Ortst und PyladeS. Aus den geheimnißvollen Gründen der Knabenzeit her erzählt« Ri chard Not« grüßt mich manchmal «och eine Erinnerung, die d«m Er artig erscheint, daß er fast Scheu trägt, darüber zu reden. Es war in der Obertertia, und nach Ueberwindung der ersten Flegel jahre hatte mich und wohl die meisten meiner Kameraden die phantastische Unruh« und Erwartung jener Zeit ergriffen, da in die dämmernde Kin derseele die «rsten purpurnen Strah len und ungewissen Ahnungen neuer Sonnen fallen. In dieser Epoche räthselhafter Entwicklungen geschah «s, daß nach den Michaelsferien ein «euer Schüler der Klasse überwiesen ward: Otto von Zewen. Er war bisher auf dem Mariengymnasium zu Posen gewesen und sollte auf Wunsch seines Vaters, eines reichen Grund besitzers, sein Heil nun in Polajewo versuchen. Denn man hoffte, daß «r hier, auf der kleinerer Anstalt und in dem ruhigeren Landstädtchen, leichter und besser vorwärtskommen würde. Von vornherein erregte er in d«r ganzen Obertertia starkes Aussehen. Seine Kleidung war gefälliger und WaS wir anderen ziemlich ungelenk und tölpelhaft noch erstrebten, indem wir die Art der Erwachsenen nachzu ahmen begannen, war ihm schon ein natürlicher Besitz. ES kam noch da zu, daß er ein ausnehmend schöner Mensch war, mit einem ebenmäßigen, etwas weichen Gesicht, mit prachtvol len, braunen Augen. leer und apathisch. Aber zu jener Zeil empfand ich das nicht. Denn um eS kurz zu sagen: von d«m Renschen schüttelnd« Leidenschaft Wer will da spotten? Wer das und Leidenschaft dieser Knabennei hat, bezweifle ich. Wie er als Schü ler unintereffirt und mittelmäßig war, so hatte er auch sonst gar keine Tiefe und Phantasie. Er war halt «in guter, liebenswürdiger, apathisch«! auf dem Schulweg versäumen, um edlen Pferden den Hals zu klopfen oder die Mähnen zu krauen. Wir hatten denf«lb«n Hin- und Rückweg. Auch in der Paus« hielt mich stets zu schwochen von Kindheit an gewöhnt, geliebt und begünstigt zu sein. »Du bist ein gu ier Kerl," sagte er wohl, wenn ich ihm die Aufgaben fix und fertig an brachte, »aber paß auf, viel nützen wird es doch nicht. Ich werd' sicher nicht versetzt." Ein heftig«! Schreck durchfuhr mich bann stets bei diesen Woiten die zitternde Angst, dadurch von ihm ge trennt zu w«rd«n. Denn mit jedem Tage fast wuchs diese räthselhaste Neigung, für die ich keinen Namen weiß. In der Klasse sah ich vor mir gegen das Fenster s«in«n linien näherrückende V«rs«tzungstermin uns beide scheiden könnte. Ich hab' ihn gedrängt und getrieben, als ginge es um Leben und Seligkeit: Lern' doch, setz' Dich doch hin! ich hab' Stunden und Stunden mit ihm re iweifeltcr, ich hab' ihm jede häuslich« Aufgab« gemacht aber >"» S hierbei gerettet ward, ging durch die Klas senarbeiten wieder verloren. Er selber schüttelte oft den Kopf: »Ach Richard eS ist ja nicht so schlimm. Wenn ich auch wirklich sitzen bleibe!" Er begriff meine Angst, meinen Eifer, meine Verzweiflung nicht. Aber mit um so hartnäckigerer Wildheit arbeitete ich auf mein Ziel hin. Ja, ich selber war eS, der ihn mit lei denschaftlicher UeberredungSkunst be schivvr, krumme Wege einzuschlagen. ES geschah auf diese Weise, daß wir «inen bestimmten Fleck verabredeten, an dem ich die Lösung der Klassen arbeiten verbarg. Regelmäßig bat er dann bald nach meinem Wiederer scheinen den Lehrer um die Erlaub niß, hinunterzugehen, holt« sich den Zettel und korrigirte danach. So war eS ihm wirklich geglückt, ein paar günstigere Zensuren zu erwi schen, wenn mir auch scheinen wollte, als ob der Ordinarius uns beide schon mit Mißtrauen betrachtete. Nur die große lateinische Arbeit stand noch aus. Da geschah eS, daß ich, einen Tag bevor sie geschrieben ward, den Schlüssel zum Conferenzzimmtr ein gehändigt erhielt mit der Weisung, die Karte des römischen Reiches (un ter Trajan) von dort zu holen. Ich hör' mich noch die Treppen hinabspringen, hör' das Schallen meiner Schritte auf d«n Steinfliesen des Korridors, hör' daS Knirschen des Drückers im Schloß. Da lag das Zimmer vor mir: in der Mitte der lange Konferenztisch mit einem Stapel neuer Bücher da rauf, an d«r Wand das Bild des Kaisers, darunter Gruppenaufnah men von Lehrern der Anstalt. In einer Ecke, um die Stange gerollt, standen die auf Leinen gezogenen Karten der modernen und antiken Welt, und eben wollt' ich mit der nach einigem Suchen glücklich gefun denen wieder abzieh«n, als ich vorn auf dem Tisch« eine Zeugnißmappe mit der Nummer der Obertertia lIIu entdeckte. Einen Moment stand ich mit an gehaltenem Athem. Unheimlich um mich herum die tiefe Stille; vor mir die Zeugnisse als hätte es jetzt schon ein Unrecht gethan, begann mein Herz immer bänger und seltsa mer zu klopfen, während der zögernd« Fuß sich langsam vorschob. Und dann stürzt' ich in Angst und Gier über die Mappe her, schlug sie auf... Da ... der geliebte Name! Aber halb enttäuscht und doch auch wieder halb befreit, ließ ich das Blatt sinken. Die Zensurnummer war noch nicht eingetiogen, jeder besonders Vermerk fehlte. Dagegen waren die Leistun gen bis auf Latein beguiachtel. Ge nügend mittelmäßig im Gan zen genügend mittelmäßig ... in rasender Eile überflog ich die Reihen. Und mit einem Male wußt' ich, wes ! halb das Zeugniß noch kein« Num mer trug: die Zensur im Lateinischen gab d«n Ausschlag. War sie gut, so ging Zewen in die Sekunda über; war sie schlecht, so half ihm kein Gott. Ich habe' das Blatt in die Mappe i zurückgelegt, ohne weiter zu suchen. Selbst mein eigenes Zeugniß interes sirte mich nicht. Mit zitternden - Knieen stand ich noch einen Augen ! blick in dem stillen Zimmer. Dann > siel droben eine Thür, und scheu, mit , schweißigen Händen, bracht' ich die Karte in die Klassenstube. Am nächsten Tage, vor der S'aats l aktion der großen Arbeit, drückt' ich dem Freund noch einmal die Hand: »Du weißt ja, wo!" Und mit fa belhaft«! Schnelligkeit übersetzte ich und trug das zusammengeknitterte Blatt nach draußen. Eine Last fiel mir vom Herzen, als bald darauf Zewen das Zimmer verließ und mir ! sein Wink bei der Rückkehr verrieth, ! daß er d«n Schatz g«sund«n hätte und > bei sich trüge. Nun konnt' eS ihm nicht mehr feh len, nun war er durch! Eine unge- stllme Freude überfiel mich: «in gan > zes Jahr durften wir nun wieder zusammen sein, sollten die Luft der , gleichen Klasse athmen, dieselben ! orangefarbenen Mützen tragen! Selig und triumphirend sah ich zu ! Zewen hinüber. Doch mit einem Mal« räusperte sich der Ordinarius und klitterte langsam vom Katheder ! herab. Alles blickte auf, denn der bequeme und dicke Herr that das nur zu dem vor ihm Sitzenden, »bei Dir ' geht's diesmal um Kopf und Kra l gen." DaS wußt' ich längst. Aber ich hatte ja gut vorgesorgt. Und mit ein Kinderspiel für mich in der Sprache Cäsars war ich sattelfest. Abermals sich eine Minute an die Zeigefinger die Blätter des ! Notizbuches geklemmt, hielt er sich am Fenster eS war selbstverständlich, daß Zewen bei dieser Situation nicht > den rettenden Zettel hervorziehen Nein," sagt' ich. Aber als müßt' ich Halt und Dank bei ihm suchen, drängt' ich mich auf mich verwundert »Pech!" meinte er kopfschüttelnd und resignirt. »Ich Hab'S Dir schon vorher prophezeit: nützt alles nichts!" stigsteS Lachen: „Du?" «S traf und hatte di« schlechteste Arbeit abgeliefert Achseln. Und plötzlich dreht« er sich Form heißt." Ich schrak auf, schoß empor und ward blutroth. Der Ordinarius saß dick und scheinbar schläfrig auf dem Katheder. Nur wir beide standen: ich hier, drüben Zewen. Und nun sollt' ich den Freund belehren, wie die Form hieß. Sie lag mir schon a»s der Zunge, und in ganz natiirli da durchfuhr mich ein jäher Schreck. Was ich begonnen hatte mit der gest rigen Probearbeit, mußt' ich auch während der wenigen Tage bis zum Schulschluß noch durchführen und dann: daß es gerade Zewen war, den ich belehren sollte, daß man mich zwang, mich gerade über ihn zu er heben Ich stotterte undeutlich, sah zu ihm hin, neigte den Kopf. „Nun?" »Ich weiß nicht." „Hm!" brummte der Lehrer. Mit einem Bleistift, an dessen Ende sich ein weiß«S Hornknöpfchen befand, stieß er ein paarmal aufs Katheder. Das that er immer, wenn er zu «iner Red« ansetzte. Aber die Rede kam nicht. „Wir wollen weiter sehen," sprach er nur. Und bei der nächsten Form, die Ze wen verpaßte, richtet« er von Neuem die Frage an mich. Was ich während dieser Sekunden, in denen ich so in der Bank stand und schwieg, gefühlt, gelitten und durchgemacht habe, läßt sich nicht er zählen. Ich wagte nicht, den Lehrer anzublicken. Ich sah auf die schwarze Platte der Bank herab, in der das Tintenfaß steckt«, umkrampfte mit den Händen das Holz und erhob von Zeit zu Zeit den scheuen Blick nur, um zu Zewen hinüberzufchauen. »Willst Du nicht antworten?" „O doch!" bracht' ich mühsam her- Und da ich mehr fühlte, als sah, daß die Augen all der Knaben rings halb erstaunt auf mich gerichtet wa ren, strömte mir das Blut unaufhalt sam in die Wangen, und ich- spürte, daß mein ganzes Gesicht krebsroth ward und glühte. „Setz' Dich nur hin!" sagte der Lehrer dann. Ohne Gereiztheit, ohne Schärfe. Die wenigen Worte, statt derer ich ganz andere und schlimmere erwartet hatte, rüttelten mich wie Fäuste. Und mit aller Kraft mußt' ich ein Schluch zen niederringen, das mich übermäch tig befallen wollte. Nach der Stunde drängten sie von allen Seit«n auf mich ein: WaS ist los? Was hast Du? Was fehlt Dir? Und Zewen guckte mich kopfschüt telnd an: „Wo hast Du denn Dein Latein gelassen?" Es war jedoch solche Ermattung über mich gekommen, daß ich kaum etwas herausbracht«. Wie im Trau me gingen die folgenden Stunden an mir vorüber. Ich glaubte gerade aus der Sanftheit des Lehrers schließen zu dürfen, daß er mich aufgab. Ich würde in der Klasse zurückbleiben wie Zewen .... Zum erstenmal in diesen Tagen konnt' ich nicht einschlafen. Und ge schah es doch, so hatte ich wilde Träu me, lebte in Verzückungen und fuhr empor. Unerträglich ward die Span nung. In schauernder Wollust stellt' ich mir in jeder Stunde vor, welcher Schimpf mich vor der gefammten Aula am Sonnabend erwarten wür de, wenn mein Name nicht unter den Versetzten wäre. In grimmer Lust zerfleischte ich mir das eigene Herz, phantasirte mich selbst in eine Ekstase hinein und taumelte von Fieber zu Stumpfheit. DaS Merkwürdigste dabei war je doch, daß die Gestalt dessen, für den ich mein knabenhaftes Opfer gebracht Freistunden zu Otto von Zewen ge zoge? hatte. Fucht' jetzt plötzlich Schluß des Schuljahrs. Mein Va ter pflegte der letzten Feierlichkeit in der Aula beizuwohnen, und auch diis- Reden lauschten. Ich stand dicht an der rechten Hauptthür des Saales und gen, die Namen der versetzten Schüler verlas. Bis neben mir ein kurzes Flüstern, kowski ... a Gott, selbst Jankowsky Ih " d kt ls greifen. B -h Streicheln, herausgeboren aus Ahnen und Verstehn. Und plötzlich schwoll eine heiße Scham und zitternde Wär lief .. . lief . . . lief. sich, nur derberm ch nachdem ich mich nothdürftig abge klopft hatte, nach Haus«, ließ mich beglückwünschen, sprach, lachte, redete immer fort nur daß ich Mittags Bruder, der die blaue Mütze der Quarta trug, den Kopf zur Thür hinein: „Du Zewen kommt. Er will wohl Adieu sagen." Doch wie von der Tarantel gesto chen, zuckt' ich auf. „Nein, n«!n ... sag' ihm, ich bin nicht zu Haus« ... bitte, bitte, thu mir die einzig« Li«b« ..." so «ntsttzt-v«rzwriselten Ausdruck ge habt haben, daß txr Jüngere ganz gegen seine sonitige Art ohne > Widerrede nickte: »Schön wie Z-mmer, legte mich breite j Kanapee und schlief sofort ein. Erst am nächsten Morgen erwachte l letzten Zeit hinter mir. Diese Osterferien, die dann einsetz» ten, stehen mir mit als die schönsten Geiste. Ich ging umher wie in einer ! neugeschenkten Freiheit, wie «in Ge» ! nesener und ein aus dumpfer Ver ! strickung Erlöster, der da fühlt, daß die ganze Welt für ihn ist und auf l ihn wartet. Und ich hatte ein ganz neues Zutrauen zu den Menschen und lächelte oft, ohne es zu wissen, wäh rend ich ziellos, in einer herrlichen Jungseins und Existirens durch die ! Gassen oder die Felder schlenderte. ! Dabei kam ich «inst an einem Hause vorüber, vor dem ein großer Möbel > wagen hielt. Ich wußte, daß ein j neuer Katastercontrolleur nach Po ! j der Nähe die Sprungschnur, ohne eine besondere Kunst dabei zu entfal t«n, und als di« Leine sich wieder I in Schwung und Gegenschwung tanz . ten zwei schwer« Zöpfe über Schulte? und Rücken, und während die Ge- dabr^— —, deren war auch Zewen wieder erschie nen. Wir trafen uns auf der Straß«. Er sprach nett wie immer, aber als Abfuhr. Altes Fräulein (zu angeln und nichts zu fangen." Herr: »Na, das sollten Sie doch wis sen!" Der schöne Hausleh rer. Mutter: „Dein Lehrer hat sich wieder über Dich beklagt; warum är- Backfasch: „Ach, Mama; so ein bis chen Wuth steht ihm geradezu ent zückend!" I ««-,te mtter f!ch. »Nun, Herr College, was macht Ihr erster Patient?" »Durch die Lappen geganzen ist er mir; der Kerl Hot sich gestern in ei nem Anfall von Gewerbestörung selbst vergiftet." jetzt machst Du einen Haus- Du noch Reisender." „Was sagst Du, ich sei runterg'stiegn, da irrst Du Dich; früher bin ich 'nausg'wor» fei wor'n und jetzt schmeiß ich 'naus!" Guter Rath. »Ich gedenke nach der Residenz zu digst Du sie nicht gleich hier? Du ersparst Dir dadurch viel« Kosten!" Ironisch. !,Sie haben ein Mädchen engagirt, das bei mir in Diensten stand?" »Ja, sie wollte sich verbessern." man ihm lassen; um lumpige zwan zig Marl schreibt er einen sechs Sei ten langen Brief!" Unter Freunden. Lie besbrief« scheinst du an deine Da» schreiben. Nein, ich bin mehr für das mündliche Verfahren. Ein Zeitfratz. »Na hör', Mutler auf diese Weis« werd' ich 'mal sicher Weiber I« Eifer. Bettlerin: „Erbarmen Sie sich, lieber Herr! Habe vier kleine Würmer zu Hause!" Anyler: „Würmer? Die brin gen Sie mir schleunigst hierher ---