Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 14, 1905, Image 2

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    Kalt Blut.
Ich habe fett 1896 die Hoteldieb
dort wohnt«.
Ich habe stets darauf verzichtet,
Nachschlüssel zu gebraucht» oder die
Thür zu sprengen; denn ich hatt« keine
Lust, im Falle einer Verhaftung we-
schwerenEinbruchS bestraft zu wer-
Seit d«m Beginn meiner abenteuer
lichen Karriere im Jahre 1888,' wo ich
den Kampf mit der französischen Ge
sellschaft aufnahm, war ich jede Se
kunde darauf gefaßt, mit aller mir zur
Verfügung stehenden Intelligenz,
Schlauheit und List mit den Vertre
tern und Beschützern dieser Gesellschaft,
der Polizei, zusammenzustoßen. Diese
zehn Jahre in »nfrtiwilliger Zurllck-
Es war im Monat October 1898
„Wie, Georges, Du bist hier? Dann
bist Du es selbstverständlich auch, der
den Diebstahl im Hotel began
ich:
„Allerdings, mein Alter, hier sind
d!« Sach«n! Und wenn Du Deine
Liste hervorholen willst, durch die die
löbliche Polizei Dich so freundlich in
sormirt hat, so wirst Du seh«n, daß
alles da ist. Wie schade, daß Du der
hohen Polizei nicht die Freude machen
mich arretiren zu lassen, da
ter" —er nahm"ein Blatt und las
.einem schlanken, jungen Mann mit
und sein Signalement der Geheimpo
lizei gemeldet. An jeder Ecke der
Stadt steht augenblicklich ein Gehei
mer,.um den frechen Spitzbuben zu
daß sie heute frische Luft schöpfen. Also
dern schätzte die Sachen ab und bot
mir 26,M0 Francs. Ich verlangte
Sc>,oM Francs, und wir einigten uns
auf LL.VM Francs, die er mir baar
auszahlt«. Dann sagte ich:
„Mein alter Freund, es thut mir
scheußlich leid, nicht noch eine Flasche
mit Dir ausstechen zu können. Aber
ich gönne der Polizei nicht, daß sie sich
die SOVO Francs Belohnung verdient,
mich freudestrahlend am Kragen
Flasche auf mein spezielles Wohl leert."
Der Juwelier blieb in größter Un
ruhe und warnte mich immer wieder,
da mein Gesicht nach d«m Signalement
leicht zu erkennen sei.
Allerdings, geschehen mußt« et
was, denn in meiner Sorglosigkeit
steckte doch eine recht große Portion
Renommee. Ich zündete mir also eine
Cigarre an, drehte das glühende Ende
um und brannte mir wie durch Unge
schicklichkeit die rechte S«ite meines
schönen Schnurrbarts ab. Mein
Freund, der meine Absicht erkannte,
bot mir nun an, mir ein Rasirmesser
aus seiner ziemlich weit entlegenen
Wohnung besorgen oder eins kaufen
zu lassen. Das hätte mir aber zu
lange gedauert. Ich lehnte daher.ab,
sagte ihm Lebewohl und ging frank
und frei zu einem dicht benachbarten
Coiffeur. Hier verlangle ich völlig
unbefangen, daß er mir den Schnurr
bart, dessen eine S«!t« ich mir unge
schickterweis« verbrannt hätte, gleich
mäßig schneide. Der Barbier erklärte
wie ich das er^artct^hatte
zu: „Nordbahnhof, AbfahrtS-
Orevi-r unter dem Arm, das Hotel und
kehrte bald darauf eiligst zurück. Ich
erklärte dem Wirth, daß ich soeben auf
und daß ich daher noch h«ute mit dem
Nachtexpreß dreiviertel auf elf Uhr
fahren müßte.
Man ist besonders in solchen klei
nen Hotels an ganz kurzen Aufenthalt
und beständiges Kommen und Gehen
Bahnhof, als schon zw«i Geheimpoli
zisten sich mir näherten und mir ge-
Ohne mich im geringsten durch das
Interesse, das ich erregte, stören zu
lassen, stieg ich mit Seelenruh« aus
der Droschke, bezahlte den Kutscher
und betrat den Bahnhof. Dann sah
mich zu ihm immer die zwei Detek
tivs, die mich keinen Schritt verließen,
dicht hinter mir. Am Schalter ve^
hatte. '
bis -ur Abfahrt. Ick ging also, als
ob ich mir txn Teufel aus ihrer Be-
Bahnsteig, wo der Expreß fauchte. Ich
stieg in «inen V-Wag«n zweiter Klasse
und sicherte mir einen Eckplatz. Um
teldieb vor ihren eigenen Augen ent
schlüpfen zu lassen, so thaten si« am
besten, sich sofort dienstlich begraben zu
lassen.
Was also thun?
Ich sah förmlich auf den Gesichtern
der beiden Geheimen, wi« sie immer
mehr und mehr sich dem Entschlüsse
zuneigten,
einer von ihnen den Fuß auf das
Trittbrett setzen und dann war alles
für mich verloren. Ich verließ also
das Fenster, stieg dicht vor den Poli
zisten wieder aus und begann, die Hän
de auf dem Rücken, längs des mächti
ge > I>-Zuges, in dem sich mein Abtheil
befand, hin und her zu spazieren.
Es fehlten noch sechs Minuten an
der Abfahrtszeit.
Die Detektivs näherten sich mir so
fort so dicht, daß ich fast ihren aufge
regten Athe.n spürte und jeden Augen
blick ihren Griff auf meinem Arm füh
len zu müssen glaubte.
tive von ganz neuer Konstruktion und
betrachtete sie anscheinend völlig ent
zückt und verblüfft.
der flüsterten. Aber schon setzte sich
Verstecken spielt
hätte, nahm ein Billet für die von der
spitzen Winkel Zweidrittel meines We
quer, bis ich nach zwei Tagen die
Schweizer Grenze passirte und in Lu
zern den Expreß nach Italien bestieg,
Zhr Gelddrief.
„Uebrig«ns Fräulein," sagte der
Chef, als die jung« Buchhalterin wie
der sein Kontor verlassen wollte,
„Herr Dettmann sagt« mir, daß Sie
„Mein« Mutt«r ist wieder"
„Ja, ja, ich weiß," unterbrach er sie,
„und ich will auch alle mögliche Rück
sicht üben, ab«r eben nur soweit si«
auch möglich ist? in einem großen Be
trieb« ist Ordnung und Pünktlichkeit
die erste Bedingung. Na, gehen Sie
nur jetzt an Ihre Arbeit, und so böse
hat es Herr Dettmann auch nicht ge-
Lieschen Bölert war seit sechs Wo
tig, in d«m sie nur durch ganz besonde
re Empfehlung die Stellung bekom
men hatte; die Firma Steinau
Zukunft. Wie hatte sie sich doch ihr Le
ben ganz anders gedacht, anders als
auf dem Kontorstuhl zu sitzen, an
Geschäftsbüchern zu und
ken? Bis Mittag sind Sie doch Wohl
uns?"
„Aber jg, ich wollte sagen, daß
ich noch bis vor Kurzem einen ganz
anderen Begriff von dem Wirkungs
kreis eines jungen Mädchens aus mei
nem Stand« hatte i ich gebe mir wohl
redliche Mühe, die Pflichten meines
neuen Berufes zu erfüllen, aber"
»Da stocken Sie schon wieder vor ei
nem „Ab«r". Sie meinen, ein junges
Wirthschaft/^'^"
„Ja," sagte sie aufrichtig, und ihr«
ist das recht« Glück. Wohl jedem Mäd
lich«s" und dabei wies sie ihm mit
! kläglichem Ausdruck ihres lieblichen
G«sichtchens schüchtern ihre Rechte.
huschte über ihr Gesicht:
h-ut bloß die Zeit geblieben! Jetzt geht
Kladd«."
senkte.
°
prüfend«» Blicken empfingen.
„Hier schreiben Paul Theodor Mat
theus >Z: Söhne in Hamburg, daß in
dem Geldbrief die dreitausend Mark
fehlten."
„Was was?" stotterte das Fräu
lein und hielt sich blaß und zitternd
an dem Schreibtisch M. „Geld fehlt?
Ja, aber wi«fo?"
.Das will ich eben von Ihnen hö
ren." »
„Das Geld fehlt?" wiederholte
Lieschen wie betäubt. „Das Geld
fehlt? Ich hab« es doch in den Brief
gesteckt, ich weiß e5 ja genau, ich erin
nere mich ganz genau, wie ich die
Scheine in den Brief und den Brief
dann ins Kuvert that. Das Geld
m u ß im Briefe sein!"
„Wenn Müller >k Söhne schreiben,
daß das Geld nicht da war, Fräulein,
wo soll denn das Geld sein? Ich habe
Und schluchzend barg sie ihr Gesicht
Kopf.
„Was, Sie wollen nicht suchen? Ja,
hätte; dann schrie sie herzbrechend auf.
„Ach, mein Gott, mein lieber Gott!
Sie glauben, daß ich daß ich?
ten.
helfen."
Der Morgen kam nach einer Nacht,
die Mutter und Tochter schlaflos v«r
ins Zimmer führen,
wahr?"
„Wir wissen wenigstens, wo es ist.
zensdrang, wie unbewußt ein keufthes
Geheimniß v«rrathend, warf sie sich
jauchzend dem jungen Mann an die
Brust. Der hielt sie fest und ließ den
ersten Freudenrausch sich lösen, dann
zog er sie zärtlich an sich, und zu der
glückselig lächelnden Mutter gewandt,,
res Unrecht wieder gutzumachen. Eine
lurze Spanne Zeit hatte ich Ihr Töch
terchen in bösem Verdacht, aber ein
ganzes Leben voll Liebe und Hinge
bung und treuer Verehrung soll es be
weisen, was ich im Grunde meines
Herzens für Ihr Kino fühlte von der
ersten Stund« an, wo ich sie lennen
lernt«. Mach«n Sie mich glücklich und"
und dabei sah er auf das jung«
Mädchen, d«fs«n liebes Gesichtchen wie
in holder Roth« übergössen schien,
„und meine Braut, mein liebes, kleines
Lieschen auch. In meinen vier Wän
den soll si« ihr« Arbeit finden und in
d«r eigenen traulichen Häuslichkeit die
Wärme d«s Elternhauses neu erleben."
Der Brandbrief.
Eine schön« Bollssitte, die gleichzei
tig auf die B«deutungsentwicNung d«S
„Brandbriefes" Licht fallen läßt, be
ein Kleidchen mit abfiel!
Mißtrauisch. Standesbe
amter (zur Braut, welche das Proto
koll unterzeichnen soll): Lassen Sie
doch Ihren Bräutigam so lange los.
Aus Brautschau.
sch«n zu erwarten sind. Ein dichtge
drängtes Publikum harrt schon gerau
me Zeit auf Einlaß. All die Müßi
schaftlichen Antheil an dem Familien
fest nehmen und d«r Braut „die Ehre
anthun" wollen Hausgenossen der
Braut, die sie kaum kennen, aber doch
„dabei sein" müssen Mütter Verlob
ter Töchter und diese selbst, um Stu
dien zu machen für den kommenden
Ehrentag im eigenen Hause. Es er
scheint die Schneiderin, die das Braut
kleid gearbeitet hat, mit ihren Gehil
finnen und einer Gesellschaft von Kun
dinnen, die sie der Reklame wegen ver
anlaßt Brautschau zu halten. Da
viele, hinzugehen: man kann von dein
Wispern und Tuscheln vielleicht eine
interessante Neuigleit auffangen. Auch
die Friseurin, die der Braut das Haar
geordnet und den Schleier aufgesteckt
hat, findet «in leicht begreifliches In
teresse daran, die Wirkung ihrer Kuns
tfertigkeit in dem stimmungsvollen
feierlichen Raume zu prüfen und sich
den ihr zunächst sitzenden Damen für
etwaigen Bedarf zu empfehlen.
Stoßend und schiebend, schwatzend
und lästernd sluthet endlich das Gewo-
Lorbeerbäumen durchzieht, und er
greift höchst unfeierlich Besitz von den
Kirchstühlen. Draußen aber drängt
eine zahlreiche Menge aus dni
für die heranrollenden Wagen bleibt.
Dienstmädchen aus der Nachbarschaft,
die einholen gehen, Arbeiterfrauen, die
Nachmittags Mit ihren Sprößlingen
auf dem rafengrünen Kirchplatz eine
Luftkur genießen, und zufällig Vor
übergehende von der Sort«, die überall
stehen bleiben, wo etwas los ist, bilden
ein dichtes Spalier zu beiden Seiten
des Teppichs, über den die Hochzeits
gäste die Stufen emporsteigen. Laut
und ungeniert wird Kritik geübt an
den Festgewändern d«r Damen. Und
nicht nur an den Gewändern; d«r ma
gere oder volle Hals, die bleiche oder
blühende Gesichtsfarbe, die ungeschickte
oder elegante Schleppenraffung wer
den rücksichtslos constatirt.
Die Herren würdigt man in der Re
gel keiner sonderlichen Beachtung. Ihre
einförmig schwarze Gala bietet wenig
Augenweide für die neugierige Gesell
schaft. Nur wenn die Brautjungfern
aussteigen, werden die sie geleitenden
Brautführer auch einer näheren Be
sichtigung unterzogen und romantische
Folgerungen daran geknüpft. Oft
wenn ein im Alter oder Aussehen gar
zu ungleiches Paar erscheint, steigern
sich die derben Glossen zu ziemlicher
Unverblümth«it.
Jetzt biegt der Brautwagen um die
Straßenecke. Das laute Geschwätz
wird im Nu zum Geflüster, die schrei
enden 'Kinder werden energisch zur
Ruhe verwiesen, und fast ehrfürchtig
treten die Spottlustigen einen Schritt
zurück, dem Brautpaar den Weg zum
Altar frei zu machen. Nur ein beifäl
liges „Ah—" wird vernehmbar, wenn
die in weiße Seide aus Schleier ge
hüllte Braut die Reihen durchschreitet.
Eine Braut wird bewundert,^sie
bräutliche Stimmung etwas Hoheits
volles. Das ist es, was die Leute se
hen wollen, und hören müssen si«, ob
das „Ja" laut oder leise durch den
Altarraum hallt. Deshalb hat auch
die meist beschäftigte Frau selbst bei
der großen Wäsche Zeit, wenn es gilt,
Schleppe hinter den Glasscheiben der
Lohnkutsche verschwand. Die holde
Weiblichkeit hat wieder einmal ihr«n
großen Tag gefeiert.
«in eigenartig»« !viib>>erft»n»«iß.
Bei einem Gastwirthe waren in der
Nacht Einbrecher in die Schankräume
eingedrungen. Ein Polizeibeamter be
merkte einen verdächtigen Lichtschein,
bedachten Wirthes wurde der Thatbe
stand festgestellt und der selbstverständ
lich erfolgte Freispruch verhütete, daß
Der Ruhestörer. Uhr
macher: „Sind Sie mit der Weckeruhr
zufrieden, die Sie von mir gekauft
haben?" Herr: „Die habe ich längst
macher: „Nanu, warum denn das?"
Herr: „Das Ding hat mich ja immer
im besten Schlaf gestört."