Unter dcr Könstlcrmarkt. Eigentlich war Hans Werner ein > Baumeister, aber er liebt« mit Leiden schaft die Malerei. Nach der Anstrengung, die es ihm gekostet hatte, seinen Regierungsbau meister zu machen, bedurfte er einer langen Erholungspause, Als Hambur ger aus wohlhabendem Hause hatte er sonst sein« Sommerfrische auf Sylt oder Heiligendamm, auch Helgoland verlebt und eine Menge hübscher Skiz zen aus den Seebädern mit nach Hau se gebracht. Aber diesen Sommer woll te er ins Grüne, ordentlich den Baum schlag üben, den er zu seinen farbigen Architektur - Skizzen gebrauchte, die er zu kleinen Kunstwerken gestaltete. In einer ganz kleinen, unbedeuten den Sommerfrische hatte er sich nie derg«lassen. Der Hauptanziehungs punkt dieses Aufenthalts war ein altes nem köstlichen, weiten Park, der auf den Höhen einen hübschen Ausblick hinab auf das und schließlich Hier malte Hans Werner mit heißer Leidenschaft. Als sparsamer junger Herr, der seine elegante, beim ersten Schneid«! der Reichshauptstadt angefertigte Kleidung schonen wollte, wählt« er für die Ausbildung feiner Kunst in der Sommerfrisch« «in Kostüm, das «r sonst nur trug, w«nn «r ganz mit sich allein war. Ein sehr schäbiger Sammetrock, Beinkleider mit verschiedenen Farben spritzern, «in mächtiger, alter Panama galxn ihm das Aussehen eines herun tergekommenen Malers. S«hr ausge tretene, fleckige, braune Halbstiefel ver vollständigten. sein Kostüm, in d«m k«in M«nsch den stets korrekten, neuge backenen Regierungsbaumeister erkannt hätt«. Mit seiner zerlegbaren Staffelei, seinem Malgeräth zog er Morgens aus auf die Anhöhe und malte. Am dritten Tage hörte er, ganz in seine Malerei vertieft, leichte Schritte hinter sich, und plötzlich tönte ein Hel les, lustiges Mädchenlachen dicht ne „Aber, lieber Mann, Sie malen da wunderbare Dinge, sind die Bäume et wa g«lb und di« Luft lila? Denken Sie denn, daß ein Mensch Ihnen solches Ding ablauft? Wohl die Bauern dort unten?" Eine kleine, braune Hand fuhr dicht vor den Augen des Malers hin und her und tippte auf die Leinwand. Ohne umzublicken antwortete Hans: „Mein liebes Kind, sprechen Sie nicht von Sachen, die Si« nicht verstehen." „Ich bin nicht Ihr liebes Kind!" tönte es scharf zurück. Nun drehte er sich um und blickte in «in wunderhübsches, frisches Mädchen- Schelm zuckt«. „Donnerwetter, ein reizend«!, klei ner Kerl," wäre es ihm beinahe ent schlüpft, aber er biß die Lippen zu sammen, stand auf, verbeugte sich wie ein Weltmann und sprach mit leuch tenden Augen und etwas spöttischen Lipp«n: „Da Sie nicht mein li«b«s Kind und ich nicht Ihr li«b«r Mann sein will, so muß ich mich ordnungsmäßig Vorstil- . len: Hans Werner. Maler. Wie Sie sehen, male ich solche farbigen Dinger und bin froh, wenn die Bauern sie mir abkaufen." Belustigt blickte das jung« Mädchen in das Gesicht d«s Malers. Sie hatte ohne zu erröthen, unbefangen seinen Blick aus und sagt« dann offenherzig: „Nicht wahr, ich habe eine Dumm heit gemacht. Ich verstehe nämlich gar nichts von Malerei, ich zeichne nur ein bischen, möchte ab«r furchtbar gern malen!" „Ja, sehen Sie, das ist doch die Untermalerei," antwortete Hans und schlug einen sehr lehrhaften Ton an. „Nicht wahr, das Malen ist sehr schwer?" „Das kommt daraus an, ob man Talent hat. Mir wird es sehr leicht," „Alles, was mir unter die Augen kommt," log belustigt Hans Werner Weiler. l be S' sind der erste Maler, der hier ins Dorf kommt. Bleiben Sie lange?" „Je nachdem; w«nn die Bauern mir nieine Bilder ablaufen, bleibe ich viel leicht lange hier." ..Wenn dies Bild fertig ist und mir gefällt, werd« ich es Ihnen abkaufen. Malen Sie nur weiter, ich möchte zu sehen." Hans Werner betrachtete mit lusti gen Augen das hübsche, junge Persön chen in dem schlichten Sommerkleid chen. das so gönnerhaft ihm gegenüber trat. Er setzte sich vor die Staffelei und malte weiter, zeigt« ihr, wi« all mählich di« richtigen Farbentöne ent standen und hörte auf ihr Geplauder. «in echter Rubens und v?n Dyck." Nun fuhr Hans Werner herum. .Wer sind Sie denn eigentlich?" freut mich sehr, Ihre Be kanntschaft zu machen, Komtesse." „Ich bin keine Komtesse. Meine El !«rn waren bürgerlich. Ich heiße Bella Wallner. Mein« Tante war die Schwe ster meiner Mutter, ich lebe immer hier im Schloß, da mein« Eltern schon lan ge todt sind. Tant« erfüllt mir all« Wünsche; w«nn ich bitte, daß Si« mir Unterricht im Malen g«b«n dürfen, wir>d si« es sich«r «rlaub«n. Wollen Sie es?" Hans W«rn«r lachte vor sich hin und zögert« «ine Weil« mit der Antwort. Das kleine Abenteuer machte ihm Spaß. Wenn er jetzt sagte: „Ich bin gar lein Maler, ich bin eben Regie rungsbaumeister geworden und warte auf ein« Anstellung," dann war es zu Ende mit der lustigen Bekanntschaft, die es ihn reizte fortzusetzen. Als er nicht gleich antwortete, fuhr Bella fort: „Sie wollen mir wohl keine Stunden geben? Ist Ihr« Kit so kost bar?" „Hm ja das ist si« schon," gab zögernd Hans Werner zu. „Aber sprechen Sie mal mit Ihrer Frau Tante, der Grafin. Vielleicht gehe ich darauf «in und bin berrit, Ihnen von meiner kostbaren Zeit etwas zu opfern." „Das wäre sehr nett von Ihnen. Ich bin nämlich immer hier im Schloß ge wesen, der Pastor und seine Frau, die früher meine Erzieherin war, haben Pastor nicht. Reiten, schießen, das kann ich famos. Aber ich möchte furcht bar gern malen!" Die natürlich«, lieblich« Art des jungen Mädchens hatte etwas Rühren des für Hans Werner, der nur ge wöhnt war, mit sehr wohlerzogenen, gebild«t«n Damen der Gesellschaft zu verk«hr«n. Di« ursprüngliche Frische bezaubert« ihn ganz, aber er ließ nichts von seinem Wohlgefallen merken, son dern verhielt sich etwas ablehnend, um sie zu reizen. „Tante ist sehr nett, sie wird Ihnen gefallen. Da Sie nicht lange hier blei ben, wtre es schon das beste, Si« lom m«n gleich mit aufs Schloß, ich stell« ' Sie Tant« vor, und nxgen d«s Mal unterrichts könn«n wir gl«ich sprechen, dann fange ich schon morgen an." „Verzeihen Sie, so ohne weiteres ' kann ich doch nicht bei Ihrer Frau ' Tante" „Doch, doch, Si« können schon, ich führ« Si« doch ein. Lassen Sie nur die Malsachen hier stehen, die kann der ' Diener holen; kommen Sie mit mir, bitte. Es ist auch Frühstllckszeit, friih ' stücken Sie gleich mit uns, Sie müssen doch Hunger haben." Lachend drehte Hans sich um, dieses abgekürzte Verfahren des lieblichen Mädchens amüsirte ihn sehr. So einfach, so natürlich, so ohne ' Ziererei und gesellschaftliche Bedenken , legte sie Beschlag auf ihn und hielt ihn auch gleich fest, daß er ihr nicht entrin nen konnte. ' Nun, mit «inem heruntergekomm«- ° nen Maler brauchte man auch keine 5 Umstände zu machen. Er sah an sich herab und dachte, daß sie es sicher gut ° meinte, als sie ihm das Frühstück an- bot. Er sah wirklich sehr bedürftig ° aus in dem abgeschabten Anzug. So t eine Antrittsvisite bei der Gräfin ma ° chen war ihm neu, aber die Kleine be- Er wischte ganz langsam seine Pin sel ab, packt« sie in den Malkasten, während sie plauderte. Nun pfiff sie auf ein«r kleinen, silbernen Pfeif« ganz schrill dreimal. Es dauerte nicht lange, die Höhe. „Da kusch da bleibst du bis der Friedrich kommt." Das große und legte sich neben die Malutensilien. „So, nun sind sie sicher bewacht, nun kommen Sie nur mit." zu groher Damenfreund. Wenn auf den Bällen, die «r mitmachen mußte, sich die Töchter d«r Baurälhe so recht war alles Berechnung vom weiblichen Geschlecht, seiner Ansicht nach, aber ihn sollten sie nicht mit verführerischem vielleicht später, nach dem Tode der Eltern, seine Schwester, die er sehr liebte, das Regiment führen sollte. Aber das frisch«, natürliche Wesen Bellas machte ihm Vergnügen, beson- Malerei, mit ihm gemeinsam hatte. Innerlich lachte «r, datz er Mal unterricht ertheilen sollt«, aber da si« „Was l«fen Sie, wenn ich fragen darf?" sagte er, als er sah. daß sie ein , Buch in der Hand auf und zu klappte. „Sie glauben wohl auch nicht an - Lieb«." fragt« er. und sie sah ihm offen und ehrlich ins Gesicht und sagte: - „Nicht wahr, die Männer können i nickt!ieb«n?" Hans lächelte überlegen und sprach mit der Sich«rhiit eines ganz beson ders für dieses Fach angestellten Pro fessors: „Es giebt überhaupt leine Liebe." „Das sag« ich auch, die Mensch«n Heirathen nur aus Interesse oder um sich eine behagliche Häuslichleit zu „Na, lxhaglich ist di« Häuslichleit „Sind Sie verheirathet?" fragte B«lla. thig." „Ich bin nicht reich. Wenn der Ma joratsherr h«irathet und mit seiner Frau hier einzieht, müssen Tante und muß sehr sparsam sein, wenn ich da von leben soll. Aber das will ich auch gar nicht, ich will Künstlerin werden. Ich reite famos, vielleicht gehe ich in einen Cirkus als Schulreiterin oder als Kunstschützin, am liebsten möchte ich Malerin werden." Hans Werner hört« ihr mit Entse tzen zu. Vor diesen Altistinnen hatte er ein Grauen. Es dünlte ihm «ine Unmög lichleit, dieses reine, unverdorbene Ge schöpf sich in einer solchen Stellung nur zu denken. „Hoffentlich haben Sie Talent zur Malerei, das wäre schon das beste." So kamen sie ins Schloß. Verwundert blickten die Diener auf den Ankömmling. Aber Bella ließ sie gar nicht im Zweifel. Mit bestimmtem Ton gab sie Befehl, das Malzeug des Malers zu holen, noch «in Gedeck auf dem Frühstückstisch auszulegen. Dann In dem mit alterthümlicher, wohl erhaltener Pracht ausgestatteten Schloß fühlte sich Hans Werner in bül hatte seine schlanle, hohe Gestalt ich aus, daß sie mich zum Frühstück einladet. Aus Barmherzigkeit will sie mir auch mein Bild abkaufen." dachte: Wie sehr ihm doch das Glück Ob das ein Winl des Schicksals war, ob er Maler werden sollte? „Erst werde ich mich lieber als wohl halt« ich schon," dacht« er. Von der Künstlermisere der Maler hatte er ge nug gesehen. d ner Bettlertracht. Mit Wärme blickte selbst, daß sich kein« Gelegenheit für bot. b«griff rasch, war sehr geschickt und strahlte vor Vergnüg«». Di« Mahlzeiten nahm, auf Einla dung d«r Gräfin, der Maler im Schloß. Ordentlich beschämt fühlte er sich von der Liebenswürdigkeit, aber dann machte sein Inkognito ihm doch wieder einen höllischen Spaß. Er freu te sich schon darauf, wenn er dies Er lebnitz zu Hause zum Besten g«ben konnt«. z Nachdem er eine Woch« hindurch den armen Maler gespielt, trat er am Sonntag, an dem eine Ausfahrt in di« Umgebung geplant war, in vollem, «le > gantem Sommerwichs an und lächelte " llb«r die erstaunten Gesichter d«r Die n nerschaft, die ihn sonst so ziemlich wie t ihresgleichen zu betrachten sich erlaub r t«n. Die Sicherheit, mit der er sich jetzt in feinem gewohnten Habit beivegte, n zeigte ihnen den Mann der guten Ge n fellschast. Bellas Augen wurden weit, als sie n ihn kommen sah. mit dem leichten Lä cheln der Belustigung auf d«n Lippen, dem selbstbewußten Blick, der sicheren Haltung. Sie erröthete, gab ihm die k Hand zaghafter als sonst, die er zu diskretem Kuß an seine Lippen führt«, r Heute war er ausgelassen lustig. Bella ging auf jed«n Sch«rz «in, und t di« Gräfin war ganz Wohlwollen. Der Maler würd« plötzlich mit ganz j anderen Augen angesehen. So ging es dann wochenlang. Nicht I nur Lehrer, auch beliebter Gesellschaf- > ter war er im Schlosse geworden, und da er «inen sehr lebhaften Geist hatte, s sich auch für alles in der Welt interes- ! sirte, aufmerksam und fröhlich war, so j traf es die Damen wie «in Donner schlag aus heiterem Himmel, als er ei- , nes Tages erklärte, datz er abreisen „Aber Sie sind doch freier Künst ler," meinte die Gräfin. „Nicht so ganz, wie Sie glauben, Gräfin." Bella erklärt« ganz kategorisch: „Nein, daraus wird nichts! So mit ten im Unterricht wollen Sie plötzlich abbrechen. Wichtigeres für Sie kann es doch gar nicht geben als die eingegan gene Verpflichtung, mich malen zu leh ren. Sie bleiben, Sie müssen bleiben." Es r«izt« ihn, ihr zu widersprechen. „Ihr Bild, das ich taufen wollte, malt." „Das wird später fertig gemacht." Bella war sehr, s«hr gekränkt. Am anderen Tag«, beim Unterricht, warf sie plötzlich den Pinsel hin und sagt« trotzig: „Nun macht mir die Malerei schon leinen Spatz mehr." „So, zum Spatz, denke ich, malen Si« doch auch nicht, es sollte doch eine ernste Lebensaufgabe für Sie werden." „Ah, Sie meinen, datz ich mich nicht ganz bleich. „Warum nicht. Das das geht Si« doch nichts an. Ich ich kann machen, was ich will. Und Malstunden von Ihnen will ich jetzt gar keine mehr. Meinetwtgen können Sie schon so reizend dabei aus, datz Hans Wer ners Herz schwoll. Aber er blickt« sie gar nicht an, packte sein Malzeug zu sammen, verbeugte sich stumm und Ihr Bild doch haben." „So so —lassen Sie sich von d«r Gräfin das das Honorar zah len." Mit zuckenden Lippen sprach sie es, mit stolzer Haltung, mit einer Gebär- Er verlietz direkt das Schloß, ohne ' persönlich von der Gräfin sich zu ver t abschieden, er bemerkte nur den ver ° dutzten Diener. „Bestellen Sie der Frau Gräfin Ich reise mit dem nächsten Zug." Bella w«inte wirklich Zornesthrä nen, als sie ihn so umgehend das Schloß verlassen sah. Sie hatte ihn gekränkt, beleidigt, ivarum. wußte sie selbst nicht. Sie war so glücklich gew«- „Tante, schick' d«m Maler sein Stund«ng«ld. «r mußte heute fort." Nichts von d«m Geschehenen verrieth sie, aber si« drang darauf, daß schleu nigst das Honorar mit den Malutensi lien nach dem Gasthof geschickt wurde. Di« Gräfin packt« einen Hundert markfch«in in ein Kuvert, legte eine Karte mit v«rbindlich«n Worten hinzu und sandte es ab. „Auf Wiedersehen!" hatte die Gräfin als Schlußwort ge braucht. Si« hatt« den Maler liebge wonnen und wollt« nicht für alle Zu kunft auf ihn verzichten. In fliegender Eile hatte Bella sich in ihr Reitkleid geworfen, ihr Pferd satteln lassen und sprengt« aus dem Schloßhof. Ihr« Wangen glühten. Sie wollt« ihm zeigen, daß und wie sie rei ten konnte. Sie ritt direkt auf den Gasthof zu. Der Diener kam ihr entgegen. „Nun, haben Sie alles besorgt?" „Jawohl, gnädiges Fräulein, der Herr hat mir jedoch den Hundertmurk sch«in zurückg«g«ben." „Trinkg«ld für di« Dienerschaft" sagte er. „Geben Sie mir das Geld." Mit zitternder Hand nahm Bella den Sch«in. Sie knitterte ihn zusammen in ih rer kleinen, starken, geballten Faust. „Nichts von ihm geschenkt will ich" sprach sie mit bebenden Lippen. Sie stieg ab vor dem Gasthof. Sie fragte nach dem Maler, sie ließ ihn herunter bitten. Er kam. Ernst, blaß, gewaltsam seine Erregung bekämpfend, stand er „Wissen Si«, daß Sie mich tief, tief ! beleidigen, wenn Sie das Honorar nicht nehmen, das Ihnen doch zu- mit." „Ich Sie?" fragte er mit vor- r wurfsvollem Staunen. , Sie erglühte. Es schmolz «twas in ihr, ihr Trotz, ihr Stolz. l „Bitte, gehen Sie nicht so von mir," > kam es nun von ihren zuckenden Lip- j p«n. „Ich nehme an, daß Sie gekommen ( sind, mir ein Probestück Jhr«r Reit- > kunst zu geben, da Sie sich doch zu die sem «dlen Beruf vorbereiten wollen." , Sie blickte zu Boden. Dann wallte ' es heitz auf in ihr. Kampfbereit blickt« sie ihn an. „Jawohl, das kann ich." Wenn er es nicht anders wollt«, so sollte «s sein. Zum zweiten Male woll te sie nicht bitten. Ehe «r sich's versah, sah sie im Satt«l. Si« ließ ihr Pferd steigen, dann jagte sie in faufend«m Galopp die Straße nach dem Bahnhof zu. Die Barriere war geschlossen. Em Zug wurde erwartet. Hans Werner blickte ihr nach. ' stz Ab«r si« hielt ihr Pferd an, sie ließ sen faß si« auf dem schönen Thier. Ein herrlicher Anblick, gestand er sich, das stolze, junge, kühne Weib auf dem edlen Ps«rde. Da hörte er das Brausen des heran nahenden Zuges. Das Pferd wurde unruhig, aber Bella zwang es mit fa belhafter Gewalt zurück, zurück und dann vorwärts, hinüber Über di« Bar riere, das Geleise, die ander« Barriere genommen im Flug«. Todtenbleich stand Hans Werner. Der Zug brauste h«ran, vorüber. Drüben hielt Bella auf ihrem Pfer de und falutirte lächelnd mit der Reit gerte. Di« Barri«re wurde aufgezogen. „Das kann ich," sprach si« sieges froh. „Zweifeln Si« nun noch, daß ich ich Reiterin." Ihre Blicke tauchten stolz ineinan der. beinahe feindselig. Sie sah«n sich nicht wi«d«r. Die schöne Bella wurde eine Weltberühmt heit, Hans Werner erzählte gern sein „Arme Mama!" Durch die halbgeschlossenen, schwe ren Portieren dringt ein schwacher Lichtschein in das Schlafzimmer, als Madame Bremieux erwacht. Ihre Gedanken sind verwirrt, sie er innert sich nicht mehr an das Vorher gegangene. Auf ihren Schläfen liegt em eiserner Druck, beim Athmen fühlt sie heftige Schmerzen. Mühsam rich tet sie sich aus und bliLt erstaunt um jahrelang nicht getragen hatte. Instinktiv greift sie an ihren Hals, an dem sie immer «in goldenes Kett- Träumt sie? Angst sie sich erheben und um sich blicken. Auf dem Bett, an den Wänden, auf dem Fußboden liegen Blumenkränze und Sträuße mit langen Schleifen. Trotz des hellen Tageslichts bren nen sechs Kerzen in hohen Kandela bern. Tiefe Stille herrscht ringsum! Selbst die Uhr, die Vertraute einsa- Mit leichter Hand lüftet sie die Por liegend. Mit zitternder Hand bewegt sie den Pendel der Uhr und lächelt be freit, als gäbe das vertraute Ticken ihr neuen Muth, zu athmen. Dann löscht sie langsam eine Kerze nach der ren aus. Da zwei flüsternde Stimmen im Nebenzimmer! sie ' erbebt! > Ihre Tochter und ihr Schwieger > söhn! Sie unterhalten sich flüsternd. >! Im voraus tief ergrissen von der '! ungestümen Freude, die ihr Erscheinen ! bereiten wird, wankt sie der Thür zu, l I um ihr Kind in die Arme zu schließen '! und ihr unter Küssen und Thränen ' zuzurufen: „Ja, ich bin's, ich athme, ' ich lebe noch und habe Dich lieb!" Da schon wieder di« furcht bare Schwäche. Halb ohnmächtig Im Nebenzimmer sie ihren Na- men nennen. Ihre Tochter spricht ihn, mit gedämpfter, aber klarer Stimm«: , „Arme Mama! Wenn ich den ken sollte, daß Du oder unser Kind so von mir genommen würdest! Es wäre furchtbar!" Und dann die Stimme des Schwie gersohns. die ihr kalt und besonnen »Ja, es wäre schrecklich! Aber daj Deine Mutter war 68 Jahre... „69 sogar." „Ein schönes Alter! Ich dachte nicht, daß sie mit di«sem schweren Herzleiden noch so alt werden würde. In der letzten Zeit sah man schon die Spuren ihres Leidens auf dem erhitz ten Gesicht. Auch ihr Wesen hatte sich verändert!" „Sie war immer so sentimental! Für uns macht das ja nichts aus. Aber die Traurigkeit alter Leute steckt an. Lottchen war außergewöhnlich still und zurückhaltend für ihr Alter, gar nicht wie andere Kinder! Das macht« mir viel Sorge... „Auch für Dich war das stete Zu- Du nahmst Gewohnheiten an, die nicht die Deinen waren. Du mußt selbst sagen, wir waren nie frei! Du wolltest ihretwegen nicht reisen, kaum aus dem Hause fort. Selbst Nachts schliefst Du schlecht, aus Furcht, Du könntest plötzlich zu ihr gerufen wer den. Deine Gesundheit litt darun ter " „Das ist wahr, ich wollte es mir nur nicht eingestehen, aber ich fühlte mich in der letzten Zeit sehr matt. Wäre das noch lange so gegangen, ich wäre zusammengebrochen. Besser der Tod, als dies«s langsame, qualvolle Dahinsiechen mitansehen!" „Auch pekuniär ist es für mich von großem Vortheil. Die Rente fällt jetzt weg. Ich werde mir bald ein Haus kaufen können, das sichert Lottchen «ine goldene Zukunft." „Ich habe Mama das Kettchen ab genommen, das sie immer so gern ge tragen hat. Das bekommt das Kind zum Andenken an ihre liebe Groß mama." Die alte Dame blieb unbeweglich. ie wagte nicht einen Schritt vor wärts zu thun, aus Furcht, ihre Ge genwart zu verrathen. Die Som merluft, die durch das Fenster drang, berührte sie jetzt wie ein eisiger Hauch. Da hörte sie wieder ihren Schwieger sohn sprechen: „Geh' nicht hinein, es ist besser für Dich, Du siehst sie nicht mehr. Der Arzt mutz jeden Augenblick kommen, den Todtenschein auszustellen. Ich Mama! Du hast recht, es ist besser so für sie und für uns." Sie entfernten sich. Madame Bre mieux war wie versteinert. gen."^ Ein Schwindel erfaßt sie. Mit letz- Zögernd hält sie den Pendel der Uhr tiger, ihre Kräfte verlassen sie, sie kann strecken. Ihre Brust keucht, ein eiser ner Druck preßt ihre Schläfen. Der ersterben ihr auf den Lippen, ein Frost schüttelt sie, sie schließt die Augen und schläft ein. Als der Arzt an „Also, Heiratben werden Sie, Anna? Haben Sie sich den Schritt auch ernst lich überlegt?" Stubenmädchen: „O gewiß, gnä' Frau, ich bin schon zwei mal bei der Kartenschlägerin gewe , sen." Im letzten Augenblick. , Herr (der «ine alte häßliche Cousine nach der Bahn gebracht und gerade an > gekommen ist, als sich der Zug in Be i wtgung setzen will): „Das nenne ich Verwerthung der Kirschkerne. Eine recht zweckmäßige Art, die Kirschkerne zu veriverthen, so belehrt uns ein deutscher Arzt, lernte ich vor Kurzem in den Schweizer Bergen ken nen. Ich möchte auch unseren Haus vorenthalten, zumal da er kein«rl«i Kosten und besonders große Mühen erfordert und sicher in mancher kinder reichen Familie l«bhaft«n Anklang sin d«n dürfte. Es ist eine allen Steinen innewoh nende Eigenschaft, daß sie die Wärme gut halten und nur langsam abgeben; sie erkalten nicht so schnell, wi« andere, bessere Wärmeleiter. Dieselbe Eigen schaft besitzen auch Fruchtst«ine. Da diesen noch außerdem der Vortheil lern zu Wärmsäcken, die ihnen die we sentlich theureren Wärmflaschen er setzen. Zur Herstellung der Säcke ist nichts nöthig, als die Kerne von dem anhaf tenden Fleische zu befreien. Zu die sem Zwecke werden sie zunächst einmal in Sodawasser gekocht, dann getrocknet und nun im Tuch« kräftig gegeneinan di«s geniigen, um di« Kerne rein zu be komm«»; das Fleisch der nicht ganz reifen Kirsche haftet fester und muß durch mehrfaches Abbrühen entfernt werden. Ist «ine genügend große Meng« Kerne zusammen, so wird ein vierecki ger Sack aus fester Leinwand genäht, an dessen «iner Ecke ein Spalt zum Einfüllen der Kerne offen gelassen wird. Es empfiehlt sich, für ganz kleine Kinder zwei längliche schmale Säcke zu nähen, da man hier in Krankheitsfällen besser den Rumpf der Länge nach wärmt. Für größere Kinder und Erwachsene sind die größe ren, mäßig gefüllten Säcke ange- Diefen Wärmsäcken kommt die An nehmlichkeit zu, daß 1. die Wärme sich viel länger hält, als bei den Wärm flaschen, 2. daß die Wärm« gleichmä ßiger auf di« Füße einwirkt, weil sich der Fuß besser in di« Kerne einwühlen kann, ohne Gefahr zu lausen, datz er sich verbrennt, und 3. fehlen ihnen die übrigen Mängel der Wärmflaschen, das lästige Auslaufen, die Zerbrech lichkeit u. s. w. ringsum gut vernäht, direkt in die Ofenröhre gelegt, durch öfteres Wen den und Umstürzen wird man eine rasche und gleichmäßige Erwärmung aller Steine erreichen. Es darf jedoch ! die Platte im Ofen nicht von Eisen , sein, da sonst der Leineniiberzuz ver / sengt werden könnte. Ein Ziegelstein oder sonst ein« Unterlage hilft hier ab. : Man kann auch die Kerne in's heiß« > Wasser geben, läßt dass«lbe kochen, siebt die Steine durch ein angewärm > teS Sieb, trocknet sie rasch und flüchtig ob und füllt sie dann in den Sack. Jede - Hausfrau wird sich hierbei am besten s«lbst zu helfen wissen. ! Nicht nur gegen kalte Füße, auch , bei Kolikanfällen kann ein erwärmter, - nicht zu schwerer Sack gute Dienste thun, sobald nur überhaupt ein gerin - ges Gewicht auf txn Leib ertragen wird. Auch bei Gelenk- und Muskel- Rheumatismus, wo die örtlich« An wendung von Wärme so wohlthuend wirkt, ist der Kirschsack gut zu gebrau chen. Es gilt hier eben nur, durch be ständigen Wechsel zweier stark er- Glied zu umhüllen. So glaube ich, den Kirschsack für jeden Haushalt wohl empfehlen zu können als einfaches, praktisches Heilmittel. Warnen möchte ich aber davor, daß die Kinder die Kerne von der Straße aufsammeln. Es können an diesen Krankhcitskeim« haften, di« sich überall im Straßenschmutze finden, und Erkrankungen leicht übertragen werden. Die Kinder sollen vielmehr angehalten werden, keine Kerne auf die Straße zu werfen, sondern sie zu sammeln und im Papier oder sonst hat. Eine drollige Anekdote erzählt Mi der Vorhalle der St. Peterslirche am No. 10 High Street abgeben. kennt ihn genau." Wie erstaunt war Farben stehen sah! An vielen waren Zettel befestigt, daß die Schirme „ver sehentlich mitgenommen" wären, und