Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, November 16, 1905, Image 2

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ' Z» der Falschgeldler-Znnst.
Es liegt in der Menschennatur,
wenn auch nicht in derjenigen aller
Menschen, begründet, daß selbst die ge
fahrvollsten Verrichtungen ihre leiden
sprllnglich in eine derartige Sphäre ge
drängt hat! Mag es in die fernsten
oder unheimlichsten Zonen und Winkel
Erd«, oder auch in künstlich geschaffene
Todesgefahren der Werkstatt, des La
boratoriums, des Arsenals und der
— überall wird maiö solche
absolut sicheren Tod hineinzusteuern
bereit sind. Aber dies Alles mögen
doch in gewisser Hinsicht dankbare Be-
Begeisterung für die Wissenschaft als
Ideale vorschweben. Daß es stets
Menschen gibt, auf welche das eine
schwer.
Etwas Anderes ist es aber mit Thä
tigl»itsarten, welche nichts von alledem
den!
serer Zeit und unserem Lande die
Kunst des Falschmünzers, des in
telligenten und gebildeten, der weiß,
Es soll hier speciell von der „höhe
ren" Falschgelder - Klass« die Rede
sein, nämlich von den Herstellern fal
scher Geldscheine; denn der Nach
ser Klasse heute thun. Auch das V«r
lizei - Chef John Elbert Will» ver
mil ewiger Bewegung. Insofern scheint
die Leidenschaft für Geldscheine-Fäl
schung. erklärlich genug zu sein. Aber
ihre Silasen wissen auch ganz genau,
daß noch lein einziger ihrer Zunftge
nossen davon auf die Dauer Gewinn
gehabt hat, daß in unserer Zeit die
Verhältnisse dafür ungünstiger sind,
als jemals zuvor, und das Verhäng
mß noch Jeden ereilt hat. welcher sich
darin versuchte. Aber jeder dieser
Wahnwitzigen bildet sich ein. ihm wer
de glücken, was teinein Andern zi
glückt ist!
Dabei ist gerade auf dem Gebiete
des Falschgeldes die „Vollkommenheit"
ein äußerst unbestimmbarer Begriff,
eben dadurch entdeckt worden, daß es
zu gut gemacht war, besser'als das
Original.
Es wurde oben auf die einträglichen
gesetzlichen Berufsarten mancher
Falschgeldkünstler hingewiesen. In
deß muß hinzugefügt werden, daß ei
nige dieser Professionen in besonderem
Maße geeignet sind, ihre Angehörigen
aber nur wenn dieselben ohnedies
entsprechend veranlagt sind auf den
Abweg des Geldverbrechers zu locken.
Dahin gehört namentlich der, an sich
so achtbar« Beruf des Graveurs und
des Photo - Gravirers. Es gereicht
dieser Profession zu hoher Ehre, daß,
wenigstens in unserem Lande, noch
äußerst wenige Falschmünzer aus ihr
manische Versuchung auf vielen Wegen
lauert. Bloße Klugheitsrücksichten
würden sie wohl ebenso wenig, wie
Sinn für die Ehre ihres Gewerbes" ist
ohne Zweifel bei den allermeisten sehr
stark. Die weniger vorkommenden
Ausnahmefälle indeß sind um
so bezeichnender.
Einer der interessantesten derselben
war derjenige von Marcus Crehan.
Rhode Island, der sich im vorigen
Jahre zur Katastrophe entwickelte.
Von ihm möge hier etwas näher die
Rede sein, nach Mittheilungen aus Ge
heimdienstkreisen.
» » «
Crehan war ein junger Mann von
ungewöhnlich guter Bildung, von sehr
anziehender Persönlichkeit, fleißig,
strebsam und talentvoll. Seine ganze
Familie gehörte und gehört Zur besten
amerikanische Gesellschaft, wenigstens
nach deren eigenen Begriffen. Wäh
rend seiner Lehrzeit errang er sich in
besonderem Maße die Werthschätzung
seiner Arbeitgeber. Er suchte bestän
dig nach neuen Methoden, gewiss« Ef
fekte in der Photo » Gravirkunst her
vorzubringen.
Vor mehreren Jahren begründete er
ein eigenes Geschäft zu Providence,
und dasselbe wuchs aus kleinem An
fang rasch zu einem sehr einträglichen
Unternehmen empor. Soweit bekannt,
widmete er sich denn nur noch der Ge
schästsleitung; er stellte andere ge
schickte Leute an und benutzte sein eige>
nes technisches Wissen nur noch zu ge
legentlichen Anregungen für dieselben.
Wie viele Andere, reservirte er sich im
Geschäftslokal ein Privatzimmer. Oes
ters machte er Geschäftsreisen nach öst
lichen oder westlichen Großstädte; aber
die meiste Zeit verbrachte er doch da
heim. In einer Juoggesellenwohnung,
die er mit einem Freund theilte, führte
er «in bescheidenes Leben.
Freilich, er hätte kein echter Ame
rikaner sein müssen, wenn er sich nicht
auch an dem Pserderenn- und Wett
sport betheiligt hätte; doch that er dies
nicht in auffälliger Weise.
Eines schönen Morgens nun ging
einer der „Buchmacher", welcher seine
Angelegenheiten an der Rennbahn von
Gravesend in Händen gehabt, nach
dem New Dorker Sicherheitsgewölbe,
wo er seine Banknotenrolle oerwahrt,
um sich mit Geld für das Geschäft die
ses Tages zu versehen. Zufälligerweise
lagen zwei Hundertdollar - Goldcerti
beiden Noten «inen Äugenblick geprüft:
„Der Unterschied zwischen ihnen ist der
Unterschied zwischen gutem und fal
schem Geld! Die ein« ist eineFälschung,
prüfte der di^
selben Art herausgefischt. Natürlich
gelungenen Faschnoten wurde nach
Washington gesandt. Dies Alles er
eignete sich an einem geschäftigen Mon
tag.
Schon am Morgen darauf wurden
Warnungen vor der gefährlichen Fäl
schung über das ganze Lande hin ge
sandt. . Vald meldeten Agenten des
Falschnoten im Besitz!
abzubringen, daß hier ein schrecklicher
Irrthum vorliegen müsse, und es
machte auch wenig Eindruck auf sie,
daß man in Crehans „Sanctum" zu
Providence Druckfarben sehr ähnlicher
Art fand, wie die an den Falschnoten
benutzten. Ein intimer Freund des
.Mustermenschen" reiste sofort nach
der Ludwigsstadt ab, mit der Ermäch
tigung, Bürgschaft in jedem gewünsch
ten Betrag zu stellen, und mit Jndos«
sirungsschreiben von Bankiers.
Crehan selbst betheuerte energisch
seine Unschuld und behauptete, die
Scheine gefunden zu haben. Sie hät
legen, und er habe sie bemerkt, da im
Augenblick, als er durch den Raum
ging, die elektrischen Lichter angedreht
erlassen.
In der That konnte er die Beleg
tarte für die Abholung der Antworten
nete Inserat in der betreffenden Zei
tung. Er hatte die Anzei« sehr prompt
ausgegeben, nur etwas zu prompt.
Denn man stellte fest, daß diese An
an jenem Tag die eleltrifchen Lichter
im Bahnhofe erst 10 Minuten vor 7
Uhr angedreht worden waren! Indeß
wo zu entsprechender Zeit solche An-
Nummer eines New Uorker Blattes,
besseres Muster für diesen Behuf, als
seinem „Sanctum"; die Presse hatte er
in New Uorl gekauft. Wenn er aber
verreiste, gab er Platten und Presse in
ein Lagerhaus, auf den Namen „Lean
noten, vollkommen bis zum Wasserzei
chen. Der Verhastete behauptete eben
falls, die Noten gefunden zu haben,
längst zus der Fälscherlausbahn, und
hatte die Oberflächen - Arbeit für die
Falschnotcn gemachl. Noch keine drei
entdeckte, daß die Noten, von denen er
sprach, nicht die Davenport - Noten
waren, sondern eine „amerikanische
»
Es wurden außer Stern noch ein
Dutzend Mitschuldiger verhaftet; aber
man fand keine Noten mehr bei ihnen,
obwohl eine Masse gedruckt worden
war. Wi« «s sich später herausstellte,
hatten Sterns Hauptkumpane ihn fest«
zu langem Strafterminen verurlhcilt.
Das geschah im britischen Gerichtshof.
Liebermann wurde als Staatszeuge
Syndikat gebildet! Vor Jahresfrist
richtung beschlagnahmt. Diesmal
packt« ihm das Verhängniß mit fester
Faust; unter dem Namen Davis wur
de er zu 13 Jahren 10 Monaten
Strafhaft bei harter Arbeit verur
theilt.
Die Falschnotcn der Bank vonEng
land waren vielleicht die besten
Geldzeichen - Nachahmungen gewesen,
die jemals hergestellt worden sind, und
doch war schon ihr erster Versuch, sie
im Auslande anzubringen, ein voll
ständiges Fiasco, und das Ende war
Verderben für alle Betheiligten und
Mitschuldigen! dieser
die Unglücksgeschichte des Cigarenfa
brikanten Jacobs von wel
cher trotz eines sehr behaglichen gesetz
lichen Einkommens sich vom Falsch
münzereiteufel umgarnen ließ und nach
ungewöhnlichen Geld-Aufwand und
unsäglichen Mühen sammt allen seinen
Mitverschworenen im Strafgefängniß
landete, zeitlebens ruinirt, statt, wi« er
gehofft, ein zehnfacher Millionär zu
Diesen Weg gehen sie All«; meist
schon nach kurzer Zeit. Und doch fehlt
es nie an Nachtretern!
Die Taltntprode.
Sine modern« Fabel »on Suqe» Jlolom.
Da war sie wieder in ihrem Ge
burtsnest«.
Mit «in«m Gemisch von Sehnen und
Grauen hatte sie den Ort, wo sie die
ersten fünfzehn Jahre des Lebens zu
gebracht, wieder betreten.
Vier Jahre war sie nicht daheim ge
wesen. Sie hatte nicht eher wiederleh
ren wollen, als bis sie wirklich eine
Künstlerin geworden.
Daß sie das Preiszeugniß beim Ab
gange vom Konservatorium erhalten,
daß sie im Wettspiel an dem Concert
flllgel. den eine große Jnstrumenten
sabrik zu diesem Zwecke jedes Jahr zu
schenken pflegt, den kostbaren Sieges
preis errungen hatt«, alles das war ihr
noch nicht genug Beweis für ihre
Künstlerschast gewesen. Erst jetzt,
nachdem sie in einem großen Concert
aufgetreten und nicht nur eine ganze
Mappe voll lobender Kritiken, sondern
eine Concertreise durch Rußland in
der Tasche hatte, war sie in das Hei
mathsnest zurückgekehrt. Für hundert
Abende engagirt und für den Abend
fünfzig Mark, nebst freier Reise und
vollständiger Verpflegung, das mußten
ja die Lieben daheim gelten lassen.
Reise noch einmal nach dem Städlchui
gekommen, das sie als „überspannte
Charlotte Müller" verlassen und nun
als „tüchtige Low Milini" wieder be
treten hatte.
„Ein tüchtiges Mädel ist sie ja!"
hatte selbst Onk-l Felder geäußert, der
sich vor vier Jahren als Einziger von
der ganzen Verwandtschaft ausschloß,
als es galt, das arme Mädchen mit
Geldmitteln zur Ausbildung in der
Hauptstadt auszurüsten. „Ein Mädel
gehört in's Haus!" hatte er damsls
gesagt, um seine Engherzigkeit zu be
schönigen, und jetzt fügte er seinem
günstigen Urtheil über seine Nichte,
um seine damalige Zurückhaltung zu
»echtfertigen, die Worte hinzu: „Aber
tüchtig hin. und tüchtig her! Wer
w«iß. was ihr in Rußland alles zusto
ßen kann! Ich bin ganz froh, daß ich
meine Hand dabei aus dem Spiele
habe!"
eine Künstlerin in der Verwandtschaft
zu haben, und daß sie es gewesen, die
ihr den Weg zum Ruhm geebnet, und
alle/ Onkel Felder mit inbegriffen,
Das sollte nun geschehen. Zwar
hatte k!harlotte zum Erstaunen und
leisen Verdrug der Verwandten ihren
Pre'sflügel nicht mitgebracht und in
der ganzen Verwandtschaft nicht einer
,Na, was wirst Du uns denn vor
klimpern, Lottchen?" hatte Onkel Fel
der gefragt, als die Verwandtschast
Onkel?" besonderen Wunsch.
So setzte sich denn Charlotte an's
Klavier und spielte.
„Was war das?" fragte Onkel Fel-
Liszt, lieber Onlel!
weisend zu ihrem Gatten: .Aber, Phi
lipp, sie hat's ja gelernt!"
„Na ja, sie hat's freilich gelernt!
„Es war sehr schön, liebe Charlotte;
ungarisch, sagst Du, war es? Ja, ja,
aus dem Lande des süßen Ungar
weins!" Tante Julie war es, die sich
so äußerte. „Ja, wer das so kann!
da noch geläufiger?" erkundigte sich
Onkel Felder, was die Nichte lachend
mit „Nein!" beantwortete, worauf der
Noch schneller, das Ware nicht mög
Fräulein!" meinte die Frau Apotheke
rin. „Ich danke Ihnen wirtlich für
den Genuß, den Sie uns bereitet!"
Niesle, auf die Frage Onkel Felbers
der Felber, ich verstehe nicht viel von
dem Zeug! Mir ist was' Lustiges, so
von Strauß, lieber!" was allseitig mit
spielte.
Was sie spielte? Es war eine Phan
auch schlechter Gefühle, die sie em
pfand. Alle die guten Verwandten,
herum faßen, die es ja^in
dankbaren Gefühle entgegenbringen
konnte, daß sie ihr aus der Fülle ihres
Besizes eine abgegeben
den Erfolgen, die ihr in der Ferne
winkten, so saß sie und spielte und
spielte, bis sie durch ein ungeduldiges
Räuspern des Försters Nieske aus ih
ren Träumen aufgeschreckt wurde und
Alles athmete sichtlich erlöst aus; es
„Was war das?" Onkel Felder
wars, der die Frage stellte.
„Was das war? Eine Phantasie,
„Sehnsucht in die Ferne" möchte ich's
nennen."
nxm.s ,sl. von Wagner oder von Wo-
v°n mir
„Da- war von Dir? Mädel, mach
Dich nHt über uns lustig!"
„Ja, ja, lieber Onkel! Das habe
ich so aus mir selber herausgespiell!"
Kind, das ist wirtlich viel, wenn das
von Dir selbst ist. Also komponiren
kannst Du auch! Und gleich so lange
Stücke!"
„Na aber, Philipp, das hat sie doch
gelernt," meinte Frau Felber wieder.
„Ja, ja, die Sehnsucht in die Ferne!
Sagtest Du nicht so, Charlotte?"
sagte Frau Rüdiger und fuhr nach der
kopfnickenden Zustimmung der Nichte
fort: „Sehr schön, sehr schön, man
hörte so die Sehnsucht heraus, die
Sehnsucht in die Ferne!"
„Ja, die hörte man heraus, freilich!
Ich Hab's mir auch gleich gedacht, daß
es so etwas ist!" stimmte Tante Ju
liette zu.
„Komponiren Sie auch Tänze,
Fräulein?" fragte der Förster Nieske
„Nein, bis jetzt noch nicht, Herr
Niesle!"
„So weit haben Sie wohl noch nicht
studirt?"
„Nein!"
„Das hattest Du uns niemals mit
getheilt. daß Du auch komponirst,
mein Kind," sagte mit einiger Ver-
Au>>-"e.
Felder.
„Also das war. von Dir, mein
Kind," wandte sich nun Fräulein Ler
an die Künstlerin, „es war ja sehr
Anfängerin! Ich hörte ja gleich her
aus, daß es nicht von einem unserer
bedeutenden Meister war. Weißt Du,
Du mußt mir das nicht übel nehmen,
ich finde, es fehlt Deinem Werke an
Stimmung, so was man so Stimmung
nennt!"
„Ja. ja, das habe ich auch gefunden,
die Stimmung fehlt!" ließen sich jetzt
andere auch vernehmen, und diese An
sicht wurde mit solcher Entschiedenheit
vorgetragen, daß sich Onkel Felber
glaubte zum Schützer der Künstlerin
„Na, die Stimmung wird sie schon
noch lernen! Sie ist ja noch jung!"
So sprach man weiter über das
Spiel der Künstlerin.
Charlotte siand dabei, hörte mit
halben Ohren zu und gab die noth
wendigsten Antworten in der größten
Kürze. Auf eine spinöse Bemerkung
einer der Tanten, ob sie verstimmt sei,
wohl gar an größere Bewunderung ge
wöhnt wäre, antwortete sie kurz: „Ach,
ich bin müde!"
Das wurde von Onlel Felder und
einigen anderen, die gefürchtet, sie
müßten noch mehr hören, aufgegriffen.
„Lottchen ist müde," rief Felber, „die
Musik strengt an! Laßt uns nach
Hause gehen!"
Auf dem Heimwege aber näherte
sich Max Lerfen, ein junger Vetter
Charlottens, der Künstlerin. Max
Lersen hatte ein paar Jahre in der
Residenz zugebracht, um sich dem Stu
dium der Medizin zu widmen, und
hielt sich jetzt ein paar Monate im Hei
mathsneste auf, um sich zum Examen
vorzubereiten.
„Cousine," sagte er zu Charlotten,
„ich habe Dich aufrichtig bewunderr
heute Abend!"
„So? Hat Dir mein Spiel gefal
len? Das freut mich!"
„Dein Spiel! Nun ja, auch; aber
aufrichtig gesagt, ich verstehe zu wenig
davon! Ader ich habe Dich bewundert,
daß Dir bei dem Gequassel dieser Ba
nausen nicht der Geduldsfaden riß.
Donnerwetter, Cousine, das war eine
Talentprobe von Dir!"
„Wahrhaftig, Max. ich glaube. Du
hast recht! Und so viel sage ich Dir!
vor den bedeutendsten Meistern der
Kunst, vor den schärfsten Kritikern,
selbst wenn ich weiß, daß sie mir übel
wollen, nur nicht in meinem Heimath
wieder!"
<»i»,evt»»ete «uovtl«uag.
Der Hauptmann der fünften Com
pagnie eines badischen Regiments war,
so erzählt der Lahrer „Hinlende
Bote", etwas eitel und bezog alles Lob,
das «r von weitem hörte, auf sich. Bei
feiner Compagnie diente als Einjähri
ger ein Vikar unier großem S<ufzen
sein Heldenzeitalter ab. Da sollte im
Manöver, an Großherzogs Geburts
tag, Feldgottesdiensl gehalten wer-
Nachher ließ der Oberst den Vikar in
gehorsamst, Herr Oberst! Ausgebildet
bei der fünften Compagnie!"
Vorgeforgt. „Was, bei der
ersten Begegnung willst Hu die Dame
lÄeld bei sich hat?" „O, das weiß
Deutung der Kinderspiele.
Fast alle unsere deutschen Kinder«
reimspiele wurzeln in der germanisch
mythischen Anschauung vom Laus des
Jahres und vor allem in der germa
nischen Frühlingsseier. Das haben
wir freilich längst vergessen, wir
schauen längst nicht mehr die unter der
bunten Tünche mittelalterlicher Kir
chenklugheit und Kirchenduldsamkeit
sich bergenden Zeugen germanischer
Geistesart. Auch in diesen Kinderrei
men ist Vernunft Unsinn geworden,
und Unverstandenes wird unverständ- ,
lich weiter gesagt und gesungen.
Der Mythus, der der Mehrzahl
unserer Kinderspiele zu Grunde liegt,
ist etwa solgender: der Sonnengott
befreit mit zaubermächtigem Wurf
hammer die Himmelsgöttin aus Wol
kenbanden, dringt durch die Wolken
mauer hinein und hinan zum blauen
Himmel und führt die goldene Sonne
zurück zu den Kindern der Erde.
Einen Sommer lang währt die Ehe,
den Menschen reichen Segen spendend.
Da nahen die tückischen Winterrksen,
stehlen Donner den Zauberhammer
und halten Frija sieben bange Monde
gesangen: der Winter herrscht aus Er
den. Ader da der Blitzegott seine Zau
berwaffe wieder erlangt, sprengt er
von neuem mit gewaltigem Wurf den
Wolkenkerker, dahinter die Verlorene
schmachtet. Alljährlich wiederholt sich
dieses Spiel in Lust und Leid, wird es
Sommer und wieder Winter.
Das ist der Kern des Mythus, der
dann mancherlei Ausschmückung und
Entstellung erfährt. Die Götterge
stalten verschmelzen mit andern, ähn
lichen, und das christliche Mittelalter
modelt sie klüglich um. Aus Donnar
wird vor allem der Teufel, der Mann
mit rothen Haaren, der rothe Fuhr
mann, der Bock, der Kuckuck, der
Hahn ... Donnars Reich heißt bald
Babylon, Niniveh, Pommerland,
Eng(el)land, ja selbst Polen und Ruß
land. Frija wird zur christlichen
Himmelskönigin, zur Gottesmutter
Maria, daneben freilich auch zur Wet
terhexe, zum Mädchen im bunten Rock,
zum Schwan, zur Gans und
Ente... Frijas Gefängniß wird
zum Thurm, »um Kloster, zum Berg,
zur Kette, und das Sonnenreich zum
goldenen Schloß, zur Mühle, zum
Wirthshaus, zu Großvaters Haus u.
s. f. in den Reimen.. Die Phantasie
des Kindes, das nichts weiß, spielt mit
allen diesen Symbolen, verwirrt sie,
bringt Sinn in den Unsinn.
Betrachten wir nun einmal eine
Reihe unserer Kinderreimfpiele auf
diesen Zusammenhang hin. Eines der
bekanntesten ist das „Fuchs, du hast
die Gans gestohlen." In der Mitte
steht der Fuchs, die Kinder umtanzen
und verspotten ihn, und schließlich muß
sich der Fuchs eine Gans greifen aus
der flüchtenden Kinderfchaar. Der
Fuchs ist Donnar, die Gans, die er
raubt, Frija und die Kinderkette das
auf- und niederwogende Wolkenmeer.
Nehmen wir dazu, daß in ältester Zeit
(wie noch heute bei vielen Naturvöl
kern) bei unseren Vorsahren Braut-
Raub üblich war, so ist das Greifen
der Gans ohne weiteres verständlich.
Ganz dasselbe Bild gibt uns jenes:
„Es kommt ein Herr aus Niniveh.
juchheißa vivalatus", der Herr aus
Niniveh ist Donnar, die auf iyn
zu bewegende und vor ibm zurück
weichende Kinderkette ist die Wollen
maucr, und diese Form des Gegenein
ander - Tanzens gibt uns ein getreues
Abbild des mittelalterlichen Früh
lingsreigens.
Um Donnars Hammer dreht es sich
im „Plumpsackspiel." Da« geknotete
Taschentuch ist der Zauberhammer,
mit dem der Gott die Lücke in die Wol
kenmauer bricht. Daß man den un
sterblichen. furchtbaren Gewit!«rgott
nicht anschaut, nicht anzuschauen wagt,
ist leicht erllärlich. Auch in den Ver
sen: „Ich bin der Böttck-r. ich treibe
das Faß ..." ist die Anspielung auf
den Hammer Donnars unverkennbar.
Im „Blinde - Kuh - Spiel" muß sich
Man führt ihn in's „Wirthshaus",
den „Bullenstall" u. s. f.. Symbole,
wie wir sahen, sür die Himmelsburg.
Recht bezeichnend heißt das Spiel in
mancher Gegend und in Dänemark
auch „blinder Bock".
Aus die sieben langen Wintermonate
deutet die Siebenzahl in vielen der
Kinderreime, deren bekanntester wohl
der ist:
Ringel, Ringel, Rosenkranz,
Sieben Jahr, klein wie Haar.
Sieben Jahr sind um und dumm,
Jungfer Anna dreht sich um.'
Anna hat sich umgedreht.
Kriegt den schönsten Kranz bescheert.
»ines der Mädchen um: die symbolische
Darstellung der Son«enwende. In
der noch bekannteren Bariante von der
herausgegriffenen Kinderspiele dürfen
zur Genüge zeigen, wie zäh germa
nische Anschauung und Sitte noch
wahr Schiller sagt, wenn er singt:
Spiel."