Um ein Wort! Originalroman ' flv.. Fortsetzung.) Beleidigt zuckte Alice die Amseln. nichts Gutes. So bemühte sie sich auszusetzen, und rührte gleichmütig in ihrer Kaffeetasse. Mühsam schleppte sich daS Ge such nicht wieder sehen lassen...^ 11. Kapitel. Inzwischen war es Sommer ge- Tage ungetrübtester Freude bereitet. Dann war ihr Interesse erlahmt; sie fuhr nur noch selten. Vorliebe für das Automobil erwacht. Er machte weite Fahrten, meist ganz ollein mit dem Chauffeur, den man engagiert hatte und der gleichzeitig mit dem Wagen eingetroffen war. Ernsts Schwiegervater dagegen wei gerte sich beharrlich, das Automobil zu benutzen. Muhte er über Land fahren, bat er lieber Eberhard, ihm seinen kleinen Jagdwagen zu leihen, und er ging jetzt sogar mit dem Plane nm, sich Wagen und Pferd zu be schaffen. Auch Eva mochte den großen, glän zend lackierten Kasten nicht. Er raubte ihr die Stimmung und störte den stillen Zauber der Gegend. Sie war jetzt wieder ruhiger geworden. Da Fritz Nessel so lange auf sich war ten ließ, hoffte sie im stillen, er würde xar nicht kommen.. Die Tante, die den Bildhauer nach wie vor zu has sen schien, hatte Eva auch mehr als «inmal anvertraut, daß sie der An sicht sei, er würde das Denkmal nie mals fertigstelle». Aber diesen Prophezeiungen zum Trotz kam es anders. Eines Mittags legte Alice freudestrahlend das Avis der Frachtsendung auf den Tisch. Das Denkmal war bereits angeloin wen und lagerte aus der Station. Der Schöpfer des Werkes aber wollte spätestens drei Tage später eintres- Alice hatte gleich wieder mit ihrem Manne einen heftigen Streit, in den sich auch der Vater mischte. Beide erklärten, heute nicht mehr Pserd und Wagen zur Verfügung stellen zu kön nen, um die Frachtsendung von der Station abzuholen. Alice aber konnte es nicht erwar ten, das Denkmal an Ort und Stelle zu sehen, und wie gewöhnlich setzte sie ihren Willen durch. Sie, die jetzt schon seit Wochen nicht mehr selbst am Grabe ihres Kindes gewe sen war, ging heute hin, um Platz zu schaffen für die Marmorfigur. Und während sie unbarmherzig die blühenden Blumen ausrupfte, die Eva in fürforgender Liebe zu de' kleinen roten Spielgefährtin gevflanzt strahlte ihr Gesicht. Kein Eva blieb dem Friedhof heute fern. In ihr war ein Bangen und Zagen, dessen sie vergebens Herr zu werden sucht?. Wenn sie doch vorher abge reist wäre! Ob sie jetzt noch den Onkel bitten sollte, sie fortzulassen? Aber nein, dann hätte man erst recht c>us allerhand Gedanken kommen kön nen. Alice sah sie ohnehin so son derbar feindselig und prüfend an, seitdem e5 feststand, daß Fritz Nessel »un wirklich kommen würde. Wohin sollte sie sich nur wenden! An wen sollte sie sich klammern in ihren ban gen Furcht! Aber vielleicht war es gar nicht so schlimm. Vielleicht hatte ?ritz Nessel sie längst vergessen, sie »nd Sibvlle, die er für treulos, hielt. Zwei Tage zögerte Eva, sich das Bildwerk da draußen anzusehen; so lange mied sie den Friedhof, den sie sonst täglich besucht hatte. Aber am dritten Tage, als Alice in dem neuen Automobil zur Station gefahren war, im Nessel abzuholen, nachdem sie init aller Sorgsalt ein Menü sür Abend zusammengestellt und da i'.itte es Eva nicht länger im Hause glitte»; sie war heimlich hinauSge schlichen und zum Kirchhof gewan dert. Da stand sie nun, beide Hände auf Brust gepreßt, und starrt« stau nend. von andächtiger Bewunderung L/ull«. guf das Wei.l. das M Reffes geschaffen hatte. E» war kein des Wortes. Nichts von der düsteren Majestät des Todes prägte sich in den Zügen des Marmorengels aus, der, hoch aufgerichtet, das Grsicht zum Himmel gewandt, dastand, vielmehr lag ein siegendes Lächeln darin. Mit der Rechten hatte der Engel das schlicht fließende Gewand gerafft, und die Linke schien Mohnbliiten, große, weit geöffnete Blüten, auf die tieine Schläfer!» da unten zu streuen. Das war echte Kunst! Sie fühlte es erschauernd, ebenso wie damals in weglich. Die bange Furcht in ihrem Innern löste sich. Wer das geschaf fen, konnte kein schlechter Mensch lein. Vielleicht schlummerte das Gute in ihm nur uikd würde sich wieder durchringen mit der Zeit. Ohne daß sie selbst es wußte, lie fen hellen Tränen über die rnd von den Blume», die Alice aus gerissen, grub sie die schönsten wieder ein. Noch einmal strich sie sast zärt ging sie. Jetzt mußte Ressel längst da sein, und sie sreute sich, dem Manne die Hand drücken zu dürfen, der daS Kunstwerk auf Inges Grab geschas sen hatte. Empfange des Freundes zu schmücken, hatte Eva, ehe sie das Haus verließ, ihr ältestes und schlechtestes schwarzes Wollkleid angezogen, dessen Aermel an den Nähten schon bedenklich glänz- Nessel war doch aus alle Fälle Gast ces leises, selbstgefälliges Lachen. Sie gehabt? Unwillkürlich schauderte sie zurück. Nessels Gesicht war gedunsen. Die Augen lagen tief in ven Höhlen und Jetzt richtete Nessel den trüben stcn Staunens Platz. Nun huschte sogar etwas wie Wiedersehenssreude „Eva! Das also ist die kleine Eva v. Treubnitz, so hat sie sich her ausgemacht!" Er nahm ungeniert ihre beiden Hände und wiegte sie daran hin und her, als wolle er ihr Bild von allen Seiten in sich aufnehmen. „Potzblitz, Sie sind ja eine kleine Schönheit geworden, Fräulein Eva! Aber das ändert nichts an unserer alten Freundschaft, oder sind Sie jetzt zu stolz, einen armen Künstler Ih ren Freund zu nennen?" Evas Gesicht hatte sich leicht gerö tet. Nun schlug sie ernst den Blick zu ihm auf. Gewaltsam suchte sie die sie draußen aus dem Friedhos vor seinem Werke gehabt, und schal l tete den Eindruck, den seine Reden .Wenn Ihnen an der Freundschaft eines unbedeutenden' Mädchens etwas gelegen ist, so will ich gern Ihre Freundin sein," sagte sie. Alice hatte eisersüchtig dieses Wie dersehen beobachtet. Nun ließ sie den beiden nicht länger Zeit, ihre Gedanken auszutauschen. „Siehst du, Herr Ressel ist ent zückt von den stimmungsvollen Räu men, die ich da oben g-schafken habe", lies sie triumphierend. „Wir werden wundervolle Stunden dort verleben." Tante Franziska machte ein miß gelauntes Gesicht. Trotzdem gab sie sich alle Mühe, ihre Abneigung ge gen den unwillkommenen Gast zu ver bergen Diesmal war sie ganz und gar nicht mit Alice einverstanden, die sich gleich in ersten Stunde die krampfhafteste Mühe gab, dem Bild hauer die Zusage abzuringen, daß er lange hier bleiben würde. „Sie glauben nicht, lieber Freund, wie wohltätig die Thüringer Lust auf kranke Nerven wirkt. DaS ist es ja, was mich aus dem Berliner Treiben man neugestärkt da draußen den Kampf gegen Unwissenheit und Vor urteile ausnehmen, obgleich...." Alice brach ab. Sie hatte einen zornigen Blick ihres Vaters ausge sangen, der sich inzwischen eingefun den hatte und, wie es schien, eben d:m Ankömmling war. Geschickt sprang Alice auf ein an deres Thema über. Sie plauderte unaufhörlich, in einer gewissen ner vösen Erregung, richtete ihre Worte i ber einzig und ausschließlich an den Bildhauer, der ihr seinerseits nicht ganz die Aufmerksamkeit schenkte, die sie wohl von ihm erwartete. Fortwährend sah Alice, wie Ressel seine Blicke schräg hinübersandte nach dem unteren Ende der Tafel, wo Eva still und versonnen auf ihrem Platze saß, die aufgetragenen Speisen kaum berührend. gen Mädchen durch den Kopf, die wi dersprechendsten Empfindungen be wegten sie. Vor allem aber spürte sie eine gewisse Erleichterung: Fritz Ressel hatte sie nur als Freund be grüßt und mit keinem Wort verra ten, daß er sich ihr gegenüber einmal enders ausgesprochen. Wahrscheinlich hatte er die kleine Episode von da mals vergessen. Wenn ihr Ihre Gedanken rissen jäh ab, als sie Nessels dunkle, stechende Augen fest auf sich gerichtet fühlte. Der Bildhauer ließ Alices Frage, die sie eben an ihn stellte, unbeant- Er fragte sie nach dem Heimat städtchen, nach Sibylle und deren Gatten, den er ebenfalls, wenn auch nur flüchtig, kannte. Er lobte den Doktor sehr. Aber Eva war sich doch nicht klar, ob diese Ruhe, die er dabei zur Schau trug, nicht doch eine erkünstelte sei, ob seine Stimme nicht bebte, als er Sibylles Namen aussprach. Das klare Urteil war ihr abhanden gekommen, denn sie zitterte innerlich selbst und nur me chanisch antwortete sie. Viel wußte sie ja auch nichi: sie Dann begann Nessel, jäh über springend, von seinem Berliner Lebe» zu erzählen: planlos, alles durchein > nder, aber er war ein gewandter und geistvoller Plauderer, und Alice sah sich stolz im Kreise um. „Ist das nun ein Man», wert, mein Freund zu sein?" schienen ihre Au- Sie hotte schmachtend den Kops zur Seite geneigt, um keines seiner Worte zu verlieren. Eva aber fühlte, daß nn Grunde all seine Worte nur ihr galten, daß er sie blcnden und ver wirren wollte. Aber es gelang ihm nicht. Sie war nichi recht bei der Sache; sie mußte an einen anderen denken, der so oft schon auf demsel ben Platze gesessen, den jetzt Nessel einnahm, dessen Unterhaltung nich! einem prasselnden, sunkensprübenden »euerwerk glich, dafür aber desto tieferes, ehrlicheres Empfinden ver riet. dessen Worte und der ruhige Klang der Stimme solch eine wohl iliende Wirkung aus sie ausgeübt während Nessels Geplauder ihr Kops schmerzen verursachte. Die anderen alle waren Hinzens sen, sogar Ernst wurde lebhaft. Und daß Eva kein !Wrt sprach, daü schien den Gast zu immer neuen Anstrengungen zu ' verleiten. Er wählte seine Worte nicht mehr. Er trank hastig und kam auf Themen, die hier in dem altmodischen Bnr gerhause in Gegenwart eines jun gen Mädchens nicht recht am Platze Der Fabrikherr hatte die buschi gen Augenbrauen finster zusninnxn gezogen und Frau Franziska hatt: sich schon ein parmal geräuspert und Alice bedeutsame Blicke zugeworfen. Die junge Frau ärgerte sich über die „Prüderie"" »er Ihren. Um aber nicht gleich am ersten Zage einen Zwischenfall hervorzurufen, er hob sie sich und schlug vor, nach oben in das Musikzimmer zu ge hen. Sie wollte dort ein paar Stücke aus der Harfe vortragen. Dies Instrument hatte sie auf Nes sels Anraten in Berlin erlernt und sich in der Zwischenzeit fleißig dar aus geübt. Alle, mit Ausnahme des alten Herrn, begaben sich nach oben, wo wählte ihren Platz im Hintergrunde des Zimmers, und Fritz Ressel, der anfangs neben Alice gestanden hat „Haben Sie mich denn wirklich so ganz vergessen, kleine Eva?" fragte er flüsternd. Das junge Mädchen rang eine Weile nach Worten. Sie fühlte, nun kam die Entscheidung. Ihre Stimme zitterte, als sie antwortete: „Ich habe Sie niemals vergessen." „Und doch behandeln Sie mich so schlecht. Wissen Sie denn, Eva, weshalb ich hierhergekommen bin?" „Als Alices Freund." Das hämische Lächeln, daS in seinen Mundwinkeln sestgefrcren schien, verstärkte sich. „Ach nein, die heilige Cäcilie konnte mich nicht reizen. Sehen Sie sie an, sieht sie nicht ganz so aus, wie ein Zerrbild dieser Musikheili gen?" Ein übermütiges Flackern trat in seine dunklen Augen und ließ ihn plötzlich jünger erscheinen. Eva „Sie wissen ganz genau, daß Sie Alice zu all diesen Anstrengungen veranlaßt haben. Warum taten Sie das, wenn Sie sich nun darüber lu stig machen?" Er behielt sein überlegenes Lä cheln bei. „Das verstehen Sie nicht, kleine Eva. Aber ich will mich bemühen, !s Ihnen zu erklären. Sehen Sie, wenn einem auf dem öden Lebens wege solch ein Wesen begegnet, wie Ihre Cousine, wirklich intelligent, etwas über den Durchschnitt hinaus ragend, sein Können und seine Klugheit aber selbst weit überschät zend, und man spürt, daß man über dieses Wesen, das einen im Innersten vollkommen kalt läßt, Macht hat, da treibt es einen, diese Macht auszukosten. So ging es mir, als ich Frau Alire kennen lernte. Sie schmach tete mich an vom ersten Augenblicke, wo wir uns gesehen. Das wäre nichts Besonderes gewesen. Das Be sondere war nur, daß sie so ganz anders war, als die übrigen, die mir ihre Gefühle auf dem Präsen tierteller entgegenbrachten. Sie wäre wahrscheinlich empört ausgefahren, men die natürlichen Schlüsse gezogen hätte. Dazu aber verleitete mich auch nichts, dank der absoluten kör perlichen Reizlosigkeit der fischblüti gen, gelehrten Dame. ihr, verleitete sie zu tpusend Toll heiten. Ich pflichtete ihr bei, wen» sie behauptete, daß der wahre Ä-nuß des Lebens, das wahre Glück nur in geistiger Gemeinschaft' zweier ideal gesinnter Seelen von überfei ner Kultur bestehe. Den Ecsolg sehen Sie, Evchen." Er hatte, dicht hinter Eva ste hend, die Worte leise hervorgestoßen, so daß sie dieselben ruhig über sich ergehen lassen mußte, wenn sie nicht Alices Vortrag stören wollte. Nun aber beugte er sich so tief herab, daß sein Atem ihr Gesicht streifte. „Wir beide wissen es anders und besser, nicht wahr, Eva? Sie ha ben mich nicht vergessen. Sie einem schrillen Akkord ab. Sie warf einen mißtrauischen Blick auf Nessel und Eva. sehr blaß. Nessels Worte hatten Abscheu und Empörung in ihr er weckt, sie gewann es nicht übe' sich, länger in seiner Gesellschaft zu bleiben. „Ich habe Kopfschmerzen, du ent schuldigst mich wohl, Alice, aber ich möchte mich zurückziehen," bat sie. für sie gemütlich, wo sie den Freund ganz für sich hatte. Die Mutter zählte nicht, die saß still-bescheiden in ihrem Sessel und nickte woh! gar längst gelangweilt hinausgegangen. Eva hatte zum Abschied Tante und Cousine die Hand gereicht, >sen so Resse!. Bevor er aber noch recht zufassen konnte, war sie bereits wie sah, selbstsicher und siegesgewiß. Nessel hatte Eva nicht ganz die Wahrheit gesagte Nicht einzig der Wunsch, sie wiederzusehen, ha«!e ihn hierhergelockt, sondern er wußte in Berlin nicht recht, waS er mit sich setzt im Sommer anfangen sollte. Dazu Alices ständiges Drängen und eine gewisse Neugierde, das kleine rotlockige Mädchen wiederzusehen, an das er stets dachte, wenn er sich einer bitteren Erfahrung in seinem Le ben erinnerte, die ihm doch höllisch nahe gegangen war. Sibylle v. Treubnitz hatte ir in seiner Erinnerung auszulöschen ge sucht. wenngleich sich die „holde, törichte Jugendeselei". wie er seine einstig- Liebe zu Sibylle jetzt selbst bezeichnete, nur schwer vergessen ließ. Wie oft noch jetzt, wenn er irgend etwas getan, dessen sein bes seres Selbst sich schämte, sah er Sibylle vor sich, Sibylle mit dem vornehm-schmalen Gesicht, den ern sten, dunklen Augen, und sah, wie sich ihre feiiien Lippen schmerzvoll zusammenpreßten. Aber schnell verscheuchte er dieses Bild, und dann fiel ihm gewöhnlich Eva ein, die kleine Eva, wie er sie damals in den sonnigen Frühlingstagen aus dem Friedhos gesehen, in ihrer Huden, süßen Kindlichkeit, mit der andäch stellte Eva aus Schritt und Tritt recht. Zu Alices Verzweiflung ver stieß er jetzt selbst gegen die Grund sätze, die er ihr in Berlin gepredigt Die frische Luft, die er hie/genoß, die kräftigen, regelmäßigen Mahl zeiten und das ruhige Leben wirkten Wunder. Das Gedunsene in sei nen Züge» verschwand, sein unsterer Blick wurde ruhiger und sein blei ches Gesicht bräunte sich. nachlief und alle feine Grundsätze sehr Ressel hinter Eva her wa'. Eva dagegen lag nichts ferner als das. Sie wich Fritz Nessel aus', wo sie nur konnte. Wohl freute sie Nößem ganzes Herz, ihre Noch nicht ein einziges Mal war Gast in der Billa weilte. Ob er sich absichtlich, fernhielt? Eva grü schmerzte. Sie hatte überhaupt ietzt so viel zu denken, zu überlegen. Dazu aber mußte sie allein sein. Sie stahl sich aus dem Hause, wann sie konnte, und lief in den tung nach der Oberförsterei zu. Vielleicht schlummerte in ihr der Wunsch. Eberhard dort einmal zu Zuweilen fühlte sie sich ganz krank und elend. Wie sollte das alles enden! Daß Fritz Resse! seine An sie. Warum auch sollte sie ihn schließlich nicht heiraten? Daß er wirklich der Besserung fähig war, in Gesellschaft, darum ihn bewahren können, wenn sie seine Frau wurde. Und schließlich sie war es ihm ja schuldig! Immer aufs neue kam diese Ue berzeugung in ihr auf. Wenn sie sich nur nicht gar zu sehr vor ihm gegraut hätte, und wenn sie nicht immer an Eberhard hätte denkek müssen! Der aber hatte sie verges hatte. Aus Langeweile hatte er sich mit ihr beschäftigt. Nun war diese-'Laune vorüber. Eva weinte bittere Tränen, wenn sie das alles bedachte. So ging dkt Sommer vorbei, der Wald begann sich herbstlich zu sär-> ben, und Eva wurde immer trauri ger und mutloser. Lange konnte sie die Entscheidung nun nicht mehr auf sich warte» lassen. WaS aber sollte sie dann tun? 12. Kapitel. Aufseufzend sprach Alice endlich von der Abreise nach Berlin, und zu ihrer Befriedigung und Freude stimmte Nessel ihr zu. Auch in ihm begann sich die Sehnsucht nach dein gewohnten Leben zu regen; das Blut in seinen Adern pulsierte ungestüm. Eine Weile tonnte er dieses länd liche Idyll wohl ertragen, aber nicht auf die Dauer. Teilweise war er des Spiels mit Eva, die ihn gir zu deutlich ihre Abneigung siiblen ließ, schon überdrüssig. Er beschäf tigte sich jetzt wieder mehr init Alice, und schon begann Eva zu hojsen, daß er abreisen würde, ohne daS gesürchtete Wort gesprochen zu ha ben, und in dieser Hoffnung wurde sie achtloser, daß er sie leichter auf spüren und finden konnte. Und eines Nachmittags, als Eva eben wieder von dem' Friedhof kam, wo sie sich hingebend in die Schön heit des von Nessel geschaffenen Bildwerkes vertieft hatte, da begeg nete er ihr. Er war ernster als sonst und in nachdenklicher Stim „Wollien Sie wieder nach Haus«, Eva?" fragte er. Sie nickte. Da bat er sie, noch einen Spa ziergang mit ihm zu machen, und Eva willigte ein. Während sie nun schweigend eine Weile nebenein--.nder hergingen, mußte sie ihn betrachten, und wieder fiel es ihr schwer aufs Herz: Ein Mann, der das da drau ßen geschaffen, ein gottbegnadeter Künstler, der sollte zugrunde ge hen, weil ein dummes, kindisches Ge schöpf in einer albernen Aufwallung von Eifersucht ihn seines Haltes be raubt hatte. Tiefes Mitleid erwachte in ihrer Seele, und heute tat Nessel aus nahmsweise nichts, diese weiche Stimmung Evas durch einen seiner gewohnten zynischen Witze zu zer stören. Er selbst schien in merk würdiger Laune. Der leichtbedeckke Himmel, durch den die HeMscnne nur schwach und verschleiert hin durchdrang, die tiefe Stille rings um, einzig unterbrochen durch daS Rascheln der welkenden Blätter, schien schwer auf ihm zu lasten. In einer Lichtung machten sie halt und ließen sich nebeneinander auf einer moosbewachsenen Baum wurzel nieder, die hoch über den Erdboden hinausragte. „Nun ist das Spiel hier bald zu Ende. Es war doch eine schöne Zeit/chsagte er nun leise und nach- Eva nickte. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Da wandte er sich langsam ihr zu und sah den inneren Kampf, die Erregun?, die ihr Gesicht noch schöner erscheinen ließ, so daß es ihn wahrhaft srap- „Eva, liebe, kleine Eva," flüsterte er weich. „Wenn Sie doch immer bei mir wären! Sie haben einen besseren Menschen aus mir gemacht. Glauben Sie, ich hätte so lange hier ausgehalten, wenn Sie nicht wären? Ihnen ich es. daß ich gesund geworden bin, und das werde ich Ihnen nie vergessen.' Er hatte ihre Hand ergriffen, die widerstrebend in seiner Rechten zuck te. „Ach Eva, Sie wissen ja nicht, was Sie mir sind! Wie Sie mich ein anderer Mensch war, einer, d« sich nicht hätte schämen brauchen. Ihnen in die Augen zu sehen.. Wie Sie Sibylle gleichen!" setzte er träu inend hinzu. Augenscheinlich merkte er ihi? Er regung nicht. Er starrte vor sich hin. Sein Gesicht war ernst, fast finster. Nun nickte er, als ob er mit sich selbst spräche. „Ja. Sibylle, sie hätte mich hal recht!" (Fortsetzung folgt.)