Mitleid. elizv von Fron, sargo (Paris). Als Lea aus dem Restaurant getreten war, blieb sie einen Augen blick stehen und sah den breiten Boulevard St. Michel hinauf. Es Omnibus abwartete, konnte sie um zwei Uhr in der Rue Grenelle sein, um dort im Institut ihre drei deut schen Stunden abzuhaspeln. Den Rückweg wollte sie zu Fuß machen; auch kam sie dann zu dem Abendkurs wandte sich dem Luxembourggarten zu. Aus den zahlreichen Speisehäu sern der Seitengäßchen schwärmten von allen Seiten so viel strahlend« Schönheit, so viel Pracht und Luxus auf sie eindrangen, wo ein bloßer drücken überschauerte, wo Museen und Bibliotheken, Vorträge und Kurse ihr kostenlos zugänglich wa schnell waren da alle Illusionen ver flogen! Wie hatte sie es ausgekostet, dieses Betteln um eine elend bezahlte der Dachseite stand, so daß sie stets durch die Fensterklappe auf die Bett decke tropfte. Doch dafür kostete es monatlich nur zwanzig Frank, und ftudium zu ermöglichen. Freilich mußte sie sich dabei auf's äußerste einschränken. Für die Kost blieben ihr monatlich kaum vierzig Frank. Dafür kaufte sie in der Restauration dreißig Speisemarken, während sie sich Abends mit Brot und Thee begnügte. Doch litt sie dank dem reichlichen Mittagessen leinen Hunger. Und es war so warm und behaglich in dem hellen Speisesaal, den die Spiegelwände in's unend blendend weiß gedeckt; man bekam nach Wahl zwei Gänge servirt nebst Suppe und Dessert, und dazu lag neben jedem Couvert ein Weizenbrot von Armlänge, von dem man nach Wahrhaftig, sie hatte keine Ur sache, sich allzusehr zu beklagen! Und wenn sie erst einmal das Examen er stets sehr belebt. Unter den Bäu- nossen beschäftigte. All die vielen Gestalten verwoben sich ihr zu einem reizvollen Bild, und wenn sie die ten die Personen dieses geistsprühen den Salons auf die schlanke Schöne da vor ihr, sie lebt, ihr leich tes Grisettenlächeln vertieft sich, hei pin Doch heute fand sie ihren Platz besetzt. Ein junger Mensch hatte sich vor dem Denkmal niedergelassen und pinselte eifrig an einem kleinen Bild, das er auf den Knieen liegen hatte. Lea verstand genug von Aquarell malen, um auf den ersten Blick zu erkennen, daß die Arbeit vorzüglich war. Die melancholische Vorwinter stimmung, das fahle Laub auf dem verbleichenden Rasen, die wechselnden Resltx« zwischen den Baumstämmen das alles gab eine wirkungsvolle Staffage für die lichtumflossene Statue, die sich im Bordergrund des Bildes erhob. „Wie schön!" sagte sie halblaut auf deutsch. Der Künstler hatte sie nicht verstanden. Er änderte noch einige Kleinigkeiten, dann stellte er das Aquarell vor sich hin und betrach tete es prüfend, während er dabei ein Stück Brot aus der Tasche zog an. Er schien jung, kaum zwanzig jährig, und glich in seinem Aussehen jenen Bohömiens, die man im Quar- Bild betrachtend, wobei sein Gesicht im Widerschein einer unterdrückten hatte das Gefühl, als sei sie Zeugin eines weihevollen Augenblicks, der ei an der unbewußten Hast, mit der der junge Mensch das Brot hinabschlang, daß der Hunger wohl sein täglicher Recht, nach einem andern Ziel zu ringen als all die gefchäftsklugen Menschen ringsum, unbekümmert Tafel nur kärgliche Bissen abfielen. Von der Straße scholl das Glo ckensignal der Tramway herüber und mahnte Lea an ihre Pflicht. Zögernd ging sie dem Ausgang zin An dem Gitterthor wandte sie sich noch ein- Grau des Tags hob sich seine Gestalt aus dem Hausthor trat, athmete sie mit Entzücken eine fast frühTingshaft weiche Luft. Die Straße schimmerte weiß, wie blankgefegt, und ihr hei teres Leben, der Singsang der Händ ler, die Schrei« der Zeitungsverkäu fer, der Wortschwall der Kcmielots das alles klang an ihr Ohr wie tagständchen. Das Pantheon hob seine massige Kuppel in die klaren Lüste, und über dem Gewirr der so vielgestaltigen Dächer mit ihren un zähligen Fenstern, Mansardenerkern und Luken breitete sich ein feiner, der sich nur an den äußersten Rän dern zu einem dunkeln Gürtel ballte. Sie las die Briefe, die ihr der Concierge überreicht hatte. Es waren nicht viele, die sich ihrer erinnert hat ten. Ihr Bruder, eine Jugendfreun din, zwei Mädchen, deren Gouver nante sie zuletzt gewesen, und ihr Vormund. Aber sie wehrt« die me lancholische Stimmung, die sie über kommen wollte, rasch ab. Heute war sie vierundzwanzig Jahre da lag ja die Zukunft noch vor ihr, und was sie an Glück und Freude erwar tete, tonnte ihr das Leben noch brin gen. Leichtfüßig schritt sie dahin. Zuerst wollte sie auf eine Stunde in den Louvre zur Mona Lisa. Das sollte heute ihre Feierstunde werden. Plötzlich blieb sie stehen. War das nicht wahrhaftig, da ging der Maler aus dem Luxembourggarten. Er war vor ihr aus einem Laden getreten, mit niedergeschlagenen Au gen, ein derbes Lächeln um den Mund. Unter dem Arm trug er einen sorgfältig in Papier gehüllten Gegenstand. Sie ging langsam hinter ihm her. Er sah unschlüssig die Aufschriften der einzelnen Geschäfte an. dann trat mit Antiquitäten und Bildern ange füllt war. Lea stellte sich vor die Auslage und blickte in das Innere. Der Ma ler war bei der Thür stehen geblie er die Papierhülle zurück und bracht« ein Bild zum Borschein. Ein schmerzender >i-tich durchfuhr Statue! Der Herr im Lehrstuhl betrach tete über die Brille hinweg den Be sucher mit verdrießlicher Miene. Er machte eine wegwerfende Kopfbe weglmg, dann streckte er die Hand nachlässig nach dem Bild aus. Lea empfand das Demüthigende der Situation, als wenn sie selbst vor dem Kunsthändler stände. Sie war feuerroth geworden und folgte mit Herzklopfen dem Vorgang. Das Bild schien ihm zu gefallen. Er betrachtete es längere Zeit, dann sagte er etwas, worauf der Maler nur mit einem Kopfschütteln antwor tete. Er nahm, nachdem er eine Weile gewartet hatte, das Bild wieder an sich und wandte sich mit einer Ver beugung zur Thür. Der Kunsthändler war ihm nach Und ohne Besinnen, wie von einem fremden Willen getrieben, folgte sie dem jungen Menschen immerzu. fertigten ihn gleich b«i der Thür ab, ohne erst das Bild anzusehen, andere betrachteten es umständlich, mit iro bacchantischen Freuden ladet. Als wären die Masken des Alltags ver schwunden, glaubte sie in den Mienen der Begegnenden nur Haß und Neid Glück und Geld, nach Liebe. Sie für ihre Umgebung. Die Gasse war zu Ende. Sie befanden sich nun am Seinekai. Ge genüber ragte die Fassade des Louvre auf, und der Strom wälzte seine grauen Wellen träge dahin. In einem glänzenden Laden, des sen große Spiegelscheiben das flu chende Leben am Pont des Arts wi derstrahlten, wagte der Maler einen letzten Versuch. Doch bevor noch Lea bei der Thür vorüber war, kam er „Pardon", murmelte er heiser. Sie wußte nicht, wo sie plötzlich den Muth hergenommen hatte, ihn — ken an Paris aber ich fürchte, ich zwanzig Frank —?" Und sie hielt ihm mit zitternden „zwanzig Frank ich glaube versU chern zu dürfen, daß die Arbeit so viel werth ist wenn ich auch nicht mehr glaubte, sie zu diesem Preis anzubringen —" das Goldstück schloß. „Ich bitte Sie fehlt Ihnen itwas?" Nöthe im Gesicht. Im Blick seiner hen. Aber dann sah er ihr entfärb tes Gesicht, die zitternden Lippen. Er trat hart an sie heran. Namen, der in einer Ecke des Bildes angebracht war: Albert Menard. Albert Menard! Sie wiederholte te die Alexanderbrücke goldig auf, von der Seine schallten die Pfiffe der Dampfboote und mit einem träu- Der graue Man». Sie saßen und tranken am Thee tisch und sprachen nicht wie bei Henne von Liebe, sondern von Ge spenstern. Der Fruhjahrssturm Heuer behaglich. Eine Tante des Hauses, ein ältliches Stiftsfräulein, erzählte Gespenstergeschichten: „In Buchenthal", sprach sie, „Hort man oft um 12 Uhr Mittags eine unsicht bare Karosse in den Gutshof rollen. Bor der Freitreppe machen die Pfer de halt, um gleich darauf wieder da cchtzehnjährigenTochter Irmgard zum Besuch bei den Döhlens, den Ver wandten seiner seligen Frau, weilte. Mann." nicht." sen, Onkel Eberhardt," rief Irma Wellhofen lebhaft. „Ich wollte in Ritters Meinhardt v. Döhlen, der lautete die Ueberlieferung, im 16. Jahrhundert gelebt. Um seiner Un that willen muß seine arme Seele zeigt sich der Geist des Ritters in „schreitet der Ge:,t Ritter Mein- Herr v. Wellhofen warf unwillkür lich einen Blick in den Kamin. Er ärgerte sich, in ein Haus gekommen war er kaum ernstlich krank gewesen das Podagra hatte sich jetzt als Altersbeschwerde bei ihm eingestellt. .. te, vergessen sollte. Irma war, nach der Ansicht ihres Vaters, noch viel zu jung zum Heirathen auch dünkte kommener Schwiegersohn. Irma hatte sich gegen die Fahrt nach Döhlenhoff gesträubt: die Ver wandten der seligen Mama zu besu chen, dazu bliebt ja noch im Sommer Zeit genug; Döhlenhoff war solch «in einsames Strandgut und in der Stadt gab es jetzt nach Weihnachten allerhand gesellige Vergnügungen. Aber eben deshalb sollte Irma fort derPapa ließ sie, zu ihrem Kum mer, gar nicht mit reden. „Du ver gißt, mein Kind, daß Deine Tante Döhlen uns zu ihrem Geburtstag ein geladen hat wir haben, seit wir nach N. übergesiedelt sind, Döhlens noch keinen Besuch gemacht. Du wirst Dich schon auf dem Lande amüsiren. Es gibt Jagd auf wilde Schwäne in Döhlenhoff. zu der eine Menge Theil nehmer geladen sind und am Abend findet ein Ball statt. Die ganze Nachbarschaft wird versammelt sein." Die Stiftsdame ist im Begriff, Lauf nehmen. . . Herr v. Döhlen trat in Begleitung eines sehr sympathischen und gescheut Sohn eines alten Studienfreundes vorstellte. Mit dem Eintritt des jun gen Mannes geriethen die Geisterge- Schmerzen und seinen Grillen über lassend. Herr v. Wellhofen langweit sich. . .nicht einmal eine Zeitung hat Abend stattfindenden Festlichkeit be blick der bunten Malerei die Augen weh. . . Die große Stille im Ge mach, das weitab von den Gesell- w' Mch recht krank zu sein," denkt Irma und bittet: „Ach rede doch nicht vom To de, Papachen." Liebling, wie sehr mir Dein Glück am Herzen liegt. Ich leide ja aller dings keine großen Veränderungen in aber Dir zu Lieb«, mein Kind, bringe ich auch gern ein Opfer bisher fand ich allerdings, daß Du zum Heirathen noch zu jung wärst wenn Du aber den Doktor Lutzau wirklich so sehr lieb hast, dann -" Irma läßt ihren Vater garnicht ausreden in einem Athem lachend und weinend, umfaßt sie ihn stür misch. Gegen Abend lassen die Schmerzen im kranken Bein nach und Herr o. Wellhofen humpelt in den großen Saal, in dem sich zu Frau von Döh lens Geburtstagsfeier «ine größere Gesellschaft versammelt hat. Die Jugend harrt ungeduldig des Augen blicks, wo der Tanz beginnen würde. Ab«r es scheint, als ob vorerst noch et was Anderes stattfinden soll, denn die Stiftsdame eilt in rauschender Seidenschleppe aufgeregt hin und her und hinter der geschlossenen Saal thüre erhebt sich ein Gewisper. . . Endlich nimmt die Schwiegertochter des Hauses, die mit ihren Kindern heute Morgen eingetroffen war, am Flügel Platz und intonirt eine Polo naise. Die Thür des Saales offner sich und herein schreiten sieben graue Männer, genau so aussehend, wie der in Herrn v. Wellhofens Logierftübe dem Wandschränkchen entstiegene Geist des Ritters. Beim Anbtlck der sieben Zwerge aus der Schneewittchensag«, welche sich sehr bald als die Döhlen'schen Großkinder und ein paar NachbarSkinder entpup pen, fällt es Herrn von Wellhofen wie Schuppen von den Augen, besonders als auch Schneewittchen au? der Bild fläche erscheint, um im Festspiel zu Eh ren des Geburtstagskindes mitzuwir ken. Als die Verfasserin der an spruchslosen Verse bekennt sich nach «ichlich geerdetem Beifall die Tante stergeschichten erzählen. Irma sieht sehr lieblich aus im Kostüm als Mär chenprinzessin; die Krone aus Gold« blech, die sie im offenen Haar trägt, hat, so dünkt es ihrem Vater, eine außerordentliche Aehnlichkeit mit dem glänzenden Gegenstand, den das ver meintliche Hausgespenst dem Wand schränkchen entnommen. Vermuthlich wurden dort allerlei Utensilien zu Maskenscherzen aufbewahrt heute Vormittag hatte man Kostümprobe ge halten, und einer der sieben Zwerge wobei ihm von der einge schärft worden war, „recht leise aufzu treten", um den kranken Großonkel nicht zu stören. das Grauthier ist man dann selber," dachte Herr von Wellhofen, als bald darauf Dr. Lutzau um Irma anhielt. Aber ihm blieb nun nichts Anderes übrig, als seinen Segen zu ertheilen. Irma ahnte nicht, wem sie die rasch« Einwilligung ihres Vaters oerdankte erst auf dem Tauffeste seines ersten Enkels, nach der Champagnerbowle, Herr Salomon Lichtblau hatte in Meseritsch ein großes Geschäft, und alle Welt hielt ihn für sehr reich, so daß er es zuletzt selber glaubte. Da konnte er es allein nicht mchr Mingen alles in Ordnung bringen. Nachdem er neue Bücher angelegt und eine genaue Inventur aufgenommen, kommt er zu feinem Chef: „Herr Lichtblau, ich darf es Ihnen nicht verhehlen, Sie sind ja insolvent." „Wie heißt insolvent? Ist denn kein Geld da?" „Das schon, aber die Passiven über steigen die Aktiven!" Lichtblau kommt zu seiner Gattin: „Sarahleben, denk Dir, der Buch halter sagt, wir seien insolvent. Ich hab' mich gehalten für einen reichen Mann, das überleb' ich nix, ich „Ni? wirste Dich todtschießen. Jetzt ist die Zeit, wo Du pflegst zu geh'n in's Kaffeehaus, geh' imr unbekümmert und sag' kein Menschen nix, spiel' ruhig Dein« Partie wie immer, es wird alles ein reicher Mann." ! „Wieso? Hast Du gewonnen das große Loos?" Halter hab ich d«nveil hinausgcwor. Es zieht der Bursch' in die Weite, Sie geben ihm das Borschlag zur Güte. Herr: „Wenn Sie sich nicht augen „Jetzt hab'ich aber eenen erwischt; der sieht genau so aus, wie der Ber irecher, den Sie suchen bloß daß er keen Glasauge hat!" „Das is aber schade!" Der erste Zweifel. Junge Dame: „Sonderbar, sonst waren schrieben« Seit«n lang, jetzt schreibt er kaum zwei und so weit auseinan der; da soll ich wahrscheinlich zwi „Wo bleibt denn der Zins, Herr H b' ch .Nch Drastischer Beweis. Richter: Wissen Sie genau, daß es nur nicht immer so geregnet hätte." Division und Multi plication. Pensionär: „Sie lön durchgegangen ist; besonders der blonde Spitzbort." Gast: „Da sehen Sie, daß Sie sich irren, Fräulein;