Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 15, 1917, Image 6

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    Tilder aus Flandern.
Einer aus der ersten Kriegszeit
stammenden lebensgetreuen Schilde
«unmehr seit über Jahren un
ter deutscher Verwaltung befindlichen
belgischen Provinz Flandern entneh
men wir das Folgende:
Eine stille Melancholie liegt über
den ährenschweren Feldern, die in
sanfte» Wellen meilenweit hinter.
Lüttich dahinzufließen scheinen, um
sich weit draußen am Horizont in die
Unendlichkeit zu verlieren. Bald tau
chen die ersten Windmühlen auf und
das Pflaster schlurft. Eilig scheint
man es im Land der Flämen nicht
zu haben: gemächlich wie die Mühle
bewegt sich auch der Müller, der
Bauer, der Arbeiter in der Stadt,
der kleine Mann? denn der Holzschuh
nötigt ihn dazu und gibt seinem
cianzen Gehaben etwas sinnend Be
dächtiges. Ganz holländisch ist das
Bild indes noch nicht. Es fehlt die
weiße Tonpfeife, die im Ant-
durch die kurze französische Stum
melpfeife, die der Wallone schmaucht;
daneben taucht sehr die Zi-
Art, wie die übern" anzutreffende
Vorschrift: Niet spuwen! umgangen
zu werden Pflegt, läßt auf eine ge
wisse Meisterschaft 'fließen. Daß
man sich in Belgien in einem zwei-
Vortritt hat, ist es schon in Ant
zuerst das Stadthuis vor dem Hotel
de Ville, das Vleeschhuis vor der
Boucherie, Onze lieve Brouve Kerk
deutschen Lautklangs noch vernehm
licher; mitunter fehlt die französische
Beigabe ganz.
Ein auffallender Zug ist dem
Stadtbilde Antwerpens eingegraben.
Während Brüssel die Residenz her-
und während Brügge etwas Vineta-
Hast-Versunkenes, etwas Verträum
tes und Verschlafenes an sich hat,
zeigt sich Antwerpen als die Stadt
der Regsamkeit, mit harten, abgear
beiteten Zügen und einer gewissen
Nüchternheit, die an weißgestrichene
Kontorstuben mit hohen Drehsesseln
erinnert. Schon die Altstadt in der
der Straße und den zahlreichen An
wefenheitsfpuren von Pferden. Be
sonders lebhaft aber weht einem diese
muffige Alltäglichkeitsluft aus 6en
neuen Stadtteilen entgegen, in denen
nigkeit hinziehe» und die Häuser
ohne jedes Gesicht, ohne jede Indivi
dualität schmucklos nebeneinander
stehen wie die Soldaten im Glied.
Aber deshalb freilich noch lange nicht
wie preußische Gardisten! Es ist auch
hier so eine gewisse Lässigkeit in der
Haltung wahrzunehmen, so ein
Mangel an Sichzusammenreißen, so
ein Möchtegern und Kanndochnicht,
das einen auch bei den wackeren
Stadtsoldaten auffiel, die auf der
Antwerpens Rathaustreppe mit
blankem Säbel die Iläste begrüßten
beim Aufstieg zum Empfangsaal.
Aber all diese kleinen Züge fügen sich
mühelos ein in das Gesamtbild, das
sich in seiner Ungezwungenheit besser
gefällt als in streng u d stramm
ausgerichteten Linien. Es liegt etwas
Gemächliches und vielleicht auch
Spießerliches in all diesen Lebens
äitßerungen, und einen wichtigen
Beitrag zu dieser Familienslimmung
liefert das Käppi, das die Stelle der
deutschen Dienstmütze und des Hel
mes vertritt. Vom Dienstmann ange
fangen bis herauf zum Bahnhofs
vorstand trägt alles das gemütliche,
eine Art Behaglichkeit ausstrvhlende
Käppi. Nur der Schutzmann in Ant
werpen gibt sich einen kriegerischen
Anstrich; Ü! seinem schwarzblauen
flämischen Nationalcharnkters emp
fangen will, wie wir ihn in Rubens
und Jordaens inkarniert zu sehen
glauben, der erhält ihn in Antwer-
Terrassen des Justizpalastes auch
'.' ' ' !
NovorossiSl am Tchivarzcn Mccr, nröszte Ausfuhrhafen Rußlands, speziell
fühls in der gleichzeitigen Plastik
und Malerei sucht.
Europäische Blätter
deutlichen Fall von krankhaftem
Schlaf. Im Militärspital von Peri
gueux lag seit der Schlacht an der
mn Schlafes das größte Interesse
haben. Der Kranke wird künstlich
ernährt.
Die erste Eingabe,
welche beim »eugeschasftnen Staats-
Polnischen Luftschissahrtsgesellschast,
sudski, Lempicki, Fürst Radziwill,
Artur Slivinski, Fürst Lubomirski
Gibraltar.
Tie alte englische Seefeste und ihre
Wenn dereinst bei den Friedensun
terhandlungen die Frage der „Frei-
Fluten empor, und jeder, der es zum
ersten Male sieht, glaubt ein trotziges
Felseneiland vor sich zu haben. Erst
beim Näherkommen erkennt man, daß
es sich um eine Halbinsel handelt, die
nach Norden hin mit dem Festlande
durch eine schmale Niederung zusam
menhängt. Es ist Gibraltar, eine
von Norden nach Süden reichende
schmale Halbinsel. Ihr Inneres ist
ganz durch einen hohen massiven Fel
sen aus hartem Gestein ausgefüllt,
der an seinem höchsten Punkte bis zu
426 Meter sich emporreckt.
Nach Norden zu fällt der Felsen
fast senkrecht ab. So hat schon die
Natur vorgesorgt, daß einem An
griffe von dieser Seite aus die größ
unterstützt. Seit mehr als 200 Jah-
Aufmerksamkeit angedeihen lassen.
Dort schweiften auch die verlangenden
konnte also am ersten noch Gefahr im
Anzüge sein. So hat es also die fast
senkrechten vierhundert Meter hohen
hinein, weit ins spanische Land mit
seinen lachenden Fluren und Saaten
und Dörfern. Ein ungeheures Schuß
feld haben diese Feuerschlllnde aus
ihrer luftigen Höhe vor sich, offen
wie eine ausgebreitete Landkarte. Und
dabei sind es schwere Kaliber, denen
England die wichtige Nordwacht sei
ner Seefeste anvertraut hat. In der
Tat, der Angriff von Norden her
auf Gibraltar ist schwer, sehr schwer.
Und doch ist keine andere Angrisfs
möglichkeit vorhanden, wie wir gleich
Nach Osten stürzt der Felsen mit
schwindelnder Steilheit ins Meer.
Im Süden erhebt sich wieder scharf
und schroff ein abgebrochener Felsen
Europa. Diese äußerste Spitze der
Halbinsel, die sich dem Vorgebirge
Afrikas bis aus weniger als 20 Kilo
meter nähert, ist zur Beherrschung
nenter Bedeutung. Hier ist denn auch
jeder Fußbreit des Felsens mit Fe
stungswerken gespickt, sowohl unten
auch in mittlerer Höhe der steüen
Felswände. Hier sind die schwersten
Batterien im zähen Gestein verbor
gen und vermögen ihre Granaten bis
allein schon beherrscht England die
wichtige Straße von Gibraltar ganz
uno gar. der Punta de Europa
Die Westseite der Halbinsel ist
zwar nicht so unzugänglich wie die
drei anderen Seiten. Sie flacht et
was ab. Aber hier ist auf andere
Weise dafür gesorgt, daß kein Unbe
rufener den Fuß ans Land setzt.
Hohe senkrechte Mauern umgürten
von Süden her auf mehrere Kilo
ineter weit den Strand und machen
jede Landung unmöglich. Erst wei
ter nördlich bietet der Hafen eine
Anlegestelle. Dieser Hafen ist künst
lich geschaffen worden. Durch ge
waltige, weit ins Meer vorgeschobene
Quaderbauten hat man zunächst den
sogenannten Außenhafen' gegen den
Seegang geschützt. Im Innern hat
starke Molen gezogen, um die Anlege
stelle der Dampfer zu schützen. Drei
Galerien von Batterien in den zu
rückliegenden Felswänden beherrschen
den Hafen. Und außerdem liegen in
ihm ständig eine ganze Anzahl von
Panzerschiffen, Kreuzern und Kano
nenbooten, die von hier aus aus
schwärmen, um den Wachtdienst am
Eingang zum Mittelmeer auszuüben.
Hasen und Stadt liegen im Nord
westen der Halbinsel. Dort sind auch
die Dockanlagen, aus welche Ende
Januar und Ansang Februar vorigen
Jahres die beiden gewaltigen engli
schen Panzerkreuzer „Jnvineible" und
„Lion" gebracht wurden, von denen
ersterer nicht weniger als 32 Schnß
löcher aufwies, die ihm der deutsche
Kreuzer „Gneisenau" vor seinem Un
tergange bei den Falklands-Jnseln
aus seinen 30,6 Zentimeter-Geschützen
als Andenken hinterlassen hatte, wäh
rend letzterer im Seegefecht bei Hel
goland am 24. Januar v. I. bös
mitgenommen worden war.
Gibraltar wird außer der etwa
6000 bis 8000 Mann starken Besat
zung von rund 16,000 Spaniern be
wohnt. .Außerdem haben aber auch
noch Hunderte von Franzosen, Ita
lienern. Griechen, Türken, Maltesern,
Aegyptern, Marokkanern, Algeriern,
Juden, Persern, Jndiern und Sia
mesen ihr Domizil dort aufgeschla
gen.
Zwischen der P»nta de Europa
und der Stadt ziehen sich die Anla
gen der Alameda hin. Vor wenigen
Jahren noch nackter Fels, auf dem
kein Halm wuchs, ist dieses Fleckchen
heute ein Paradies im Schmucke blü
hender Gebüsche; Bäume und Blu
men, Palmen und Orangen, Kakteen
und Araukarien gedeihen hier neben
duftenden Rosen, Beilchen und Rese
den. Und wer diese Pracht aus dem
kahlen, nackten Stein hervorgezaubert
hat? Das englische Geld. Viele
Gestein gebettet. Und dann sind
künstliche Bewässerungsanlagen ge
schaffen worden. Und so sollen denn
heute die Anlagen in ihrer üppige»
Pracht mit einem Zaubergarten aus
Tausend und einer Nacht wettzu
eisern vermögen.
Gibraltar zu bezwingen, ist durch
aus keine leichte Arbeit. Die Fran
zosen und Spanier wissen davon ein
Liedchen zu singen. Von 1779 bis
1782 haben sie alles daran gesetzt,
die Festung den Tatzen des britischen
Löwen zu entreißen. Mehr als 76,-
000 Kanonenkugeln wurden hinein
geworfen. Die Stadt war in einen
Trümmerhaufen verwandelt. Aber
der Kommandant Elliot ergab sich
nicht. Mit nur 7000 Mann Besat
zungstruppen hielt er ein angreifen
des Heer von 40,000 Mann in
Schach. Diese aber wollten Gibral
tar um jeden Preis haben und setzte»
den Generalsturm an. Mit ihrer
Uebermacht hofften sie die Feste über
rennen zu können. Doch dies war
eitel Hoffnung. Der Sturm brach
im Feuer der englischen Geschütze un
ter furchtbaren Verlusten zusammen.
England Frankreich und
Belagerung 70 Millionen Taler ge
kostet. Und das war nach damali
ge» Verhältnissen schon eine ganz
gewaltige Summe.
Seit jener Zeit sind die Befesti
gungswerke mindestens im gleichen
Maße verstärkt worden. Und daZ
siel den Engländern nicht schwer, weil
das harte Gestein die Anlagen be
günstigte. Fast alle Werke sind direkt
in den Felsen eingelassen. Nur die
Rohre der Geschütze blicken dräuend
aus kleinen und großen Luken her
aus. Das Gestein aber ist so zäh,
daß selbst die Granaten der „dicken
Bertha" kaum nennenswerten Scha
den daran hervorzurufen vermöchten.