Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, March 22, 1906, Image 2

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    TaS rothe Kleid.
ich'N .112 S' d^s
Sie liebt, wird Ihnen vielleicht Ihre
Ehre opfern, ihr Vermögen, ihren
wenn sie findet, daß Roth sie besser
kleidet! Glauben Sie mir. Nie!"
sein. Meine Geschichte heißt: Das
Ehre hatte .. .."
„Ja, ich weiß," sagte ich. „Ihre
Vers: „Und sag', wie endet Liebe?
er. „Hören Sie; es ist nun ungefähr
Soll ich es Ihnen schildern? Es ist
wohl überflüssig. Sie war das ent
zückendste, geistreichste, liebenswürdig
ste Geschöpf, das ich je gekannt habe,
kenne oder kennen werde. Und Sie
Mädchen seit drei Jahren nicht mehr
gesehen habe, jeden Gedanken, sie zu
besitzen, vollständig ausgegeben und
kein Recht mehr habe, sie anzusprechen,
ich das engelgleiche Geschöpf um jeden
Preis erziehen wollte. Und der letzte
Grund unserer Entzweiung war ein
rothes Kleid.
O, diese seligen Stunden, wenn ich
kann, wenn sie sich roth anzieht. Die
Brünetten wissen das gleichfalls. Ich
hatte Mignon in der Oper in einem
ähnlichen Aufzug gesehen, und noch
andere farbige Gestalten erwachten in
mir und begannen sich zu regen. Meine
Phantasie erglühte in romantischem
Feuer, und die Phantasie, das ist ja
die gefährlichste Bundesgenossin der
Leidenschaft. Sie spielt sozusagen die
Rolle der weisen Frau bei der Geburt
könnte es Ihnen auch nicht sägen, ob
ich mich damals mehr in das Mädchen
verliebte oder in ihr Kleid. Einen
großen Antheil an meiner blitzschnellen
Unterwerfung hatte jedenfalls die be
rauschende Farbe dieses Kleides.
Roth! Es ist die Farbe der Liebe.
Sehen Sie, ein Kind muß weiß geklei
det sein, eine Mutler schwarz, und eine
Geliebte roth. Ich kann mir keine
schönere Farbe denken für eine junge
und schöne Geliebte. Das heißt, das ist
heute meine Meinung. Auch dazumal,
Dinge. Nur in der Zwischenzeit wurde
ich meiner rothen Liebhaberei abtrün
nig. Ich bedauere es heute.
Der Zweifel tauchte zum ersten Mal
in mir auf, als ich ein halbes Jahr
nach jener ersten Bekanntschaft, die
Auserwählte meiner Mutter vorstellte.
Das schöne Kind trug bei dieser Gele
genheit dasselbe rothe Kleid, in das ich
mich vergafft hatte, und ich sah, daß
meine Mutter sprach kein Wort der
gleichen. So sind die Mütter. Ich
bin überzeugt, ich hätte jenes Mädchen
nehmen und dreißig Jahre mit ihr die
sind zum Theil verheirathet. Mit ei
nem Wort: Die Verwandtschaft. Ver
zeihen Si«, wenn ich bitter werde. Die
niß gefragt zu haben, und das um je
wanbtschast! Ich sage: Es gibt
! sagte: „Ich bitte Dich, solche Klei^
Der Stich saß. Ich selbst hatte
rothe Seidenkleid genährt, nun hörte
ich noch dieses scharfe Urtheil meiner
Base, die mir zwar an sich ziemlich
gleichgültig war, aber immerhin eine
gewisse Oeffentlichkeit vertrat. Ich
stand auf, ging hin?!» und sagte: „Ich
rothe Kleid zu tragen. Was wirst Du
dann zu reden haben, liebe Base?"
Das gespitzte Gesicht meiner Base
ging in die Breite, wie immer, wenn
ihr eine Bosheit glückt«. Und sehen
Sie, in jenem Augenblick faßte ich den
ich gesprächsweise zu meiner Braut:
„Jetzt wirst Du Dir wohl ein neues
Kleid machen lassen?"
„Wie sieht es aus?" fragte ich,
Farbe?"
„Du wirst es schon sehen!" lachte sie.
«Nur nicht so neugierig sein!"
ein neues Kleid von schönem rothen
Sammt. Ich erschrak unwilllürlich,
als ich es sah.
„Nun," fragte sie, „wie gefällt es
Dir?"
„Weißt Du," sagte das Kind, an
meine Schulter geschmiegt, „in einem
rothen Kleid hast Du mich das erste
Mal gesehen roth werde ich immer
tragen!"
Was thun? Ich mußte ihr noch
danken für ihre zarte Aufmerksamkeit,
und sie war so süß, daß ich ich ge
stehe es an jenem Abend nicht den
Muth fand, ihr meine Bedenlen gegen
die rothen Kleider vorzutragen.
Indeß meine Base lächelte boshaft,
als wir einander begegneten, und meine
anderen Verwandten schürten und sti
chelten weiter, Ich begann nun ernst
haft an meinem früheren Geschmack zu
zweifeln und entschloß mich, mit mei
ner Braut ein ernstes Wort in dieser
„Weißt Du sollst nicht immer
rothe Kleider tragen."
„Warum?" Sie sah mich erschrocken
an.
„Weil," sagte ich, „weil es so aus
fallend ist. Und meine Verwandten,
weißt Du —"
„O!" sagte sie, „Dein« Ver
wandten! ..."
Es war der erste Mißton in der
Melodie unserer Liebe. Ich schnitt ihr
das Wort ab, lüßte sie auf den Mund,
und wir sprachen nicht weiter über die
Sache. Allein das erste Wort war nun
Im übrigen war ich der Meinung,
meine leise Mahnung würde genügen.
Sie liebt dich, dachte ich, so wird sie
dich-verstehen und dir zu Liebe die ro
then Kleider aufgeben. Ich kannte sie
als feinfühlig und gefügig, und zwei
felte leinen Augenblick daran, daß ich
aus diesem Kampfe mit einem Kleid«
als Sieger hervorgehen würde. Ich
war damals eben noch sehr jung und
kannte die Frauen schlecht.
Als wir uns das nächste Mal sahen,
kam sie mir in demselben Kleide ent
gegen. Ich bemerkte es und war den
ganzen Abend merklich verstimmt.
Sie that, als wäre ihr der Grund
mein«r Verstimmung unerfindlich.
„Was hast Du nur?" schmeichelte
sie, „ist Dir etwas nicht recht?"
Da sie es durchaus nicht errathen
wollte, sagte ich ihr es schließlich. Sie
lachte mich aus, ich küßte sie, wir spra-
Als sie aber das nächste Mal wie
derum roth kam, erbitterte mich das.
Ich fragte ohne Umstände:
»Jetzt sag mir einmal, warum gehst
Du eigentlich nur in Roth?"
„Weil mir das gut steht," erwiderte
sie heiter.
„Und wen ich Dich bitte —"
An diesem Abend zankten wir uns
zum ersten Mal ernstlich. Es war
sehr bitter. Drei Tag« schmollten wir.
Am vi«rt«n Tage kam ein Brief von
ihr, der mich ins Haus lud. Ich war
sehr glücklich, daß sie mir den Rückzug
so leicht machte. Denn, wenn sie mir
an diesem Tage nicht geschrieben hätte,
so wäre ich am nächsten von selbst ge
kommen. Ich kaufte <inen Strauß
dunkelrother Rosen und machte mich
glückselig auf den Weg. Nie ist die
Liebe süßer und frischer als nach einem
kleinen Zank. Das ist wie ein Som
mermorgen nach einer Gewitternacht.
sen in der Hand, hatte sie mich bereits
erwartet. Denn sie öffnete und trat
mir entgegen, schön wie ein« Fee, mit
ausgestreckten Armen. Allein sie trug
ein rothes Kleid.
Ich warf die Nosen hin und inachte
ihr eine fürchterliche Szene. Sie ließ
spielte,
auf ihre Erscheinung bedacht sein.
„Mein Ruf! Meine Erscheinung!"
rief sie. „Als ob man nicht ebenso
brav in einem rothen Kleid sein könn
te, als schlecht in ein«m blauen. Was
liegt an einem Kleide!"
es D«inen Verwandten also endlich
doch gelungen!" ri«f si« einmal um das
andere Mal, und schwere Thränen
rollten ihr über dir Wangen und fielen
auf den rothen Sammt ihres Kleides,
wo sie klein«, runde, schwarze Flecke
zurückließen. „So ist es ihnen doch
„Was haben meine Verwandten da
mit zu thun!" rief ich ärgerlich. „Ich
bitte Dich einfach, die rothen Kleider
nicht mehr zu tragen, und Du thust es
mir zu Trotz. Wenn Du mich liebtest,
müßtest Du mir dies Opfer bringen
können."
Sie schüttelte den Kopf, von Thrä
nen bewegt:
„Heute ist es das Kleid, morgen wä
re es was Anderes. Ich weiß, woran
ich bin." Und plötzlich, sich hoch auf
richtend, mit einer stolzen Gebärde,
streifte sie den Verlobungsring vom
Finger und legte ihn auf den Tisch.
„Da," sagte sie stolz und kalt, „wenn
es Dich reut —"
Es ist selbstverständlich, daß ich sie
zurückzunehmen. Aber vierzehn Tage
später wiederholte sich diese Szene.
Wir waren einmal ins Zanken ge
kommen, so zerzankten wir uns immer
mehr. Und als ich sie immer und im
mer wieder das rothe Kleid anlegen
sah, dieses Kleid, das ich nun ebenso
leidenschaftlich haßte, als ich es früher
geliebt hatte, ergriff mich eine steigende
Erbitterung. Es legte sich mir wie
ein rother Nebel vor die Augen, der
immer dicker und dichter wurde, bis
schließlich alle ihre schönen und glän
zenden Eigenschaften, ja ihre ganze
lichte Gestalt darin verschwand. Ich
wurde unhöflich, ich wurde tyrannisch.
Szene folgte auf Szene, und in einer
jeden gingen wir um einen kleinen
Schritt weiter bis wir schließlich
nicht mehr zurückfanden. Die pur
purne Liebe wurde in den Staub ge
rissen, besudelt, entehrt, wir traten
darauf. Eines Tages nahm sie den
Ring nicht mehr zurück. Ich, rasch,
wie ich leider immer war, packte ihn
und warf ihn in den Ofen. Sie, nicht
minder energisch, ging zwei Tage spä
ter als Gesellschafterin einer reichen
Dame auf Reisen. Von Paris aus
schickte sie mir meine Briefe zurück; ich
sandte ihr die ihrigen. In einem hal
ben Jahr waren wir so weit ausein
ander, als wären wir nie beisammen
gewesen. Und meine Base wurde fett
vor Schadenfreude ....
„Das ist die Geschichte vom rothen
Kleid," schloß er mit einem unsicheren
Sie mir wohl!" Er stand aus und
begann am Fenster unseres Abtheils
einen schönen Marsch zu trommeln.
Ich sagte: „Ihre Geschichte ist «in
Ausnahmsfall. Denn erstens trägt
nicht jede Frau ein rothes Kleid —"
„Doch," rief er, indem er sich lebhaft
umwandte, „rn einem gewissen Sinne
trägt jede Frau ein rothes Kleid, das
heißt, sie hat irgend einen bunten Fe
„Das ist möglich," erwidert« ich,
„aber wer sagt Ihnen, daß Ihr Fräu
sie besser zu behandeln verstand, darauf
verzichtet hat?"
Er schwieg. Indessen als wir zwei
Und sie bewegt sich doch!
ballen! Ach, wär's doch erst Mittag!
quietschst mir noch ein einziges Mal
mit de? Bank, dann sollst du was be-
sehen! ... Also die Sache verhalt sich
Kreis hier, der ist die Sonne...
Schneider, welcher Kreis ist die
Sonne?"
„Du Esel, du... Lehnert, sag'
du's!"
„Gut! Setz dich einen rauf, Leh-
Herr Schtilinspektor das letzte Mal
dreht sich ebenfalls um sich selbst, aber
— Ja U. .^Ja— a—a—a!^
der Erde. Weißt Du? Wie der Na
euch auch das vormach:n..."
„Ja, aber Herr Lehrer, wenn sich
nu die Erde so geschwinde drehen thut
schon beim Karussellfahren
zieht's doch so da müßte
dann auf der Erde ein Wind sein,
ein Wind. Herrgott, zum Umblasen,
Herr Lehrer!"
Der Verkiinder der Wunder des
Weltalls stutzte einen Augenblick:
„Wind müßte sein, sehr viel Wind,
meinst du? ~. Hm, ja, da hast du ei-
Der Lehrer kratzte sich den kahlen Kopf
und legte die Stirn in nachdenklich-
Falten. Die ganze Klasse hing jetzt
neugierig an seinen Lippen? denn ob
wohl die Jungen alle schon gehört
hatten, daß sich die Erde dreht,
glauben, so richtig bibelhaft glauben
mochte es lein einzig«!.
„Wind, meinst du, müßt« entstehen?
ja .
Manchmal aber auch ni'cbt. Und ei
gentlich müßte es doch immer s? sein!"
s „Immer, meinst du? Hm, mein
lieber Jung«, hm, das...das geht
Wort gibt, daß sie sich dreht, so darfst
„Ja, und?"
schluß, öffnete den Mund und, hof
„Das ist sehr einfach. Paßt mal
gut! sie dreht sich und Amtmannj
Karl steht auf dem Hofe des Do
gen? Du? Also sag'du es, Leh
nert!"
der Thurmuhr der Dorskirche ertönte
soeben der erste der zwölf Mittags
glockenschlage. Der Schulmeister ath
„Hm, hm, wie ist das nur?
Muß doch nachher gleich einmal d«n
Herrn Pfarrer frage»"...
Hinter den Kulisien der Mode.
Nur selten ist es den Uneingeweih
ten erlaubt, in das verwickelte Getriebe
und die großartigen Vorbereitungen
kann das ihm anversraute Kriegsge
heimniß, kein Mitglied des Freimau
rerordens die verborgenen Ceremonien
geborene Plauderhastigkeit bemeistern
Wirklich ist auch für die Frau die Mo
de eine so ernsthafte Sache, daß sie die
jetzt in der Bibliothek der „Großen
Oper" befinden. Das Museum Car
navalet, das reich« Schätze an Zeich
gefllhrt, so tritt noch der Scharfblick
des Geschmacks in Aktion, die im Blut
sich die feinste Blüthe der Pariser
Mode.
Stils haben vielleicht den Geist der
für das Ausland angefertigt werden,
nicht dieselben sind. Die Vertreter der
zahlreichen englischen, deutschen und
amerikanischen Modefirmen bekommen
nur selten das Letzte, was die Pariser
Modtkünstler erdacht haben, sondern
rung von dem ist, was man in Paris
im Winter trug. Freilich besitzen auch
wieder die fremden Modefirmen den
Geschmack, die Pariser Modell« nur in
'großen Umrissen zu übernehmen, und
die dem Pariser Modell erst die per
sönliche Note in jedem Lande und für
jede Träg«rin geben muß.
Doppeldeutig. Bewerber:
„Glauben Sie, daß die Dame zu mir,
paßt?" Heirathsvernnttler: „Vorzüg
lich die hat Verstand für zwei!" «
Rache. Arzt (der von einem <
Herrn beleidigt wurde, für sich): „Na,l .
dem seine Frau soll mir 'mal kom-»