Das Neutrum. Die Sonne hatte etwas Ueberwät tigendes... Es war, als würden da oben im Blau immerfort goldene Säcke geöffnet und eine blendende Spreu herniedergefchüttet, schräg an den mächtigen Schattinlinien der B«rg« «ntlang und steil auf die zwi schen di« Felsenwänd« ausgegossene Fluth, auf die Gesichter der Menschen in der Mitte des Königssees langsam dahinglitt. Die Arm« der Ruderer und Schif ferinnen leuchteten wie dunkle Bronze, wie Kupfer oder Leder ganz in dianerhafte Töne sah man darunter, von dem täglichen Sonnenbrand wie im steten Feuer geglüht. Es waren «cht«, eingeborene Bua's und Dirnl'n, kenntlich am ruhigen Blick und an der durch alle Enthaltung geistigen Lebens doppelt gezüchteten Kraft der Glieder. Die Menschen, die da im Rund fahrboot zusammensaßen, schwiegen alle. Sie waren durchaus naturge sättigt si« hatten genug! Vier Stunden aus einem Se«, d«m der Prinzregent im Hinblick aus den Frieden seiner Jagden und die land schaftliche Aesthetik überhaupt jedes schnellgehende Motorboot versagt das war eine körperliche Leistung auch für jene, die nicht zu rudern brauch ten. .. fort Schönheit in sich auszunehmen! Auch das Genießen wird Arbeit, wenn man über die erste Stunde der Auf nahmefähigkeit hinaus ist... die gro ßen Feismassen legten sich wie etwas Erdrückendes, Beunruhigendes auf die Seelen die dunklen Felfenlöcher mit der unheimlichen Romantik un terirdischer Höhlen dahinter starrten geisterhaft in das Licht des Mittags. Der Oberse« mit d«r erschreckenden Pracht der Teuselshörner, mächtig emporgereckt in die sonnenflimmernde Luft, war für die meisten der letzte bewußte Eindruck gewesen... Nun vermochte nichts mehr sie zu erregen nicht einmal, wenn aus den andern Booten der akkordirte Schuß zu fünf zig Pfennig steil gegen die Brenten wand abgefeuert wurde, der doch daS Hauptereigniß ihrer Ausfuhrt gewe sen war!... Es schien ihnen höchst gleichgültig, daß links, wo der unten ausgewaschene Felsblock steil über die Fluth vorsprang, Anno dazumal «in ganz«s Wallfahrtsschiff zugrunde ge gangen, sie waren viel zu ermüdet, um ein retrospektives Mitleid zu em pfinden ganz erledigt sie sühl- Sonn«nstrahlen gaukelten Schmetter linge über das Wasser hin. Es war unbeschreiblich schön. Die Sagereck hinten am See, und frei und muth willig mit anmuthig gezogener, beinah eleganter Linie stach die Schönfeld- das Wasser... Diese Art Kutte war stark vertre gelegt. Balten die Frau verrieth, obwohl die lässige Art, ohne Grazie dazusitzen, mehr irgend einem Geschäftsreisenden zugehörte, Ihr Anblick hatte etwas geradezu Jrritirendes für die andern Bootiinsassen. Man hatt« sie an fangs mit Mißbillizungsblick/ui s?rri sem zeitlosen Hintergrunde, der den Ewigkeitszug abgeschlossener Gebirgs ketten trug, wirlte dies rüstige Bild Zwei alte Brüder, Professoren an einem Polytechnikum, die ein Spezial verhältniß zum Berchtesgadener Lande weil es die Gegend teten sie mit förmlichem Ingrimm. Durch eine so groteske Staffage wur de ja die Natur verhunzt! Häßlich durch verrückten Anzug noch zu unter streichen das war Rücksichtslosig keit ein« Zumuthung gegen die N«b«nmenschen! Solch' ein Wesen war ja überhaupt keine Frau, das um di« Aussicht still für sich aus d«r ein Glas des berühmten Trinkwassers der alten Abtei hinunterzustürzen und eilig ein« Cigarette zu rauchen, die sie noch dazu vor Abfahrt des Bootes rücksichtsvoll fortwarf. Niemand be- Dazu trat das Auffällige an ihr noch besonders durch d«n Gegensatz mit ihrer Nachbarschaft hervor. Es hatte sich ein elegantes, sehr mondaines Paar in dies Ruderboot heit zw«itin Ranges, eigentlich als unter ihrer Würde als etwas, das die Habitues des Engadin mehr mit klafft? Sammelboots des hin waren während der ganzen Fahrt die Blicke aller von Zeit zu Zeit immer wietxr hingegangen. Es färbe und mattem Gold schwankte. Es hatte starke Ähnlichkeit mit sei nen beiden schönen Eltern nur von der steilen Höhe des Feuerpalf«n hinabsieht in den grünen Abgrund da drunten. darüber gebreitet... besonders ver gesetzt auf ihr Kind sah mit forschen den, interessirten Blicken und dann Sie legten sehr viel Mißfallen in ihren Ausdruck, eine feindlich« Ab wehr, die ganze Verachtung des Schö nen gegen das Häßliche, der Aesthetik gegen plumpe Erscheinungen des Le bens. Zuweilen blinzelten sie mit halbgehobenen Augenlidern das Neu trum empört an, aber das schien eine empfindliche dick« Haut zu haben, dick wie d«r Loden, aus dem sein graues Da näherte sich die Fahrt dem Ende die Biegung des Sees kam. Die Falkenwand warf ihren brei ten Schatten plötzlich wie ein« küh lende Wohlthat über die Fluth. Das Ufer lag da, das ersehnte Ziel! Fern im Blau üb«r d«n Dörfern am Ge stade schimmerte in lichtem Dunst der sagenreiche Unterstein, das Wahrzei chen des Landes. Links aus der Fluth stieg wie ein winziger grün«r Traum die kleine Insel Christliner auf mit dem heili gen Nepomuk zwischen den Bäumen. Eine Birke stand ganz vorn an der Fluth und zitterte beständig, obwohl kein Wind ging. Di« andern Sträu cher standen unbeweglich und rührten sich nicht. Das Wasser rings um die Insel war so klar, daß man bis tief hinab jeden Stein erspähen konnte, auf dem si« stand, graue, leichenfahle Steine, von blätterlosen, falben Aesten durchflochten, eine luftlose Welt unter der Oberfläche, die wie in einem Sarg dazuliegen schien. Irgend etwas vielleicht das selt same Zittern der kleinen Jns«lbirke, vielleicht der sonderbare Anblick der ausgemergelten Steine —b«wog plötz lich d«n kleinen Knaben, auf seinem Sitz in die Höh zu springen und sich weit hinauszulehnen üb«r das niedrige Bootgeländer und im nächsten Au genblick geschah das, was im Bewußt sein aller Betheiligten dieser eintöni gen Bootsfahrt eine dauernde Erinne rung sichern sollte mit einem kur zen Schrei, dem der Wasserenten ähn lich, stürzte der Knabe kopfüber vom Boot und verschwnad in der Fluth... Was nun kam. spielte sich in einer äußerst kurzen Zeitspanne ak Die meisten befanden sich in halber Hypnose und schienen im üblichen Treppenverstand d«r menschlichen Mehrheit die Tragweite dieses Ge schehnisses kaum zu begreifen kaum zu wissen, ob di«s nun eine wahre Begebenheit war, oder ein ausgemach tes Beiwerk d«r Fahrt, im Billet in begriffen wie etwa d«r Schuß gegen die Brentenwand und das Aus gesetztwerden auf der Salletalp«. Vollkommen fassungslos, ganz schreckerstarrt schauten die Eltern auf den leeren Platz der plötzlich« Chol hatte sie völlig unbesinnlich gemacht. war das Neutrum. Es erhob sich pfeilschnell in der Schiffsmitte wie ein dunkler Riesenvogel, riß mit ra da und schwang sich dann mit kunst gerechtem Kopfsprung sicher über Bord hinunter in die Floth. Ein« halbe Minute später reichte sie das Kind den Schiffern in's Boot hinein und schwang sich dann ge- Alle starrten sie an. Mit einer Art Ehrfurcht schauten die Schiffer auf die nasse Gestalt. Die Mutter löste sich endlich aus flehte er. er wai zwar nur Thierarzt einer kleinen Stadt, aber Menschenpulse fühlen kann ja schließlich jeder. Ent noch mehr... sie empfand diese uner pes, Proletarisches. tesgadener Stellwagen, die ihre Mit tagsfracht entluden, strömte das Men schenmaterial für die nächste Rund- Lobspriichen überschüttet. „Wie sollen wir Ihnen danken!?" rief Tutti „Gott im Himmel!" Die Eltern machten gekränkte Ge sichter, als da so vor allem Volk ihr Produkt als dünnblütig und anämisch tograph. sie sah nach der Uhr .es ist tasche zu rühren. Das Neutrum zuckte die Achseln. Sie legte ihre große Hand leise auf des Kindes Kops. und kein Affe!"^ werthen... Und es wurde Tutti und ihrem Gatten unter dem Feuer all dieser Tante?" „Dann fiel es also gewissermaßen in den Rahmen ihres Metiers!" dozirte einer aus dem Stellwagen. Da« Sonutagskin». tagszeit. Der Justizralh hatte sich auf seinen Sofasitz zurückgezogen und hängen hielten seine Frau unk Schwiegermutter Mittagsrast. Jutta hatte eben das glänzende Damastge gere Schwester mit dem Zusammen schieben des Ausziehtisches Plagte. Aber h«ut« mochte sie nicht helfen. Re- Und Renate fühlte. Vor allem, fast wie etwas Greifbares, den Blick. Es de l ? Was hatte sie gethan? Renat« sann ihr einfallen. Was also -? Hand mit dem blauen Geäder küssen allein auf der Welt. Wie schön das wäre!" rüstet Euch bis 3 Uhr! Wir fahren fing zugleich Juttas spöttisch« Gri de. „Ich hab' heut' frische Wäsch« in D«in Schubfach gelegt," sagte die Mutter „aber Renate! Wie sieht es bei Dir aus!" Renate athmete auf. Wie? ein biß chen Unordnung? Und daher diese Feierlichkeit? Sie wollte reden, aber die Großmutter schnitt ihr das Wort ab. „Man geht nie irr. wenn man liebe eines Menschen aus seinen Cha rakter schließt," sagte sie und warf einen strengen Blick über die Horn brille. Spitzen! Wenn Ihr wüßtet, dachte sie, von was für guten Vorsätzen ich erfüllt bin, was für Opfer ich brin gen könnte Ihr wurdet nicht solch' Wesen von dem bihchen Unordnung Strafe! Wie unordentlich siehst Du wieder aus! Und Deine Rüsche wie unsauber! Schäme Dich!" Renate fühlte, daß die Mutter recht „Natürlich keine Zeit!" äffte Jutta schreibt!" Renate schreckte zusammen. Ihr Herz klopfte. Verrathen! Ihr wohlge hütetes Geheimniß verrathen! Darum also diese Blicke! Sie schaute zitternd, mit sunk«lnd«n Aug«n auf Jutta: „Woh«r willst Du das wissen?!" Da zog die Schwester raschelnd ter unter der Kommodedecke hervor und schwenkte sie triumphirend: „Da her!" sagte sie. Renate glaubte zu vergehen vor Scham. Außer sich vor Schmerz ent riß sie der Schwester die Bogen. Ihren ersten Roman. „Hast Du das .Sonntagskind' ge schrieben?" fragte die Mutter streng. Renate nickt«. Das Zimmer schien sich zu dreh«n. Sie brachte keinen Laut hervor, konnte keinen Gedanken fassen. Nur das eine erfüllte si«! Ihre durfte eine Heldin nicht weinen. Das fühlte Renate. Sie preßte die Zähne zusammen und machte ein finsteres „Du trotziges Kind!" tönte der Großmuutter Stimme an ihr Ohr. „Du eingebildete Gans!" sagte die Mutter ärgerlich. „In was für einer Welt lebst Du? Gerade Du bist w«it dem .Sonntagskind', das Du in Dei ner Geschichte schilderst und worunter Du jedenfalls Dich vermeinst. Uns ander- betrachtest Du durch getrübte Gläser. Ich will nicht von mir reden ich bin ja, Gottlob, noch sehr Tochter habe." „Ja aber wie sie mich hinfMt na, das ist doch unerhört!" rief Jutta entrüstet. Dos übrige verhallte an Renatens Ohr. Sie war todtunglücklich. Alles war ihr verhaßt in diesem schrecklich sten Augenblick ihres fünfzehnjährigen Lebens: die scheltenden Frauen, die stummen Wände, die Familienbilder Roller! Sie war wie betäubt. Die Strafpredigt war zu Ende. Sie wußte nun, daß sie ein über spanntes eingebildetes Kind war, das in sich gehen müßte. „Wozu Du heut« Zeit hast!" sagte die Mutter. „Du darfst nicht mitfahren zur Strafe." Und sie drückte die Blumenkapotte auf den welligen Scheitel, Jutta hing der Großmutter die Mantille um die Schultern und alle drei verließen das Zimmer. Renate war allein. Sie schlich in ihr rückwärts gelegenes sonnenloses Zimmer. Das würde zu ihrem Zu stande besser passen. Denn es war ihr. als könnte sie nie mehr fröhlich sein. Die langgedämmten Thränen brachen hervor und rannen unaufhaltsam ten Polster des alten schwarzen Le txrsosas, in die sie ihr heißes Gesicht Wald! Wie sie alle auf den Bater einsprachen! Wie si« ihm haarklein Renatens Sündenregister und die Ge schichte erzählten! Und ihn angehen, dem bösen Mädel, gegen das er viel zu nachsichtig ist. auch einmal ordent lich die Leviten zu lesen! O o wie deutlich sie das vor sich sah! Bei der Heimkunft heute Abend oder morgen Früh würde Vater die Geschichte vom „Sonntagskind" zu le sen verlangen. Denn nie strafte er, ohn« den Sachverhalt genau geprüft zu haben. Dafür war er zu sehr Ju rist. Aber das. gerade das durfte nichi sein! Dem mußte sie vorbeugen. Lieber doppelt« Strasration! Nein Vater durfte die Blätter nicht lesen. Ihre Thränen versiegten. Ihr Ent schluß wa< gefaßt: sie mußte ihr lie bes. ihr entweihtes „Sonntagskind" Unterm Schrank fand sie das zer knüllte, durch ihre Thränen unleser lich gewordene Manuscript und ver brannt« Bogen um Bogen. Finster und thriinenlos. Nun noch den letzten. Endlich lag ein Häuflein schwarzer Asche auf dem Brett. So recht und Als sie den letzten Rest schöner und von stolzen Hofsnungen geschwellter Stunden in den Herdschlmid geschüt tet. sah sie daß ihr Thun nicht un entdeckt bleiben würd«, und ihr däm merte, daß sie die Sache recht unge schickt gemacht hatte. Unpraktisch wie immer! Denn von der Mitte des Ki stendeckels grinst« ihr «in mächtiger Brandfleck entgegen. Schwarz wie die Nacht des Kummers, in der sich noch für manchen folgenden Tag ihr jun ges trotziges Herz verbarg. ?e«ll». I. Frau Meier: „Na, die Frau Huber ist nun auch gestorben!" Frau Schmidt: „So! Das war eine schöne wetterwendische Per son!" Frau Schulz (dazukommend): „Was Sie nicht sagen ich komme ja gerade von ihr! Der geht eS bedeu tend besser!" 11. Frau Schmidt: „Sehen Sie, so ist sie!" Theorie und Praxis. Vater (seinen Sohn ermahnend): „Der Mensch soll in allem, was er thut, immer äußere Ruhe und über legenen Gleichmuth bewahren. (Als der Sohn zum Fenster hinaussieht) Himmeldonnerwetter, Lausbub,. hör' doch zu, wenn ich Mr 'was sage!" Mit gleicher Münze. Madame (die Möbel mit einem Ver größerungsglas« betrachtend): „Da schauen Sie nur her, überall liegt noch Staub." Dienstmädchen: „Ja. gnä' Frau, wenn Sie die Möbel mit der Lupe beschauen, dann können Sie sich «in Dienstmädchen mit d«r Laterne suchen." Reisender (dem aus einem Handkoffer andauernd Flüssigkeit auf den Kopf tropft, zu seinem Nachbar): „Wissen Si«, etwas Schädliches ist doch nicht in Ihrem Koffer?" Anzüglich. Besucherin (zu, jungen Frau, die eben einen Teller zusammenkittet): „Na, Ihrem Mann hat's diesen Mittag wohl nicht recht geschmeckt, Frau Nachbarin?" Devot. Förster (nach der Treibjagd des Hof«s): „No, Hias, Du hinkst ja wie n«tt g'sch-idt!" Treiber: „Na, woaßt, Förschta, i' 'kriegt!" „Denke dir, Hulda, was für ei» Grobian der Assessor Lindenb«rg ist. Er sagte gestern zu mir. er schätze iDas fand ich auch, dann fügt« er aber hinzu: So ungefähr auf drei ßig!" Mildernd. Freund (zum Dichterling: „Hast Du gestern, als wir in dem Kaufladen waren, nicht blätter!" Verblümt. A. (spät. Abend» im Wirthshaus): „Also Ihre Schmie ?Und außerdem eine alte, bissige Tante; (seufzend) da ist diesen Abend noch großer» Empfang, wenn ich noch