Tiawante» ««d Perlen. Er hatte die schöneFrau zum ersten mal gesehen, als sie, in tiefe Trauer gekleidet, in der schwarzen Gondel an »bm vorbeiglitt. Ein müder, gleich gültiger Blick ihrer dunkln Augen streifte ihn so traurig und stumpf inmitten der hellen Sonne Venezias. Vielleicht war es eben dieser schmerzliche Kontrast, der seine Ge danke« zwang, sich immer wieder mit dieser Begegnung zu beschäftigen. Er neigte von Natur zum Grübeln; seine Familie und seine Freunde nannien es „einen krankhaften Hang", und nun meldete sich plötzlich dieser krankhafte Hang gerade in einem Moment, wo er 5o voll Freude gewesen, so voll Wonne, so so glücklich wie nur Jemand sein kann, der, seinen lästigen Amtsgeschäften entronnen, in derauscht vom Glänze des Himmels, das olympische Stadium des „Nicht denkens" genießt. Er hatte so gar nichts gedacht, als «r in seiner Gondel lehnte, nur mecha nisch die Cigareite an die Lippen führte und nach oben starrte, körper lich hinschmelzend in dem weichen, sanften Gleiten des Fahrzeugs, das, von einem Ruder mild gestoßen, über die stillen, grünen, gleichmüthigen Finthen des Kanals schoß, vorbei an den schweigenden, sagenreichen Palä sten soweit sie noch nicht moderne Hotels geworden der offenen La gune zu, die weiß und matt unter der goldströmenden Sonne lag ... Nun aber war ihm, alz seien die schwarzen Augen mit ihrem traurigen Ausdruck fortwährend neben ihm. ten sie, in sein Herz hineinzublicken. Sie wußten wohl, daß sie dort viel Verwandtes fanden. Aber still! Nicht doch! Er wolw das überhaupt nicht mehr denken! Sieh wie das flache Wasser glänzt, jetzt hellgrün mrt bläulichen und rosa Lasuren. Wie eine große Scheibe Perlmutter! Wie schön die großen Segler leuchten mit ihren zuversichtlich gespreiteten Leinenflügeln. So stolz und vornehm im Vergleich mit jenem hurtig haftenden Dampferchen, das schmutzigen Oualm ausstößt, als woll« es die heilige Sonne beleidigen. So wie der Segler sollte die Seele des Menschen sein, rein leuchtend, gut das that. Wie das Herz stille brennender Sonne, die schwere Reflex« iiber den Wasserspiegel breitete. Graue Pfähle wie Spargelbunde rag- Jnsel. Rhythmisch, mit dem Takt des Ruders hob und senkte sich di« schwarze elastisch« Gestalt des Gondo liere hoch aus dem Heck der Barke, die sah nach der Uhr. Aha, Mittag! die den Reichthum und die der Welt einst zu ihren Füßen sah. Aber als Pietro Capuro bei der Er wußte und sagte sich's auch klar, daß in dieser Beharrlichkeit seines Ge dankens wieder etwas Krankhaftes lag. Ihn reizte nicht die schöne Frau, ihn reizte das Geheimniß ihres um florten, stumpfen, lebensabgewendeten Blickes. Seine Phantasie schuf ein düsteres Drama, in das er die Unbe kannte stellte. Und seine Seele lechzte nach dem Genuß einer unversöhnlichen Tragik, wie der kranke Körper oft nach einem zerstörend,»! Gift lechzt. Nun war Pietro Capuro Gast bei einem Freunde, Luigi Salani, einem fröhlichen Genußmenschen, den Pietro seine „Medizin" nannte. Denn im mer, wenn tr seinem „trankhasten Hang" zu erliegen vrohte, nahm er Urlaub und fuhr nach Venedig zu Luigi Salani, und der sorgte dafür, daß der „krankhafte Hang" wenigstens zeitweise eingeschränkt wurde, und ge lang das auch nur während der Tafel stunden. Denn Luigi war ein Lebenskünstler und Gourmand. Er hielt sich einen vorzüglichen Koch, obwohl er nicht so reich war. daß er sich diesen Luxus als etwas Selbst-erständliches hätte lei sten lönnin; ja er mußte sogar dieses Luxus' wegen auf manchen anderen Komfort verzichten. So versagte er sich jede Sommerreise. Er verwöhnte samkeiten und las nur eine einzige Zeitung zu Centesimi die tägliche lich war. Aber er hatte schöne, g«-! pflegte Hände und rasirte sich täglich wohlige Schlaffheit, und er sagte sich: „Der Pessimismus ist zwecklos! ... Man sollte wirklich nur leben, um zu genießen! Freund Luigi ist wirtlich im Recht!" Meistens sank bereits die Sonne, wenn man noch bei der Cigarre und dem Kaffee saß. Die Fensterläden wurden ausgestoßen, aber die Gardi grau karirt, die braunen Glanzleder-! schuhe hell spiegelnd, das Strohhllt chen elegant in der Stirn, die bunte Blume aus der Vase gewäblt und voll Akkuratesse in's Knopfloch gesteckt. So! Pronto! Pietro säuberte sich pflichtschuldigst spritzchen auf der hellen Weste fiel glücklicherweise in's phantastische Far benspiel modischen Musterung. kusplatz zur Musik. Luigi Sa allen Ausgaben jenseits der Küchen schwelle. » Der schöne große Musiksaal, von der Caf«?s voller Menschen? Menschen^ leise mitflötete, dann wußte man: „Aha, Mascagni Cavalleria ... —' bl k A zeln Gelegenheit, die sich lohnen würde! Hast du Lust, zu heirathen? Sie ist Wittwe, und ihr armer Gatte, mein "eber Freund Silvio, hat seine Schul digkeit gethan und sein Weibchen in nständigem Wohlstand hinterlassen, man nennt sie reich! Aber sie «ich stets gestört. Das legt Pflichten iuf, weißt du, und ich frage mich als Epikuräer, der ich bin: Warum soll Platte Realitäten hatte er da als Lohn für seine Schwatzhaftigkeit. Eine reiche Wittwe ein Spekulations objekt pfui. Luigi gähnte jetzt so laut, daß es von den Prowratien widerhallte. Und cagni und Verdi sind verstummt wir!" In den engen Straßen war noch reges, aber kein lautes Leben. Vor nehm und Gering zwängte sich rau chend oder Fächer schwingend aneinan der vorbei. Dazwischen schlüpften die kleinen, zierlichen Mädchen des Vol kes in ihren langen, schwarzen Fran sentüchern. Die schmalen, dunkeln Kanäle klatschten mit schwarzen Wo« die Treppen, wenn eine Gondel laut los mit ihrem stillen Licht daherkam. Pietro aber verspürte Lust, eine sam, dem Meere zu wie los gelöst von allem Irdischen, versinkend ! in die große, erlösende Wonne völligen Alleinseins ... Da aber fühlte er, daß das heute für ihn gefährlich fein Andern Tags beim Mittagessen er öffnete Luigi Salani feinem Freunde mit heiterem Antlih: Signora Carolina kennen zu lernen!" erwiderte Pietro endlich. „Vollends nicht fühle ich mich gedrängt, für ihre ihn auch gern als Gast, wie er über haupt gern Gäste hatte, vorausgesetzt, daß diese seinen Koch überaus ten bereiteten. Fast ebenso empfind lich wie in Bezug auf seinen Koch, war Luigi aber auch bezüglich seiner Freunde, die er seiner Empfehlung werth hielt. Und nun kränkte es ihn außerordentlich, daß Pietro die Dame, die er selbst schätzte, so respektlos ab tha^j^ zwei rundlichen Speckfalten im Nacken gravitätisch betonte. Und bitter, fast giftig kam es von seinen rothen Lip- Dame meine Voreiligkeit gestehen zu Lieber! Du weißt —" Pietrol nußbraune Augen irrten ängstlich um her ,i chbin kein Gesellschasts- Gesellschästsmensch bist du nicht, lei der! Das ist überhaupt die Ursach« deiner Schwermuth! Du lebst da mit deiner alten Mama und deiner kran ken Schwester, plagst dich für deren Unterhalt und erübrigst fast nichts Du solltest heirathen, eine reiche Frau! Könntest deine Familie ver sorgen, ohne daß du selbst darunter leidest, und genießt selbst dein Leben, wie es sich gehört. Du bist ein hüb scher. braver Junge, erst sechsund- Jahre alt, die Welt steht dir Gräte aus den tadellosen Zähnen schnalzend, klingelte der Hausherr und ließ das in Marsala gedünstete Kalbfleisch austragen. Pietro antwortete keine Silbe. Ohne zuzulangen, saß er da, das hübsche Gesicht ganz starr und bleich, als habe er ein Gespenst gesehen ... ner Persönlichkeit erheben. Das be deutete täglich gutes Essen, eine Som« merreise, Kinder in weißen Spitzen ! Freunde Das bedeutete aber auch - das Gespenst selbst, immer da, Tag und Nacht an seiner Seite, so nah', ! daß das Gefühl dieser Nähe seine > Brust zusammenpreßte und er sein ?n'einem innttNch-n^Schmerz^b > und stöhnte, um Luig?s besorgte Fra > gen zu beschwichtigen: „Es ist blos ein asthmatischer Anfall ... Es geht > der, mein Junge! Knöpfe doch den Kragen los so! Und etwas Essig an die Schläfen ... So! Ach und kalt'" raffte sich Pietro auf und kam wieder an den Tisch. Aber alles ekelte ihn tischem Anfall", und er kam zu dem allerdings falschen Schlüsse: „Er hat gewiß eine unpraktische Brücke. Müde und gleichgültig ruhte ihr Blick 1 Pietro. fort ein lebhaftes Interesse in Pielro Reichthum stieg ihm zu Kopf. Gut, daß ihn der Herrgott zeitig zu sich nahm, wir könnten sonst alle von Aus dem Blick, den die Alte nach ! weniger sckiin als lebhaft. Das älte ste war schon zehn Jahre.alt. Die Kinder führten eigentlich die Unter haltung, die sich um Schmuck drehte, denn die Tochter de» Besuchs hatte neue Ohrringe. Signora Carolina« Netteste, Gina, verglich min Ihre Ohrringe mit denen der Freundin Elen«, und Gina stellte mit Genug thuung fest, daß ihre Brillanten grö ßer waren als'die der Freundin. Ein bewußter, eitler Wettkampf blitzte aus den Augen der kleinen Mädchen, und die Erwachsenen lächelten verständ alles um die Größe und die Anzahl der Edelsteine drehen. Es waren ja Venezianerinnen! Da bat Gina: .„Bitte, Mama, zeige uns deine Ju welen!" Oder sagte sie „Freuden?" Denn sie sagte „Bioje", und das heißt so- Auch die anderen baten, und Luigi, der der Hausfrau Komplimente machte, ohne auch nur ein Lächeln zu lebt hat!" „Rechnen Sie I>ie drei Früchte sei ner Ehe für nichts?" scherzte der Be such. Signora Carolina aber ging und kam bald mit einer Kasette zu rück, deren Inhalt einen Theil des Tisches bedeckte. Königliches Geschmeide breitete sich da aus. Diamanten und Perlen in schimmernder Pracht, Gold und bunte Edelsteine. nisten groß geworden, gec eth in wach sendes Erstaunen. Obgleich er nichts sagte, mochte die Hausfrau seine Ge danken merken.' Sie kam zu ihm und machte ihn bescheidener Weife auf die seltene Schönheit zweier großer, bleigrauer Perlen aufmerksam, die Ohrglocken bildeten. „Wie gut müssen sie zu Ihrem blonden Haar Passen, Signora!" sagte Pietro erschrak aber gleichzeitig über seine Kühnheit. ließ sich aber neben ihm auf einem Sessel nieder und schüttete ein Käst chen mit Ringen in ihrem Schooße aus, um die schönste» herauszusuchen. Die Kinder drängten sich um sie. Und es war ein gedankenreiches Bild, wie die kleinen Mädchen mit funkeln den Augen die gleißenden Schätze be m Trauer so nichtachtend durchwühlte. Da sagte die Alte in den jubelnden Eifer der Kinder herein: „Wißt ihr denn aber auch, woher die Perlen und die Wittibe achselzuckend, und es schien Pietro. als wende sie ihr Gesicht ab. Als Pietro Medaillon schnell var kein feiner Mensch ganz Im Gegentheil und ich verdenke es der sollte sich doch höher stellen! Ich nicht! Macht nichts! Venedig hat wen! Halten wir Umschau!" Pietro schwieg. Er trieb aber die ganze Nacht draußen auf den einsa rt be sam stirbt wenn man sie nicht rechtzeitig heilt. Und sollten Luigis Rezepte nicht Nevelschaiten. Das Brockengespenst, dasein frühe suchungen der Wissenschaft heute den Reiz des Unerklärlichen, des Dämo nenhaften verloren. Früher packte den einsamen Wanderer ein jähes Grausen, Haftes Gespenst im Nebel auftauchen sah, das bald größer, bald kleiner eigener Schatten, der bei bestimmten Belichtungsverhältnissen entsteht. Pro fessor Richarz hat dieses Naturphäno men studirt und die Bedingungen an- Schatten im Nebel sieht, läßt sich an darstellen und beobachten, wenn die Nebel bis an die Fenster eines freiste henden, möglichst hochgelegenen Gebäu hältnisse.