Mei»e Flucht. > Am nächsten Tage schon kam ein »rief meiner Mutter, ein lieber Brief. Z»tr weder Fragen stellte, noch Vor ivürfe machte. Nur Liebe und Sorge sprachen aus ihm. Er löste auch das Mäthsel, wie ich gefunden worden war. Räch langen Monaten des Wartens und Berathens waren die Menschen, »ie mich lieb hatten, auf den Gedan ken gekommen, ich könne in der Fremdenlegion sein. Die letzte Nach sicht stammte ja aus Belsort. Meine Mutter schrieb an den kommandiren- Z>en General der Festung und an das französische Kriegsministerium. Die Antwort ließ lange auf sich warten, ober schließlich brachte sie die Nach richt, ich sei in Sidi-bel-Abbes Soldat ser Fremdenlegion Legionär Num mer 17889. 'Mit jener Stande im Araberge sqngniß, die mir den ersten Brief brachte, begannen schwere Tage. Ich that meinen Dienst und meine Arbeit ivie eine Maschine, ich dachte an nichts ols an die Briefe, die mir die nächste bringen würde. Mit keinem Men schen sprach ich mehr und machte täg lich lange Spaziergänge in den stillen Aleen bei der Festungsmauer, um in deiner freien Zeit allein zu sein, schließlich beherrschte mich ein Ge danke völlig: Flucht! Wochenlang wanderten die Briefe Hm und her, und immer wieder brach- sie die flehentliche Bitte, Geduld zu haben. Ich müsse daran denken, daß alles Zukunftshoffen ein Ende Haben würde, wenn man mich als Deserteur ergriffe. Lieber noch Jahre Lang warten, als alles aufs Spiel setzen! Aber ich konnte nicht mehr! <Änes Tages brachte mir die Militär- Post wieder einen Brief meiner Mut ten Als ich ihn öffnete, hielt ich Bank- Händen... Das war die Freiheit! Wie im schritt ich über den Kasernen- Liebe in diesen Geldscheinen steckte! »vie schwer es der Mutter mit der kargen Wittwenpension geworden sein belxAbbes ließ es mir keine Ruhe Geld?" fragte er leise, .Za!' „Dann is' gut! Adieu Adi^u!" «ilte ich die Promenade entlang. Zum CrMt Lyonnais, der beim Place Garnot eine Filiale hatte, mußte ich Wechselgeschäst in der Bank am schnell sten und billigsten zu erledigen. Darin irrte ich mich. Der Beamte am Schal ter erklärte umständlich, daß er sie nach Paris schicken müsse. Natürlich war er nur gewinnsüchtig, wie ganz Sidi-bel- Abbes gewinnsüchtig ist und spekulirte darauf, eine möglichst hohe Provision zu berechnen. Er mochte denken, daß eS einem Legionär, der so glücklich war, Geld zu haben, auf einige Franken mehr oder weniger nicht ankomm^ meinem Regimentscommandeur dar über beschweren, daß die einzige Bank in Sidi-bel-Abbes einen einfachen Soldaten übervortheilte. Worauf die ser sonderbare Beamte einer weltbe rühmten Bank brummend meine Bank noten überzählte und xiir französisches Geld gab. Durch die hellerleuchteten Haupt straßen schlenderte ich, rechts und links Offiziere grüßend, dem Ghetto zu. Gleich in der ersten der engen Gassen begegnete ich einem alten Mann, der mir vielversprechend aussah. Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Eh. Civilkleider?" Der Jude hob den Zeigefinger in die Höhe: „Darf Legionär nichts verkaufen!" Ich drehte mich um und schritt lang sam weiter. Aber schon war er hin ter mir her: „Wieviel?" iFünfzic?!" aber nur, wenn es sehr schnell geht." Er blieb stehen, sah mich an und hielt mir die gekrümmte Hand hin? der Pantomime Sinn war klar: ich beruhigte ihn, indem ich ihm ein paar Goldstücke zeigte. Der Mann Israels nickte zufrieden und zog mich nach wenigen Schritten be. „Sarah!" rief mein Begleiter. Eine alte Frau kam mit schlürfen den Schritten aus einem Nebengemach und schleppte, als sie hörte, um was es sich handelte, einen Haufen Kleider ziemlich und natürlich wurde wieder geschachert. Fünfzig Francs wechsel ten ihren Besitzer. Dann gab ich ihm noch ein Gold kreischender Stimme zu zetern an. Ich brächte das Unglück über ihr Haus, das Geschäft sei abgeschlossen ich dürfe nicht länger im Hause bleiben! Es sei viel zu gefährlich! Nerven, und ich ging gerne. An der Ecke der Gasse wartete ich auf den Juden. In zehn Minuten war er zurück und meinte, für weitere zwan fllr zwanzig Francs darüber einen ausgezeichneten Revolver. Er bekam die Goldstücke. In kurzer Zeit kam Am Ende der nächsten Gasse be gann die Festungsmauer., Ich konnte sie von der Innenseite leicht ersteigen. Auf der Außenseite war die Entfer nung zum Boden ziemlich groß, aber beim Sprung die Tiefe fiel ich stige WalzerNänge tönten herüber. In schattenhaften Umrissen sah ich Paare sich im Tanze wirbeln. Offi ziere waren darunter! Aber unter den Palmen war es dunkel. In fieber hafter Eile streifte ich die Uniform ab und zog die Zivilkleider an. Sie Und als ich umgezogen war, spieß te ich Uniform und Mantel, Militär schuhe und Käppi mit dem spitzen Ba- Jch streifte die Handschuhe über zer gefpjelt: „Das ist das süße Mä dels - unterdessen völlig dunkel geworden. Bom Bahnhof her funkelten Lichter und Signallaternen; der Schienen strang selbst lag in Dunkelheit da. Ich fing an zu laufen. Im Anfang stolperte ich fortfährend über die spitzen Steine der Schotterung zwi schen den Schwellen und fiel einmal der Länge nach hin. Aber ich ge wöhnte mich rasch daran, von Schwel le zu Schwelle zu springen. Aus vol len Kräften rannte ich, eine Viertel stunde lang, eine halbe Stunde lang. Dann mußte ich, schwer keuchend, ste hen bleiben. Feiner Regen riesel te herab. Die Gegend war in tie fes Dunkel gehüllt, und nur «in schwacher Lichtschein weit hinten am Horizont zeigte, wo Sidi-bel-Abbes lag. Meiner Schätzung nach muß te ich ungefähr fünf Kilometer zurück gelegt haben. Meine Füße schmerz ten mich. Als ich einen Stiesel aus zog und ihn tastend untersuchte, fühl te ich, daß innen im Stiefel lange Reihen von spitzen Nägeln durchdran gen? daß die Sohle feucht war von meinem Blute. Ich zerriß ein Ta schentuch und polsterte die Nägelstellen mit Tuchsetzen aus. Zwar bohrten sich die spitzen kleinen Ungeheuer auch durch diese Hülle, aber es war doch weit besser als vorhin. Nun un tersuchte ich den Revolver in meiner Tasche und sah mit freudigem Er staunen, daß es eine prachtvolle Waf fe war, eine Browningpistole. Der alte Jude, der von Schußwaffen nichts verstehen mochte, hatte seine Stiefel sllnden mit dem Revolver gut gemacht! Wieder sprang ich vorwärts. Die Füße mußten sich an die stechenden Plagegeister gewöhnen. Von nun ab wechselte ich systematisch im Lauf schritt und Marschirschritt ab, meine Kräfte schonend, wie ich es in der Le gion gelernt hatte. Fünf Minuten Laufschritt, fünf Minuten Marschir schritt. Immer auf den Geleisen, im mer schnurgerade nach Norden. Ein mal hörte ich einen Zug hinter mir herbrausen und legte mich flach in den Sand neben den Geleisen. Stun de auf Stunde verrann. Dreimal schon war ich an Stationen vorbeige kommen, die aus wenigen Häusern be standen und in der Dunkelheit verlas sen dalagen. Bei einem einsamen Bahnwärterhäuschen bellte einmal ein Hund, und ich stürmte entsetzt davon, wie ein Wahnsinniger rennend, bis ich das Gekläff des an seiner Kette zer renden Thieres nicht mehr hörte. Wie war ich dankbar für Stille und Dun kelheit! Mein Athem ging in schweren keuchenden Stößen. Ich war völlig durchnäßt von Schweiß, und wenn ich einen Augenblick stehen blieb, um zu ruhen, erzitterte mein Körper in ei sigen Schüttelfrösten. Aber ich nahm alle meine Kräfte zusammen, denn ich wollte eine mittelgroße Station er reichen, wo ich nicht so sehr auffiel, wenn ich mir eine Fahrkarte nach hört. Jetzt leuchtete auch der Mond Geleisen entfernt. Auf dieser Stra- Ich riß die Pistole aus der Tasche. Ihr glänzender Stahllauf funkelte. Schleunigst Nachfüllen bereit. Ich in Schießen das Magazin zu entleeren, damit ich möglichst viele Da flammte unten ein Zündholz auf. Eine Sekunde lang. Ich hörte den lachenden Ruf eines der Gendar ner Zigarrette gebeten haben . . . Das Galoppiren verklang in der Ferne, und ich saß immer noch da, »m ganzen Leibe zitternd. Die Thrä nen liefen mir über das Gesicht, als men und die Kilometerbezeichnung ent zifferte, war kein Mensch zu sehen. Tiefe Nachtstille überall. Einige den mir die fürsorgliche Mutter ge sandt hatte. Kurz nach fünf Uhr ging der erste Zug nach Oran. Nun fchenfpiegel. Es ging! Es ging sehr gut! Elegante Menschen sind etwas Seltenes in Algerien ... gelehnt. Wieder kam die Angst! Aber nächste Abtheil erster Klasse und sah Zigaretten zu rauchen, die mir die Müdigkeit An der Per zweiten Kajütenplatz nach Marseille. Das Packetboot „Sankt Augustin" sollte um fünf Uhr nachmittags abge hen! Diner durch und trank eine Flasche Burgunder. Dann siel mir ein. daß es entschieden auffallen mußte, wenn ich eine Seereise ohne jegliches Gepäck antrat. Für wenige Francs erstand ich einen Handkoffer, dessen Wände aus Pappe „wirklich wie Le der" aussahen, und kaufte an jeder Ecke Zeitungen, mit denen ich ihn vollstopfte. Das war mein „Ge päck" . . . Wenige Minuten vor fünf Uhr ging ich auf den Dampfer. Zigarrette im Mund, ein Bündel Zeitungen unter den Arm. Ich fpazirte auf dem Ver zwang mich krampfhaft, ein unbesan ges, amüsirtes Gesicht zu machen.. Ein Gedanke nur erfüllte mich: War mein telegraphisches Signalement vom Re giment schon in Oran eingetroffen? Es wurde halb sechs, und noch im mer lag der „St. Augustin" am Kai! mit einemmal fühlte ich, ich lei chenblaß wurde: eine Patrouille kam, v'er Zuavenunteroffiziere stiegen die Gangplanke herauf! Sie schritten durch das ganze Schiff und sahen sich überall sorgfältig um. Dann wech selten sie einige Worte mit dem Ka pitän und ginge» wieder .. . Schon athmete ich auf, als ein Gendarm aus mich zutrat und Höf- Herzen sg N ch ' Wenn es ihm einfiel, eine Legiti mation zu verlangen, war Ich verloren! „Ihr Name, bitte?" I „Ich danke verbindlichst!" ab. Ich ging in meine Kajüte und schlief. Ich habe nichts gedacht wäh rend der Seereise, nichts gefürchtet, AIS der „St. Augustin" im Hafen Schwierigkeit. Die Zollrevision mei nes nur mit Zeitungen gefüllten Kof fers! Derartiaes Gepäck mußte ja verdächtig aussehen! D» Zufall hals. Eine Menge Bord, um Aufträge für Gepäckbeförde rung und dergleichen zu erbitten. Ich wandte mich an einen von ihnen und sagte ihm, ich wünschte, möglichst schnell an Land zu kommen. Ob er mich nicht hinüberfahren könne? „Fünf Francs!" sagte der Mann. „Gerne!" Den Koffer mit seinem Zeitungs inhalt ließ ich an Bord, um der Zoll- Inspektion aus dem Wege zu gehen... Die Gangplanke an der Schiffsseite war schon hinabgelassen. Ich stieg mit ihm in sein Boot hinein. In zehn Minuten stand ich auf dem Kai in Marseille. In weiteren fünf Minuten hatte ich eine Droschke gefunden und war auf dem Weg nach dem Bahnhof. Eine halbe Stunde später saß ich in einem COUP 6 des Rivierazuges. Rivierasahrt in dunkler Nacht... Toulon flog vorbei Cannes. In Nizza hörte ich den Straßenjubel des zu Ende gehenden Karnevals bis in den Bahnzug hinein. Der Perron! war mit Konfettis überschüttet. Mo naco kam Monte Carlo mit seinem funkelnden Lichtmeer. Endlich war Bentimiglia erreicht. Die erste italienische Station! Es war ein Uhr nachts. Ich stürz te aufs Telegraphenamt und sandte zwei Telegramme an zwei liebe Men schen . . . Frei Frei! Strenge Ehemänner. Es will uns sonderbar bediinken, wenn wir im Nib«lungenlied lesen, daß der strahlend« Held Siegfried seine inniggeliebte Gattin Kriemhilde nach ihrem Zanke mit Brunhild durch prügelt und dies im Tone ein«s Man-! nes erzählt, der da weiß, daß «r Recht i gethan habe. Aber eheherrliche Prü-! Gel waren früher durchaus nichts S«ltenes, und daS Volk oder vor sichtiger gesagt di« Männer er kannten ein Ziichtigungsrecht des Gatten durchaus an, wie unzählige Frau ist wie ungesalzener Kohl", und der russisch« Mushik schwört noch heute auf das Wort: „Schlage die Frau mit dem Hammer, und sie wird wie Gold." Deutsche Märchen erzählen von gestrengen Rittern, die bis sie schwieg. Bon Pastor Fiatlich, jede Veranlassung eine Maulschelle, stellen". Als die Gute, die wir heut« Ehe soll glücklich geworden sein. Das klassische Beispiel eines strengen Ehe- Herrn ist bekanntlich Petruccio in Shakespeare durchlesen. Es gelingt ihm so gut, daß die Ehegattin zuletzt die heut« s«hr altmodisch klingende Ansicht ausspricht: Mann." dichten wagen, er könnte «twas erle ben. Es wagt's aber auch keiner. Bertrauungsvoll. On kel (zum Neffen). Ja, wer bürgt mir aber dafür, daß ich mein Geld auch Student (entrüstet): Gilt denn das Wort eines ehrlichen Menschen nichts mehr? Onkel: O doch, bring' ihn nur her! Mama: Morgen ist Großpapas Ge burtstag, wünsche ihm, saß der liebe Gott ihn recht alt werden läßt! Klein-Jlse: Mama, soll ich ihm nicht Tos neue Spiel. Herr Maurice Estöve saß auf der Terrasse eines Boulevardcafes und betrachtete nachdenklich den vpalfarbe nen Inhalt seines Abfynthglases. Absolvirung der dramatischen Hoch schul- hatte er ein gläzendes Engage ment in Rußland «rhalt«n; dann Im Augenblick besaß er keinen ein zigen Franken m«hr. Die Theater direktoren verkannt«» sämmtlich s«in Talent. So war es gekommen, daß er seine Habseligkeiten verlausen mußte. D«n Erlös hatt« er voll v«r zw«iselter Resignation in Absynth ang«legt, dessen Rest er erst noch ein paar Minuten wehmüthig betrachtet«, bevor «r ihn andachtsvoll genoß. Dann zahlte er, gab mit eleganter Kellner als Trinkgeld und erhob sich. Vergebens sucht« der Jünger Tha liens nach einem passenden Restau- Thi«so, Frau Kom merzienräthin, ist Ihr Gatte, als er ins Wasser si«l, gleich untergesun ken?" „„Weil er so viel Geld in in den Taschen trug." Kindliche Auffassung. Herr: Du hast mal selten schöne Au gen. mein Kind. Elschen: Nein, Herr Schmidt, di« habe ich immer.