacht. Dreiundfünfzig Fasanen waren ge schossen. Jrne Hjelmersen hatte mit zwanzig Patronen zwanzig Hähne erlegt. Alle Herren waren autzer sich. Denn selbst Prancken, der nächstbeste Schütze, hatte es mit vierzehn Patro nen nur auf zehn Fasanen gebracht. Da sich unter den Anwesenden keiner befand, der jagdgnitschig gewesen wä re, und nur der Amtsrichter einen stillen Neid herunterzuschlucken hatte, so beglückwünschten alle Jrne Hjelmer sen. Auch Edlef, der sich davon befrie digt fand, datz „sein Oberingenieur" sich nach und nach als so ein Tau sendsassa herausstellte. Wieder ging es in vorsichtigem Zuge an der Waldgrenze entlang. Die Schar der Treiber nahm nun die Linie, welche zuvor die Schützen ge habt hatten. Der Wolfsgrund war von dem Kallenhorst durch eine Schneise ge trennt, die sich schnurgerade zwischen beiden Waldrevieren entlang zog. Die Nasennarbe, die sie deckte, war von Wagenspuren durchfurcht. Berfärbi und klumpig war das Gras zusam» mengefroren. Der Ausblick recbtS und links, der sonst, in der Perspektive dem Glase eines Fernrohres gleich, ein Stückchen Landschaft zeigte, war Jäger standen i» weitere Abstände als artig geschützte Grenze des Fallen horstes ihnen im Rücken, vor den Farbenton des Sommers in das Bild bringend. Einige Minuten lang konnte es scheinen, als sei der Wald seiner schweigenden, ernsten Einsamkeit zu steckton ihr oberes Gezweig in ihm. Die Luft war still, aber sehr herbe. Da brachen zwei Hasen aus dem Un- stürzte ein Bock. Da flüchtete »Und Hjelmersen?" frug Malte .Ein Fuchs, zwei Böcke, fünf Ha sen!" sagte Jrne. „O, ein Fuchs!" schrie Prancken meister und der Amtsrichter auseinan der los. Dieser beschuldigte den Stadtvater, auf einen Hasen geschossen „Wo ist denn Stürmer?" fragte Holdin und sah sich um. „Edlef!" rief Georg Altheer, seine beiden Hände als Schalltrichter an den Mund setzend. Schweigend, seinen grauen Ernst in die weißen Nebelschleier gehüllt, stand der Wald. Nichts regte sich. Die Gruppe der Männer stand er staunt. Aus dem fahlen, gefrorenen Rasen der Schneise entlang lagen re gellos verstreut die graubraunen Lei „Jhm wird doch nichts passiert fein'S!" sagte Holdin und ward schon gleich bei dem Gedanken bleich bis in die Lippen. .I, was sollte ihm passiert sein!" sagte Georg Altheer dawider im be schwichtigendsten Ton. „Das ist ja ganz unmöglich!" meinte auch Wackernagel, „wir haben den." „Ja, wo bleibt er denn?" fragte Lebus. „Was hat er?" fragte Prancken. Und noch einmal schrieen sie: „Ed lef Edles Edlef —!" regte sich. Kein Blatt raschelte. Dürr chengesträiich. Zwischen den grauen Stämmen ragten still die grünen Fichten. „Ja das ist doch... Wer wa- Edlef?" 112 tigte Altheer. „Ich glaube, daß ich ihn rechts von mir hatte," meinte Holdin und sah „Nee rechts!" „Verzeihung, Herr Baron links." Das wdr ja schließlich egal. „Ich habe zwischen Hjelmerfen und klärte Wackernagel. „Pardon, Herr Rechtsanwalt," er widerte Jrne Hjelmerfen, „aber ich weiß bestimmt, daß links von mir Herr Lebus, rechts von mir Herr von Eckardtstein stand." Das wußte Herr von Eckardtstein auch genau. Als er am Graben ent lang eilte, um seinen Stand zu neh- siert und dann Jrne Hjelmerfen just über den Graben treten sehen. Keiner konnte begreifen, wie so et was möglich war: daß so viel Män ner mit offenen Augen im Kopf sich nicht genau ihrer Nachbarn entsannen. Denn in der Tat waren nur zwei oder drei von ihnen einerlei Meinung über die Reihenfolge. Als man vom südlichen Ende des Schneisenrandes aus anfing, die Stände zu nehmen, hatte der Förster gesagt, er habe jeden Stand durch ein davor in den trok kenen, schmalen Graben hineingesteck tes Tannenreis bezeichnet. So waren sie, fröhlich und wichtig wie Schul knaben, immer die Blicke suchend vor aus auf das nächste Tannenreis ge richtet, am Grabenrand hingeeilt, jeder nur mit sich beschäftigt und der Wahl seines Platzes, ohne bei diesem eif rigen Streben recht ins Auge zu fas sen oder im Gedächtnis zu behalten, wer sein Nebenmann wurde. über war so nutzlos. „Damit haben wir Edles nicht zur Stelle," sagte Altheer. „Und so viel ist klar, es hat keiner was bemerkt," konstatierte Wacker nagel. „Jhm tan»> unpäßlich geworden sein, und er hat sich still durch den Wald heimgedrückt. Wir finden ihn fidel nachher in Glanau," sprach Lebus. Diese Ansicht gewann sofort ein halbes Dutzend Anhänger. „Aber die Linie abschreiten sollten „Selbstredend!" Sie schlössen sich zu einem Trupp zusammen. Wackernagel. Mit spähenden Augen sahen sie an dem jenseitigen Rand der trockenen, und bogen die raschelnden, niit wellen Blättern dick besetzten Zweige aus einander. er längst geantwortet." Aber es schien, als wenn >as Ru fen ihrem Absuchen der Standlinie Waldesgrenze entlang gezogen, bis zum südlichsten Punkt, wo der Bür germeister gestanden hatte. Als Altheer und Wackernagel, ge- schon heran. Blaß wie der Tod war er, und schwer atmend, stotternd, trat er auf ein Unglück ... Herr Stürmer liegt „W0... w0...!" schrie Altheer. Der Förster deutete voraus, mit ternd. Altheer stürmte vo:-värts. Sei ne Gäste folgten ihm. Die Stelle, wo die furchtbare Ge- Dort, zwischen dem dürr und rost farben belaubten Gezweig zweier Hainbuchenbüsche, die fast ineinander griffen und mit ihren dicken Formen den zwischen ihnen Stehenden ganz, von rechts wie von links, wie eine Wand gedeckt haben mutzten, dort sah man die Sohlen zweier Mannesstie fel. Sie richteten ihre Spitzen hoch, wie wenn ein rückwärts Niedergefalle ner sie anhabe... Georg Altheer kam heran. Der keuchende Wackernagel neben ihm hielt ihn mitleidig am Arme fest. Aber Altheer riß sich los. Die Herren drängten sich zwischen den Büschen hindurch, der eine hier, Edles Stürmer tot! den die grauen Säulen der Buchen stämme. Fahl und glasig sah sein Gesicht aus. brach ein Schrei und schreckte die Männer aus ihrer Erstarrung. .Wie ist es möglich !" jam- Dann flüsterte einer: „Drückt ihm bloß die Augen zu . . . ." Und der Förster trat, von scheuer Ehrfurcht zitternd,»leise heran und schob mit vorsichtigem Finger die Lider über die stieren Augen. Die Männer alle, die zu fröhli chem Jagen in den Wald hinausge zogen waren, standen mit bleichen stummt. Sie sahen auf den Toten. Ihre Herzen erbebten. Niemand sieht eine Leiche, ohm Schauer halb heiliger, halb banger Art zu empfinden. An das fürchterliche Schweigen, das von ihr ausgeht, hat jede Men schenseele unendliche, verworrene, zit ternde Fragen zu stellen. Und weiß doch, daß sie nie, niemals beant- Minuten verrannen. Da trat Prancken leise an seinen Freund heran. Malte Holdin lehnte an einem Buchenstamm und hatte in fassungsloser Erschütterung beide Hände vor seinem Gesicht. Sanft führte Prancken ihn etwas tiefer hinein, und Malte ließ sich führen Unwillkürlich traten alle anderen, vorsichtig die Füße setzend, als könnte das Knacken eines dürren Reises den Toten stören, ihnen nach. „Welch ein Unglück!" flüsterte der Bürgermeister. „Wie konnte das nur geschehen?" „Unglück?" flüsterte der Assessor Küpper zurück. „Meine Herren, wenn hier nur kein Verbrechen vor liegt! Wir standen alle in einer fast schnurgeraden Linie. Wäre selbst ein sehr schlechter Schütze zwischen uns eine Kugel konnte sich nicht nach Stürmers Stand verlieren." „Ach Unsinn," sagte Wackernagel scharf, der sich wegen des „schlechten Schützen" plötzlich sehr erregte, „Ver brechen! Seine Büchsslinte kann ge platzt sein oder durch irgend einen Zufall sich unglücklich entladen ha ben. Da kommen ja oft die merk würdigsten Sachen vor." „Scht —scht!" mahnte Herr Le bus, denn Wackernagel konnte selbst jetzt sein Organ kaum dämpfen. her hören. Das ergibt sich ja durch den Augenschein!" sagte der Amts richter. Der Assessor Küpper fragte, wäh rend seine Augen hinter seinem Knei fer funkelten: „War Edlef Stürmer sehr beliebt? Hatte er Feinde?" Das war ins Allgemeine gefragt. Der Bürgermeister sagte, Stür mer sei ungemein beliebt gewesen und habe sicher keinen Feind gehabt. Höchstens unter den Arbeitern, setzte der Amtsrichter hinzu, der sich plötzlich einer kleinen Klage erin nerte, die ein entlassener Arbeiter gegen Stürmer A Stürmer geführt, weil Edlef versucht hatte, den Mann zur Strafe für unehrerbietiges Be nehmen Lohnabzüge zu machen. „Was wissen Sie davon?" fragte der Assessor inquisitorisch Jrne Hjel mersen. Dieser, der ernst und bleich, aber vollkommen gefaßt zwischen den übrigen Herren gestanden, sah den Assessor mit deutlich markiertem Er staunen von oben bis unten an. Aber er antwortete doch. „Wenn ich aufrichtig sein soll: Herr Edlef Stürmer war nicht so sehr beliebt Aber Sie wissen ja, meine Herren: von zwei Chefs ist immer derjenige der unbeliebteste bei den Leuten, der die Lohnverhältnisse unter sich hat. Mag alles noch so gerecht nach dem Buchstaden gehen, da sind doch immer welche, die sich benachteiligt glauben." Das war eine taktvolle Antwort, sie gefiel allen. Sie gab die Mög lichkeit von Edlefs Unbeliebtheit zu, schob aber die Möglichkeit gleich auf die Unlcgik der Leute, nicht aus Ed lefs Benehmen gegen diese. Und zugleich hatte Jrne Hjelmersens den Assessor so erstaunt messender Bück die anderen darüber zur Besinnung gebracht, daß dieser Neuling sich hier offenbar mit Nachforschungen unzu kömmlich wichtig machen wollte. „Wir haben hier nähere Pflichten, zu verliefen," flüsterte Wackernagel, „erst heißt es, den Toten würdig heimschassen uns Altheer beistehen! Mein Gott wie soll er das seiner Tochter sigen!" Bei diesen Worten schien Holdin fast zusammenbrechen zu wollen. .Und Sie, Hjelmerfen Si« müssen wohl Herrn Thassilo Stür mer . . . ." „Wo ist er? Warum hat er die Jagd abgesagt?" fragte der Assessor raunend und griff Jrne Hjelmerfen „Sind Sie verrückt?" fuhr Wak halb neun Uhr bei dem Deichbau am westlichen Flußuser." In diesem Augenblick hörte man immer neben der Leiche kniete, und dem der Förster unter gütigem Zu reden vergebens aufzuhellen trachtete. „Mein armer, alter Junge!" sagte Wackernagel. „Du mußt nun stark sein und an deine Beate denke»! Ich will dir was sagen: ich führe dich nach Haus. Wir bringen es ihr schonend bei. Die Vorsorge sür die sen armen lieben Edles überlassen sternd, er lasse schon von seinem Hause eine kurze, breite Leiter ho len und einige Kissen. Daraus könne man den Toten betten und nach Glanau tragen. Mit liebevoll befehlshaberischen Gebärden zwang Wackernagel den Georg Altheer war wie ein un glückliches Kind. Daß ihn mitten in seiner behaglichen Daseinsfröh lichkeit auch eine solche Katastrophe treffen mutzte! Es war ganz un fatzlich! Er stand hilflos, und mit einem Blick gen Himmel tat er jammernd die nutzlose Frage, die alle tun, über die ein Unglück hereinbricht: „Womit hab' ich das verdient?!" Und wieder weinte er in sein Taschentuch hinein, während Wak kernagel ihn unterfaßte und fortge leitete. Die Zurückbleibenden berieten lei se. Es schien am würdigsten, dem Toten im Zuge bis nach Glanau zu folgen. Die Wagen der Jagdgenossen warteten alle bei dem Försterhäus chen an der Grenze des Fallenhor stes. Ein Junge tonnte hingeschickt werden, um auszurichten, daß sie leer nach dem Glanauer Hof fahren und ihre Herren dort erwarten sollten. Der Burgermeister, der sich nach Wackernagels Entfernung darauf be sann, daß ihm. als dem ältesten, hier die Beherrschung der Situation zukam, fragte Jrne Hjelmerfen. od er nicht am Forsthäuschen irgend einen Wagen benutzen wolle, um so fort nach Mörstadt zu fahren, oder ob er erst Edles Stürmers Leiche bis nach Glanan geleiten wolle. „Da wohl leine Gefahr vorliegt, daß Thafsilo Stürmer aus unbe eignis erfährt," sprach Jrne Hjel merfen mit ruhigem Ernst, „möchte ich mich erst Ihnen anschließen." Der Bürgermeister nickte. Alle fanden, daß diese Haltung die rich tigste sei. Zuerst dem Toten die "ch si F st l d nervös, qualvoll die Minuten zäh lend, standen sie stumm beisammen. Endlich lam dann Leben in all die auf dem Rand des Grabens sitzenden Treiber, die gedrückt und flüsternd da gewartet hatten. Eine breite Leiter, von der Försterin mit < naten nach einem Jahr (Fortsetzung folgt.)