Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 30, 1915, Image 3

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    Am ein Wort!
Originalrom-n e»h!n« Schad«
(14. Fortsetzung und Schluß.)
Sibylle hatte zuletzt in energischem
Tone gesprochen uni> Eva, die mit
wachsendem Jubel den Worten der
Schwester gelauscht hatte, schloß plötz
lich erbleichend die Augen: Das allzu
grelle Licht, das sich plötzlich über
die Nacht ihres Lebensweges ergos
sen, hatt« sie geblendet.
Sibylle schrie angstvoll auf und
umschlang Eva mit beiden Armen.
Da schlug diese schvA wieder die
Augen auf. Tränen rieselten über ihre
sein? An Nessels Seite wär« ich
zugrunde gegangen, niemals hätte ich
in dem Sumpf leben können, indem
er sich wohl fühlt. So aber bin ich
glücklich wunschlos glück-
Eva hatte ihre Hand auf der Silve
ster Lippen gepreßt. Noch heftiger
flössen ihre Tränen.
Das Gesicht an Sibylles Schul
zählte von dem Wiedersehen mit
Fritz Nessel im Hause der Verwand
ten, von ihrer heimlichen Verlobuno,
wie Fritz ihr geschworen, daß sie die
einzige sei, die ihn halten und ret
das Werl, das er inzwischen ge
schaffen und dessen Bollendung er
ihr eben durch diesen Brief ankün
digte.
Sibylle lächelte unwillkürlich bit
ter. „Worte, Evchen, nichts als
Worte! Dasselbe hat er mir hun
dertmal gesagt und doch nie vi«
.Aber dieswal Brief
Und Sibylle las. Zornesglut und
dennoch tiefe Befriedigung flammten
in ihren sanften Augen auf. Ein-»
Moment. zögerte sie und überlegte,
ob sie Eva das Lesen des Briefes
nicht ersparen sollte. Dann aber
hielt sie es doch sür besser, ihn ihr
zu geben, um sie erkennen zu lassen,
wer der Mann war, dem sie sich
Halb erschrocken, halb entsetz:
starrte Eva auf die wenigen Zeilen,
deren unregelmäßiger, unsichere:
Schrift man die Verfassung ansah,
in ver sich der Schreiber befunden
hatte.
„Liebe Eva, süßeste, holdeste Jung-
Es ist nichts, mein Kind, gib mich
aus! Der Rettungsversuch ist miß
glückt, aber das Leben ist auch so
Diesmal habe ich bei dem, wa>
ich ihr geraten, Rücksichten auf dich
genommen, du holdes, rotlockiges
Heinrich gen. Fritz
Und Eva vergoß wirklich Tränen,
Tränen aufrichtigen Mitgefühls
und Dankes.
„Schade ist es doch um ihn, Si
bylle. Wen» du da? Grabmal auf
Inges Grab gesehen hättest!"
Sibylle nickte ernst und schwei
gend. Auch sie empfand keinen Haß
gegen den Mann, der einst ihre Ju
gend zerstört, der Eva Kummer be
reitet hatte und der sie zuletzt nrch
beide mit Hohn und Spott über
schiittete. Sic tonnte ihn nur bedau
rn. Gerichtet hatte er sich selbst.
Aber froh war sie, unmenschlich
froh, nun endlich den Schlüssel für
Evas sonderbares Benehmen gefun
den zu haben.
Sinnend blickte sie auf das junzc
Mädchen nieder, dessen Gesicht, zwar
noch schmal und blaß von der Krank
heit, einen Ausdruck der Erleichte
rung zeigte, aber keine Freude ver
riet.
Dafür aber zuckte und leuchtete
es in Sibylles Augen. Allerhand
Gedanken und Pläne gingen ihr
durch den Kopf. Jetzt würde sie
Evas Geschick in ihre Hand neh
men, und sie hatte das sichere Ver-
Beruhigt ließ sie Eva letzt allein.
Den Brief Nessels aber nahm si
nnt sich. Damit sollte Eva sich nicht
weiter quälen.
unendlich erleichtert, aber
sindung stiller Wehmut beherrschte
sie auch jetzt den alten
Unten war sie ja auch jetzt überall
im Wege, denn Sibylle hatte alle
Hände voll zu tun mit ihren Weih
nachtsvorbereitungen. Das sollte
ein frohes Fest werden! Auch Heinz
würde aus Berlin kommen. Die
junge Frau ging umher mit strah
lendem Lächeln und geheimnisvoll
leuchtenden Augen.
Im Grunde war Eva enttäuscht,
daß Sibylle nach der zwischen ihnen
Wort wieder auf die Angelegenheit
zurückkam. Jetzt wäre sie doch so
gern bereit gewesen, mit Sibylle zu
fertigt, beendet. Eva aber, welche
die ganze vorhergehende Zeit unge
nutzt hatte vorübergehen lassen, saß
gen Weihnachtsfest/ Wie schön war
es gewesen, trotz der Trauer um
Inge, denn da war Eberhard ge-
Jhr seines Gesichlchcn strahlte,
ich. Erzähle mir lieber
was."
Hannchen nickte. Keinen Augen-
.Du hast Onkel Heinz wohl sehr
Neb?" fragte Eva.
um Licht anzuzünden. Nun zog sie
die Vorhänge zu und sagte: „Komm,
Hannchen, wir wollen uns jetzt an
den Tisch setzen, am Fenster ist es
dunkel."
Das Kind lachte. «Zu komisch
ist das, wenn es auf einmal dunkel
plötzlich empor. Ein Heller Freuden
schein ergoß sich über ihr Gesicht,
und die lichtlosen Augen aus die TL:
gerichtet, horchte sie gespannt hin
aus.
„Da sind sie, Eva, da ist Onlel
Heinz. Papa hat ihn mitgebracht,
hörst du?"
Eva mit. Solange schon, über ein
Jahr, hatte sie den Bruder nicht
gesehen. Eine warme Freude stieg
sie deutlich die Schrille da unten
und das Klirren des Säbels.
„Komm, Hannchen, wir wollen
hinuntergehen," sagte sie und legte
ihren Arm um die schmalen Schul
tern des Kindes.
Da kamen eilige Schritte die
"'s h
hinab, gerade in die Arme des Arn-
Halbdunkel des Flures stand.
Er küßte sie herzhaft, und schob
schob Eva vorwärts.
Noch eine zweite Gestalt, groß,
stattlich und breitschultrig, trat aus
chen!"
Wie betäubt blieb sie stehen und
fuhr sich mit der zitternden Hans
Da barg sie aufschluchzend ihr Ge
sicht an seiner Brust. Sprechen
konnte sie nicht, nicht sprechen und
nicht denken. Aber das war auch
überflüssig. Aus seinen Worten
hörte sie alles, was sie wissen muß
te, um wirklich an ihr Glück, ihr
übergroßes Glück, glauben zu kön
„Mein Evchen, mein kleiner Trotz
„O Eberhard!" Eva flüsterte es
beschämt. Eine Welt von demütiger
Hingabe lag in diesem einen Wort.
Da küßte er sie heiß und innig,
und seine Stimme klang ernst, als
er fortfuhr: „Ich weiß alles, Ev
chen, alles; weiß, daß ein einziges
Wort aus törichtem Mädchenmunv
fast das Glück zweier Menschen für
„Und du bist mir nicht böse,
zürnst mir nicht?" fragte sie zag
haft, noch immer zitternd in Furcht
sichere Gewähr für das Glück der
Zukunft. Wenn du schon dem unge
liebten Manne solches Opfer brin
gen wolltest, um ihn zu entschädigen,
wieviel mehr habe ich Ursache, aus
chelnd an. „Mein Leben gäbe ich
hin für dein Glück, Und ich hälte
es gegeben, ich wäre gestorben ohne
Da drohte er ihr lächelnd: „N'cht
so große Worte, Evchen! Man stirvt
nicht so leicht daran. Aber traurig
Und die uns vor diesem Schicksal
bewahrt hat, ist Sibylle. Darum
wollen wir jetzt auch zu ihr gehen,
Minuten später glückstrahlend um
den Hals fiel.
Da erfuhr Eva erst, wie alles
zugegangen, daß Sibylle gleich nay
vem Eintreffen von Nessels Brief
res Weihnachtsfest hatten die Wän
dort das Fest mit ihnen zu verle-
Das sagte alles. Tränen des
standen in Evas Au«
Eberhards Hals. „Der arme On
kel! Aber er soll wirklich eine Hei
mat bei uns finden, nicht wahr?"
setzte sie schalkhaft hinzu.
Urtier Fritz.
die Mitwelt unterhaltend. Diese Mit-
Fritz alltäglich von seiner ängstlichen
Mutter in die Schule gebracht und
wieder abgeholt wurde. Und das al
fien verleugnet und es zum minde
sten vermeidet, bei zufällige» Begeg
nungen Grüße mit ihnen auszutau
gänge untergruben ein für allemal
Rixens Ansehen bei dem jüngeren
Teil der Familie, und sogar die al
lere Generation zeigt- sich nicht ganz
frei von diesem Vorurteil.
diesem Wege an FritzenS Bildungs
gang nahm: Am liebsten würde sie
auch allen Schulstunden beigewohnt
haben, und mehr noch als diese lö
ste die dazwischenliegenden Pausen
Beklemmungen in ihr auS: „Zungen
können sich raufen" war ihre stän
dige Furcht, „und mein Junge ist
den etwaigen Einwand gegen ihre
Besorgnis zurück. Wenn Tante Min
chen nur der schrecklichen Möglichkeiten
gedachte, daß ihrem Jungen etwas be
gegnen könnten, so zog sich ihr run
des, rosiges Gesicht in tiefe Kummer
falten, mit denen es dann aufs Haar
einem verschrumpelten Vvrsdorfer
Apfel glich, der da? Frühjahr noch
erlebt hatte.
der Musterknabe v-rmochte in der Fa
selbst dem größten Nichtsnutz als Bei
spiel aufzustellen. Die Sonder
die seltsam von seinen lahren ab
stach. Kurz: Tante Minch-n und
Fritz konnte man alles eher, denn
Jedenfalls hatte Tante Minchen es
aufzubauen, der sich sonst
wi> ein glatter Pfad. Als Erbe eines
beträchtlichen Vermögens würde er sich
Seit zwei Jahren leitet Tante Min-
Mutter gesehen hätte. Er hotte
unsere Wett bedeutet hatte In fie
niehr fähig war, vergingen die ersten
Tage
Da erreichte uns am 8. August ein
der Sinn ihrer Mitteilung vorläufig
völlig dunkel, Onkel Gustav, der die
'eiden heimholen wollte, mußte auch
»ur. daß Tante Minchen nicht In Genf
war, und damit mußten wir unS be
gnügen.
Die ersten Schlachten waren ge
schlagen. Siege waren errungen, und
wieder wallten stolz die Fahnen, als
Tante Minchen eines Morgens in
unser Eßzimmer wankte, wo wir noch
aufgeregt in den letzte» Schlachtbe
richten schwelgten. Das war nicht
mehr das runde, rosige Tantchen, in
dessen Einbildung wilde Schrecknisse
einander ablösten. Es dauerte lange,
bis wir mußten, was sie so traurig
verändert: Fritz war weg, im Krieg
niemand wußte, wo. Aon wil
mer wieder unterbrechend,
te Minchen diese Kriegswochen vor
uns aus. Das heißt ihre Geschichte
Sem großen Ringen da draußen, von
dem Kamvf. der seinesgleichen sucht
in der Geschichte der Menschheit,
wußte Tante Minchen nichts. Und
doch hatte sie ihn 'n nächster Nähe
geschaut.
Nachdem Fritz heimlich in der
Nacht, die der Kriegserklärung folgte,
sie verlassen, in wenigen Zeilen ihr
gesagt, daß „er dabei sein müsse, wo
es um Deutschland« Ehre gehe", hatte
Tante Minchen die Spuren ihres
Jungen gesucht. Bcrgcbens. Allen
Hindernissen trotzend, war sie bis an
die westliche Grenze gereist. Irgend
wo mußte sie ihn sinoen, wähnte sie.
Wo man sie nicht weiterlassen wollte,
hatte sie sich zu den ersten Instanzen
führen lassen. Namen klangen von
ihrer müden Stimme gesprochen,
gleichgültig an unser Ohr, die da
mit fetten Lettern die Zeitungen ver
kündeten. Alle diese Helden hatte
Tante Minchen gesehen. Sie hatten
sucht. Doch von ihrem Jungen wnßte
reiner etwas. Es hätie nicht viel ge
fehlt, und Tante Minchen würde den
Siegeszug unserer Heere mitgemacht
haben. Doch was verschlug ihr das?
Sie rang die Hände und schluchzte:
„Mein armer Junge!" Wir er
fuhren dann, daß sie nur auf der
Durchreise zu uns gekommen sei
jetzt wolle sie ihren Fritz im Osten
suchen. Es gelang nur schwer, Tante
Minchen von ihrem Vorhaben abzu
bringen und sie vernünftigen Erwä
gungen zugänglich zu machen. Sie
blieb in Berlin und nahm jeden Mor
gen ihren Weg nach dem Kriegsmini
st-rium, um hier, »ach Fritz weiter«
zusorschen. Sie wurde der Schrecken
aller Beamten. Sie lernt« viele Leute
'ennen, die eine Sorge, ähnlich der
ihren, hierher führie. Das lenkt: sie
von ihrem Leid etwas ab, bis ein
.eid mehr mit dem Sohn. Etwas von
leiner Tapferkeit, von seiner Sieges
uiversicht schien auf sie übergegangen.
Als einer der ersten bekam Vetter
Fritz das Kreuz von Eisen, und Leut
nant ist er inzwischen auch geworden.
Tante Minchen hat sechs Ztricgsliiider
angenommen, hat mit ihnen Berge
von Wvllsachen gestrickt. Sie hat eine
Hemden und Wolldecken genäht wer
de». Sie findet uns lau i>. unserer
Tätigkeit und meint, wir könnten viel
mehr tun, und das Vaterland brauche
Veiter Fritz kam dann verwundet
her. Seine Mutter hat kaum ein
Aufhebens davon zewacht. Wir ha
ben den Better gesund gepflegt und
ihn stolz spazieren geführt. Der
Krieg hat ihn sehr vorteilhast verän
dert, oder haben wir ihn srüker nicht
gekannt? Niemand ahnte, wieviel
gesunder Humor > ihm steckte. On
lel Gustav behauptet allerdings, der
sei erst »n Schützengraben geboren,
ebenso wie der Krieg aus dem Jun
gen erst einen Menschen gemacht ha
be. Doch von allen Wundern, die
dieser Krieg gezeitigt hat, ist entschie
den Tante Minchen das „rößte: Das
sanfte Tantche», dem der Gedanke
an „rausen" einst Alpdruck verurjach
te, spricht vom Krieg und vom
Kriegshandwerk wie von etwas
Selbstverständlichem. Neulich hat sie der
Mutter eines ihrer Kriegskinder, die
verzagen wollte, weil sie lange ohne
Nachricht von ihrem Manne war, in
geharnischten Worten Mut zugespro
chen und ihr vorgestellt, was werden
I°l e. wenn a e verzagen wollten,««
Onlel Gustav sagt auch: das
arößte Wunder "dieses Krieges sei.
ungeachtet aller. Heldentaten, ganz
entschieden seine Schwester Wilhel
mine
Durch die Blume. „AU
lvir auf die Kosaken eindrangen,"
erzählte ein tapferer Landsturmmann
lüngst, „warfen sie sich zu Boden und
vinkten zum Zeichen, daß sie sich er
leben wollten, mit ihren Taschen
„So", fragte interessiert s?n
freund, „was für Taschentücher k< t
e» sie denn?"
»Fünf Finger!"
Einschränkung. Bater:
,Jst mein Junge ein offener Kopf?"
Lehrer: „Wenigstens bleibt nicht»