Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 13, 1906, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Schuster Körner.
's ist ein Bub', Nachbar Körner!
Eine behäbige ältere Frau steckt mit
diesen Worten den K»pf zur Thür
hinein, die von der Kammer nach
dem als Wohnstube und Werkstatt
zugleich dienenden Raume führt.
Meister Körner läßt den Stiefel
fällen, den er gerade in Arbeit hat
und springt so hastig auf, daß der
Schemel mit einigem Gepolter um
fällt. Ein Bub'! Un das hab' ich
mir gleich gedacht; konnt' ja auch
nicht anders sein. Von wegen dem
Namen.
Allerdings. Aber da? versteht Sie
nicht, Kiesewettern. Nun krieg' ich
ihn doch auch zu sehen, den Bub'?
Noch nicht, Meister Körner. Ei.i
bißle Geduld müssen Sie schon noch
haben. Wenn's so weit ist, nachher
Und ich gratulier' auch schön
stens, Nachbar.
Die Kiesewettern winkt dem glück
lichen Bater zu und verschwindet
wieder. Der Schuster tritt vor einen
an der Wand zwischen den Fenstern
hängenden Buntdruck,der den Dich
terjüngling Theodor Körner vor
stellt. Andächtig schaut der biedere
Meister eine Weile zu dem Bilde auf,
fast, als verrichte er ein stilles Ge
bet. Dann stellt er den Schemel wie
der auf die Beine, greift nach dem
Stiefel und hantirt mit Ahle und
Pechdraht so eifrig, als gäbe «s
augenblicklich nichts Wichtigeres auf
der Welt für ihn. Seine Lippen be
wegten sich dabei in leisem Selbst
gespräch und auf dem faltigen Ant
litz mit den nachdenklichen Augen liegt
ein Leuchten. Herrgott, jetzt hat die
Arbeit erst so recht einen Zweck, jetzt,
wo der Himmel ihm ein Kind, einen
Sohn, bescheert hat. Nach sechsjäh
riger Ehe! Das ganze Dasein hat
überhaupt jetzt erst einen Zweck. Ein
Junge! Sein Junge! Sein Theo
mit, was ihn aus der Menge her
aushebt.
Meister Körner ist nicht wenig
stolz auf seinen Familiennamen, und
sollte. Trotzdem er nur ein Schu
ftersprößling war. Nur? O, es hat
Schuster gegeben, die man denke
zu heulen, das ist ihm doch genier
lich. Selbst seine Rike soll das nicht
sehen.
lockiges braunes Haar bedeckt das
Köpfchen. Das sind Erbstücke von der
Mutter, aber Meister Körner blickt
schett's Büble" ist.
seinem Namensvetter, dem Dichter
und Freiheitskämpfer, und der kleine
Theodor hört mit glänzenden Augen
du heißt gerade so, wie der da auf
dem Bild, und 'n hellen Kopf haft
du auch nun lern' brav und denk'.
willst.du
hüten die Eltern den Theodor vor
bösen Einflüssen und behalten ihn so
viel wie möglich unter Augen. Ist er
doch ihr Einziger, ihr kostbarster
Schatz! Ein gar einfaches Leben
fuhren di« drei Menschen zusammen.
Der Sonntag Nachmittag bringt,
wenn es das Wetter irgend gestat
tet, einen gemeinsamen Spaziergang,
ohne Einkehren im Wirthshaus. Je
der Groschen, der erübrigt werden
„später".
Es geht langsam mit dem Sparen.
nunq bedingt, nein, darin waren
Vater und Mutter Körner einig: lie
ber klein, aber sicher. Die Rite be
sorgte den Haushalt, der si«, trotz-
Studium fehlten ja doch die Mittel,
schließlich die Welt offen. Und einer,
auch mal selbst Bücher schreiben.
Mit sechzehn Jahren hat der Jun
bis dahin auf der Sparkasse. Was
der Theodor jetzt kostet, das wird
Ein Jahr der Lehrzeit ist bereits
ein rother Strich über die Hand und
bis an den Oberarm. Der Arzt
wird geholt und macht ein ernstes
spricht von Zuziehung eines Kolle
gen. Und als der zur Stelle ist,
fällt ein schreckliches Wort: Ampu
tation! Und es ist der rechte Arm!
Aber ehe die Eltern sich zu einem
Entschluß durchringen können, ver
furchtbarer Leidenstag, und Vater
und Mutter Körner stehen an der
Leiche ihres Einzigen!
chanisch ihre gewohnte Beschäftigung
zeug gestoßen und gesagt: .Schaff'
den Kram fort, ich rühr' keinen
Finger wieder. Für wen hätt's noch
Zweck? Unser Geld langt, bis wir
auch unter'm Rasen liegen. So was
mach' wenigstens fertig, was
fangen ist. Vergebens. Da trug sie
den Kundin die Stiefel und Schuhe,
zerrissen, wie sie waren, wieder in'Z
Haus.
Nun ist's unheimlich still und leer
bei den beiden Leuten. Die Rike
wirthschaftet noch geräuschloser als
sonst, und wenn sie bei ihrer Nähe
rei sitzt und den Mann ruhelos hin-
und hergeh«n sieht, dann ist ihr das
Herz zum Brechen schwer, und die
Thränen, die sie verstohlen abwischt,
gelten ebenso sehr dem Lebenden als
dem Todten. Das Bild des Dichters
Heller Fleck auf der Tapete bezeichnet
die Stelle, wo es seinen Platz hatte.
Am Morgen nach der Beerdigung
hat Meister Körner es vom Nagel
genom'men und in eine Dachkam
mer getragen.
Seit einigen Wochen lastet eine
neue Sorge auf der armen Frau.
Immer öfter muß sie tagsüber aus
der gegenüber liegenden Kneipe ein
Seidel Bier holen. Daß ihr Peter
nicht mehr arbeitet, damit hat sie sich
fast abgefunden. Sie weiß, daß sie
allenfalls genug für das bischen Le
ben verdienen kann. Aber daß er zum
Trinker werden soll, er, der früher so
nüchtern war, das ist ihr ein schwerer
Gedanke. Sie wagt eine schüchterne
Mahnung Wird s auch nicht zu
ich auch keinen Schluck Bier? Wüßt'
Angst, daß ich dir zur Last fall'? Da
des Armen, und die Rike fürchtet das
Schlimmste. Wenn sie nur ein Mittel
rettet
Mtister Körner sitzt, den Kops in die
stöhlen besorgte Blicke auf den finster
Schuhe in der Hand. Die stellt sie
Da fährt Meister Körner auf: Was
soll das? Wo willst hin mit die
Schuh?
Es sind meine Sonntagsschuh. Die
ach, Alter die Nike bricht in Thrä
todt ist Mutter, lass' die Schuh
da. Der Heidenreich besohlt sie heut'
Nach ein paar Minuten steht Mei-
und Pechdraht und arbeitet weiter bei
Lampenlicht, und die Rite sitzt dabei
mk ihrem Strickzeug, und es ist ganz
still in der kleinen Stube. Aber des
Meisters Antlitz wird Heller und Hel
gen, Älter. Wenn du nur willst, Ar
beit kriegst du genug. Die ganze Nach-
Meinst du? Nu, mir soll's recht
sein. Ach, das hat wohl gethan: So
lang einer noch schaffen kann, soll er
nicht verzweifeln, Alte. Aber daß du
mir das erst hast bribring«n müssen,
das ist eigentlich eine Schand'! Und
da sprechen die L«ut', die Männer
wären 's starke Geschlecht. So, nun
wollen wir zu Bett gehen, Mutter.
Der nur halb geleerte Maßkrug steht
vergessen auf d«r Fensterbank.
Ein stilles Arbeitsleben füllt nun
wieder die klein« Schust«rwohnung
aus. Nur zum Abendbrod holt die
Rike ein Seidel Bier für ihren Al
ten, wie in früheren Tagen. Das
Glück wohnt nicht mehr bei den be
raubten Eltern, aber nützlich« Thä
tigkeit, Zufriedenheit und Eintracht
sind gut« Geister, und wo sie weilen,
da findet auch daS Unglück keine
Stätte. Das Bild Th«odor Körn«r's
hängt wieder an seinem alten Platz,
und der Meister schaut oft zu ihm auf
während seiner Arbeit, und dann geht
«In ganz «ign«r Ausdruck über seine
Züge. Sein todter Junge und de:
Dichterheld werden ihm nach und nach
gleichsam zu einer Person, deren An
denken er einen stillen, au« Wehmuth
und Stolz gemischten Kultus weiht.
Die Königskette.
Humoristisch« Skizze von «lwin Römer.
Lose Mäuler hatten es dem ehren
festen, braven und nur etwas eitlen
Besitzer und Herbergsvater der „Golde
nen Krone" in Fichtenborn mit einer
behaglichen Schadenfreude brühwarm
hinterbracht, was die lose Hand jenes
jungen Malers, der im „Alten Auer
hahn" logirte, sür «in Spottbild über
ihn auf dießückseit« einer alten Speise-
hatt«. Er war nämlich
als Schützenhauptmann hoch zu Pferde
ausgezogen beim letzten Königsschießen
und hatte mit seiner Leibesfülle aus
dem etwas störrisch gewordenen Pferde
nicht just wie ein Leutnant gesessen, der
von der Reitschule in Hannover mit
das diesen hereingeschneiten Farben
klexer an? Und eine maßlose Verach
tung gegen des Malers Kunst, gepaart
mit einem heiligen Zorn gegen seine
Wesen, nicht, weil er gerade auf die
weiblichen Gasi dieses Wirthshauses
Blist sein ganzes Interesse in An-
blick, wo ihm die Ehrenjungfrauen die
Königskette umhängen! Das war
wirklich ein prachtvolles Bild, und er
fallen!"
Käthe seufzte ein wenig ungläubig.
Sie kannte den Dickkopf ihres Alten zu
gut. Aber sie mochte dem Geliebten
nämlich eine Fichtenborner Kostbarkeit.
Jeder neue König hatte von altersher,
je nach Vermögen und Opferfreude,
Amerikaners gereizt hatte.
Nach dieser Kette verlangte Ma
ler. Natürlich hatte sie der König in
Händen.
Käthe, die sonst über ein scharfes
Mitthun des Vaters am Zechtisch
ängstlich und verstimmt würbe, freute
sich ordentlich, als der Alte eines
Abends nach etwas zu fleißigem Um
trunk nicht mehr ganz taktfest auf den
Füßen war und schon vor der Zeit in
sein Schlafzimmer ging. Diesen
Abend benutzte sie herzklopfend zu der
Unthat. Zitternd lauscht« sie auf die
chen!"
Als der Gast jedoch fort war.
„Sie haben mir die Königskette ge
stohlen, weil Du auf nichts Obacht
gibst, leichtfertige Dirn."
irrst Dich, Bater!" flüsterte sie dann,
„Die Kette habe ich!"
„Du?" rief er erstaunt. „Ja, bist
Du denn des Teufels, Mädel? Was
willst Du denn damit? Und wie hast
„Es ist eine Ueberraschung für Dich,
Vater!"
„Ich danke für die Ueberraschungen,
bei denen einen der Schlag treffen
kann!" schrie er. „Sofort gestehe, wo
Du sie hingebracht hast. Ich bin nicht
eher ruhig, als bis ich sie wieder in dem
Kasten weih!"
„Ich will sie Dir holen!" sagte sie
Gartenpavillon des „Auerhahns" zu,
den sich der „Farbenklexer" zur Werl
statt eingerichtet hatte. Wie ein Be
sessener schnaubte er den armen Maler
Mädel noch den Kopf und leiten sie an,
den Vater zu bestehlen! Meine Kette
will ich haben! Auf der Stelle! Und
wenn Sie mir noch ein einziges Mal in
die Quere lommen, geschieht ein Un
glück! Das sage ich Ihnen!"
Das Bild würdigte er keines Blickes.
Es half auch lein Erllären und Begü
tigen. Mit der Kette im Ledertäsch-
unbarmherzig konfiszirte, was die
Adresse Ludwig Winzers trug. Der
MalerSmann aber zog nach langem,
nig zogen, der seine grimmig« Laune
im Trubel des Festes zu verbessern
hoffte. Die Angesehensten der Schll-
Mit freundlichem Lächeln trat dieser
endlich ein. Der Führer der Gruppe
hielt ihm eine kurze, kernige Ansprache
und lud ihn ein, zum Haupttag des
Festes doch auch zu erscheinen. Der
Fürst nickte gütig Gewähr und ließ sich
die Schützen seines Ländchens vorstel
len, diesen und jenen mit ein paar lau
nigen Worten bedenkend.
„Holla!" sagte er, als die Reihe an
den Kronenwirth kam, „den Mann
hier kenne ich schon!"
Heinrich Vollhaher wurde roth vor
Freude, obgleich er nicht wußte, woher
diese Bekanntschaft denn kommen
konnte. Der Fürst aber fuhr, die Kette
auf dem Brustlatz des Kronenwirths
musternd, schalkhaft fort: „Es ist nur
eine Bilderbekanntschaft. Aber die
Ähnlichkeit ist unverkennbar! Die
Kette bestätigt es übrigens! Nicht
wahr, Sie haben dem Maler Winzer
zu seinem prächtigen Bilde Modell ge
standen? Ich habe es hier im Schlosse
hängen. Haben Sie es nie gesehen?"
Und ein Diener wurde beauftragt,
das Bild „Der neue König", das auf
der letzten Ausstellung so gefallen hat
te, herbeizuschaffen. Alles war voll
Hals gelegt hatte. Diese aber trug,
„Es ist ein Prachtstück, das Sie
Bild hat seinen Ruf begründet!
den Kopf: auch die trotzigen Zeilen, die
Käthe geschrieben. Das lachende Ant
litz des jungen Malers tauchte auf,
Alte unsicher.
doch?"
nen Gefallen dafür thun!"
„Was Sie wollen!" betheuerte Ludz.
„Dann fahren Sie mal sofort nach
Dame: „Die Räthin, diese eklig«
Person, ist so schlecht, daß bei ihr die
schlimmste Verleumdung, die man sich
—U mschw u n g. Besucher: »Sa
reizende Stilleben, sind Sie davon
ganz abgekommen?" Maler: „Aller
dings, seit ich verheirathet bin, fühle
Kriegsbildern angeregt."
Lehrling (dem vom Meister
immer die Stiefel an den Kopf ge
gegangen!"
Boshaft. Gast (in der Ge-
Professor der Musik:
„Völlig, völlig!"
„Ja, Sie trauten ihm ja gar nichts
zu!"
mehr!!!"
Nicht verlegen. Papa (der
mit seiner Frau in der Scheidung
„So! Ist der so rücksichtsvoll?"
Die Lichtseite. AeltereS
gutem Gewissen an meinem Alter ab
ziehen!"
Trost. Junger Arzt: „Die
Pen. ..I'