Orplid, mein Land. . tloman von Erika Riedtcrg. I (12. Fortsetzung und Sch''ß.) I Ihr Glück! Dies reiche, gebefrohe ' Glück! Thordillens verschlossenes Gesicht ward weich, sein Herz ösfneie sich der . heiteren Schönheit des Lebens klang jetzt doch endlich durch sein . prunkvolles, kaltes Haus Kinderju- , bel, Kinderlachen. Er mußte lächeln, wenn er an die Verblüffung seines ganzen Kreises , dachte, damals, nls sie nach einer , stillen Trauung einfach die Vermäh- lungsanzeigen verschickten. Aber nach dem ersten Erstaunen nahm man die neue Frau Konsul mit all der Rücksicht aufrichtigen schwerblütigen, etwas steifen Men schenschlag die spielerisch liebenswür dige Gewandtheit ersetzt. Schließlich wunderte man sich nur noch, daß diese so außerordentlich vernünftige und natürliche Heirat nicht schon früher zustande gekommen war. Nur Senator Damner äußerte sich mit keinem Wort. Gleich nachdem Thordiklens von ihrer kurzen Reis, mit Sigrids beiden Knaben zurück gekehrt waren, verschwand er unauf. fällig für einige Zeit. Im Auslan de sollte er sein. Man zuckte die Achseln. Warum solch« Heimlichkeit? Auslandreise, das war doch wirklich kein Ereignis bei einem Kaufherrn. Komisch, so zu verschwinden. Und wieder wußte niemand, daß Thvrdikken und sein alter Freund vorher eine Aussprache gehabt, die mit einem guten, aufrichtigen Blick und zuverlässigem, festem Händedruck geendigt hatte. Der flotte Damner war nach die ser Unterredung ein bißchen erstaunt gewesen. Seine gerechte Empörung, mit der er sich innerlich und äußer lich drapiert gehabt, war unter Thordikkens Worten sachte und sicher von ihm abgefallen. Dieser Mann hatte eine Art! Ernst und offen sprach er, eine For derung der Freundespflicht erfüllend, aber keinen Strich weiter, kein Wort mehr, als er für angemessen und Streng blieb er in selbstgesteckten Grenzen und wies damit unmerklich auch dem andern die seinen an. Vor einem Manne, der die Recht schaffenheit und Aufrichtigkeit in Person ist, mag niemand verbissen schen uns und wird sich schon zu gegenseitiger Zufriedenheit ent wickeln." Sigrid hatte Herzklopfen. Unter der Glashalle lagerte Schwüle. Koh lendunst, von keinem Lüftchen fort geweht, erschwerte das Atmen. Sie ging so schnell auf und ab, als habe sie sich arg verspätet und war doch viel zu früh gekommen. Nun pfiff der Zug. Noch fern wie ein wilder, triumphierender Schrei klang's. Und nun rollte er Hern« Sigrid lief ihm entgegen, neben ihm her gleich an einem der ersten Wagenfenfter sah sie Mal ves Gesicht. Sie riß die Tür auf eine Mi nute hielten sie sich fest umschlungen, dann sagte Sigrid nichts als: „Komm!" und zog sie mit sich fort zu einem andern Perron. ihnen Selbstbeherrschung auf. Sie saßen und hielten sich bei den Händen und nickten einander zu in fuhren vom Bahnhos nach dem Ha sen viel zu früh, viel zu früh. .Ich Halt's nicht aus im Haus, in den Straßen. Laß uns zum Ha sen! Wenn ich das Wasser seh', er trag ich's leichter", bat Malve. Nun gingen sie dort auf und ab. Warmer Wind strich über ihre Ge sichter. DaS weite Wasser blinkerte und flimmerte. In ungeheurer Höhe und Weite spannte sich der Himmel. Durch sein tiefes Blau jagten ein zelne weiße Wolken, schnell, immer fort wechselnd und so den oberen endlosen Raum in ständiger Bewe gung haltend, wie es drunten das rastlose Wasser tat. Ueberwältigt von unaussprechli chen Gefühlen stand Malve. Ihr war, als wachse und dehne sich niegeahnte Kraft in ihr. Wie ihr Auge ungemessene Räume zu umfassen schien, so war ihre Seele in heiliger, dankbarer Andacht Und dabei eine so wundervolle, rein irdische Freud? an der Sonne, dem Waffer, der wonnig weichen, schönen Welt. sie und winkte mit der Hand, als g.üße sie das eigene Glück, des Schöpfers Liebe in Wolken, Wind lind Wasser. Und dann glitt sie auf der flim- l mernden Flut heran, die »Marie- l Liuife", das stolze Schiff. Nun war der Oktober da und mit ihm Malves Hochzeitstag. Wo war die Zeit geblieben, und woher hatte man die Kräfte genom men, um alles, die Aussteuer, die Umzüge zu bewältigen! Hältnisse, Deutschlands .Aussichten Malve den Umfang der unendlichen Mühseligkeiten und Gefahren, mit denen er zu kämpfen gehabt. Erfuhr auch jetzt erst, daß er wie derholt monatelang todkrank im La zarett gelegen Typhus Klima« sieber. Gesicht. .Vor der Zukunft? Nein! Aber Schritt halten, Malve, das ist es' wie viel an Liebe und verschwiegener Aufopferung hatte der kleine Raum miterlebt! Heimat ruhte. An Doktor Grabauer, dessen fri sches Lachen so oft heimliche Sorge verscheucht, an seine getreue, stets be- Wie viel Gutes hatten sie hier ei chen: „Es ist alles gut geworden." Es klopfte. Die Tür ward zö gernd geöffnet Doktor Graba»» Er hielt einen prachtvollen Rosen strauß in der Hand und fragte un ruhig: „Sind Sie alles»?" .Ja!" Er trat ein, ging zu Frau von Bee len, gab ihr die Hand und den Strauß, nahm einen Stuhl und setzte sich neben sie. „Ich wollte Ihnen Lebewohl sa gen" ' Die alte Frau sah auf die Rsfen in ihrem Schoß und sah in das blasse Männergesicht und wußte so genau, wie weh ihm ums Herz war. l feine. Was sollte sie sagen? Wie > dankbar sie seine zuverlässige Freund schaft empfunden hatten, mußte er ' hundert- und hundertmal gefühlt ha ben aber Trost geben für sein l Leid —wer konnte das? Sie saßen so eine Weile nebeniin ° war, aus das Klavier, das, so mit t Jubel begrüßt, schönste Stunden ge schaffen hatte und nun verschlossen , wie olles, was so vertraut gewiten. , Nein er mußte gehen. Hier , hielt er's nicht aus. Schlapp wurde er und weich wie ein Schuljunge, den 112 das Heimweh plagt, s Er trug seinen Stuhl wieder an z ven Platz vor MalveS Tisch, z „Geben Sie ihr die Rosen!" Kr östnete die Tür. kam wieder zurück, küßte Frau von Beelen die Hand. „Und sagen Sie ihr ja, bitte, sagen Sie ihr ich wünschte ihr Glück." Hastig lief er die Straße entlang. „810 ß nicht mehr ihr begegnen! Sie jetzt noch wiedersehen? Nein, al les was recht ist. Tierquälerei ist verboten." Villa Thordikken trug ein Festkleid. Sigrid hatte nicht nachgelassen mit Bitten: „Kommt zu unS! Laßt mich euch das Hochzeitsfest lüften." Sie gaben schließlich nach. 'Wo sollt« auch sonst di« Feier sein? Hin-, nover war ausgeschlossen. Und in dem fremden Berlin? Alles im Hoiel? „Recht viele Blumen möchte ich ha ben und viel, viel Grün", bat Malve. Sie konnte nicht genug bekommen von des deutschen Herbstes Pracht. Und manchmal dachte sie: „Nach Eichen- und Buchenschaiten und nach Tannenrauschen bekomme ich, glaub' ich, Heimweh." Unten der große Gartensalon war in eine Kapelle umgewandelt. Kerzenlicht überstrahlte Lorbeer in Füll«. Di« Trauung sollt« im Hause sein. Es war so viel schöner für den klei nen Kreis nächster Angehöriger, als umzustehen. Und dann hier konn te auch Karsten dabei sein, ohne in seinem Fahrstuhl überflüssiges Mit- Adelheid kam aus Malves Zim fchied genommen. „Wir sagen uns jetzt Lebewohl. Später, nach dem Diner, kann ich's nicht", sagte Malve, zum ersten Male von der Trennung erschüttert. .Sie fiel plötzlich der Schwester mit hei ßem Aufschluchzen um den Hals. „Ich kann's überhaupt nicht, Heide! Dir nicht, nein, dir nicht! Wir Wol ken auseinander gehen, still und ge faßt ohne Abschied. Und vorher wollen wir fröhlich sein. Und Blu- Adelheid nickte ihr zu. Mit Lä immer wieder aufsteigenden Tränen. Wie lebte alles auf! Die Stunde, in der sie selbst in Kranz und Schleier gestanden, der Tag, an dem st ch sich "b d' St Fassung! Fassung! Im Festschmuck lag der Platz vor War für sie selbst denn schon al les vorbei? Alles mit Diether ms blasser daS Gesicht, die Gestalt da „Tante Adelheid, dars ich dir et was sagen? Jetzt gleich? Nachher, ich hab' Angst, dann ist kein« Zeit Adelheid sah sie gütig an. Wie viel reifer waren die zurten Züge. So rührend trugen sie den Stempel eines Erlebnisses. Sie kämpfte noch mit der Scheu, Verschwiegenes zu offenbaren, dann sagte sie, indes Röte und Blässe über ihr Gesicht gingen: „Ich wollte dich bitten, nimm mich mit nach Berlin!" Es klang wi« ein Flehen. Fest preßte sie die Handflächen aneinander und sah Adelheid mit brennenden Blicken an. „Ich möchte aufs Konservatorium. Ich will, ich muß mich ausbilden, i Ich kann hier nicht bleiben, Tante l Adelheid, glaub' es mir, ich muß l mal hinaus! Stunden kann ich hier - nehmen, gewiß, aber das ist nichts l Ordentliches. Vollständig ausbilden, . Examen machen. , DaS ist es. Das . Ziel, den Zwang muß iH haben, c Ein Studium soll cs sein, kein Zeit ! vertreib. Sieh, Sigrid ich darf i noch immer Sigrid sagen" fügte sie lächelnd hinzu „Sigrid hat > mich jetzt nicht nötig, und Papa auch nicht. Sie sind so glücklich. Karsten braucht mich auch nicht, seit Olaf Brüder, da sind. So überflüssig lauf ich herum und" Sie verstummte, erblassend Preßte sie die Lippen. Adelheid umfaßte sie. „Und kannst Paul Hollmann nicht vergessen. Ar mes Kind!" Sie standen eine Weile schweigend. Dann sprach Adelheid leise: „Mein Liebes, gräme dich nicht! Es war ein Mädchentraum, gewoben aus Mitleid und Begeisterung. Viel Schönes Hai er in dir geweckt, das immer dein Eigen, dein Reichtum bleibt. Vielleicht wird sich dieser Traum wie ein feiner, wehmütiger er glücklich." „Und aus dem Glück heraus starb er. Ist das nicht schön? Wenn er delt eine unsichtbare, aber unentwegte Begleiterin etwas Verlorenes, Be weintes. Liebe diese stille Wegge- Schwäche werden fühle stolz und sicher! Und deshalb, weil du das tust, weil du aus diesem einzig rech ten Wege, dem zur Tat, bist, will ich deiner Bitte eine Fürsprecher!« sein. Ich rede mit deinem Vater und ver bürge mich für den Erfolg. Du sollst in Berlin bei mir wohnen und Hans - Gebhard «ine Schwester sein. Und nun komm, «s ist Zeit!" Hinter Myrtengebüsch her vor durchzogen die Klänge eines Har moniums feierlich den Raum. Sie waren alle in dem KapeNen zimmer versammelt und blickten dem Brautpaar entgegen, das langsam durch die Zimmerflucht auf den Geist lichen zuschritt. Der Prediger erhob seine Stimm«. Die alten, ewigschönen Worte der biblischen Ruth sprach er, variierte Poesie. „Dein Volk ist mein Volk" „Dein Land ist mein Land!" Von der Sehnsucht aller nach dem Lande des Glücks, des Friedens reoete er. Und daß nur der recht lebt, der sein Leben zu einer Pilgerfahrt ma che nach diesem einzigen Lande. Welcher Text konnte passender für diese Trauung sein? Und fest und fester schlössen sich Bei Tisch hatte wirklich die Fröh lichkeit mit zu Gaste gesessen. Malve hatte Lachen um sich gehabt und Musik und viel .viel Blumen. Und als alle in Heiterkeit den drohenden Abschied vergessen zu ha- Adelheid kehrte nicht in den Fest um selige Gefilde. „Du bist Orplid. mein Land, Das ferne leuchtet" Wer von den vielen, die mit ganzer Seele suchte», kann am Ende seiner Tage sagen: „Ich hab' mein Lebensschiff an das ersehnte Gestade gesteuert." Wie viele? Und wer von ihnen, die heute hier versammelt waren, und von denen, die aus ihrer Miite schon fortgezogen, in unbekannt« Welten? Adelheid Beelen trocknete die Ab schiedstränen aus ihren Augen. Fest sprach sie zu sich selbst: „Mehr als suchen kann k«in Mmsch. So laßt unS denn suchen." «rltichtert» Ein englischer Naturforscher hielt in einer größeren englischen Stadt einen Vortrag, bei dem sich folgendes amüsantes, kleines Intermezzo ab spielte. Der Vortragende führte wiefene Tatsache, daß die Sonne all mählich ihre Hitze einbüßt, und daß diese Kraft im Verlaufe von 70 Millionen Jahren erschöpft sein wird, daß dann unser Erdball nach ten Sie, würden verstreichen, ehe die ses Unglück über uns hereinbricht?" „7