2 Der Bortraft. Wirklich durchgebrannt? fragte Dietrich Traumann, nur mühsam sein Erschrecken verbergend. Der Wirth zum „Goldenen Ochsen" nickte. „Zuerst der Direktor und nach» her alle Mitglieder. Nichts als Schul „Gespielt haben sie nicht schlecht. Punkt nach dem Dr., stutzte aber, als er seinen Namen zu Ende geschrieben. Eigentlich war das gefährlich. Die letzte schuldig gebliebene Zeche in Hupf latzen lastete ja noch auf seinem Ge richt mehr ändern. „Haben der Herr Doktor noch Ge päck am Bahnhof?" fragte der Wirth, als jener die Feder beiseite legte. bis ich weitere Dispositionen über mei nen Aufenthalt getroffen, für's erste genügt mir der kleine Handkoffer, den großartig als geheimnißvoll. „Sehr wohl," katzbuckelte der Wirth und ging zu einem benachbartenTifche, lei» rother Heller mehr geblieben, und den Nothfall bei sich behalten. Aber Plötzlich horchte er auf. Am Ne sicher ein volles Haus haben und mei nen Saal stelle ich gern zur Beifü gung; er faßt mehr als 300 Personen. „Um so besser, und morgen ist über dies Sonntag." „Aber läßt sich die Sache noch genü gend bekannt machen?" „Natürlich; morgen früh erscheint ja der „Fernauer Wochenbote" und Inserate werden noch aufgenommen. Die nötbiaen Vlatate und Zettel las sen sich heute noch drucken und aus schellen lassen können wir's auch." „Bon!" Traumann sprang froh erregt auf. „Ich werde sogleich gehen und alles besorgen. Den Verkauf der Eintrittskarten ich werde nur eine Marl Entree verlangen —würden Sie dielleicht übernehmen?" „Gewiß, mit Vergnügen, ..bringen 300 Mark und als solcher gehörte ihm die Welt. Jetzt aber, da er im Voll bewußtsein seines Sieges sich eine Fla er doch ein wenig nachdenllich. Was sollte er eigentlich den guten Fernauern lagen? Ueber Serbien wußten diesel- Schulzeit hatte er sich um die schönen Länder, „hinten weit in der Türkei" nicht mehr gekümmert. Aber über nichts konnte er doch lrotz aller ihm zu Gebote stehenden Beredsamkeit nicht sprechen, um jeden Preis mußte er sich irgend welches Material dazu verschaf- Glücklicherweise bejahte der Wirt die Frage, ob es im Städtchen eine Leihbibliothek gäbe. Der Kellner wurde sogleich hingeschickt, um den Ka talog zu holen und Traumann vertiefte sich mit großem Eifer in die Geheim nisse desselben. Aber seine Miene ward immer verdrießlicher. Da gab es nichts als Ritter-, Räuberyeschich^ Theaterstücke, aber kein einziges histo risch - geographisches Werk. Da war guter Rath theuer. Aus den Zeitungs berichten, die er während der letzten Tags gelesen, spulten ihm nur noch dunkel einige Namen und Begriffe im Kopfe herum, aber aus allen „it fchen und witschen" ließ sich noch kein Vortrag machen und vermuthlich hatte die ganze Weisheit auch schon im „Fernauer Wochenboten" gestanden. Das war eine schöne Geschichte. „Ein Königreich für ein Buch, ein Buch über Serbien!" murmelte er verzweifelt. Gott sei Dank auf der letzten Seite leuchtete noch ein Hoffnungsstern! Die Bibliothek befaß ein Eonversations- Lexilon. Was darin stand, konnte nur zur Noth genügen. Der befrackte Ganymed ward abermals abgesandt, um den rettenden S-Band zu ho len. Nach wenigen Minuten erschien er wieder. Traumann's Antlitz erhellte sicki, da er das dicke Buch erblickte. „Der Herr Doktor möchten entschuldi gen, aber das „S" umfasse zwei Bän de. von denen der zweite bereits aus geliehen" berichtete der Kellner. In düsterer Ahnung griff der Ko miker nach dem Bande und durchblät terte ihn. „Schockschwerenoth," rief er erbleichend „da haben wir's! Senf! Senf! Sinapis L., eine Pflanzengat tung aus der IS. Klasse, 2. Ordnung des Linn6fchen Systems." Verzwei felt starrte er auf die langathmige Ab handlung, mit der das Buch schloß. Ein anderer Wißbegieriger, der sich vermuthlich auch für Serbien interef sirte, hatte die Fortsetzung in Händen^ bibliothek angekommen, sah er seine letzte Hoffnung vernichtet. An der Thür tlebte ein Zettel: „Sonn- und Feiertage geschlossen." Was nun? Auf der einen Seite lockte verführerisch das Geld, auf der anderen Seite grin ste satanisch das abscheuliche Gespenst der Blamage. So viel war ihm llar, fertig wie Minerva aus dem Haupte des Zeus gesprungen. Der Wirth eilte ihm aufgeregt ent gegen. „Alle Billete sind abgefetzt," fall beinahe wäre alles umsonst ae ' wefen, der Vortrag hätte nicht stattfin den können." Sie! rief mich noch einmal zu sehen wünscht." „Und Sie wollen wirklich?" So üssen wir den Vortrag abs^ I' ! Ein Detachement russischer Kavallerie, aus Niutschwang ausrückend. „Gott sei Dank! Aber wie ist das übernimmt. Es ist ihm ein leichtes, um so mehr als er selbst mehrere Jah re in Serbien gelebt hat." Die Miene des Wirthes erhellte sich benachrichtigen?" „Das müssen Sie besorgen. Ich werde gleich auf mein Zimmer gehen und an ihn schreiben. Etwas nach drei Uhr wird der Herr Professor im „Grünen Baum" eintreffen. Dann schicken Sie auf der Stelle meinen Brief mit einer Empfehlung von Herrn Doktor Traumann hin und brauchen wird, bei." „Sehr wohl. Und wie ist es mit „Die erhält natürlich der Herr Pro fessor. Er wird auch meine Rechnung begleichen. Ueberdies komme ich wahr scheinlich in den nächsten Tagen zurück, falls sonst noch irgend etwas zu ord nen wäre." Damit eilte er aus dem Gastzim mer, während der Wirth ihm etwas ! Schon auf der nächsten Station Ollmen verließ Traumann den Zug wieder, in den er bei seiner schleunigen ! Abreise von Fernau gestiegen war. Ein Gasthaus und ein Barbier wür- , den in dem Neste schon zu finden sein. Mehr brauchte er Das andere und einen zweiten, eleganteren Anzug hatte. „Kleider machen Leute," war ein ihm als Schauspieler besonders wichtig dünkender Wahlspruch und in diesem Punkte vergab er sich nichts, so schlecht es ihm sonst oft gehen mochte. „Guter, todter Onkel, verzeihe mir die Sünde, daß ich dir heute erst die ewige Ruhe gönnen wollte, die du schon jahrelang genießt, und dir ein großes Vermögen andichtete", murmelte er, eilenden Schrittes in das Städtchen wandernd, von dem zwei Stunden später ein Zug nach Fernau zurückging aber du warst ja immer ein Freund vom Galgenhumor erzeugten.Stücklein deinen Segen nicht versagen." Punkt drei Uhr stellte sich der Kell- Der erwartete Professor war eben an gekommen, der Hotelwagen, der ihn vom Bahnhof hereingebracht, hielt noch den mittleren Jahren mit blonden Bartkotelettes, das Haar schon leicht ergraut, eine goldene Brille auf der Nase und über der linken Backe einen len?" I .Ist mein Freund, der Ihnen das „Verdammt, so muß ich wirklich aus Freundschaft in den sauren Apfel bet hen. Nicht wahr, bei Ihnen, im „Gol denen Ochsen" soll der Vortrag statt finden?" „Gewiß, Herr Doltor Traumann wollte —" „Ah, Sie wissen also schon gut so führen Sie mich sogleich zu Ih rem Wirthe, ich muß unbedingt wegen men." Der Kellner bemerkte nicht das sie gesgewisse Lächeln, das um die Lip pen des Herrn Professors spielte. Wahrhaftig, seine Maske war gut ge lungen, der Bursche, mit dem er ge „Ah, Professor Wester^am der Patsche reißen. j Als er pünktlich zur festgesetzten Stunde den Saal betrat, war der lung, daß das dumpfe Schweigen hier „Das soll ich Ihnen beweisen, Ver ehrteste," fuhr der Schauspieler fort, > Lehrer der Vortragskunst an der ! Theaterschule zu Berlin, soll Ihnen > len, indem er mir den Band „S" — des Converfations - Lexitons schickte. Aber begreifen Sie mein Entsetzen. > Artikel „Senf", Senf, sage ich, meine > Verehrtefteir, Senf." Die letzten des Gelächter „Soll ich Jh sen!" lation mit Wasser Senföl herstellen, Wassers, so lange es nicht gebrannt ist." Zur Bekräftigung seiner Be hauptung zog er plötzlich eine Schnap sslasche aus der Tasche und setzte sie an die Lippen. Die Mimik, mit der er das köstliche Naß einsog, dra- Verehrtesten, entscheiden Sie selbst. Wollen Sie, daß meine Wenigkeit statt einer langweiligen Beschreibung Ser biens, die Sie in Büchern und Zeitun gen viel besser lesen können, Ihnen et was von seiner Kunst zum besten gibt? Wenn nicht, dann meine Damen »nd lassen Sie sich Ihr Eintrittsgeld zu- Geld sich redlich verdient hatte. „Wie nicht „Da ist er schon." „Aber das ist ja" —das Wort sagte der Mann des Gesetzes in höf lichstem Tone „Ihnen ist ja wohl ein gewisser Herr Traumann be- kannt?" ' „Dr. Traumann, allerdings," sagte der Komiker mit starker Betonung. „Als solcher hat er sich im Fremden buch zu Katzenhups nicht eingeschrie „Ein gewisser Herr Traumann, der daselbst logirte und hierher reisen wollte, ist mit der Zeche durchgebrannt und der Löwenwirth hat Anzeige ge gen ihn erstattet. Wir besitzen sein ge naues Signalement." > Der Komiker warf sich in die Brust, j „Mein Herr, glauben Sie vielleicht, daß ich Zechpreller zu meinen Freun den zähle! Herr Dr. Traumann be tleidet eine angesehene Stellung als i Gelehrter in der Hauptstadt." s Der Genharm knickte, förmlich, zu» sammen. „Verzeihen Sie, ledenfalil liegt eine Verwechslung vor." „Eine Namensverwechslung, natür lich indessen, wenn ich Ihnen die Adresse des Herrn Dr. Traumann ge ben soll, sie steht zu Ihrer Verfügung." Er griff in die Brusttasche seines Ro ckes, als ob er eine Visitenkarte hervor ziehen wollte. „Nein, nein, bemühen Sie sich nicht, ist durchaus nicht nöthig," betheuerte der ganz verlegen gewordene Gendarm „wir sind jedenfalls falsch berichtet, die Sache wird sich schon aufklären, entschuldigen Sie nur." Und be schämt über seinen Mißgriff trat der Vertreter der hohen Obrigkeit den Rückzug an. Traumann lachte, aber es war nur ein stilles, inneres, dem Schicksal, das ihn so glückliche Wege geführt, von Herzen dankbares Lachen. In den Saal lehrte er nicht mehr zurück. Um dem Publikum das Wiederkommen zu versprechen, war ihm der Fernauer Boden doch zu heiß geworden. Nur auf der Bühne noch, aber nicht mehr im Leben wollte er fortan Komödie spielen. Glücklich wie ein Märchenprinz, der einen verzauberten Schatz gehoben, verließ der Komiker am anderen Mor gen das Städtchen. 400 baare Mark in Münze und Papier beherbergten seine Taschen. So viel Geld hatte er im Leben nicht beieinander gesehen. Und das alles war fein, bis auf die kleine Suznme, die er von der nächsten Station nach Katzenhupf absandte, zur Begleichung seiner Schuld, als des Löwenwirths, ergebenster Dietrich Durchschaut. Kohrs in Steimke, genannt der „große" Kohrs, zum Unterschiede vom Eck-, Buten-, Schaper-, Appel-, Barg, und Humpel-Kohrs (es tohrst sich da alles), Christopher Kohrs also, der Große, der Vollmaier und Schulvor steher, zwei Tonnen Gold schwer im Vermögen, wie die Leute fchwögen: zum Finanzminister hätte er gut ge paßt. Auf alles Fragen antwortete er immer pfiffig-verbindlich: „Jau!" Wenn's aber irgend auf den Beutel abzielt, grunzt er ungemllthlich, mit Entschiedenheit: „Nee!" Damit Punkt um. Dennoch hat er sein sterblich Fleck chen. Seinen berühmten Dünger lo ben, um den ihn alle W:lt beneidet, kann ihn gnädig stimmen. Nämlich aus seine Kunst rationellen Miftma chens thut Christopher Kohrs sich et was zu Gute, und sein Haupt-Kraft spruch, den er immer im Munde hat, lautet: „Wo der Mistwagen nicht hin kommt, da Gottes Segen auch nich, Herr P'stohr!" Christopher Kohrs hat durchaus nur Sinn für's Praktische, und für nehmlich alles, was mit Wort und her gewählt. Man gut, Steimke hat seinen alte.» Schullehrer Hermann Stühmke noch Welt, genügsam, «in Märtyrer der Kultur. Am lernen seine Lämmer sin wichtigsie im prattifchen die Rechenkunst, braucht ein «chtdurtiger Steimker keinen Schulmeister; das kann er aus sich selber, denn die Steimker haben „Grips" von Natur. Was will man also mehr? Die 2SO Thaler Gehalt für „Schulmeisters Vater" hält jeder im Dorfe für ein wahres Sündengeld. I Nun aber soll man gar noch zulegen. Befehl von oben, Regierungsbefchluß; 300 Thaler voll nunmehro endlich, als geringsten Satz sür eine Schulstelle in preußischen Landen. Jawohl, endlich! Die Steimker aber schimpfen ent rüstet: Keinen Pfennig! Die Kinder lernten so genug für's .Geld, über lei- 50 Thaler mehr, wozu? Narrenspof» sen! Und gar noch extra Schulvor ftandssitzung deswegen, mit dem Herrn Landrath selber? „Ha, lat'n man la men, h«i tann sick up'n Proppen sel ten!" Christopher Kohrs will's auf Doch der Herr Landrath von Pufen» dorf in Isenhagen ist ein guter Stra tege und kennt seine Steimker. Zei tig macht er sich am festgesetzten Tage auf den Weg, und eine volle Stunde hält die landräthlick?« Kutsche vor'm bei feinem „Nee", so ist alle Mühe ver geblich sür diesmal," seufzte der Herr Landrath, indem er aussteigt. „Hm, also der Düngerhaufen..." Freundlich begrüßt er darauf den Bauer und schüttelt ihm die Hand: „Sieh da, lieber Kohrs, wollt' schon lange mal besuchen und mir Ihren schönen Hof ansehen. Doch kommen Sie erst aber 'n paar Schritte in die Feldmarl: die Füße 'n bischen vertre ten, war srisch heut Morgen!" „Wetter ja, der reine Weizenboden! Steht ausgezeichnet alles in Steimke, der Roggen, Haser, die Kartoffeln wohin man blickt, und bei Ihnen am besten, Kohrs." „Jau nich so slimm," schmun zelt der Bauer. Und den Hof sodann betretend, schwögt der Herr Landrath: „Famos, alles im Stande, Kohrs, famos, prachtvoll, großartig, jawohl! Die schöne neue Scheune, sagen Sie, haben Sie wohl neugebaut?" „Jau heww ich!" „Und die vielenGänsekülen auf dem Grashofe, die Obstbäume zum Brechen voll köstlich, wie einem die Aepsel anlachen! das wirft im Herbst was ab; will ich meinen!" Und weiter bei der Schweinebucht: „Nein, solche Prachtserken! Der beste ungar'sche Schlag dickenKops, kurz beinig, feinknochig, und wie sie fressen! Die setzen an, da machen Sie 'n Ge schäft mit, Michaelismarlt, Kohrs!" „Jau sei gelt man nix van dag." Ein Blick daraus in den Kuhstall: „Was tausend, wie viele Köpfe 12, 14,16 und der stattliche Bulle, die bei den Mastochsen, 's ja 'ne Pracht, 'n wahrer Staat! Das gibt Prämien, Thierschau, Kohrs, ich wette." Der Bauer schweigt und macht ein Gesicht wie eine Kruke Essig. Mutter Kohrsen aber, die auch mit herumgeht und ausschließt, ärgert sich über ihren unhöflichen Mann und pufft ihm heimlich in den Wanst: gen Hund, Mann! Dhau't Mul up un segg doch ot mal wat, lat'n Herr Landrath nich ümmer egal weg alleene snacken"" . « „Ich sehe, Kohrs," meint voller Freundlichkeit der Herr Landrath dar auf im Weitergehen: „Die Steimker können's in der'That, reickx Gemeinde! Sind ja noch so Stücker 7, 8 Vollhöfe da. Doch gut, daß ich mich in Steimke endlich 'mal genauer umsehe." Und auf die Düngerstätte ininitten des Hofes steuert darauf der Herr Landrath in langen Schritten, betrach tet sie eine Weile stumm, setzt eine großartige Kennermiene aus und will ausholen zum letzten Streich —da aber tritt Christopher Kohrs ihm in den Weg, verzieht pfiffig das Maul „Herr Landrath, is all gaud, Sei fünd so wiet 'n ganzen gemeinen (um gänglich) Minschen, äwerst deswegen kriegt unse Schaulmester doch nich mehr! Nee!" Alter und Schönheit. wußte. Aspasia war 36 Jahr« alt. als sie Perilles heirathete, und 30 Jahre O«st«rreich war 38 Jahre alt. als sie für eine d«r schönsten Frau«n Europa'« Königin weiblich«r Schönheit, mit 40 Jahren. JmEiferdtsGefechtes. Vertheidiger (eines Einbrechers): Völlig ungerecht ist der meinem Klien tin gemacht« Vorwurf der Arbeits ne Arbeit! —Vi> r 112 i'ch t, Leutnant (zum Burschen): „Diesen Abend wird In der Laube Geburtstag gefeiert. Mül ler! machen Sie alles zurecht, und schreiben Sie mit Kreide an die Gar tenpfvkk: .Achtung! Sektpfropfen!" ,