Ehrgtiz. Gestern abend waren sie von den Gerichtsserien zurückgekehrt! Eigent lich hätten sie noch zwei Tage länger bleiben dürfen, denn der Dienst des Landgerichtsrats Selling begann erst am Dienstag, und heute zeigte der kleine Wandkalender mit ausdringli chem Rot den festlichen Sonntag an. Aber sie hatten beide keine Ruhe mehr in der Ferne gehabt. Die Frau atmete wie erlöst auf, als ihr Mann endlich das befreiende Wort aussprach und der Landge richtsrat war überhaupt noch nicht zum Genuß der ihm so nötigen Ruhe gekommen. Jetzt saßen sie sich am heimatlichen «affeetifch gegenüber. Frau Lore hielt das feine, blasse Gesicht tief geneigt, als betrachte sie aufmerksam die Blüten, welche in dem weißen Linnen der Decke zu ihrem Willkommen erglänzten. In Wahr heit wollte sie nur hindern, daß ihr Gatte die dunklen Ringe unter ihren Augen gewahrte, welche die schlaflose Nacht verrieten. Wie entsetzlich lang waren ihr doch diese Stunden erschie nen, Ihr Herz hatte geklopft, ihre Hände gezittert, Hoffnung und >Grauen zugleich bebten in ihrer noch keine Gewißheit für sie und den Mann, den sie über alles liebte, ge schmiedet zu sein brauchte, das faltete sie. Mit kundigem Blick suchte Strafe herausgewachsen, Landge richtsrat Selling hätte eigentlich schon avancieren müssen. sie dctete. fielen die Worte: „Menzel hat die Stelle am Oberlandesgericht bekom men. Dieser Menzel, Lore. Du iweißt, daß ich ungern Nachteiliges ia ein volles Jahr in dem kleinen Städtchen an der Quilla als Assessor zugeteilt. Und wenn er sich selbst von ich? Nur, weil er das Glück hatte...." Die blasse Frau schrie auf. „Sprich es nicht aus, Werner! Ich weiß es auch so. Er hat es nicht wie Du verdient kann es nicht verdient haben. Unsere ganze Ju gend haben wir geopfert. Nur Arbeit meine ebenfalls, denn ich gehöre doch zu Dir. Nun sind wir alt und zer mürbt, unser Hoffen liegt zerbrochen. Unsere Freude am Leben ist dahin, weil unser Vertrauen verloren sein muß." Er stand wie ein Verbrecher vor ihr. „Und ich habe Dich mit in dies Leben hineingezogen, Lore, Dich, die blick nicht dagegen wehrin. Die ver warteten langen Tage, die gestorbenen Knospen und das junge, krause Grün, das vorzeitig welken mußte, schrien um Rache. Der Mann fuhr tonlos fort: „Dein Vater hatte recht, Lore, als er Dich mir Glicht geben wollte. Ich aber schwor damals, daß ich hoch hinaufsteigen wollte, um Dich zu ver dienen und um sein Vertrauen zu erringen. Nun ist dies daraus ge- Sie sah an ihm vorüber, immer noch unfähig, sich zu beherrschen. Die Tränen liefen ihr die Wangen herab. Er aber wußte nicht, weshalb sie weinte. Mutzte er nicht glauben, daß sie trauerte, weil er mit dem Siegel seiner Unfähigkeit weiter in der Oefsentlichkeit durch das Leben laufen würde? Ihr Weinen aber hatte einen ande ren Sinn. Es währte nicht lange, da hatte sie sich wieder in der Gewalt. Die Frau, die am Sterbebett des einzigen Kin des. das nach langen Jahren gekom men war, um schnell wieder von ihnen zu gehen, für den zerbrochenen Mann Trost und Kraft gehabt hatte, fand sich auch harten Stunde Er versuchte ein Lächeln und sagte gequält und hastig: „Ich will jetzt ein wenig Luft schöpfen, Lore, kommst Du mit mir?" Sonst hätte sie freudig bejaht. Heute war sie nicht imstande dazu. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Werner, ich habe im Hause Mutter. einst gefunden. Sie hatte nichts von Ehrgeiz und Kampf gewußt. Ihre Stellung als junge Amtsrichtersrau felte leinen Augenblick daran, daß er in eine gehobene Richterstelle einrücken werde, wenn die Zeit erfüllet war. tig wie dies leidenschaftliche Lieben des Berufes, dies willige Kaputtar beiten. ihrer Liebe ihn brauchte, hatte alle Blüten der Seele geknickt. Frau Lore dachte plötzlich an ihre Mutter. Sie sah das seine, al>e Ge sicht deutlich vor sich, erblickte das Lii- Ihr Euch versündigt?" hörte ihre überstürzte Rede scheinbar „Du willst also zu Deiner Mutter, Lore? Noch heute? Wie lange ge denkst Du zu bleiben?" „Nur zwei Tage, Werner." .Du solltest länger bleiben. Die Lust auf dem Lande tut Dir stets so gut." Platte Schutz und Halt. Seine hatte. Dies verzweifelte Streben lag sei ner offenen, klaren Natur eigentlich ganz fern. Nur um ihrer würdig zu und eine begeisterte Liebe zur Sache gewesen. Mehr nicht. Von dem sein geschliffenen. rücksichtslosen Degen, Glänzenkönnen und beiläufigen Ein fließenlassen hoher und höchster Gön ner wußte er auch noch in diesem Au- Landgerichtsrat Selling war stets ein ruhiger Mensch gewesen. Er überlegte auch jetzt alles, was die künftige Zeit noch für ihn haben könnte. Und es war sehr wenig, zu wenig, als daß er sich damit be ihn verachtete. Darum hatte das Leben jeden Wert für ihn verloren! sogleich abgehen, und während ihn die alte, treue Magd in den Kasten steckte, wollte er mit dem Zeitverkürzen be ginn-n. Es währte lange, ehe er diese Zei len fertig brachte. Schreibmappe auf, um sich des Lösch papiers zu bedienen, das Frau Lore sauber und reichlich darin vorrätig hielt. Dabei gewahrte er den Brief, den seine Frau an ihre Mutter be gann, ehe sie den Entschluß zu ihrer Reise gefaßt hatte. Hastig vertiefte er sich in seinen Inhalt. Was war das? Träumte er denn? Es konnte doch nicht möglich sein! Großer Gott nach all diesem Un glück dies grenzenlose, heiße, uner wartete Glück! Er stammelte ein paar Zeilen aus diesem Briefe halblaut vor sich hin. Immer wieder. „lch gräme mich ja nur so un beschreiblich, weil Werners ganzes Sinnen und Hoffen an diesem elen- und unbändig lieb, wie vor fünfzehn Jahren. Aber er hat seine Liebe über dem anderen. Schrecklichen, wohl schon lange vergessen " Landgerichtsrat Selling riß die Uhr aus der Tasche. Wenn er den nächsten Zug bekam, würde er fünf Stufen nach Lore bei der Mutter eintreffen. Die alte Magd schüttelte verständ nislos den Kops. Der Herr wollte nun auch wieder fort Ja, warum denn nur? Eine Antwort erhielt sie ebenso wenig wie der Geheime Justizrat Fleudenberg, der hilb schadensroh, hatte. „Jst es nicht empörend, Kollege, der Menzel Oberlandesgerichtsrat?" ersten Male. LiebesMUen noch gerade rechtzeitig sprengte. Ter humorvoll« «om>t«r. schließlich ganz aus. So kam es, daß der Komiker der Gesellschaft, der schon wochenlang aus Kosten fem er Endlich aber ging bei der Frau die Geduld zu Ende, und sie schrieb ihm in der kernigen und verständlichen Schulden zu bezahlen, da sie ihm, wenn er jetzt nicht zahle, keine Kost mehr geben werde. Da legte der hu morvolle Komiker, der alles schon ver setzt hatte, was er besaß, seine künstli chen Zähne auf den Tisch, und schüt telte den Staub der Kleinstadt von den Füßen, nachdem er einen Zettel zurückgelassen hatte, auf dem es hieß: Was ick noch habe, leg' ich her, Und weih' ihm meine letzte Träne. Du gabst mir nichts zum Beißen Zähne. e: ~Wa» Du da sagst, lieber Freund, ist alle ganz gut und schön, aber es paßt für den Durchschnitsmenschen: so ei ner bin ich nicht. Ich modele mir das Leben ganz nach meinem Geschmack, und ich habe gesunden, daß ich bisher nicht allzu schlecht dabei gefahren Salten zuckte die Schultern und sagte leichthin: „W«nn Du auf den wohlgemeinten Rat eines Freundes nichts gibst, gut, dann tu, was Du willst. Jedenfalls wünsche ich Dir alles Gute." „Und das kannst Du auch, lieber Freund!" rief Brenkendorff nun voll Enthusiasmus, „denn Du ahnst ja nicht, wie ich bis über beide Ohren oerliebt bin!" „Nun sag mit eins noch, wird denn Deine Liebe auch wirtlich erwi dert?" „Aber gewiß, mein Bester! Jutta ist so lieb und herzig zu mir, daß ich ein Herz von Stein haben müßte, um nicht weich zu werden!" Salten schüttelte bedächtig den Kopf: „Und was sagt Dein Sohn Egon nem Sohn ab." Wiederum zuckte Salten die Schul tern: „Dann kann ich nur meinen Glückwunsch wiederholen." „Herzlichen Dank!" Sie siillten die Gläser, stießen an und tranken auf eine hoffnungsfrohc Zukunft. war. Brenkendorff bekam wieder ein leises Unbehagen. „Was ist denn das nun schon wieder?" Und mit zit den Inhalt. Im nächsten Augenblick ließ er daS Papier sinken, preßte die Zähne zu — mit einem Schlage war alles ver nichtet! Dann knüllte er das Pa pier zusamnien, warf es in den Pa gen. und d" «"S Ge papa! Der Stammhalter ist angekom men! Alles wohl. Egon." Und dann wieder minutensänge« zu dem Freund. Er berührt ganz leise dessen Schulter und sagt mit leiser, weicher Stimme: „Glaub mir, lieber Freund, es ist besser so. Dies te. Jetzt eben erst war er aufgeweckt durch diese Depesche. so lang« war er blind im glücklichen Taumel papä. welch ein lächerliches Unter fangen. Nein! Nein! Jetzt war alles auS! Das fühlte er nun klar und deutlich. grau und trostlos ihn, sondern seinenn Neffen Herbert liebt«. Dieser Herbert, ein schmucker junger Offizier, aber war sein Mlln- Tage an aber wollte er niemals jün ger erscheinen, als er in Wirklichkeit war, im Gegenteil, er fing sogar an, „Sehen Sie, einem flotten Tur ner kann auf der Straße nie etwas passieren! Wenn Gefahr droht, setzt man mit einem eleganten Sprung hinweg und freut sich, daß man durch seine Gewandtheit der Tücke des Objekts entronnen ist!" indem Sie mich erhören. Fräulein: Werden Sie erst ein anderer Mensch, dann erhöre ich Sie vielleicht. Ein Idealist. Sie: »Sie sprechen von Heirat zwischen uns beiden, Herr Müller; ja bringt denn die Malerei soviel ein, daß Sie eine Frau ernähren können?" Er: ,O, ich denke, wir leben voi den Früchten, die ich zu meinen Stillleben als Modell gebrauche!" Widerspruch. „Ich sagt Dir, Max liebt mich ganz unheim lich" .Woran merkst Du das?" „Er hat sich ja schon mit mir heimlich verlobt." Verlorene Liebesmüh'. ü:?i!e! ! n > , » ! der in seiner Zerstreutheit das Hotel verläßt, ohne Trinkgelder zu geben): ,O, bitte, vergessen Sie uns nicht!' „Nein, nein, ich vergesse Sie nicht,