Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 13, 1916, Image 3

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    Am st»« der Riesen
Berg«».
(7. Fortsetzn»«.)
Estella konnte sich eines -Lächelns
ganz famos aus," erwiderte sie.
.Och, Kind, das sagen Sie man
so. Erstens bin ich nu alte
.Ihr Sohn," sagte Estella, .ist ein
bildhübscher Mann."
Die Augen der Mutter leuchteten.
halb ich gleich einen Narren an dem
Menschen gefressen habe."
Estella schienen einen Anlauf zu
„Das habe ich Ihnen doch schon
vor vierzehn Tagen auf dem Derby
versprochen. Seitdem dachte ich
kommen."
.Das wollte ich ja auch. Ader
ick> will ganz offen sein ich habe
fter und streichelte die Wange Estellas.
anders gewußt, als daß et der A»s
.Der AuSerwählte des BaterS viel
leicht, ich hatte ihm nie bestimmte
In EstellaS Gesicht stieg eine feine
meister, dann werden Sie eS vielleicht
«ls ein Unrecht empfinden, daß ich
Karl, den ich ja gewiß gern habe
und km ich die Erfüllung jeden
Frau Burmeister schüttelte den
Kopf. „Sehen Sie, um diesen Ver
dacht nicht aufkommen zu lassen,
die ist bloß deshalb die beste Freun
kann. Die Hauptsache ist, daß Sie
sZhr Glück finden, Estella, und waS
schöne Fräulein Martens als Gast
Konsul durchaus von der
Estellas mit dem hochgeschätzten Reise
gefährten nichts wissen wolle.
Estella zu ihrer Wahl, versich?rte, daß
Verbindung so energisch sträube.
.Sage mal die Wahrheit, Alter
chen," tastete Frau Burmeister, .hast
du wirklich gar keine Ahnung, wes
halb der Konsul sich zur Wehr setzt?"
Herr Burmeister wiegte bedenklich
den Kopf und sah Estella so voller
Zweifel an, daß eS sich dieser rlötzlich
wie eine schwere Ahnung aus die
Brust legte. Aber sie schüttelte diejes
zwang sich zu einem Lachen.
.Wie sollte Herr Burmeister die
Beweggründe meines BaterS kennen?
ter zur Frau geben möchte."
.Da haben Sie den Nagel auf den
Kopf getroffen," sagt« Her: Bur
meister. „?lber ein Vater muß von
„Jawohl, Alfred, da hast du recht."
pflichtete Frau Burmeister bei. „Ich
bin gewiß ein von Karl
ich muß doch sagen, der Konsul sollte
bedenken, daß ihm sein Kind am
nächsten steht."
Estella begann langsam ihre Hand
schuhe anzuziehen. DaS Gespräch
sing an, ihr unangenehm zu wercen.
Auch schien es ihr aussichtslos und
ohne Zweck. Sit bereute schon, über.
Haupt hergekommen zu sein, anstatt
den Dingen, selbst aus die Gefahr
hin, ins Gerede zu kommen,, ihren
Burmeister langsam, .haben Sie sich
noch gar nicht gefragt, ob Ihr Herr
Vater wohl, außer feiner Neigung zu
Dieser Burmeister wußte etwas, sonst
hätte «r di« Frag« nicht gestellt.
ein« Spur? Wissen Sie etwas?"
»Was ich vermute, Fräulein Estella,
würde ich Menschen in der
den, macht es mir beinahe zur Pflicht,
Ich frage mich nur, hat es einen
Zweck, wenn ich meine Gedanken
preisgebe, und kann es Ihnen nutzen?
Vielleicht doch. Sie finden vielleicht
rascher den Ausweg, wenn ich Ihnen
meine Vermutungen mitteile."
druck. Was sollte sie Schreckliches er
fahren? Sie wußte sich durchaus
leinen Vers auf die dunklen Andeu
tungen zu machen.
.Sie haben mich auf die Folter
gespannt, Herr Burmeister," sagte sie.
.Teilen Sie mir nur ohne Umschweife
mit, was Sie wissen und vermut?»,
denn Sie sehen mich völlig ratlos und
außerstande, auch nur zu ahnen, wo
rauf Sie abzielen."
.Erschrecken Sie nicht," erwiderte
Herr Burmeister rasch, „ich glaube
nämlich, daß das Haus Martens
große Verluste gehabt hat —"
.Das ist mir belannt," warf
Estella, ein wenig erleichtert, ein,
„mein Onlel in Kalkutta hat große
Summen eingebüßt, aber davon wird
ein Konsul Martens nicht erschüttert."
„An diesen Verlust habe ich zwar
auch gedacht", -suhr Burmeister fort,
„aber der ist es nicht allein. Seit
fünf Jahren i>i die Geschäftslage
verändert. Aus Indien hat das
Haus sich durch die ungeschickte Ge
schästspolitik Ihres Onkels hinaus
treiben lassen, und seitdem geht al
les über England. Sie sind gewiß
nicht in diese Verhältnisse eingeweiht.
Auch wollte ich nur Andeutungen
machen. Ich meine also, daß das
Haus seit mehreren Jahren gegen den-
Nied-rgang kämpft und daß der
sul seitdem wie ein Held ficht, um
seinen Posten zu verteidigen. Nichts
destoweniger kann eine schlechte Kon-
Estella saß einen Augenblick
sprachlos da. Es war, wie wenn
sich die Erde vor ihr geöffnet hätte.
In Sorglosigkeit und Reichtum auf
gewachsen, gewohnt, zu dem Vater
wie zu einem Turm, den kein Orkan
erschüttert, aufzusehen, vermochte sie
die Tragweite der Enthüllung Vur
rueisters gar nicht zu fassen. Im
nächsten Moment fühlte sie sich ver
sucht, über die Phantasien des ängst
lichen kleinen TeehändlerS hell her
auszulachen. Aber sein ernstes, be
sorgtes und von Mitgefühl erfülltes
Gesicht brachte sie wieder zur beklem
menden Wirklichkeit.
„Ich kann es nicht glauben, Herr
Burmeister", sagte sie fest, „mein
Vater, den ich täglich sehe, ist so
voll oon Tätigkeit und auch, mich
fassen meine Bemerkungen
durchaus richtig auf. Das freut
mich. Ich sage nicht, daß das Haus
Martens vor dem Ruin steht. Ich
schäfteS. Der Konsul ist wirklich der
Mann, einen Niedergang aufzuhal-
sich ängstlich machen zu las
sen. Was der Konsul gebraucht, ist
Ersatz der großen Kapitale, die das
indische Abenteuer gekostet hat. Zum
Teil hat dieser Ersatz schon stattge
funden, und ich .gehe so weit, zu
sagen, daß daS Geld nirgends sicherer
ist als beim Konsul."
„Aber ich verstehe nicht. waS
oi-se geschäftlichen Dinge mit mir
und meiner Wahl zu tun haben",
sagte Estella aus einem tiefen Nach
denken heraus, daS sie zwischen Furcht
und Hoffnung fortwährend hin und
her warf.
„Darauf komme ich jetzt. Sehen
Sie, genau weiß ich ei ja ich
daß Karl Kramer der stille Gesell
schafter Ihres Vaters ist. . ."
aus.
„Daß Kramer große Kapitalien in
das Haus Martens investiert hat
Und nun sehen Sie, mein liebes
Fräulein, wie begreiflich, wenn es sich
so verhält, der Wunsch des Kon
suls ist, die Hand seiner Tochter
dem Manne zu geben, den er nicht
nur wie einen Sohn liebt, sondern
an den er auch mit dem Wohl und
Webe seines Hauses geschäftlich ge
bunden ist. Das ist menschlich und
einwandfrei, um so mehr, da er wohl
der Meinung gewesen ist, seine Toch
ter liebe den Mann, den er sich zum
Schwiegersohn wünschte. Dies ist
alles, was ich Ihnen sagen wollte,
Ihre Schlüsse müssen Sie sich nun
selbst ziehen."
Frau Burmeister tätschelte besorgt
die Hand EstellaS. „Nu machen Sie
man nich so'n betretenes Gesicht,
Kind. Nu, w» Sie alles wissen,
denn mein Alter irrt sich so leicht
nicht, ist die ganze Geschichte ja nicht
mehr so schlimm. Sie sehen jetzt
klar, wo der Widerstand liegt. Wenn
Sie fest bleiben, wird sich der Konsul
wohl leicht mit Krämer auseinander
setzen. Der ist doch «in Prachtmensch.
Sie jetzt ebenfalls und lassen Sie sich
man nichts merken."
hinderte jedes Nachdenken. Als sie
Die Bank stand am Fuße einer
Hüllte und die Mittagsglut des Juli«
ten der weiten der die
Stadtteile Barmbeck und St. Georg
liegen, erhob sich über den Firsten,
wie der runde graue Rücken eines
des Zentralbahnhofes. Bom Rande
der Alster her zog mit dem Hauch
des Windes der Duft der Blumenan
lagen.
Langsam kehrte Estella die Samm
lung zurück. Der geheime Grund
schäs. des Baters beteiligt. Sie
kannte ihn. Jede Niedrigkeit lag ihm
fern. Er war ein großdenkender,
in seiner Art sogar bedeutender
Mensch. Offenbar aber wollte Bur
meiste? darauf anspielen, daß Kra-
Hand Estellas verweigert würde.
Diese Menschen kannten eben Karl
KraMer nicht und auch nicht den Va
ter. Was die geschäftliche Lage an
betraf so war anzunehmen, daß der
schüttelte Estellu den Alp, der sie
gen.
4. Kapitel.
den Fluten der Alster spielten sich
Haus klangen die Weisen der Musik
über das Wasser hin. Der Abend
frieden senite seine Fittiche auf das
nichts zu bemerken.
Und doch hatten sich seit dem stil
len Derby, draußen in der Welt dro
sierten Welt kein Zeitungsblatt er-
Waffen geliefert, serbische Politiker
den Arm des Mörders geleitet.
War es möglich, daß Oesterreich den
Macht sich schützend vor die Mörder
stellen mochte, sc.lls Oesterreich Sllh-
Heutz giN'i es wie ein erstes
Welt hin. Der Telegraph verbreitete
die Kunde, daß Oesterreich dem klas
nach dem Balkan, und die Denken
wie wir alle wissen. 810 ß schweigen
de» fühlten schon instinktiv die her-
«nnahMibi Gefahr eines europäischen
Brandes.
Der Gesellschaft im Hause Mar
auch hier. Balkontüren und Fenster
standen weit offen. Kühle Abendluft
strömte herein, von fern klang deut
lich die Musik Heitere Gespräche
über hamburgische Anlegenheiten
würzten das Mahl? man sprach über
Kunst und Wissenschaft und auch ein
wenig über kaufmännische Aussich
ten und Probleme.
Als sich aber die. Gesellschaft in
den Nauchfalon begab, griff das Ge
spräch sofort adf die Politik über,
die im Grunde doch alle Teilnehmer
beherrschte. Aber alle ausgesproche
nen Gedanken bewegten sich gleich
sam nur in der Theorie; aus Fra
gen und Antworten stieg der Zwist
Oesterreichs mit Serbien nur wie ein
packendes Schauspiel empor, dessen
unbekannter Ausgang Teilnahme
und Spannung erzeugt; ernste Ver
wicklungen der Völker schienen in wei
ter, weiter Ferne, fast im Bereiche der
Unmöglichkeit zu liegen.
„Merkwürdig ist es", sagte der
Konsul, „daß es Leute gibt, die aus
dem Streit Oesterreichs mit Ser
bien schon einen Völkerkrieg heraus
wachsen sehen. Ich halte dieses
Schreckbild für töricht. Der Welt
verkehr blüht, wie er nie zuvor ge
blüht hat, die Wissenschaft hat
Brücken von Volk zu Volk geschla
gen, auch wir Kaufleute haben an
dem Ausgleich der nationalen Ge
gensätze kräftig mitgearbeitet, zu
England stehen wir neuerdings in
den freundschaftlichsten Beziehungen
es scheint mir unmöglich, daß die
Regierenden so mit Torheit und
Blindheit geschlagen sein sollten, die
Errungenschaften der Weltkultur
preiszugeben. Und aus welchem
Grunde? Um Serbien zu schützen,
das man ganz voiz du Karte Europas
wegwischen sollte, um endlich Frie
den im Hause zu haben?"
Der alte Professor Wohlwill, sei
nes Zeichens Direktor eines wichti
gen hamburgischen Staatsinstituts,
„Lieber Konsul, erlauben Sie mir,
zu sagen, daß Ihre Auffassung von
der großen Politik keinen Bestand
droht ist."
Herbert Martens schob seinen Ses
sel in die Nähe des alten Gelehrten
und sah ihn gespannt an. „Bitte,
ist das Leben, die Größe und Ge
fahr eines zentralen Landes, sagt
unser trefflicher Ratzel. Für Deutsch
land liegt in seiner mittleren nach
menzuroffen und durch unablässig«
Arocit seine Stelle in der Welt zu
behaupten oder zerdrückt zu werden,
ein trefflicher politischer Geogrc<?h,
als er 1888 im Reichstage etwa daS
bis jetzt noch fehlt." So etwa sprach
Bismarck."
w s-hg ' ' Ar
von beiden Seiten entladen. Ein
Funke, wie er jetzt zwischen Oester
reich und Serbien glimmt, kann die
drohte England seine Hand dazu
leiht, wai ich mit Rücksicht auf unsre
»erehrte Wirtin aber nicht annehme»
möchte."
Frau Konsul Martens lächelte.
..In diesem Augenblick et
mir unmöglich, daß England sich ge
gen Deutschland erbeben könnte",
sagte sie. „Dir Engländer sind eine
ritterliche Nation, sie werden Oester
reich nicht in den Arm fallen, wenn
es den feigen Mord an seinem
Thronerben rächen will."
Neben der Hausfrau faß ein hoch
gewachsener blonder Herr, ein wah
rer Hüne an Gestalt. Sein schönes
Gesicht, mit den blauen Augen und
dem hellen Schnurrbart drückte Ener
gie und Freimut aus. „In diesem
gastlichen Hause genießt man den
Vorzug", bemerkte er in heiterem
>Tone, „daß man seine Gedanken of
fen aussprechen darf. Ich fühle mich,
meine verehrte Frau Konsul, der
Engländer nicht so sicher, wie ritter
lich der einzeln- Brite auch sein mag.
Die Engländer sind ein Hondelsvolk
und sie empfinden es schwer, daß
sie einen großen Teil ihrer Märkte
an Deutschland verloren haben, auch
sehen sie scheel auf unS.weil die deut
sche Industrie die ihrige überholt, die
deutsche Technik die englische geschla
gen hat. An eine friedliche Lösuirz
dieser Gegensätze glaube ich nicht.
Einmal wird und muß es zum Ent
scheidungskampf kommen. Es ist
lein Zufall, daß wir die größte
Schiffahrtsgesellschaft der Welt be
sitzen, es ist kein Zufall, daß wir
die größten O-eanriesen gebaut ha
ben, kein Zufall, daß es in Deutsch
land keine Analphabeten gibt, kein
Zufall, daß genug, alles das
und noch viel mehr ist in unsrer
völkischen Ueberlegenheit begründet.
Das verzeiht uns England nie. Es
wird nicht warten, bis wir ihm seine
Herrschaft auf dem Weltmarkt ganz
entreißen. Im Bunde»mit Rußland
und Frankreich bedroht es uns of
fen und versteckt, und eines TageS
wird es den Anlaß sinden, den Streit
vom Zaun zu brechen."
„Laß gut sein. Karl", sagte Frau
Martens und legte die feine, kleine
Hand auf den Arm des jungen
Mannes, „ich kenne ja deine Abnei
gung gegen meine Landsleute. Au
überzeugst mich nicht. Nie mehr wird
es jetzt zu einem Krieg zwischen
England und Deutschland kommen,
beide Völker stehen zu hoch in der
Kultur; eher glaube ich noch -m
ein Bündnis in nicht allju ferner
Zeit. Käme ein solches zustande,
dann könnten die beiden Nationen
der ganzen Welt den Frieden diktie
ren."
Herbert Martens lachte. „Mutter,
du bist eine unverbesserliche Optimi
stin, soweit es die Beziehungen zwi
schen unsern britischen Vettern un>»
Himmelsbürgern, der Mensch beginnt
?u lernen, daß alle Mitmenschen
Brüder und Gefährten sind, gemein»
Estella, die in der Nähe der osfe
schienen aufgehoben. Eine ungeheure
zivilisatorische Arbeit wird geleistet.
Die Engländer, die den Löwenanteil
(Fortsetzung folgt).
Frommer Wunsch. Schu
sierlehrling: .Ach ick wollte, zwi-