Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 30, 1908, Image 7

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    Nehde.
»«man von A. t>. Klinckiwfirona.
Siewert H«ll«nstädt hatte noch nicht
das Alter des ruhigen Gleichmuths
erreicht. Er neigte dazu, die Dinge
schwer zu nehmen und in zornige
Aufregung zu gerathen. Aber das
Leben meinte es auch nicht allzu gut
mit ihm, und er gab sich doch redliche
Mühe, plagte sich von früh bis spät.
Trotzdem ging ihm in letzter Zeit al
les quer, und da war es kein Wun
der, daß er dabei nervös wurde.
Wahrhaftig, «in verhängnißvoller
Tag war daS für ihn gewesen, als er
die Uniform auszog, um die Klitsche
Reichs zu übernehmen.
Eig«ntlich hatt« es ihn ni« ge
drängt, Landwirth zu werden. Als
er di« Prima verließ, steckten ihm noch
allerlei philosophisch-ästhetische Ideen
im Kops, die nach Bethätigung ver
langten, und mit sehnsüchtigek Augen
stand der schwerlebige Sohn der ern
sten nordischen Ebene vor d«m Mär
chtnwald der Welträthsel. Doch
schließlich mußte er der raschen Ver
sorgung halber Offizier werden. Und
dann starb die Mutter, die Besitzerin
von Rudischken gewesen, da ergab sich
die Nothwendigkeit des Berufswech
sels von selbst.
Wie «r jetzt, auf dem Deich ste
h«nd, di« Augen mit der Hand be
schattete und achtsam den Strom ent
lang schaute, hob sich seine stämmige
Silhouette scharf vom weißblauen
Gestalt hatte freilich nichts Aristokra
tisches, aber auf den breiten Schultern
ein rassiger Schwarzkopf mit
streng«n Augen, deren dunkle Brauen
sich über der Nasenwurzel berührten.
Unten auf dem Waffer, üb«r daS
seine spähenden Blicke hinflogen, flöß
ten polnisch« Flissaken mit langen
Stangen ihr« zusammengekoppelten
Holzstämme von Rußland her nach
Tilsit und Ruß und w«iter nach dem
Kurischen Haff. Langsam schob sich
Floß um Floß daher. Das billige
Holz aus d«n russischen Wäldern kam
in Massen stromabwärts in die deut-
Haupthandelsplätzen Litauens.
Auch Rudischken besaß seine Säge
mühle, «in elendes Ding, das noch
mit den altmodischen Mitteln arbei
tete und die Fortdauer seiner Exi
stenz nur dem Umstand« verdankt«,
daß sich zwischen ihm und dem näch
sten großen Werk ein« Reihe von Zie
geleiex und Waarenlagerplätzen und
somit die räumlich« Entf«rnung von
«iner halben Stunde Wegs befand.
Aus der unmittelbaren Nachbarschaft
fielen Siewert daher oft Bestellungen
zu und bildetet«!! für ihn immerhin
moorigen Boden nutzt gedeihen woll
ten. Ueberhaupt, wo nichts hin
eingesteckt werden konnte, sprang
in d«n Mund zu leben.
Ein paar Meter seitwärts vom
Deich führte die Chaussee vorüber,
und auf ihr kam ein offener Wagen
daher, dessen Lenker bei Siewerts An
blick di« Pferde anhielt und lachend
hinüberrief: Wonach guckst du denn
da aus, H«llenstädt?
Ach, Brahm! du bist's? klang es
Ich versteh kein Wort! schrie der
im Wagen, sprang ab, warf dem
Kutscher di« Zügel zu und kletterte
d«n Wall empor. Na, was ist denn
da zu sehen? fragt« «r, n«ben den
andern tretend.
Leider noch nichts. Das ist es ja
gerade. Ich warte schw! seit drei Ta
bald still stehen, weil daS Material
nu daß d'ch n cht noch
daS Schachern und Handeln ist nicht
deine stärkste Seit«.
DaS stimmt. Es war ein Mißgriff
d«s Geschicks, gerade mich unter so
schwierigen Verhältnissen zum Land
wirth zu machen.
Ja, natürlich wäre »S besser gewe
sen, wenn du hätt«st Offizier bleiben
Auf Rosen wandelt «in Jnfanteri«-
leutnant mit schmal« Zulage nun
Aber er weiß wenigstens genau,
womit er rechnen kann. Ihr hättet
Rudischken verlaufen sollen.
lieb«r gleich, daß es dir auch ganz
angenehm ist, Besitzer von Rudischken
zu heißen und niemand über dir zu
Hand von? Hinterkopf her bis zur
Stirn über dos kurzgeschnittene Haar,
wobei er die Augen ein wenig zu
genheitsbewegung von ihm. Dann
sagte er langsam: Nun ja, zuerst hat
es mich ja gefreut. Hätte ich aber ge
ahnt, daß die Erbschaft sich zu ein«!
so ungeheuren Sorgenlast auSwachsen
gen kennst, ab«r wer nie in der Lage
ist, einen überflüssigen Groschen in
das Gut hineinzustecken, wie ich —.
Er brach ab. Seine Stirn furchte sich.
Der elegante blonde Brahm, d«r
Btsitzer des Rittergutes Rasdumen,
dem Freunde und Nachbarn mit
Leichtigkeit ein Darlehen anbieten
können, aber er fühlte sich nicht ver
kommt. Adieu, Hellenstädt,
Brahm lief mit einigen langen
Sätzen die Böschung hinab, zurück
zur Chausf««, um seinen Weg fortzu
setzen.
Siewert folgt« langsam. S«in«
Blicke flogen dabei sorgenvoll über
das Rudifchker Gehöft hin, das jen
seits der Chaussee, nur wenig höher
als diese, lag. Friedlich stand das
einstöckige Häuschen, mit d«m Front
giebel über der Thür, unter schlank«»
w«ißen Birken, deren wehendes zartes
Gehänge die Fenster beschottete. Aber
der Hof sah verfallen aus. An de»
Ställen und Scheunen hingen die
Thüren windschief in den Angeln, und
die altersgrauen Strohdächer wiesen
mißfarben« Flecken auf. Hinter dem
Viehstall tummelten sich ein paa»
struppige Remonten in der Koppel,
die von einem Schlag dürftiger Som
mersaat begrenzt wurde. Dann kamen
«inschnittige Wiesen und schließlich
Eintönig und traurig reckt« es sich
unter dem blassen nordisch«» Himmtl
hin. Hier und dort hoben sich Bir-
Strom hinweg, verlor sich der Blick in
die endlose Weite der flachen Eben«,
die doch eines schwermüthigen Reizes
Ferne begrenzte den Horizont eine
schwarze strenge Linie, die große kö
niglich« Forst im Flußd«lta. Aber
rechts, jenseits des Moores, hob sich
das Gelände, und von der Höhe
Er wandte die Augen rasch zur
Seite beim Anblick dieses herausfor
dernden GefunkelS; er wußte ja sehr
gut, wie anders «S dort oben aussah,
als hier unten bei ihm, wie das statt
liche Gehöft in blitzender Neuheit das
große Herrenhaus einrahmte, wie auf
hin- und herrollten. Bieh, Saaten,
Wiesen, all das war da erstklassig.
Nun ja, der alte Endrulat hatte auch
brauch machen, um seinen weitläufi
gen Besitz zu heben.
Siew«rt jpuckte aus und drehte sich
per am Strick hinter sich her zog.
Der litauisch« Bengel schielte
Seite und that, als
den deutschen Herren zu thun hatten,
Als Siewert erhitzt und verdrieß
lich zum Mittagessen kam, fand er die
dem Masurisch«n, d«n man ausgesor
d«rt hatte, mitzuessen, weil er Lust
zu haben schien, etwas zu kaufen. Es
gab freilich nur dicke Milch und
Speckeierkuchen, aber der Händler
Aha! Und die heirathete dann
den Herrn von Hellenstädt aui Ru
dischken?
Ja, gegen den Willen des Stief
vaters. Seitdem existirten die hier
unten für die dort oben nicht mehr.
Die Mutter durfte die Tochter nicht
einmal sehen. Na, und die arme
Arau ist denn auch bald danach aus
Kummer gestorben.
I wo doch! an einem Magenlei
den, .Onkelchen, berichtigte Anne tro
cken.
Laß man gut sein, Majellch«n, ich
weiß es besser. Die war eine Em
pfindsame, deine Großmutter. Bei
der schlug sich alles auf's Herz. Und
immer «xaliiri! Wenn ich daran den
ke, wie si« in den Menschen verliebt
war, trotz ihrer zehn Jahre PluS!
Der konnte mit ihr machen, waS er
wollte.
Er war auch seinerzeit ein schö
ner Kerl! schaltete der Händler ein.
Echter litauischer Schlag, schlank wie
eine Pappel, mit breiten Schultern
und krausem, blondem Haar. Und
Hand. Da muß jetzt ein netter Hau
fen Geld beisammen sein.
Siewert sprang auf, stieß seinen
Stuhl heftig zurück und ging hin
aus. Anne erhob sich gleichfalls,
fing an, den Tisch abzuräumen und
verließ mit dem Geschirr da» Zim
mer.
Der ältere Hellenstädt blieb mit
dem andern noch beim Glase Bier
sitzen. Dai plötzlich« Verschwinden
der Geschwister erleichterte ihn sicht
lich.
Bor Jahren war er in seiner Kar
riere einmal irgendwo gründlich ent
gleist und lebte nun hier unentgelt
lich im Hause, zuerst bei seinem Bet
ter, dann bei dessen Wittwe. Schließ
lich blieb er auch stillschweigend bei
deren Kindern, führte jedoch dafür
die WirthfchaftSbücher. Aber Sie
wert ließ nicht mit stch spaßen, kehrte
zuweilen in seiner kurzangebundenen
Art den Herrn heraus, und Anne
fand auch leicht rasche Worte. Onkel
Ewald hatte allen Respekt vor den
beiden und hütete gemeinhin in ihrer
Gegenwart feine Zunge, obwohl er
allerlei Absonderlich«? hätt« erzäh
len können, denn in seiner Jugend
hatte man ihn zwangsweise über'S
große Wasser sp-dirt, und Leute, die
ihm drüben begegnet waren, munkel
ten so manch«S von seinen Erlebnis
sen. Auch ein«r frommen Sekte war
er in der Noth vorübergehend beige
treten. ohne von dieser braven Zeit
seines Daseins etwas anderes bei
behalten zu haben als ein gewohn
heitsmäßiges „Halleluja", das er ge
legentlich ausstieß, wie man wohl
„Gottlob" sagt oder „dem Himmel
sei Dank". Aeltlich und kränklich
tauchte er dann eines TageS wieder
in Deutschlands auf und vegetirte
von da an still hier im äußersten
Winkel des Reichs weiter.
Jetzt b«ugte Onkel Ewald sein ver
wittertes Gesicht mit dem grauen,
ungepflegten 'Stoppelbart näher zu
d«m Händler hin und freut« stch, unge
stört ein bißchen klatschen zu können.
Das ist bei den zweien ein wander
Punkt, sagte er halblaut, mit dem
Danmen über die Schulter nach oer
Thür d«ut«nd. D«r alte Schmolinker
sie nämlich gründlich über's Ohr
- Wahrhaftig? Ja. das traue ich ihm
schon zu.
Die erste Frau war nämlich ziemlich
oermögend gewesen, und da das Geld
von ihr kam, brachte sie es natürlich
auch in die zweite Ehe hinein. Mein
Better Hellenstädt dachte wohl wunder
er die einzige Tochter heirathete, denn
aus der Endrulat'schen Ehe waren
keine Kinder. Statt dessen hieß es
nach ihrem Tode, eS sei nichts da. sie
habe schon dem zweiten Mann kein
Heirathsgat mehr zugebracht. Die
Tochter hatte das Nachsehen.
Da gibt's doch noch Gerichte im
Land. So was kann man doch klar
stellen. Tochter und Schwiegersohn
werden sicher geklagt haben.
Stellen Sie sich bloß nicht an, als
wüßten Sie nicht, daß ein Litauer
das Blaue vom Himmel herunter
schwört, wenn eS zu seinem Bortheil
ist.
Nicht die besseren Elemente. Es
steckt ün Gegentheil sehr guter
ten.
Dann können Sie sich denken, daß
zesse kosten Geld, und die Rudischier
hatten keinS. Da gaben sie schließlich
Höhe kommen, nicht mit ganz reinen
Hingern dastehen. Der Endrulat ist
als Junge schon mit seinem Ballen
Rücken Nachts über die Grenze ge
laufen.
Geschmuggelt?
Gewiß. Das ist doch nichts
Schlimmes. Man muß sein Geld cr-
Schmuggel blicht«. Jetzt ist der
haben.
Butterbrod zu Markt. Das sehen
Sie ja am Endrulat. Deichst mit
ster hinaus.
Das schmeichelt seiner Eitelkeit. Er
kann sich's leisten, und e-n alter Mann
Ja. schön ist sie, bestätigte Onkel
Ewald, und sein« runden Augen be
gannen zu funkeln. Der alte Lebe
mann in ihm regte sich. Das weiß sie
aber auch, und das Best« ist ihr eben
nur gut g«nug für sich: seidene Wäsche
und Petersburger Toiletten und
Equipagen. All' das für di« Urta
Bauß! Es ist zum Lachen!
Frau Urta ist aber auch in einem
feinen Tilfiter Institut erzogen wor
den. soll sogar Französisch verstehen.
Sow^aßt.^
Gewiß. Er Hot sie auch um einen
schönen Batzen gekauft.
Gekauft? wied«rholte Onkel Ewald
entsekt.
Gott du Gerechter! Alles ist doch
nicht Frauen ebenso gut wie Pferde?
Uebrigen» ist dies nur s «ine Redens
art von mir. Er hatte «ine große Hy
pothek auf d«m Bauß'schen Hof stehen,
und wie die fällig und keine Deckung
da war, nahm er die Tochter an Zah
lunas Statt. Aber alles, was recht
ist: sie sollen sehr glücklich zusammen
leben. Es würde ihm auch Niemand
seine achtundsllnfzig Jahre ansehen.
Ich wunder« mich, daß Sie das alles
nicht wissen. Das weiß doch sonst hier
jedes vermieden, was auf
die Schmolinker Bezug hat. Die
Bauß' wohne» ja auch in der Ragni
ter Gegend, und ich komme selten hin
aus. höchstens mal für meinen Neffen
in Geschäften nach Ruß oder Heyde
krug.
Na, aber jetzt wollen wir unser Ge
schabber abbrechen und endlich auf
Maul zugehen, den Ihr Neffe für sie
benjährig ausgiebt, sagte der Händler
und staiü> auf.
dann vertieften sich zwei allerliebste
Stirn. Anne Hellenstädt hatte int
diesem frisch«» Lachen un>> ihrer drol-
das Geld vor ihrem Bruder auf d«n
Tisch. Das hab' ich dem alten Kup
scheller (Händler) noch extra abge
drückt.
S' t! /si sch t/ d
Er sah zu Boden: Vergiß nicht,
Besitzerin von Rudischken bist.
Parti« machtest und auszahlen
könntest. Anders thu ich's nicht. Du
bist doch mein Bester.
Sie klopfte ihn auf den Rücken und
ibm mit ihren vi«rundzwan,ig Jahren
als bollwerthiger ArbeitSqesährte zur
Seite stand. Doch der Gedanke, daß
grau werden sollte, wurmte ihn, so oft
er ihre blühende Jugend ansah. Er
hätk ihr so qern ein volles Glück ge
gönnt. Ja, o«nn sie d»s Vermögen
der Großmutter gehabt hätten! Aber
der da oben aab nichts heraus, and
Frau Urta Endrulat verschwendeti
für sich, was ihnen, den Hellenstädts,
von Rechtswegen zukam W«nn die
nicht gewesen wäre! Wer weiß, ob sich
der Schmolinker nicht doch noch mit
der Zeit zur Herausgab« des Pflicht
theils bequemt hätte, denn er legte jetzt
Werth auf die öffentlich« Meinung,
seit er allerlei Ehrenämter im Kreise
Die G«schwist«r sah«n stch ähnlich,
nur daß bei dem Mädchen alles
schlanker und zierlicher war. Dafür
besaß er jedoch das rassigere, edler ge
schnittene Gesicht, wenn es auch d«n
harten Ausdruck zäher Entschlossen
heit trug. Er hätte indessen ihre Nei
gung zu Heiterkeit und Uebermuth
nicht missen mögen. Sie war das
Sonnige und Belebende in diesem
Hause.
Wie sie jetzt noch mit einander plau
derten. fuhr ein Ponywagen vor.
Henny Wellhof! rief Anne ind
sauste wie ein Sturmwind hinaus, der
befreundeten Nachbarstochter entgegen.
Hausherr an Höflichkeit fehlen zu
lassen.
Die Ankommende stieg mit schönen,
ruhigen Bewegungen auS.
Ich komme eigentlich nur in Vaters
Auftrag, sagte sie und ließ Siewert
ihre Hand ein wenig länger, als noth-
Balken für die neue Jnstkathe für
Mitte August.
Und daS Holz dazu schwimmt
noch! fuhr er aus. ES ist zum Ra
sendwerden! Bis das dann trocknet
tröstete sie. Schließlich ,»artet Vater
Haupt geben. Da möchte ich wenig
stens Wort halten können.
Ihre Säge liegt uns zunächst, und
sanfter Blick streift« dabei s«in Ge
sicht.
Ja, es ist ein Glück fü uns, daß die
drückt.
da brauchen wir uns nicht zu sorgen,
lächelte Henny.
Sie war sehr schlank und blaß.
Erscheinung lag, der wohl von den
gütiaen Augen ausging.
Während sie sich mit Siewert in
schinitztes Gesicht und dachte sich 'hr
Theil dab«l. Sie verschwand cuf
sehr lanae. um den Kaffeetisch herzu
richten, aber als si« wiederkam, saßen
die beiden sich noch immer steif gegen
über und redetcn >on Geschäften.
Du bist «in Stockfisch m«in Jung
chen, sagte sie, als die Nachbarin nacb
dem Kaffee fortfuhr.
Warum? fragte Siewert erstaunt.
Weil Henny doch nu'- darauf war»
tet, daß du >hr «inen Antrag machst.
Vater Wellhof hätte dss Geschäftliche
mit dir ja ebenso gut schriftlich abma
chen können, wenn er auch die Gicht
hat. Das liebliche ist es doch nicht,
daß man seine Tochter dazu schickt.
Wenn sie es übernahm, so beweist daS
also, daß sie besonders gern kam und
einen Vorwand brauchte.
Sie ist mit dir befreundet.
Ann« schnippte mit d«n Fingern.
Wenn man einen gut aussehende
Bruder hat, weiß man schon, was
man von der Freundschaft anderer
Mädchen halten soll.
Ich bin keine Partie kann keine
Frau ernähren.
Sie brächte ja ein ganz anständiges
Vermögen mit, nicht so viel, daß man
sagen könnte, du habest sie des Geldes
wegen genommen, aber doch genug
Um dich auszuzahlen! Da hab' ich
dich bei dem Kernpunkt der Sache!
rief er lachend.
I wo! vertheidigte sie sich. Daran
hab' ich wirklich nicht gedacht. Im
Ernst, Siewert, du könntest nichts
Besseres thun. DaS wäre die Schwä
gerin meiner Wahl.
Also wenn du im Ernst sprichst,
dann wollen wir nicht mehr davon
reden! unterbrach er sie schroff und
griff nach seinem Hut, um mit dem
Einspänner nach dem nächstgelegenen
Städtchen hinüber zu fahren und
einig« wirthschaftliche Einkäufe zu
machen.
S«in FüchSchen trottete gemächlich
auf d«r Chauss«e dahin, die eben
ne» geschottert wurde. Unterwegs
überholte ihn «in elegantes Juckerge
fährt, auf dessen hohem Vordersitz
«ine Dame selbst die Zügel führte,
während der Kutscher mit gekreuzten
Armen hinten saß. Si« tippte den
ohnehin unruhigen Pferden mit der
Peitsch« auf die Flanken, um so rasch
als möglich an Siewert vorbei zu
kommen, und hüllte ihn b«i d«r wil
den Fahrt in eine dicke Staubwolke.
Er sah gerad« vor sich hin, um keinen
Blick an Frau Urta Endrulat ver
schwenden zu müssen, di« er wohl er
kannt hatt«, obgleich si« «inen grünen
Gazeschleier gegen den Sonnenbrand
vor dem Gesicht trug.
Bald danach kam ihm die Dampf
walze auf dem Schotter entgegen.
Sein Rößlein kniff nur ein wenig die
Ohren an, trabte ab«r ruhig vorüber:
doch dann stieß ihm ein paar hundert
Schritt« w«itcr etwas Unerwartetes
zu, das ihn im erst«n Augenblick au
ßer Fassung bracht«.
Das elegante Juckergefährt war an
einem Prellstein zu Fall gekommen
und hatt« ein Rad verloren. Offen
bar waren die jungen Thier« vor der
der Stein und «in dahinter stehender
Eberefchenbaum hatten Wagen und
Insassen davor bewahrt, in den
Chausseegraben geschleudert zu wer
den. Der Kutscher blutete stark am
Kopf, und di« junge Frau stand un
verletzt, aber rathlos da.
Siewert zaudert« «inen Augenblick,
doch alles was von Ritterlichkeit in
ihm war, sträubte sich dagegen, an ei
ner Dame, die sich m schwieriger Lage
befand, vorüberzufahren, ohne ihr
Befand zu leisten. Er zog di« Zügel
an und sprang ab.
Frau Urta Endrulat hatt« den Ga
zeschleier zurückgeschlagen. Unter d«m
zartgrünen Gewebe quoll ihr hellei
Blondhaar üppig hervor und um
bauscht« «in frisches, rundlich«s Ge
sicht. Sie richtete di« groß«» bräun
lichen Augen fest auf Siewert und
sagte: Wollen Sie'so freundlich sein,
meinem Kutscher ein wenig zu helfen?
Wir sind, wie Sie sehen, zu Schaden
gekommen. Ich halte inzwischen die
Pferde.
Obgleich sie bat, hatt« ihr« tiefe
Stimm« einen gebieterischen Klng.
Er lüftet« schweigend und sehr
obenhin den Hut !ind.machte sich da
ran, den Wagen zu untersuchen. Sie
wickelte inzwischen di« Zügel um die
linle Hand und bog d«n Oberkörp«r
zurück, um di« aufgeregten Pferde zu
bändigen. Gegen seinen Willen
mußte er Notiz davon nehmen, wie
wunderbar sie gebaut war. In d«m
enganliegenden Jackenkleid, dessen
Seidensutter bei jeder Bewegung kni
stert«, «rinn«rt« die kraftvolle Schlank
heit der jungen flauerm an einen
Edeltannenschößling.
Siewert war innerlich wüthend,
daß er ihr «inen Dienst leisten mußte,
aber si« schien ganz ruhig, nur die
Flügel ihrer feinen ger»den Nase beb
ten ein wenig.
Da kann ich nichts h«lf«n, sagte er,
sich aufrichtend. Die Schraubenmutter
ist vollständig verbogen. Ich werde
ausschicken.
Und der arme Kerl da? si« wies
mit dem Kops auf den Kutscher
Da hatte si« recht. Das Blut sickert«
d«m Burschen üb«r di« Stirn.
(Fortsetzung folgt.)
Air die Küche.
Weißfisch mit Schweins«
koteletten. Man legt eine Lage
Schweinskoteletten in ein: Backpsann«
und darauf den gereinigten, gespalte
nen Weißfisch, Fleischseite nach oben..
Hierüber streut man beliebiges Ge
würz, stellt das Gericht in einen sehr
heißen Backofen und bestreicht den
Fisch mährend des Brotens dr«imal
löffelvoll Rahm zerklopft hat.
ohne Fett, l«gt sie, falls der Schinken
salzig ist, in Milch, trocknet sie ab,
klopft sie leicht, wendet si« in Brot
krumen und Ei und bratet sie rasch
hellgelb.
Tiroler Strudel. Zu Tiro
ler Strudeln bereitet man gewöhnli
chen Nudelteig von Mehl und Eiern,
jedoch nicht zu fest, rollt ihn 10—12
dick aus, bestreicht ihn mit gutem sau
rem Rahm, streut geröstetes Semmel
mehl, WÜnbeeren (Korinthen), Rosi
nen und nach Belieben Zucker darauf,
rollt ihn zusammen und drückt die En
den etwas an, damit die Füllung nicht
heraustritt, macht in der Bratpfanne
Butter heiß, legt die Rollen nebenein
ander hinein, giebt noch klein« Butter
stückchen darauf, gießt so viel Milch
dazu, daß die Strudeln damit bedeckt
sind,-und bäckt si« so lange, bis di«
Milch ziemlich eingebraten ist. Beim
Anrichten legt mar, die Strudeln auf
eine längliche Schussel und bestreut si«
mit Zucker und Zimmet.
Gedämpfte Nitren. Man
schneidet 2 große Zwiebeln feinschei
big und dünstet sie in etwas zerlasse
ner Butter gelblich, gibt eine gut ge
waschene, abgetrocknete, feingeschnitte
ne Rinderniere oder drei geschnitten»
Hammelnieren dazu, thut etwas sei
nes Salz und weißen Pfeffer daran
und läßt sie langsam auf gelindem
Feuer gar dämpfen, indem man si«
fleißig mit der auskochenden Brüh«
begießt. Zuletzt fügt man noch I—Z
Löffel Mißwein oder milden Essiz
sowie ein wenig Senf hinzu und
schmeckt die Sauce gut ab, je nachdem
man si« milder oder pikanter lieht.
Altbayrisch« Suppe. Reis,
Graupen und grün« Erbsen, von je
dem 2 Unzen, werden «rst blanchirt,
dann gut gtwaschtn und abgetrocknet,
mit in kleine Würfel geschnittene»
verschiedenen Gemüsen und Kartof
feln in Butter angedämpft und mit
Fleischbrühe weich gekocht, hierauf
durch ein Sieb gestrichen, mit drei
Eigelb und Sahne abgezogen und mit
gebackenen Brodwürseln zu Tisch ge
gebn.
Spätzle. Man rührt das Mehl
mit Milch oder Wasser an, fügt eini
ge Eier hinzu und schlägt den Teig
tüchtig ab. Dann legt man denselben
auf ein hölzernes Breit, breitet ihn
mit einem Holzmesser aus und theilt
davon lange, schmale, nudelartige
Stücke ab, die man in kochendes
Wasser bringt und darin einigt Male
aufwallen läßt; dann nimmt man sie
mit dem Schaumlöffel heraus, legt
sie kurze Zeit in heißes Salzwasser
und übergießt sie, wenn das Wasser
abgegossen ist, mit heißer Butter.
Hecht mit Senfbutter.
Ein schöner, großer Hecht wird aus
genommen, geschuppt und gewaschen,
der Länge nach gespalten, in zwei bi»
drei fingerbreite Stücke geschnitten,
die man mit Salz bestreut für 3<Z
Minuten beiseite stellt. Dann trock
net man sie ab, legt sie in «erlassene
Butter, gibt etwas Weißwein, zwei
Citronenscheiben, 6 geschälte Schalot
ten (im Nothfall eine Kleinigkeit
Zwiebeln), ein Lorbeerblatt, einig»
Pfefferkörner und ein Sträußchen
Petersilie dazu, läßt die Fischstück«
über gelindem Feuer 2(1 bis 30 Mi
nuten dünsten, nimmt ste mit deir
Schaumlöffel heraus, legt sie auf ein«
erwikrmte Schüssel und gießt 3 Un
zen zerlassen«, geklärte Butter, die
man mit 2 Eßlöffeln Senf über dem
Fauer verrührt hat, darüber.
Rinderschmorbraten mit
Sahnensauce. Drei bis drei«
einhalb Pfund Top Round werd«!,
stark geklopft, mit Salz und Pfeffe«
eingerieben, mit Bindfaden umbunden
um es saftig zu erhalten, in Butter
mit Gemüse und Gewürz auf dem
Feuer auf allen S«it«n gut angebrq
ten. mit Fleischbrühe und Wein de»
öfter«« Übergossen und im Ofen lang
sam im eigenen Saft w«ich geschmort,
Ein Pint saur« Sahn«, mit etwa»
Mehl verrührt, wird zu dem beinah
fertigen Fleisch gegossen und dieses in
d«r Sauce glasirt, wenn eS weich ist.
in schöne Scheiben g«schniit«n und.
mit der Sahnensauce übergössen, ser
virt.
Kartoffel-Puffer mii
Zwiebeln. 12—IS groß« geschalt,
Kartoffeln werden gerieben, daS Wäs
serige wird sorgfältig abgefüllt. Dann
brüht man das Gereibsel mit «in we
nig kochender Milch und rührt 2—3
in Milch völlig erweichte Semmeln
oder Milchbrötchen dazu, wür^mü
Butter gargedünsteten Zwiebeln, fügt
nach Belieben I—2 Eier dazu, di«
aber auch wegbleiben können, und backt
w heißer Kutter oder in Schmalz oder
Specket! kleine dünne, recht kross,