Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 16, 1908, Image 6

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    Mieze Tiliröder.
Von Ilse «rafft.
Der jugendlich«, neuangestellt« Ober
förster Franz von Belling saß mit sei
ner jungen Frau beim Morgenkaffee
«ms der' Veranda und sah die soeben
eingetroffenen Postsachen durch.
Frau Lore griff zuerst nach einem
lichtblauen, schmalen Kuvert, auf dem
5n Weiß und Silber ein gräfliches
Wappen eingeprägt war.
„Von Rose Marie —" meinte sie
erfreut. „Sieh' bloß mal, Fran
g«l —"
Er nickte flüchtig und las den neue
sten Forstbericht zu Ende, den das
kleine, ihm unter Kreuzband zuge
sandte Fachblättchen als Leitartikel
brachte. Dann neigte er sich über den
Tisch und streckt« di« Hand aus.
„Zeig' mal her, w«im Du gelesen
hast was schreibt denn Dein Kom
teßchen?"
Die jung« Frau lächelt« und seufzte
zugleich.
„Nun i»ill man den Kindskopf
durchaus schon standesgemäß verheira
then knapp, daß sie aus der Pension
zurück ist. Da lies mal! Si« fragt
«m, ob sie Pfingsten zu uns kommen
„Natürlich," meinte Franz von Bel
lrng warm, indem er zu lesen begann.
„Liebste Lore! Ich hab' schreckliche
Sehnsucht! Denk' mal min sind es
schon acht volle Monate, sei» wir uns
nicht gesehen haben. Hier ist alles so
Hausdame, eine gräßlich«, haben wir
auch wieder. Die fünfte, seit Mama
vor drei Jahren starb. Und Papa
will mich verheirathen, Onkel Philipp
auch, und die anderen Verwandten
blasen in dasselb« Horn. Ich soll ge
sitteter als Frau werden, glaub' ich!
Irgend «in alter Bekannter von Papa
hat nämlich einen Sohn Du ver
stehst schon! Er soll sieben Güter und
dreimal so viel Ahnenbikder aufzuwei
sen haben in seinem Stammschloß!
Also eine passende Partie für Deine
arme Rose Marie. Ich bin todun
glücklich! Die Herren läter lorrespon
diren natürlich schon zusammen, und
ich bin das unwissend« Opferlamm,
das nicht gefragt wird. Liebst«, beste
Lore ich muß noch mal, ehe die
Sache los geht, von hier raus und aus
mir raus. Ich habe Papa nur unter
d«r Bedingung versprochen, seinen
ahnenreichen Grafen zu nehmen (der,
wie Vetter Max sagt, ein gräßlicher,
aufgeblasener Mensch sein soll), wenn
ich Pfingsten ganz allein auf ein paar
Tag« zu Mr fahren Kirf. Papa hat's
nothgedrungen erlaubt, und Ihr könnt
mich also am Pfingstsonnobend um
füns Uhr Nachmittags vom Bahnhofe
holen, wenn Ihr wollt. Natürlich
wieder als Meze Schröder, wie im
vergnügten Woche l>ei Euch. Um
Gotteswillen nicht als Komtesse, vor
der jeder Forsthut bis auf die Erde
fliegt vor Höflichkeit. Ich will nur
mal wieder Mädel fein, ein glücklicher
Dienfch bei Dir, ehe man als Frau
Gräfin so was verlernt —"
«rnd strick ihrem Gatten zärtlich iib«r
dos Gesicht. „Sei doch nicht so kor
rekt, Schatz! Deine Frau hat auch nur
„Lieber Belling! Du hast in den
zwei Jahren Deiner Ehe so wenig von
Dir hören lassen, daß diese unbegreif
liche Jsolirung streng bestraft werden
muß. Ich möchte mir Dein Idyll da
draußen mal ansehen und —l-int n»t
unterthänigst empfehlen lasse. Ich
habe um Pfingsten rum da in Deiner
Gegend geschäftlich zu thun und will
nun das Nützliche mit dem Angeneh
men verbinden. Die zwei Festtage
wenn Du nicht abschreibst müßt
Ihr mich schon aufnehmen, und
wenn's auf dem Heuboden ist. Ich
kämme natürlich als schlichter Forst
mann, als Hans Müller, mit dem
schönen Spitznomen vom Kolleg her.
Laß also den Grafen, bitte, ganz aus
ldem Spiel«, falls fremde Meuchen bei
kuch sein sollten; ich will mich mal
wieder wohl fühlen In Einkin ?«»
rühmten Märchenwald« und frei!
Dein alter getreuer Elten-Ethlingen."
Freu Lor« hatte einen rothen Kopf
bekommen, während ihr Mann vorlas.
Sie stottert« sogar, als s« nun sprach:
„Aber geht denn das?
Rose Mari« und d«r Graf zusammen
hier?"
D«r Oberförster lachte.
„Natürlich geht das! Nun erst recht
geht das! Begreifst« d«nn nicht, was
daraus «ntstehen könnt«? Komteßchens
erzwungen« Heirath mit irgend so ei
nem aufgeblasenen Bengel, Gott weiß
woh«r, könnte man vereiteln. Wenn
sich die beiden jungen M«nsch«n b«i
uns vielleicht lieb gewönnen Meze
Schröder und Hans Müller und
hinterher stellt sich dann heraus, daß
einer so viel Ahnen aufzuweisen hat
wie der andere Du das gäbe
doch einen famosen Spaß! So einen
gottbegnadeten Zufall, so eine Über-
Lore!"
logirt unten mit dem Buben und wir
oben. So geht's!"
»Ja so geht's," wiederholt« Frau
Lore aufothmend. Und aus lauter
Erleichterung und Unternehmungs
freude für das bevorstehend« Pfingst
fest fi«l sie ihrem lachenden Mann um
den Hals und zerknitterte dabei die
randa beim Abendessen saß.
Schwüle Blumendüfte durchflössen
die Abendstill«, und die Sonne ver
wieder am nächsten Morgen —"
„Oder auch nicht," setzte Hans Al
brecht hinzu und schlug mit der Hand
Alle lachten. Das Mädchenlochen
„Ich auch," echote Hans Albrecht.
„Es ist ein Jammer Fräulein
M —"
Er kriegt« aber das Meze sowohl
als auch dos Wort Schröder nicht Her-
Müller —" Her Ho
Tisch, dos Meze Schrödei hieß,
.Diese Schröders müssen klotzig
viel Geld haben," dockte er unwillkür
lick. als er sein liebliches Gegenüber
eingehend studirt hatte.
ein goldener, dünner Reif mit einem
Saphir in der Mitte, der sehr werth
voll war. Ueber den Spitzen, an dem
des Halses eine Kette in wundervoller
Goldschmiedearbeit, alles tip-top
g«stand sich der Graf. Der gute Franz
»on Belling hat sicherlich gewußt, was
er that, als er so slott in di« bürger
liche Familie seiner reizeirden kleinen
Frav hinein «heirathete. Zehn Jahn
jünger und zehnmal vermögender als
schon gefallen.
Das junge Paar, das sich so zufäl
lig in dem grünumsponnenen Forst-
Hause zusammengefunden hatte, blieb
sehr wortkarg fiir den Rest des Abends.
Di« rothen Windlichter flackerten
kaum im Maienwinde auf der dunklen
Veranda, als Meze Komteßchen auch
schon mit rnüden Augen empor
sprang.
„Ich glaub«, Lore man geht heut«
früh schlafen, so einen ganzen Tag in
der Luft, das strengt an!"
„Ich glaube auch," echote Hans Al
brecht, entzückt den Widerschein der
tanzenden, rothen Flammen auf dem
versonnenen MLdchenantlitz betroch
tend.
„Wie Ihr wollt, Kinder," meinte
der Hausherr, möchtig gähnend, „mot
zen ist ja auch noch Pfingsten!"
„Morgen ist ja auch noch Pfing
sten —" wiederholt« der Freund leise,
als sich die Damen verabschiedet hat
ten. Im weiten Bogen schleuderte er
den verglimmenden Cigarrenrest über
den dunklen Rasen unter der Stein
treppe in den Garten.
fallen mit meinem nur Mensch sein,
alter Junge! Es wird Zeit, daß Hans
Müller wieder zum Grafen wird!"
„Um Gottes willen —" fuhr Hans
Albrecht auf, „davon sagste nichts!
Dir auch versprechen, Euer» Gast hei
lig zu holten als ob's Deine Schwester
selber wäre nur sag' ihr nichts!"
„So also willst« versprechen
das ist jü schon sehr viel! Aber wenn
nun dos junge, vertrauende Herz
seligkeit an ernst« Absichten denkt, Ivos
machste donn? Dann rückste aus, dann
bleibt dos alles für Dich nur eine Epi
sode und kostet ihr vielleicht Monate
Hans Albrecht schluckt«.
Haus« wenn Du willst, fahre ich
Der Oberförster schüttelte den
Kopf.
„Nee, nee, bleib' man! Die Mie
Maria wird ja sckon allein wissen, was
then, ich gehe lieber in's Wasser, ehe
ich diesen Hans Albrecht von Elten-
Ethlingen nehme" und nun lachte
Wette.
war gar nicht schön von ihr!
Mieze Komteßchen nahm das dick«
Kinderhändchen, streichelte es und
seufzt« schon wieder.
„Wenn er nur nicht so wundervolle
Augen hätte, di«s«r Herr Müller!"
„Ach wenn er Krause hieße
wär's dasselbe! Aber das ist mir ganz
egal wenn er will, gehe ich heimlich
rathen die und werden —"
„Unglücklich," fiel Frau Lore lachend
ein und legte den Jungen wieder in
sein Bettchen zurück. „Laß man gut
sein, kleine Rose-Mie! Du verltugnest
Dein blaues Blut nicht mehr. Mor
gen früh gleich soll Franz ihm sogen,
wer Du bist, damit Such alle beide
nicht noch unnütz quält —"
Mieze Komteßchen fuhr entsetzt aus
ihren Kissen hcch.
„Nur das nicht, Lore! Nur den ei-
Der arme Mensch wüßte ja sonst
gar nicht mehr, wie er sich verhalten
sollt« lieber fahre ich morgen frjih
sollte —"
daraus so tröstend auf die müden Au
gen küßte.
Der zweit« Pfingsttag war ebenso
sonnig und schön wie der erste. Selbst
Sonne auch an diesem Tage über d«n
Waldrand herniedersinken wollte.
Lore und der Liberförster hatten es
mit einem Male sehr eilig, nach Hause
zu kommen, sie, um den Jungen nicht
allein von dem Kindermädchen waschen
zu lassen, er, um die Pfingsibowle
anzusetzen. Sie ließen das junge, ver
träumt d«n stillen Waldweg dahin
schreitende Paar das erste Mal allein.
Hans Albrecht sah auf das scheu ge
senkte Köpfchen, aus die feingliedrigen
weißen Mädchenfinger, di« einen losen
Wakdblllthenstrauß hielten, und streckte
verzweifelt die Hand aus.
„Scheuten Sie mir die Blumen
gnädiges Fräulein zum Andenken
an diese beiden Pfingsttag« ja?"
Sie nickt«, untz er hielt den Strauß
zu gleicher Zeit ntü ihren nur schwach
„Werden <Äe auch noch manchmal
an mich denken, Fräulein Mie
Maria?"
Als sie wieder stumm nickte, sah er,
daß sie mit den Thränen kämpfte.
Da bezwang er sich nicht länger. Er
hielt mit einmal das ganz» süß«, zit
ternde Geschöpf im Arm« und neigt«
die Lipp«n g«gen ihr«. Doch noch «h«
er ihren Mund berührte, hatt« sie sich
losgerissen.
Todten blaß stand sie neben ihm.
„Ich ich gehen Sie ach,
bitte, gehen Sie doch —" stammelte
ihm und ein Muth, sich gegen die ganze
Welt aufzulehneil, seit er ihren Lippen
so nahe geweskn. Er blieb
d ll habe S'
das gar nicht! Ich bin Graf Elten
schaftlich, „Sekt so diel Sekt Du
überhaupt im Keller hast! Ich will
mich betrinken heute, ich will mich ganz
förster belustigt, als er das heiße Ge-
Du darfst das nicht! Wir hoben zu
hohen Besuch im Haufe! Komteß Rose
doß das Weinglas klirrend auf dem
„Wenn Du jetzt noch Deine Witze
weißes Kleid schimmerte.
„Ich glaube, da sitzt es, das Kom
teßchen, dos durchaus Miez« Schröder
bei uns heißen wollte." Und als der
Freund ihn noch immer fassungslos
Ehrenwort, daß Mieze Schröder und
Komtesse Role - Mari« ein und die
se D Ha. Alb echt W ein
Komteßchen. Es war zu fassungslos
vor Glück.
Hans Albrecht hob dos schimmernd«
Köpsch«n vorsichtig hoch.
„Wußtest Du, daß wir zusammen
gehören?" fragte er erschüttert.
.Ja-'
nickl stürmischer und hielt
ist
gebank für sich): Wat dir Richter
„Morgen!"
Pietro Severins räkelte sich, gähnte
laut und wandte sich dem Innern
seiner Panaderia zu, die Stunde der
alltäglichen Siesta war gekommen,
Pietro gedachte einen langen Schlaf
zu thun. Er schloß jrrgsam die
Hausthür ab und ließ di: Rollvor-
Hinge der beiden Fenster herunter,dann
rückte er den plump gearbeiteten
Schaukelstuhl in «ine dunkle Zim
merecke. Behaglich streckte er di« Glie
der und nippte gemächlich die gewohn
te Tasse Mate, daraus schloß er die
bald in dem Reiche wonniger Träu
me.
gute Partie.
Aber zu einer entschiedenen Wahl
unter ixn Töchtern des Landes war
der schwarzlockize Besitzer der Pana
deria noch nicht gelangt, denn auch
Pietro ließ in allen seinen Entschlie
ßungen und Handlungen den landes
üblichen Grundsatz walten: Thue um
Himmels willen heute nicht etwas,
Die mittägliche Still« der einsamen
Straße wurde durch lautes Hände-
Hier hielt auf abgehetztem Pferd
ein schweißtriefender, staubbedeckter
Reiter und blickte ungeduldig nach der
den Wünschen des Fremden.
„Ich möchte den Meister sprechen",
erwiderte der Reiter.
Junge,' „der Meister schläft."
ch«nen Schlaf fortsetzte. Im Gast
hof nahm ina» sich des Reiters nach
Möglichkeit au, ine gutherzige Wirthin
versah ihn mitPantoffeln, bereitete ein
Bad und setzte «in herzhaftes Mahl
zu um den ausgebesserten
Stiefel zu holen.
'.kl', s cht
!i>cki arbeiten ,heute «'cht, ich bin un
päßlich."
„Ihr müßt mir t-en Stiefel ma
tost.« '
ten!"
„(Zilien «»kl'?" (Was kann ich
machen?) sagte Pietro achselzuckend.
„Und jetzt muß ich ausgehen."
Damit wandte er sich in das Haus
Schuhe. Nachdem er sein«
Zeche reichlich bezahlt hatte, ritt er
Tage abwesend war, in das Städt
chen zurück. Er forschte sofort nach ei
nem fremden Reiter, der in der Um
gebung gesehen sein sollte und ver
dächtig erschien, an einer gegen die
Regierung gerichteten Vrschwörung
stark betheiligt zu sein.
Natürlich, man hatte ihn gesehen,
ab« jetzt war er wohl über alle Ber
ge, alle Bemühungen blieben erfolglos,
der Fremde war entkommen. '
hatte.
Anita plötzlich Pietros Verlobte ge-
Mit der Erlaubniß Seiner Exzel
lenz würde er, Pietro, an der näch-
Pietro und blickte ungeduldig zum
Fenster hinaus. Was war das?
Unten vor der Thüre hielt ein Die
ner das gesattelte Pferd des Richter»
„W:s? Trauung?"
Exzellenz!" "ßl ch!
„Meine Braut wartet! Die Gesell
schaft wartet! Der Priester wartet!
Was soll ich thun?"
—„F rllhlingsglaube". Un
teroffizier: Was diese Dichter doch
immer für schnzerfällig« Ausdrucks
einfach: Abtheilung khrt!
Reciprok. Zwanzigjähriger
Neffe (zum 68jährigen Onkel):
schon für den guten Willen." Ref
ft: „Keine Ursache, lieber Onkel! Du
wirst Dich schon revanchiern."
Kellner: „Mein Herr, Sie sind
Zeuge, daß man mich soeben einen
Esel genannt hat."
Gast: „Ja, das kann ich bestä
tigen !"
„Wie, Ihre jüngste Tochter soll
eine ältere schicken, die nicht so leicht
Schnellgefaßt. Hausherr
(um Mitternacht «inen Strolch unter
dem Bett entdeckend): „Was machen
Löffel Suppe!"
A.: „Wie kommen Sie sich jetzt vor.
Herr Pechstein, früher waren Sie fast
reich und jetzt sind Sie in so armseli
gen Verhältnissen?"
B. (stolz): „Wie ich mir vorkomme?
Leipzig «ine Niederlage und sind da
— Berechnung. Mrth (in
der Küche): „Nanu? sechs Stangen
Büchsenspargel auf einem Teller?"
Köchin: .Soviel geben wir immer,
wenn Komette mit Spargel bestellt
wird!" Wirth: „Ja, im Winter,
aber im Frühling geben wir bloß vier
Stangen, damit die Gäste glauben, 'S
ist frischer."
Herr: „Was? Sie gehen betteln?
Immer Protz. Polizeirath:
»Heute Nacht soll man Ihre Kasse
Herr Rath!"
Strolch: „Ach, sein Se man ge
müthlich, ick habe keen Geld, lassen Se
mir doch so Passiren. Brückenwär
riiber, nich für'ne Million I'